Die Feuerprobe
Gottesdienst am 29.01.2006

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
letzten Sonntag haben wir begonnen mit dem 1. Korintherbrief. Wir werden ihn lesen als einen Brief an uns als Gemeinde, der uns bestätigt, korrigiert, in Frage stellt und weiter führt in das neue Jahr. So trägt dieser Brief für uns die aktuelle Überschrift: "Was der Apostel Paulus der Gemeinde Neuenhain 2006 schreiben würde."

Paulus begann mit dem drängendsten Problem. Trotz einer sehr positiven Entwicklung der Gemeinde zeigten sich tiefgreifende Spannungen zwischen vier Parteien innerhalb der Gemeinde, die unterschiedliche theologische Schwerpunkte hatten und sich auf verschiedene Führungspersönlichkeiten beriefen. Für uns waren diese korinthischen Probleme Spiegel für unser Gemeindeleben und Anlass, über die Einheit der Gemeinde Jesu Christi nachzudenken. Heute führt uns der 1. Korintherbrief zu der weiterführenden Frage, wie ein Gemeindeleben gestaltet werden kann, das seinem Auftrag nachkommt und in dem jede und jeder beteiligt ist.

1. Korinther 3,5-15

Nun, was ist denn Apollos? Und was ist Paulus? Gottes Helfer sind sie, durch die ihr zum Glauben gekommen seid. Jeder von uns beiden hat von Gott seine besondere Aufgabe bekommen. Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat es wachsen lassen.  Es zählt also nicht, wer pflanzt oder wer begießt; es kommt alles auf Gott an, der es wachsen lässt. Wir beide arbeiten an demselben Werk: der, der pflanzt, und der, der begießt; doch wird Gott jeden nach seinem persönlichen Einsatz belohnen. 
Wir sind also Gottes Mitarbeiter, ihr aber seid Gottes Ackerland. Oder mit einem anderen Bild: Ihr seid Gottes Bau. Nach dem Auftrag, den Gott mir gegeben hat, habe ich wie ein umsichtiger Bauleiter das Fundament gelegt. Andere bauen nun darauf weiter. Aber jeder soll sehen, wie er weiterbaut! Das Fundament ist gelegt: Jesus Christus. Niemand kann ein anderes legen. Es wird auch nicht verborgen bleiben, was jemand darauf baut, ob Gold, Silber oder wertvolle Steine, ob Holz, Schilf oder Stroh. Am Tag des Gerichts wird sich erweisen, ob es Bestand hat. Dann wird die Feuerprobe gemacht: Das Werk eines jeden wird im Feuer auf seinen Wert geprüft. Wenn das, was ein Mensch gebaut hat, die Probe besteht, wird er belohnt. Wenn es verbrennt, wird er bestraft. Er selbst wird zwar gerettet, aber so, wie jemand gerade noch aus dem Feuer gerissen wird. 

Paulus gebraucht zwei unterschiedliche Bilder, um Gemeinde zu beschreiben.
Gemeinde ist ein Garten. Die Lebensbedingungen für einen Garten schafft Gott, der Schöpfer. Er ist zuständig für die Erde, das Klima und das Grundstück. In dem von Gott zur Verfügung gestellten Garten braucht es einen Gärtner der anpflanzt, dabei auch die Gesamtanlage des Gartens im Auge hat, und einen, der die kleinen Pflänzchen begießt. In diesem Garten können sich viele Gaben entfalten. Zum Pflanzen und Gießen kommt noch das Düngen, Unkraut- Ausreißen, ein Züchter, ein Gartenhütten-Erbauer, vielleicht auch einer, der erntet und eine, die die Früchte verarbeitet. In diesem Garten werden die Pflänzchen zu Gärtnern, die sich wieder um neue Planzungen kümmern. Hier sprengt das Bild unsere Erfahrungen, in denen im Garten die Rollen von Pflanzen und Menschen festgeschrieben sind.

Gemeinde ist ein Haus, das auf einem sicheren Fundament, Jesus Christus, gebaut ist. Gott hat wie beim Garten die Bedingungen geschaffen, dass weitergebaut werden kann. Bei diesem Bild liegt die Betonung neben den verschiedenen Bauarbeiten, die unterschiedliche Leute verrichten, auf den Materialien, die für den Hausbau verwendet werden. Zur Auswahl stehen sehr edle, kostbare Materialien, die haltbar sind, und Materialien, die billig sind und sich leicht verarbeiten lassen, aber einer Feuerprobe nicht standhalten. Gemeinde beim Hausbau versteht sich als Bautrupp, der die Gemeinde fest und widerstandsfähig aufbauen will.
Paulus möchte bei uns mit diesen Bildern drei Erinnerungen wachrufen.

