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Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
In einer Klausurtagung im Mai rangen wir um diesen Satz. Andere gute und richtige Sätze mussten wir hinter uns lassen, um uns schließlich für den einen zu entscheiden. In den letzten zwei Monaten beschäftigten wir uns in Einzelgesprächen und Gruppenstunden mit den Inhalten dieses Satzes. Verbesserungsvorschläge wurden eingebracht, die wir im Bezirksvorstand prüften. In unserer Sitzung Mitte Juni bestätigten wir nun den Satz unserer Klausurtagung, wohl wissend, dass die Verbesserungsvorschläge nicht verloren sind, sondern den Inhalt des Satzes notwendig verstärken. So sind Ihrer aller Gedanken und Gebete mit in diesen Satz geflossen und werden auch weiterhin nötig sein, um ihn wirklich in unsere Herzen einsickern zu lassen. "Von Jesus berührt, wollen wir Dich zu IHM führen." Der erste Teil des Satzes wird uns heute beschäftigen: „Von Jesus berührt…“ Von Jesus berührt worden ist ein Mann in Jerusalem. Seine Geschichte mit Jesus führt uns zum Kern unseres Glaubens, wo Jesus uns in unserem Innersten berührt hat und verändert. Jesus hielt sich im Jerusalemer Tempel auf. Er führte Streitgespräche mit den Pharisäern, die immer mehr eskalierten, bis sie ihm entgegen schleuderten: „Du bist vom Teufel.“ Sie hoben Steine auf und waren kurz davor, Jesus zu steinigen. Doch der entzog sich ihnen und verließ den Tempel. Johannes 9,1-7 Als Jesus dies gesagt hatte, spuckte er auf den Boden und rührte einen Brei mit seinem Speichel an. Er strich den Brei auf die Augen des Mannes und befahl ihm: »Geh zum Teich Schiloach und wasche dir das Gesicht.« Schiloach bedeutet: der Gesandte. Der Mann ging dorthin und wusch sein Gesicht. Als er zurückkam, konnte er sehen. Direkt vor dem Tempel saßen die Armen und Versehrten und hofften auf ein Almosen der Pilger. Jesus ging an ihnen vorbei, sicher nicht mit der Absicht, sich bei ihnen aufzuhalten, war er doch auf der Flucht vor den Steinen der Pharisäer. Doch sein Blick streifte einen Mann, der nicht nur arm war, sondern auch blind. Von ihm wusste man offenbar, dass er schon seit seiner Geburt blind war. An diesem hoffnungslosen Fall am Tor zum Tempel, der nicht von sich aus in Kontakt mit Jesus treten konnte, blieb Jesu Blick hängen. Die Jünger sahen nur das Vordergründige, dass der Mann seine Krankheit offenbar einer schweren Schuld in der Vergangenheit seiner Eltern zu verdanken hatte. Jesus sah weiter. Auf die Frage, wem der Mann sein Schicksal zu verdanken hatte, ging er nicht ein. Der Kranke war für ihn kein Objekt der Spekulationen über Erbschuld, sondern in ihm sah Jesus einen Menschen, an dem Gott jetzt Großes tun wollte. Der hoffnungslose Fall wurde zum Kronzeugen für Gottes Sicht auf ein Menschleben. Kein Leben ist wert- und sinnlos. Gott erweist sich und gibt ihm Sinn und Wert. Auch ein imposantes Leben mit Ruhm und Erfolg wird erst dadurch sinnvoll, dass Gott sich in diesem Leben zeigt und an dem Menschen handelt. Jesus, so sagt er von sich, ist das Licht der Welt. Er bringt in die Dunkelheiten des Lebens Licht, damals in das Leben des Blindgeborenen und heute in unser Leben – mag es von Krankheit gezeichnet sein oder sich auf der Sonnenseite abspielen. Die Nacht, von der Jesus hier sprach, beschreibt die drei ohnmächtigen Tage des Todes zwischen Karfreitag und Ostern. Als nachösterliche Gemeinde erfahren wir sein Licht vermittelt durch seinen Heiligen Geist, den Tröster, der uns Jesus nahe bringt. Jesus berührt Merkwürdig mutet die Heilungsmethode Jesu an. Wissen wir doch von anderen Jesus-Begegnungen, dass Jesus allein durch sein Wort auch über große Distanzen hinweg heilen kann. Wozu dann ein Brei aus Speichel und Erde? Wieder hilft ein Blick auf den roten Faden des Johannesevangeliums. Gott zeigt diesem Kranken seine Schöpferkraft. Er macht buchstäblich einen neuen, sehenden Menschen aus ihm. Wie Gott im Garten Eden den Menschen aus Erde formte und ihm seinen Geist einhauchte, so benutzt Jesus jetzt Erde und seinen Speichel, dem Atem Gottes sehr nahe. Kein magischer Brauch wird uns hier vor Augen geführt, sondern Gottes Wirken, der Menschen aus Staub und Atem schaffen kann. Nicht nur die Augen des Kranken werden geheilt, sondern der ganze Mensch wird in eine neue Beziehung zu Gott gesetzt und sehend. Jesus schickt den Mann, der den dicken Brei auf den Augen hat, quer durch die Stadt, fast einen Kilometer weit zum Teich