Gottesdienst am 22.01.2006
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
als Motto für ein
neues Jahr Gemeinde in Neuenhain können wir uns wieder neu die Überschrift
unseres Gemeindezentrums "Gottestreu" gesagt sein lassen, das dem 1. Korintherbrief
entstammt:
Gott ist treu, er hat uns
berufen zur Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Auf zwei Arten kann diese
Lebensanweisung für die nächste Wegstrecke ausgelegt werden:
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Wir verstehen dieses Gemeindezentrum
als unseren Hamsterkäfig. Gott ist treu, er lässt um uns Gitter
sein, die uns vor Feinden schützen, er gibt uns genügend Nahrung,
um ohne Anstrengung unseren Bedarf an Gottes Nähe zu stillen, er lässt
uns warm und zufrieden beieinander sein. Genug Beschäftigung haben
wir durch unser Hamsterrad, wir drehen es fleißig mit den immer gleichen
Festen, Terminen, Anliegen und Problemen. Im Hamsterkäfig finden wir
optimale Bedingungen für unsere Gemeinde vor, doch am Ende von 2006
werden wir uns fragen: War das alles? Hat sich etwas bewegt außer
dem Hamsterrad? Haben wir nur Fett zugelegt oder haben wir die aufgenommene
Energie umgesetzt, um für unsere Berufung zu leben? Haben wir Gottes
Treue wirklich richtig verstanden?
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Wir verstehen dieses Gemeindezentrum
als unser Hochseeschiff. Wir sind unterwegs zum Ziel, der ungebrochenen
Gemeinschaft mit Jesus Christus. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen
wir ein Navigationssystem. Leider verfügen wir nicht über elektronische
Navigationssysteme, sondern sind vom Polarstern abhängig wie die alten
Seefahrer. Dieser Polarstern ist Jesus Christus, der sich uns durch die
Bibel mitteilt. Auf dem Weg zum Zielhafen haben wir einen Auftrag. Wir
sind dazu aufgefordert, so viele Schiffbrüchige wie möglich aufzusammeln
und mitzunehmen. Genug Platz gibt es auf unserem Schiff, in unserem Gemeindezentrum,
um unserer Berufung zu leben.
Die beiden Bilder von Gemeinde
unterscheiden sich gewaltig. Im ersten Fall sehen wir uns als abgeschlossene,
statische Einheit, eine Gemeinde, die nur wächst, wenn Gott jemand
in unsere Mitte schubst. Wir werden diesen Jemand erst einer Prüfung
unterziehen, ihn mit der Hackordnung bekannt machen, bevor er bei uns bleiben
darf. Dabei kann es durchaus zu Kämpfen und Verletzungen kommen.
Im zweiten Bild weiß
die Gemeinde, dass sie einen Auftrag und ein Ziel hat. Sie kann es sich
nicht leisten, nur für das eigene Wohlbefinden zu sorgen und nur als
Beschäftigungstherapie sich zu bewegen. Sie muss Ausschau halten nach
der Orientierung, den Schiffbrüchigen, muss teilen mit Neuen, sie
ins Team integrieren und weiß, dass sie nie am Ziel ankommen wird,
wenn sie Jesus Christus aus dem Blick verliert und nur einen Tag nicht
auf ihn achtet.
Wir brauchen als Gemeinde
Neuenhain das Bild der Seefahrt, um uns konzentriert und voller Entdeckerfreude
dem Ziel zu nähern und nicht im Hamsterrad unsere Tage sinnlos zuzubringen.
Dabei hilft uns die Bibel als der Polarstern, in dem uns Jesus Christus
nahe kommt. Einen Brief des Paulus werden wir in den nächsten Wochen
verstärkt in den Blick nehmen, den Paulus an die Gemeinde in Korinth
schrieb, darin auf Fragen und Vorkommnisse in Korinth einging und die Berufung
der Gemeinde sehr ausdrücklich auslegte. In seinem Anschreiben beschränkt
er seine Ausführungen nicht nur auf Korinth, sondern bezieht alle
ein, die Jesus Christus vertrauen. Wir verstehen seinen Brief deshalb auch
als an uns gerichtet. Heute beginnen wir mit dem Eingangskapitel.
1. Korinther 1,1-9
Paulus, nach dem Willen Gottes
zum Apostel von Jesus Christus berufen, und der Bruder Sosthenes schreiben
diesen Brief an die Gemeinde Gottes in Korinth, an alle, die durch die
Verbindung mit Jesus Christus für Gott ausgesondert und zu seinem
heiligen Volk berufen sind. Darüber hinaus gilt unser Brief allen,
die sich zu Jesus Christus, unserem gemeinsamen Herrn, bekennen und seinen
Namen anrufen, wo sie auch sind:
Gnade und Frieden sei mit
euch von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, dem Herrn!
