Einladung zum Empfang
Gottesdienst am 15.08.2004

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
nehmen wir einmal an, der neue Bundespräsident Horst Köhler möchte sich im Sommerloch über die Anliegen der Bürger genauer informieren. Dazu werden 100 Personen ausgewählt, die das typische Deutschland dieser Tage widerspiegeln. Sie werden zu einem Empfang mit Abendessen ins Schloss Bellevue eingeladen, Flug nach Berlin und Übernachtung inklusive. Frau Müller ist eine, die eine Einladung erhält. Sie freut sich und inspiziert sofort ihren Kleiderschrank, bucht einen Termin beim Frisör und überlegt, was sie den Bundespräsidenten fragen könnte. Den Politikteil der Zeitung und politische Sendungen verfolgt sie ab jetzt mit geradezu begeistertem Interesse. Freunde fragen sie, ob sie eine Fastenkur beginnt, um beim Abendessen Buffetkräftig zulangen zu können. Aber sie wehrt energisch ab. Auf das Abendessen kommt es ihr nun wirklich nicht an, sie will Herrn Köhler treffen, ihn kennen lernen, auf das Essen kann sie verzichten. Einige wenige Freunde raten ihr, doch zu diesem Empfang lieber nicht zu gehen. Was soll sie denn da schon Neues erwarten? Herr Köhler kann die schwierigen Wirtschaftsprobleme dieser Tage auch nicht lösen. Es wäre für sie doch nur Zeitverschwendung. Aber Frau Müller vermutet, dass dieser Rat doch dem Neid des Besitzlosen entspringt, der selbst gerne eingeladen worden wäre. Undenkbar, dass sie die Einladung ausschlägt.

Eine noch viel hochrangigere Einladung liegt jeden Morgen auf meinem Nachttisch. Es ist Gottes Einladung zu einem Empfang mit ihm. Er lädt mich ein, eine besondere Zeit mit ihm zusammen zu sein. Er hält sich den ganzen Tag frei für mich, ich kann Zeit und Ort bestimmen. Auch ein Essen ist inklusive. Ich wäre dumm, diese Einladung auszuschlagen. Ich kann Gott besser kennen lernen. Es ist etwas Besonderes, das sich aus dem Alltag abhebt. Hier bin ich keine austauschbare Nummer, sondern persönlich eingeladen von meinem Schöpfer. Und wie Frau Müller stelle ich fest, dass es auch mir nicht auf das Essen ankommt, also darauf, was ich bei diesem Empfang absahnen kann, sondern dass ich gespannt bin , Gott besser kennen zu lernen.

Dieser Empfang ist die Zeit des Gebets. Das Protokoll ist festgelegt im Vaterunser, das Jesus seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern weitergegeben hat. Mit dem ersten Satz begrüßt uns Gott und wir antworten "Vater unser im Himmel". Damit drücken wir aus, dass wir Gott kennen, er ist uns in Jesus Christus als Vater entgegen gekommen. Wir nehmen seine Einladung an, die uns als Christen zusammenführt, "unser" Vater nimmt sich Zeit und sorgt für uns.

Das Protokoll eröffnet nun die Zeit der Selbstvorstellung Gottes. Nicht das kalte Büffet und die Schlacht am kalten Büffet stehen im Mittelpunkt, sondern der Gastgeber. Wer ist der, der mich und Sie als VIPs einlädt? In drei Stichworten charakterisiert das Vaterunser Gott. Es geht um seinen Namen, sein Reich und seinen Willen. Darüber möchte er uns in der Zeit des Gebetes etwas mitteilen. Nicht zufällig beginnt der Empfang mit einem Lobpreisteil, einer Anbetungszeit. Wir treten ein in den Einflussbereich Gottes, er kommt auf uns zu und berührt uns, verändert und bewegt uns.

Matthäus 6,9-10
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Dein Name werde geheiligt

Hinter dieser Aussage verbirgt sich die Frage: Wer ist Gott? Um welchen Namen geht es und für wen steht der Name? 
Als das Volk Israel versklavt in Ägypten lebte, wählte Gott Mose aus, um das Volk aus Ägypten in die Freiheit zu führen. Gott schickte Mose nicht auf ein Seminar für Führungskräfte, um ihn mit den neusten Managementmethoden vertraut zu machen. Er versprach kein Spitzengehalt, um ihn von den Viehweiden in die Chefetage zu locken. Er begann seine Geschichte mit Mose in einem brennenden Busch mitten in der Wüste, wo er Mose begegnete und mit ihm sprach. Dabei nannte er Mose seinen Namen und stellte sich selbst vor. Diese Worte möchte ich kurz zitieren.