Schiloach. Einen Blinden so weit weg zu schicken ohne ihn zu begleiten oder ihm Begleiter mit zu geben, ist ungewöhnlich. Auch hier drängt sich die Frage auf, ob es denn kein näheres Wasser gegeben hätte. Die Übersetzung des Namens der Quelle, „Gesandter“, kann weiterhelfen. Jesus ist die Quelle des Lebens, er ist der von Gott Gesandte, der die Vollmacht hat, Leben zu schenken. Indem der Mann sich auf den Weg machte, zeigte er sein Vertrauen zu Jesus. Er hörte auf ihn und gehorchte ihm. Offenbar ist das wichtig, um ein Sehender zu werden. Am Teich Schiloach wusch der Blinde sein Gesicht mit Quellwasser und konnte sehen. Versuchen wir uns nur ein paar Sekunden in seine Lage zu versetzen: Er sah das erste Mal in seinem Leben seine Hände vor dem Gesicht, schaute an sich herab, erblickte sein Gesicht im Spiegelbild des Wassers. Er schaute nach rechts und nahm andere Menschen wahr, die ihre Wasserbehälter füllten. Vielleicht fiel er vor Glück auf die Knie und lobte laut Gott, vielleicht tanzte er am Ufer entlang, umarmte die Menschen, die dort in Alltagsgeschäften unterwegs waren. Vielleicht rannte er los, um es gleich seiner Familie zu erzählen. Der Verkehr auf den Straßen wird ihn verwirrt haben, so Vieles gab es jetzt zu entdecken für ihn, dessen Dunkelheit hell geworden ist. Reaktionen Da sind die Nachbarn. Sie sind sich nicht sicher, ob der Geheilte wirklich der ist, den sie als hoffnungslosen Fall aus der Nachbarschaft kannten. Merkwürdig, sie hatten ihn offensichtlich nie genau angeschaut. Den Blindenstock hätten sie wiedererkannt, seine Gesichtszüge waren ihnen egal gewesen. Hoffnungslose Fälle waren ihnen egal. Auf die Frage, wer ihn denn geheilt hat, antwortet der Mann: „Der Mensch, der Jesus heißt, hat mich sehend gemacht.“ Von Jesus hatten sie schon etwas gehört. Das war gefährliches Terrain. War diese Heilung rechtens? Sollten die Pharisäer entscheiden, was da geschehen ist. Die Pharisäer sind die Aufsichtsbehörde. Ihnen geht es wie den Nachbarn nicht wirklich um den Mann. Sie interessieren sich viel mehr für Jesus. Kein Wunder, war er doch gerade ihren Steinen davon gelaufen. Sofort fanden sie den Angriffspunkt. Jesus hatte an einem Sabbat geheilt. Das Anrühren eines Breis war am Sabbat verboten. Doch sie hätten sicher auch irgendeinen anderen Grund gefunden, um Jesus per Gesetz das Handwerk zu legen. Den Geheilten brauchten sie nur für die Zeugenaussage und provozierten damit sein zweites Bekenntnis: „Er ist ein Prophet“, also ein Mann, der im Auftrag Gottes handelt. Was sollten die Pharisäer dieser Aussage entgegensetzen? Sie holten sich weitere Zeugen hinzu, die Eltern des Mannes. Die Eltern bestätigen: ein hoffnungsloser Fall, blind geboren, blind geblieben, zum Betteln verurteilt. Seltsam distanziert erscheinen sie. Dass der Junge gesund ist, müsste für sie doch das Größte sein. Jahrelang haben sie sich gesorgt, offensichtlich hat ihr Geld nicht gereicht, ihn noch mit zu versorgen. Betteln war die einzige Alternative. Statt sich zu freuen, haben sie Angst um ihre Zukunft. Stellen sie sich auf die Seite des Sohnes, fliegen sie aus der Synagogengemeinschaft raus. Doch sie wollen dazu gehören. So verweigern sie eine Aussage und liefern ihren Sohn, der gerade ein neues Leben beginnt, den Pharisäern und neuer Ungewissheit aus. Die Pharisäer kommen nicht weiter. Sie beginnen ein neues Verhör mit dem Mann, das in einen Streit mündet: Wer kann heilen? Eine solch schwere Krankheit doch nur der, der von Gott befähigt ist. Der Mann bekennt zum dritten Mal und zeigt, wie er Jesus immer näher kommt: „Jesus kommt von Gott“. Wie angekündigt, wird der Mann aus der Synagogengemeinde ausgeschlossen und verliert seine geistliche Heimat. Jesus, der die ganze Zeit über verschwunden war, trifft erneut auf den Mann und fragt ihn: „Willst du zu mir gehören?“ Der Mann antwortet: „Herr, ich will dir allein gehören.“ Die Jesus-Begegnung ist vielschichtig.
Wir sind von Jesus berührt. Damit meinen wir im Sinne unseres Leitwortes, dass Jesus unser Ein und Alles ist und er uns neu geschaffen hat, so dass wir sagen können „Ich will dir allein gehören“. Wir sind sehend geworden für Gottes Handschrift, seine Fußabdrücke, seine Wege und Führungen in unserem Leben und unserer Welt. Wir sind bereit, anderes loszulassen, Konsequenzen zu tragen, weil Jesus uns wirklich sieht, kennt und liebt. Das eröffnet eine Zukunft ohne Grenzen. Cornelia
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