Ich danke meinem Gott ständig
dafür, dass er euch durch Jesus Christus seine Gnade geschenkt hat.
Durch sie seid ihr reich geworden an allem, was aus der Gemeinschaft mit
Jesus Christus erwächst, an jeder Art von geistgewirktem Wort und
von geistlicher Erkenntnis. Weil die Botschaft von Christus zum festen
Grund eures Glaubens geworden ist, fehlt euch keine von den Gaben, die
der Geist Gottes schenkt. Und so wartet ihr voll Zuversicht darauf, dass
Jesus Christus, unser Herr, kommt und vor aller Welt offenbar wird. Er
wird euch auch helfen, bis zum Ende fest auf diesem Grund zu stehen, so
dass euch an seinem Gerichtstag niemand anklagen kann. Gott selbst hat
euch dazu berufen, für immer mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem
Herrn, verbunden zu sein, und er ist treu: Er steht zu seinem Wort.
Bevor das Ziel in den Blick
gerät, nimmt der Apostel eine Standortbestimmung vor. Er dankt für
die Gnade Gottes, die sich in der Existenz der Gemeinde spiegelt. Gott
hat die Gemeindeglieder mit sich versöhnt und ihnen Vergebung und
Versöhnung untereinander ermöglicht. Sie haben eine Heimat gefunden,
ein Rettungsschiff, das sie an den Zielhafen bringt. Die Predigten haben
in ihnen viel bewegt. Sie haben Gaben des Heiligen Geistes entdeckt und
setzen sie ein, sie freuen sich auf das Ziel, die Ewigkeit, sie sind mitten
auf dem großen Meer und doch gehalten und geführt von Gottes
Treue, die ihnen wie der Polarstern Orientierung gibt.
Soweit können wir
uns als Neuenhainer dem Dank des Paulus anschließen. Auch wir haben
viel Grund, Gott zu danken, dass er uns seine Gnade erwiesen hat. Nicht
unsere Muskelkraft und unsere Überzeugungskraft haben diese Gemeinde
wachsen lassen. Es war Gott, der unser Schiff auf Kurs gehalten hat, der
immer wieder Versöhnung und Neuanfang geschenkt hat, der uns Ertrinkende
retten ließ und die nötigen Kursänderungen angezeigt hat.
Wir haben viele Gaben entdeckt und setzen sie auch ein, kennen unser Ziel
und wissen um Gottes Treue.
Der Dank ist wichtig, um
zu sehen, was Gott alles schon unter uns ermöglicht hat. Erst im zweiten
Schritt müssen wir uns fragen, ob wir wirklich nur Hochseeschiff sind,
oder nicht doch auch bisweilen ein Hamsterkäfig. War es uns bei allen
Veranstaltungen und allen Entscheidungen bewusst, dass wir uns um die Ertrinkenden
im Meer zu kümmern haben? Haben wir unsere Gaben eingebracht, um der
Mission unseres Schiffes zu dienen, oder waren sie für uns eine willkommene
Bereicherung beim Hamsterkäfig-Programm? Haben wir unsere freien Gelder
investiert in Rettungswesten oder in Hamsterräder? Bin ich und sind
Sie ein wertvolles, verlässliches und umsichtiges Mitglied der Crew
gewesen oder ein Passagier, der auf See bedient werden wollte wie auf der
Aida?
Der Dank des Paulus hebt
unsere Stimmung. Ja, wir sind ein tüchtiges Schiff im Reich Gottes.
Alle Merkmale einer lebendigen Gemeinde finden sich bei uns. Auch
wir können aus ehrlichem Herzen in den Dank einstimmen. Aber zurück
bleiben kleine Zweifel. Ist Gott wirklich mit uns zufrieden? Gibt es nichts
zu verbessern? Ist nicht auch 2006 wieder Kurskorrektur an der einen und
anderen Stelle angesagt - zuallererst in meinem Leben und bei jedem Mitglied
der Crew?
So ging es sicher auch
den Korinthern nach den einleitenden Sätzen des Paulus. Sie freuten
sich, dass sie Grund zur Dankbarkeit waren, aber sie wussten sicher um
ihre dunklen Flecken. Denn Paulus stach gleich danach mitten ins Schwarze.
