Brot zum Leben
Gottesdienst am 29.08.2004

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
montags gehen 70.000 Menschen auf die Straße, um gegen die neuen Sozialgesetze zu demonstrieren, fast täglich hören und lesen wir Berichte von Menschen in den Medien, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, viele Bewerbungen geschrieben haben, sich um ganz verschiedene Arbeitsstellen bemüht haben, doch alles ohne Erfolg. Sie stellen sich die Frage, wie es für sie weitergehen soll, ob sie ihre Wohnung halten können, wie weit sie ihren Lebensstil einschränken müssen. Über die rein wirtschaftlichen Fragen hinaus stellen sie fest, dass ihre Würde auf dem Spiel steht. Sie sind ausgemustert, an den Rand gestellt und ihnen wird vermittelt, dass niemand sie braucht.

Die Not unserer Tage wird in der Bibel aktuell aufgegriffen. Denn zu allen Zeiten gab es Menschen, die um ihre Existenz bangen mussten, deren Leben für die Gesellschaft nicht viel Wert zu haben schien und um die sich niemand kümmerte. Ihnen wird ein besonderer Platz in der Bibel eingeräumt, sie sitzen in der ersten Reihe bei Gott, und Jesus ist zuerst auf sie zugegangen. So verwundert es auch nicht, dass in dem Gebet, das Jesus uns als Grundlage unseres Redens mit Gott mitgegeben hat, die Bitte der Bedürftigen an zentraler Stelle formuliert ist. 

Matthäus 6,11
Unser täglich Brot gib uns heute.

Diese Bitte wurde von Jesus für die materiell Armen formuliert. Wörtlich übersetzt heißt es: "Das Brot für morgen gib uns heute". Heute brauchten diese Menschen die Zutaten für ihr Brot, das morgen erst fertig sein würde. Der Sauerteig wirkte einen Tag, um den Teig zu durchdringen. So ist der Vorlauf von einem Tag für das morgige Brot gut verständlich. Es ging Jesus hier zuallererst um das Grundnahrungsmittel zum Überleben. Wenn wir uns jetzt mit dieser Bitte beschäftigen, müssen wir das im Blick behalten. Jesus ermutigt uns, um unsere Grundbedürfnisse zu bitten. Von Sahnetorten, Schokoriegeln oder Kalbsbraten in Brotteig ist nicht die Rede. 

Was sind für uns Grundnahrungsmittel wie das tägliche Brot? Materiell lassen sich schnell die wesentlichen Dinge aufzählen. Es sind Sachen, die wir auch auf der einsamen Insel brauchen würden, wenn es uns als Schiffbrüchige dahin verschlagen würde, Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf, warme Sachen zum Anziehen. Aber zu dieser materiellen Grundausstattung gehören die anderen Bedürfnisse, ohne die wir genauso wenig überleben können. Wie die Luft zum Atmen benötigen wir liebevolle Beziehungen, möglichst gute Gesundheit, Aufgaben, in die wir uns investieren können und ein Lebensziel, das uns die unebenen und anstrengenden Phasen überwinden hilft.

Wenn ich "unser täglich Brot gib uns heute" bete, ertappe ich mich dabei, dass meine Bitten oft von den Grundbedürfnissen so weit entfernt sind wie die Sahnetorte vom Alltagsbrot. Ich bitte darum, dass Jesus mir Gelingen für meine Vorhaben schenkt, statt darum zu bitten, von ihm die Aufgaben zu bekommen, bei denen sich mein Arbeitseinsatz lohnt. Ich brauche Gott für die Erfüllung meiner Lebensziele, statt auf sein Ziel für mich aufmerksam zu werden. Ich bitte um Gesundheit, bin aber zu faul, eine halbe Stunde am Tag etwas für meine Gesundheit zu tun. Ich bitte darum, dass ich von liebevollen Menschen umgeben bin, schere mich aber selbst herzlich wenig darum, ob meine Mitmenschen etwas Liebes von mir hören. Hier merke ich, dass Jesus meine Bitten verändern will. Das geschieht in vier Schritten.

Wir bitten Gott

Schaut man Fernsehen oder liest die Zeitung, kann leicht der Eindruck entstehen, bei unserer derzeitigen wirtschaftlichen Lage ist die Adresse unserer Bitten die Bundesregierung. Die fordern wir heraus, Arbeitsplätze zu schaffen, unseren wirtschaftlichen Standard zu halten, per Gesetz der Habgier von wenigen Einhalt zu gebieten. Sicher hat eine Regierung die Aufgabe, die Geldströme des Landes zu kontrollieren und im Interesse der Bedürftigen Gerechtigkeit walten zu lassen. Aber wird eine Regierung es schaffen, uns glücklich, zufrieden und erfüllt zu machen? 