1 Gemeinde ist Gottes Eigentum

Die Korinther waren von ihren Leitpersonen abhängig, die zwischen der Gemeinde und Jesus Christus standen. Ihre Spezialauffassungen wurden zur Hauptsache, das gemeinsame Fundament verließen sie. Paulus ruft in Erinnerung, dass alles sich in Gottes Garten, Blühender Gartenauf Gottes Grundstück abspielt. Ihm gehören die Gärtner und die Bauleute, ihm allein sind sie verantwortlich. So kann sich auch die Gemeinde hier nur auf Gott und seinen Sohn Jesus Christus berufen, sie ist nicht Eigentum von John Wesley, dem Gründer der Methodisten. Im himmlischen Grundbuch steht Gott als Eigentümer, nicht John Wesley oder irgend eine andere kirchengeschichtliche Gestalt.

Das ist wichtig im Blick auf unsere methodistische Identität. Wir sagen nicht, dass Menschen erst richtig glauben, wenn sie Methodisten geworden sind. Wir verstehen uns vielmehr als Gärtner oder Bauleute an einer ganz bestimmten Stelle der ganzen Gemeinde Jesu Christi mit einem bestimmten Auftrag hier und heute, den wir als Methodisten hier wohl am besten ausführen können. Wir entdecken, dass ohne unsere Gemeinde etwas fehlen würde. Menschen können bei uns in ganz unterschiedlicher Weise die Bibel entdecken und sie anwenden. Wir bieten Platz für Kinder und Jugendliche in allen Altersstufen, um sie mit Jesus Christus bekannt zu machen. Wir haben eine sehr persönliche Kultur im Umgang miteinander und können einander sehr individuell und nah helfen. Und Menschen, die zu unserer Gemeinde gehören, erzählen ihren Kollegen, Nachbarn, Freunden einladend von ihrem Glauben, sie werden hier unterstützt für diese Aufgabe. So ist unser Selbstverständnis nicht abhängig von einer bestimmten Person oder Lehre, auf die wir uns berufen, sondern von Jesus Christus, der uns hier den Auftrag gibt, als Methodisten sein Evangelium zu leben. Wir sind Gottes Eigentum, unser Bauen geschieht, weil wir zu ihm gehören, seinem Auftrag folgen und seine Bauleitung akzeptieren.

2 Fundament ist Jesus Christus

Jesus ist die Grundlage unserer Gemeindearbeit. Weil er uns durch seinen Tod gerecht spricht, uns die Trennung von Gott vergibt und seinen Geist für ein neues Leben mit ihm schenkt, sind wir überhaupt erst fähig, eine Gemeinde zu bauen. Niemand kann sich durch einen Mitgliedsbeitrag einkaufen, keiner kann per Familienabo am Gemeindebau mitwirken. Die Regeln sind klar und deutlich. Jede und jeder ist herzlich zum Bauen eingeladen, Strohhüttenja geradezu sehnsüchtig erwartet. Aber die Bedingung ist keine weltliche Qualifikation, sondern ein deutliches Ja zu Jesu Angebot der Versöhnung. In diesem Ja steckt die Eintrittskarte für den Gemeindebau. Wer Ja sagt, steht auf dem Fundament und kann loslegen. Wer auf Jesu Einladung nicht antwortet, bleibt von der Aufbauarbeit ausgeschlossen. Ohne Fundament kann er nicht bauen.