2.Mose 3,7-8+13-15

Der HERR sagte: "Ich habe genau gesehen, wie mein Volk in Ägypten unterdrückt wird. Ich habe gehört, wie es um Hilfe schreit gegen seine Antreiber. Ich weiß, wie sehr es leiden muss und bin herabgekommen, um es von seinen Unterdrückern zu befreien." ... Mose sagte zu Gott: "Wenn ich nun zu den Leuten von Israel komme und zu ihnen sage: 'Der Gott eurer Vorfahren hat mich zu euch geschickt', und sie mich dann fragen: 'Wie ist sein Name?' - was soll ich ihnen sagen?" Gott antwortete: "Ich bin da", und er fügte hinzu: "Sag zum Volk Israel: 'Der Ich-bin-da hat mich zu euch geschickt: der HERR! Er ist der Gott eurer Vorfahren, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.' Denn ' HERR' (Er-ist-da) ist mein Name für alle Zeiten. Mit diesem Namen sollen mich auch die kommenden Generationen ansprechen, wenn sie zu mir beten."

Wir lernen Gott kennen in dieser Begegnung vor langer Zeit. So wie er Mose gegenüber getreten ist, so sieht er unsere Situation. Er hört unsere Hilferufe. Er weiß um unser Leiden. Er kommt hinein in unseren Alltag. Sein Name ist dafür Programm. Er ist da, wo wir sind. Er stellt sich uns zur Verfügung. 

Gottes Namen zu heiligen, ist das Gegenteil vom Missbrauch seines Namens. Doch was bedeutet eigentlich Missbrauch? Kann nicht auch der Gebrauch zum Missbrauch werden, indem wir den Namen Gottes so oft im Mund führen, dass er gewöhnlich wird, sich abnutzt und schließlich bedeutungslos wird? So erleben wir das ja, wenn Mitmenschen "ach Gott" ausrufen oder gar ins "ach Gottchen" abgleiten. Da ist nichts mehr zu spüren von einer Einladung zu einem großen Empfang, der uns in Aufregung und Vorfreude versetzt. Gebrauch und Missbrauch liegen eng beieinander. So muss das Heiligen des Namens noch etwas anderes bedeuten. Abgeleitet von der Begegnung am brennenden Dornbusch steht der Name für Gott selbst und seine Souveränität. Gott ist mit dem Namen nicht einzufangen. Sein Wirken ist frei. Er kommt zu uns und eröffnet uns sein Wesen. Wir können es uns nicht selbst zurecht legen. Gottes Namen zu heiligen bedeutet, seine Nähe zu suchen und ihm Raum zu geben, mit uns zu reden. 

Wie Mose die Schuhe auszog, um sich dem brennenden Busch zu nähern, so sind wir eingeladen, uns Gott zu nähern und auf seine Stimme zu hören. Das braucht Zeit, mit einem kurzen Vorbeischauen ist es nicht getan. Wenn wir beten "dein Name werde geheiligt", dann müssen wir eigentlich eine Pause einlegen und hinhören, wo wir sein "Ich bin da" wahrnehmen. Ja, diese Pause und Gottes "Ich bin da" sind die Voraussetzung, dass etwas in der Stillen Zeit passiert und wir Gott kennen lernen, aber auch selbst den Weg in die Zukunft erkennen. Wie das praktisch aussehen kann? Mancher macht gute Erfahrungen mit einem Gebetstagebuch, wo er festhält, was bei dem täglichen Empfang passiert. Da kann stehen "Dein Name werde geheiligt - heute ist mir deutlich geworden, dass Gott mir für die Situation XY besonders Mut machen will. Als ich um seine Gegenwart bat, da kam mir diese Situation in den Sinn und ich wusste, Gott will darin wirken. Ich will darauf vertrauen, dass er da ist."

Dein Reich komme

Jesus sprach in vielen Begegnungen und Gleichnissen vom Reich Gottes. Gleich am Anfang seiner Wirksamkeit forderte er Menschen auf, von ihrem Leben ohne Gott umzukehren in die Gemeinschaft mit Gott, weil sein Reich nahe herbei gekommen ist. Als ihn Pharisäer einmal fragten, wann denn nun das Reich Gottes kommen würde, antwortete er:

Lukas 17,20-21

"Ihr dürft nicht nach Vorzeichen ausschauen und an allen möglichen Orten nach ihr suchen! Denn schon jetzt, mitten unter euch, richtet Gott seine Herrschaft auf!" 

Damit meinte Jesus sich selbst, mit dem Gott sein Reich aufrichtete. Jesus lebte unter uns Menschen als Sohn Gottes und Botschafter seines Reiches. Er verkörperte Gottes Liebe, sein Erbarmen, Vergebung, Befreiung und Heilung. Er brachte Menschen in die Gemeinschaft mit Gott und ließ sie ein Ziel für ihr Leben finden. Er machte deutlich, dass er am Ende der Zeiten ein für alle sichtbares Reich aufrichten wird und lud dazu ein, diesem Ziel entsprechend das Leben jetzt und hier zu gestalten. Wenn wir um das Kommen dieses Reiches beten, dann in dieser doppelten Perspektive, dass Jesus hier unter uns sein Reich wie ein Senfkorn sät und es wachsen kann. Wir beten aber auch darum, dass Gottes Reich sichtbar für alle kommt und die Zeit vollendet ist, während der wir unter den Folgen der Gottestrennung leiden müssen.

Gottes Reich ist sichtbar in Jesus, um ihn geht es bei dieser Bitte: Komm, Jesus, komm - hier und heute und am Ende der Zeiten. Damit ist das Gebet auch Bekenntnis. 