Jesus bietet uns an, uns direkt an Gott zu wenden mit unseren existenziellen Nöten. Er ist der, der die Welt in der Hand hat. Er sagt uns zu, dass er sich wie eine Mutter und ein Vater um uns kümmern wird. Ihm ist daran gelegen, dass wir unsere Grundbedürfnisse stillen, genug zu essen, zu trinken haben, Heimat finden und einen Platz in dieser Welt einnehmen, wo wir gebraucht werden und gestalten können. Er ist in seinem Sohn Jesus Christus selbst Brot geworden, das uns erfüllen will und die Kraft zum Leben geben will. Seine Antwort auf unser Bitten sieht oft anders aus, als wir es uns ausgemalt haben. Statt eines fertigen Brotes legt er uns einen Sack Körner Ährenin den Schoß, wir sind zur Mitarbeit aufgefordert, der Weg in die Zukunft hängt auch davon ab, diese Zutaten Gottes zu einem Brot zu verarbeiten. Das ist nicht selten verwirrend. 

Jemand betete intensiv für eine Jugendarbeit in der Gemeinde. Er merkte, da ist Bedarf, aber keiner findet sich bereit, die Gruppe in die Hand zu nehmen. Bis er eines Tages den Schritt wagte und selbst mit den Jugendlichen anfing. Er hatte nie damit gerechnet, dass sein Gebet einmal so erhört werden würde, dass er selbst zum Jugendleiter wurde. 

Eine Gemeinde in Slowenien betete um ein Gotteshaus, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Wenige Zeit später wurde ihr ein Haus zum Kauf angeboten, nicht besonders teuer, aber sehr baufällig. Die Gemeinde kaufte es und stellte ein paar arbeitslose Jugendliche an, die für wenig Geld das Gebäude sanierten. Mich beeindrucken diese Beispiele und ich frage mich, ob ich bereit bin, die Körner, die Gott schenkt, zum Brot zu verarbeiten. Vielleicht warte ich immer auf das fertige Brot, statt Gottes Antwort anzunehmen und selbst ans Backen zu gehen.

Wir bitten um die Gabe des Brotes

Das Wort "Privatbesitz" kommt in der Bibel nicht vor. Brot von Gott ist Gabe und stellt uns in eine neue Verantwortung gegenüber dem Geber. Wir haben es bekommen, um unsere Grundbedürfnisse zu stillen und um dadurch Kraft zu haben, die Aufgaben unseres Lebens zu bewältigen. Hinter dem Brot, das Gott uns gibt, möchte er als der Geber erkannt werden. Das Brot ist Beweis seiner Liebe und seiner Vertrauenswürdigkeit. Er lässt uns nicht hängen, auf ihn ist Verlass.

Doch die Beziehung zu Gott endet nicht an der Brotausgabe, sein Brot hat Fortsetzung in unserem Leben. Wie wir verantwortungsvoll mit seinem Brot umgehen können, erzählt uns die Bibel in vielen Variationen. Es gibt Geschichten, in denen berichtet wird, wie Menschen das geschenkte Brot geteilt, den Segen Gottes weitergegeben haben. Das Abendmahl Jesu verweist uns auf diesen Zusammenhang. Jesus gibt sich für uns hin als das Brot des Lebens. Er verändert uns, dass wir von ihm Zeugnis geben können.

Als Jesus Menschen heilte, schenkte er ihnen neue Lebensmöglichkeiten. Die Heilung veranlasste viele von ihnen, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Sie wurden Evangelisten im eigenen Dorf oder gingen mit Jesus mit. Eine reiche Frau in Philippi, die später durch Paulus zum Glauben gekommen war, öffnete ihr Haus für die erste Gemeinde vor Ort. Sie behielt ihren Reichtum nicht für sich, sondern setzte ihn für Gott ein. Auch das Vaterunser selbst zeigt die Konsequenzen des geschenkten Brotes auf. Gott sichert die Lebensgrundlage, kümmert sich um die Not. Sein Brot, seine Gegenwart in Jesus Christus gibt uns die Kraft, mit unseren Mitmenschen in Frieden zu leben und den Versuchungen auf dem Weg zu widerstehen. Weil unsere Grundbedürfnisse gestillt werden, können wir uns den weiteren Lebensthemen widmen.

Wir bitten um das Brot für morgen

Wer bei uns sagt, er sorge sich nicht um morgen, der wird leicht als Traumtänzer verspottet. Wer kann es sich schon leisten, einfach in den Tag zu leben ohne an die Alterssicherung zu denken. Die Jünger Jesu, die dieses Gebet lernen sollten, kannten keine Rentenversicherung und keine Beamtenbezüge. Sie waren größtenteils gewöhnt, ohne Netz auf dem Drahtseil zu laufen. Blieben die Netze der Fischer leer, waren die Teller leer. Blieb die Ernte aus, mussten die Kinder verkauft werden. Diesen Menschen würde unsere soziale Situation wohl schon wie der Himmel auf Erden vorkommen. Aber wir können die Zeit nicht zurück spulen.