Was dieses Ja für mich bedeutet, ist mir klar geworden, als ich mit einer Bekannten über den christlichen Glauben sprach. Sie konnte mit einem Gott, von dem wir Menschen uns getrennt haben, nichts anfangen. Für sie war die Existenz Gottes äußerst fragwürdig. Sie meinte, dass Gott in ihrem Leben keine Rolle spielte und sie ihn nicht bräuchte. Ich versuchte es anders herum. Ich fragte sie nach ihrem Lebensgefühl und sie bestätigte, dass sie sich oft ziemlich haltlos fühlte wie ein Astronaut im Raumschiff jenseits der Erdanziehung. Sie erzählte von ihren Ängsten vor der Zukunft, ihrer Sorge um die Kinder, ihrem Kummer über Situationen, in denen sie versagt hatte und sich nicht mehr entschuldigen konnte. Als sie hörte, dass Jesus ihr einen festen Boden schenken wollte, ein Fundament, das ihr Halt gab und ihr die Gewissheit schenkte, dass sie einen neuen Anfang machen und ihre Lasten auf dem Fundament ablegen konnte, begriff sie, was die Einladung Jesu bedeutete. Doch bald schon grübelte sie über der Frage, wie es denn dann mit ihr weitergehen sollte. Sie stellte sich ihr Leben auf dem Fundament Jesus Christus vor und fand es nur abschreckend. Sie war sich klar darüber, dass sie mit Jesus manches anders zu machen hätte. Das schien ihr anstrengend und spaßtötend zu sein. Sie gab zwar zu, einen Halt zu brauchen, aber die Konsequenzen waren ihr zu heftig.

Ich frage mich, ob der 2. Schritt schon vor dem 1. Schritt verstanden werden kann. Ist nicht die Befreiung durch Jesus Christus erst mal nötig, bevor wir ein Leben in seiner Nachfolge führen können. Ist nicht die Gabe des Heiligen Geistes entscheidend, um die Kraft zu einem Christus gemäßen Lebenswandel zu bekommen? Kann man sich etwa vorstellen, Langstreckenschwimmer zu werden, bevor man schwimmen gelernt und erfahren hat, dass Wasser trägt? 

Doch wer zur Gemeinde Jesu Christi gehört, wer Ja zu Jesus Christus gesagt und sich auf dem Fundament eingefunden hat, ist nun mit Gottes Geist herausgefordert zum Bauen. Gemeinde ist keine Freiluftveranstaltung auf einem nackten Betonboden. Gemeinde drängt zum Bauen und jede und jeder ist Gott verantwortlich, was er oder sie beiträgt.
Dabei gibt es zwei Bauabschnitte.

Der erste beginnt bei uns ganz persönlich. Um an der Gemeinde mitzubauen, sind wir dazu aufgefordert, die geeignetsten Materialien für den Bau bereit zu stellen. Diese Materialien gewinnen wir aus unterschiedlichen Aspekten unserer Persönlichkeit. Wir können diese Aspekte mit dem Wort GABEN zusammenfassen. G = Geistliche Gaben, die uns der Heilige Geist schenkt, um seine Gemeinde in besonderer Weise aufzubauen. Dazu gehören Lehre, Dienen, Evangelisieren, Missionieren, Helfen, Gastfreundschaft und viele andere. Wer eine Gabe hat, sie einbringt und damit Gottes Berufung folgt, erfährt sehr oft, wie wichtig sein Bauen mit dieser Gabe ist, hat Freude in seinem Bereich und kommt mit dem Bauen voran.

Doch die Gaben stehen nicht allein, zu ihnen kommt A = Ausdauer hinzu. Die beste Gabe ist ohne Ausdauer nur ein kleines Aufblitzen der Gegenwart Gottes, kann aber nichts nachhaltig verändern. Ein Lehrer, der nur einmal im Jahr in einer Sonntagsschulgruppe auftaucht, da eine phantastische Unterrichtseinheit hält, dann aber wieder für ein Jahr abtaucht, wird im Leben der Kinder nichts nachhaltig verändern. Wer die Gabe der Gastfreundschaft hat, aber nur einlädt, wenn auf seinem Balkon die Geranien blühen, versäumt viele Gelegenheiten, bei denen er den Auftrag hat, Menschen ein Zuhause zu bieten. Wer die Gabe der Musik hat, aber auf seinem Instrument nicht übt, wirft die Gabe des Heiligen Geistes weg wie ein nutzloses Geschenk.

Zu Geistlichen Gaben und Ausdauer gesellen sich B = Besondere Fähigkeiten. Es sind die gelernten Fertigkeiten und angeborenen Fähigkeiten, die wir unbedingt zum Gemeindebau brauchen. Ein lieber Mensch in meiner Gemeinde hat die besondere Fähigkeit, Fahrräder zu reparieren. Ganz im Geheimen wartet er mein Fahrrad, das oft abends vor der Kirche parkt. Komme ich aus der Kirche, ist die Kette angezogen, das Rücklicht geht wieder, die Reifen sind aufgepumpt. Ich weiß nicht, wie er das macht, aber es hilft mir enorm, meine Zeit für andere Dinge einzusetzen und trotzdem nicht auf meinen fahrbaren Untersatz zu verzichten. Obwohl dieser Mensch nur mein Fahrrad wartet, baut er Gemeinde.