  • Ich bekenne, ich möchte zu diesem Reich dazu gehören.
  • Ich möchte umkehren, weg von meinen selbstgewählten Wegen hin zu Jesus.
  • Ich möchte mich beteiligen an den Zubringerdiensten zum Reich Gottes und meine Mitmenschen einladen dazuzugehören.
  • Ich erwarte das zukünftige Reich Gottes mit Vorfreude und Engagement.
  • Was in Zukunft gelten wird, soll mein Leben schon hier und jetzt bestimmen - Liebe, Versöhnung, Heilung und Erbarmen.
Auch bei diesem zweiten Du lädt Gott uns ein zum Innehalten. Dein Reich komme - wir können uns einen Augenblick Zeit nehmen und eine Jesusgeschichte lesen aus den Evangelien. Sie offenbart uns immer wieder neue Seiten von Jesus und seinem "Ich bin da" in unserem Leben.

Dein Wille geschehe

Nach Gott und Jesus Christus werden wir mit dieser dritten Selbstaussage Gottes auf den Heiligen Geist gewiesen. Er ist die Kraft, die uns Gottes Willen ganz konkret in unserem Leben klar macht und uns ermächtigt, nach seinem Willen zu leben. Sicher, in der Bibel gibt es von den ersten Sätzen an deutliche Aussagen zu Gottes Willen. Sein Wille für uns ist, dass wir in einer vertrauensvollen und liebevollen Beziehung zu ihm leben, ihm abnehmen, dass er uns mit seinen Grenzziehungen schützen will und dass wir in einer solchen Beziehung auch zu unseren Mitmenschen leben. Dieser grundsätzliche Wille Gottes zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Gottes mit den Menschen, trotzdem es zu Enttäuschungen, Brüchen, Schuld und Versagen kam. Jesus hat diesen Willen Gottes zum Guten immer wieder betont. Im Gleichnis vom verlorenen Schaf beschrieb er Gottes Werben um jeden Menschen mit der Suche des Hirten nach dem einen von seinen 100 Schafen, das sich verirrt hatte:

Matthäus 18,13-14

"Und wenn der Hirte das Schaf dann findet - ich versichere euch: Er wird sich über das eine Schaf mehr freuen als über die neunundneunzig, die sich nicht verlaufen haben. Genauso ist es mit eurem Vater im Himmel: Er will nicht, dass einer dieser kleinen, unbedeutenden Menschen verlorengeht." 

Der Heilige Geist ist die Kraft Gottes und Jesu Christi, die uns Gottes Willen so lebendig macht, dass wir ihm vertrauen können. Die Buchstaben werden lebendig und zu einer Liebeserklärung an uns: Ich darf mich finden lassen, mir geht Gott hinterher, er möchte, dass ich zu ihm gehöre, ich bin ihm nicht gleichgültig. Dadurch rücken alle anderen Mächte ins zweite Glied, die uns ihren Willen aufzwingen wollen. Gottes Wille führt zum Leben, auf ihn kommt es an, sein Wille soll alles durchdringen und verändern.

Gleichzeitig geschieht noch etwas anderes, nicht weniger Faszinierendes. Der Heilige Geist treibt uns an, in die Fußspuren des Gotteswillens hineinzutreten und seinen Willen zu befolgen. Das sieht sehr individuell aus. Für den einen bedeutet es, seinem Vater zu vergeben, der ihn durch seine Ablehnung in lang anhaltende seelische Nöte geführt hat. Für die andere heißt es, an ihrem Arbeitsplatz für Frieden einzustehen und bei dem hinter dem Rücken Reden ein Stoppschild hochzuhalten. Für mich stellt sich die Frage nach dem Willen Gottes angesichts unserer Gemeinde und ihrem Weg in die nächste Zukunft. Gott will offensichtlich, dass Kinder und Jugendliche durch unsere Gemeinde in Kontakt zu ihm kommen. Wie kann ich dazu beitragen, diesem Willen entsprechend zu handeln?

Dem Willen Gottes auf der Spur zu bleiben, erfordert Zeit und Muße. Bei einem Spaziergang, in einem anregenden Gespräch, mitten bei der Arbeit kann uns aufgehen, wie die nächsten Schritte aussehen. Der Heilige Geist wird uns darin gewiss machen.

Gott lädt uns mit dem Vaterunser zum Empfang ein. Als erster Punkt auf der Tagesordnung steht nach der Begrüßung die Selbstvorstellung Gottes. Er ist da, er lässt uns mit Jesus Christus vereint Bürger seines Reiches sein und er zeigt uns seinen Willen durch den Heiligen Geist. Wir sollten diese drei Sätze nicht herunterleiern wie eine Eintrittsformel zum himmlischen Bereich, sondern uns Zeit nehmen, auf Gott zu hören. Er hat viel mehr zu sagen, als wir uns vorstellen können. Lassen wir ihn zu Wort kommen, bevor das Büffet (unser tägliches Brot gib uns heute) eröffnet wird.

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_einladung_zum_empfang.htm