Die Worte Jesu sind nicht nur für die ersten Jahrzehnte nach Jesu Geburt treffend, sie haben auch uns etwas zu sagen. Sie wollen uns ermutigen, bei aller Vorsorge im Blick zu behalten, dass Gott die wichtigste Größe in unserem Leben sein soll. "Gib uns unser Brot für morgen" ermutigt uns, einen Schritt nach dem anderen zu tun und voller Vertrauen unseren Weg fortzusetzen. Viele schlaflose Nächte entstehen aus unserer Sorge um übermorgen. Wir malen uns die Schreckensszenarien aus, die auf uns zukommen könnten. Jesus gibt uns den guten Hinweis, uns zuallererst auf heute und morgen zu konzentrieren. Heute ist er gegenwärtig und möchte unsere Aufmerksamkeit. Heute wird er die Weichen für morgen stellen. Heute soll ich ihm vertrauen, wenn ich Entscheidungen für die Zukunft treffe. Greifbar wird das in der Entscheidung, die Jugendliche treffen müssen, um ihren Berufsweg einzuschlagen. Sie können sich wirklich zersorgen, wenn sie die nächsten 40 Jahre ihres Lebens planen. Sie können aber auch die Gegenwart Jesu heute aufsuchen, mit ihm reden, ihn um seinen Einfluss bitten und dann getrost den nächsten Schritt tun. Vielleicht werden sie nach 10 Jahren feststellen, dass der Beruf sie nicht die nächsten 30 Jahre ernähren wird. Doch ist das wirklich schlimm? Jesus spricht ihnen doch dann genauso zu, dass er ihnen beim nächsten Schritt helfen wird. Wie viel Druck könnte von uns abfallen, wenn wir Jesus wirklich ernst nehmen würden und unsere Sorgen, die über heute und morgen hinausgehen, ihm überlassen würden.

Wir bitten um unser Brot

Die Brotbitte ist keine private Bitte, genauso wenig, wie das Brot Privatbesitz ist. Wer um das tägliche Brot bittet, sitzt buchstäblich in einer Gebetsgemeinschaft. Die Mitbetenden bekräftigen das Gebet und stimmen mit ein. So ist die Erhörung auch ein Geschenk für die ganze Gemeinde.

Brot, das wir erhalten haben, wird geteilt als Zeichen der Gegenwart Jesu Christi. Besonders im Abendmahl kommt dieser Aspekt zum Ausdruck. Jesus teilt sich als Brot des Lebens aus und wir werden aufgefordert, ihn in die Welt zu tragen durch Wort und Tat. Die Gemeinde in Korinth wusste um diesen Zusammenhang. Aber sie vergaß ihn praktisch umzusetzen. Die reichen Korinther brachten zum Abendmahl herrliche Speisen mit und guten Wein. Da sie sich früher zum Gottesdienst einfinden konnten als die Sklaven, war der Tisch schon leer, als die Sklaven schließlich auch noch in den Gottesdienst kamen. Statt geteiltes Brot trafen sie auf weinselige vollgegessene Arbeitgeber, die sich wahrscheinlich noch lustig machten über die hungrigen und müden Sklaven. Paulus ging gegen dieses Verhalten mit aller Schärfe vor. Er attestierte den Reichen, dass sie durch das Abendmahl schuldig würden, weil sie die Gemeinschaft Jesu Christi zerstört hätten.

Ich frage mich, ob das nicht auch auf uns zutrifft. Wo wir bei der Bitte um Brot die Gemeinschaft außer Acht lassen, uns an Jesu Büffet schnell bedienen und dann den Saal fluchtartig verlassen, sind wir nicht besser als die vollgegessenen Korinther. Dagegen erwartet Jesus von uns, dass wir bereit werden, auch das Lebensnotwendige zu teilen. Mit unseren Finanzen und unserem Spendenverhalten beginnt es, mit unserem offenen Haus geht es weiter. Auch unsere liebevollen Beziehungen können wir für andere öffnen, unsere Gesundheit in den Dienst unserer Mitmenschen stellen, unsere Aufgaben für andere sehen.

Wir werden jetzt zusammen das Abendmahl feiern. Jesus antwortet auf unsere Bitte um das tägliche Brot. Er eröffnet uns ein unbeschwertes Leben, weil er für morgen sorgt. Und er hört darauf, wenn wir ihn um Vergebung bitten, wo wir schuldig geworden sind, das Brot von anderen erwarteten, den Geber vergaßen, kein Vertrauen in Gottes Fürsorge hatten und die Gemeinschaft verletzt haben.

Seine Zusage gilt:
Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird niemals dürsten. (Johannes 6,35)

Cornelia Trick


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