Auch E = Erfahrungen gehören zu unseren Ausstattungen. Was wir erlebt haben, das prägt uns. Erfahrungen helfen, den Bau gut zu verrichten und aus Fehlern zu lernen.

N = Neigungen vollenden die Aspekte unserer Persönlichkeit. Es sind die Themen, bei denen unser Herz in Sprüngen geht, die uns einfach Freude machen und bei denen wir so richtig glücklich sind. Sie entsprechen unseren Neigungen und geben vor, wo wir bauen können und was unserem Stil besonders entspricht. 

Die GABEN sind unsere Materialien, mit denen wir bauen können. Wir brauchen sie unbedingt, damit sich etwas bewegt. Als Gemeinde sind wir nun aufgefordert, uns zu ermutigen, an unseren Materialien zu arbeiten, das Beste für den Bau Gemeinde einzusetzen und uns miteinander zu verständigen, dass wir ein gemeinsames Haus und nicht lauter Appartements nebeneinander bauen.

Dafür gilt es etwas einzusetzen. Das Gebet, um für uns als Gemeinde zu erkennen, in welche Richtung weitergebaut werden soll. Unsere Zeit, weil Gespräche, Abstimmungen, Sitzungen und unsere Phantasie manche Stunden in Anspruch nehmen. Unsere Bereitschaft zur Vergebung, weil wir uns auch in die Quere kommen werden, beim Suchen nach dem richtigen Weg unterschiedliche Ansichten haben werden. Unsere Selbstverpflichtung, dass wir dabei sind, die Arbeit ernst nehmen und unsere GABEN einbringen werden. Unser Geld, weil Bauen nie umsonst ist, und für neue Gemeindeentwicklungen auch Geld gebraucht wird.

Doch weil Jesus Christus das Fundament ist, das uns zusammen hält, wissen wir, worum es geht, Jesus mit unserer Gemeinde Ehre zu machen und viele in dieses Haus einzuladen.

Feuerprobe des Gerichts

Niemand kann uns das Fundament nehmen. Jesus hat uns zugesagt, dass nichts und niemand uns von seiner Liebe scheiden kann. Big BenJesus tritt für uns vor Gott ein. Sein Ja bleibt bestehen. Aber was geschieht mit unserem Haus, bleibt es im Gericht auch bestehen? Das, so sagt Paulus, hängt von den verwendeten Materialien ab. Ist unser Haus aus feuerfestem Material gebaut, wird es Ewigkeitswert besitzen. Ist es aus brennbarem Material gebaut, wird es vergehen, unser Lebenswerk ist uns aus der Hand gerissen. Es hatte keinen Wert für die Ewigkeit.

Paulus nennt nicht viele Kriterien, nach denen wir unseren Gemeindebau prüfen können. Doch die wenigen sind wichtig. Sind wir beim Fundament stehen geblieben? Haben wir etwas mit unseren Materialien GABEN angefangen? Haben wir sie für Gott eingesetzt und haben wir sie für unsere Gemeinde eingebracht? Sind Menschen mit Hilfe unseres Bauens näher zu Jesus Christus gekommen? Haben sie zum Glauben gefunden? Hat die Gemeinde ihren Auftrag erkannt und wahrgenommen? Ist sie in ständigem Kontakt zu Jesus Christus geblieben?

Auf diese Frage können wir sehr persönlich antworten. Jeder und jede muss es für sich selbst tun. Als Gemeinde sind wir ins Gebet gerufen, in das Bekenntnis, wo wir das Bauen aus den Augen verloren haben und uns mit billigem Baumaterial zufrieden gegeben haben, im Dank, dass Jesus Christus auch mit unserer kleinen Kraft Großes bewirken kann, in die Bitte um seine Leitung für die weiteren Bauabschnitte und in die Fürbitte für die, die neue Kraft brauchen, um sich wieder in den Bautrupp zu integrieren.

Gemeinde als Garten oder Hausbau ist eine wunderbare Aufgabe, die uns ganz fordert und in die tiefe Verbindung mit Jesus Christus führt. Es ist gut, wenn wir im Garten Gottes und an seinem Bau unseren Platz haben.

Cornelia Trick


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