Er prangerte ihre Schieflage an. Die Predigt hatte reiche Früchte
getragen, doch die Früchte haben nicht dazu beigetragen, dass das
Schiff seiner Mission besser nachkommen konnte. Im Gegenteil. Spaltungen
traten auf. Vier Parteien bildeten sich, die sich nicht auf den Polarstern,
sondern auf einzelne Personen bezogen. Eine Partei berief sich auf Paulus,
seine Betonung, dass wir Jesu Kreuz als Vergebung brauchen, eine Partei
berief sich auf den Paulus-Nachfolger in Korinth, Apollos, einen begeisternden,
mitreißenden Redner, eine Partei berief sich auf Petrus und seine
gemäßigte Judenmission, eine Partei interpretierte Christus
so, dass er die Gläubigen schon so von der Welt erlöst hatte,
dass sie privat machen konnten, was sie wollten, sie waren schon im Himmel.
Ethik spielte für sie keine Rolle mehr, wenn nur in Zungen gebetet
wurde.
Paulus setzte die wirkungsvolle
Predigt diesen Spaltungen gegenüber. Er machte deutlich, dass die
Korinther ihr Hochseeschiff so nicht ans Ziel bringen würden. Wie
die Titanic war sie bei Spaltungen zum Auseinanderbrechen verurteilt. Die
Korinther hatten offensichtlich bei ihren Abgrenzungen den Polarstern außer
Acht gelassen. Sie haben vergessen, dass ihre Aufgabe darin bestand, Menschen
zu retten und nicht sich gegeneinander zu profilieren. Sie setzten zwischen
den Polarstern und sich Menschen, die sie zum Kentern brachten.
Paulus nötigt uns,
als erstes auf diesen Punkt zu schauen. Um die Orientierung zu behalten
und überhaupt eine Chance zu haben, am Ziel anzukommen, ist Einheit
nötig. Diese Einheit umfasst drei Schritte.
1 Die Entscheidung zur
Einheit
Wir können lang darüber
nachdenken, wie unsere Einheit als Gemeinde, unsere Einheit als Christen
beschaffen sein muss. Die Überlegungen werden ins Leere laufen, wenn
wir uns persönlich nicht klar und eindeutig entscheiden, an dieser
Einheit teilzunehmen. Ich entdecke oft ein großes Übereinstimmen
beim Reden über Einheit. Wir wissen theoretisch wohl sehr genau, wie
Einheit auszusehen hat. Aber im Praktischen schauen wir lieber von außen
zu. Wir können Einheit von außen beurteilen, scheuen uns aber,
an ihr mitzuwirken. Denn es macht einen großen Unterschied, sich
darüber aufzuregen, dass jemand wieder mal Eigeninteressen vor die
Einheit der Gemeinde gestellt hat, oder selbst die Eigeninteressen zurückzustellen.
Wer verschiebt seinen Urlaub, um bei den Kirchenkindern zu sein. Wer macht
regelmäßige Besuche bei einem unzufriedenen Gemeindeglied, nicht
um mitzustöhnen, sondern um ihm zu helfen, wieder einen frohen Platz
in der Crew zu finden. Wer gibt seinen Platz ab, um einem Neuen das Einleben
zu erleichtern. Wer unterstützt den Gruppenleiter, jedem immer wieder
neu hinterherzulaufen und für ihn zu sorgen. Wenn Sie dabei sind,
haben Sie sich für die Einheit entschieden. Wenn Sie sich eher raushalten
wollen, dann nur Mut, Sie könnten einen Titanic-Unfall mit Ihrer positiven
Entscheidung zur Einheit verhindern.
2 Die Einheit im Glauben
Einheit auf dem Schiff ist
zuerst Einheit im Glauben. Wenn hier jeder und jede etwas anderes glaubt,
werden wir keine Einheit im Geist erleben. Unser gemeinsamer Orientierungspunkt
ist Jesus Christus, sein Leben, Sterben, sein Auferstehen für uns,
seine Gegenwart im Heiligen Geist und die Auswirkungen in unserem Leben.
Darüber müssen wir uns verständigen. Der Orientierungspunkt
muss jeden Tag neu ins Bewusstsein kommen. Kein Seefahrer würde am
Anfang der Ozeanüberquerung den Kurs festlegen und dann nie mehr auf
die Instrumente und durch das Fernrohr schauen. Wir brauchen unsere Orte
des Austauschs über unsere geistlichen Prägungen, unser Verständnis
der Bibel, unsere Fragen und unsere gefundenen Antworten. Jeder und jede,
die sich zur Crew des Hochseeschiffs zählt, gehört in eine Gruppe
von Christen, die sich miteinander auf den Polarstern ausrichten. Das ist
nicht immer einfach und gemütlich, im Hamsterkäfig in der Ecke
zu liegen mit vollem Bauch ist sicher oft einfacher. Aber es ist ein notwendiger
Ausdruck unserer Lebendigkeit. Unser Glaube zieht uns in Gottes Richtung.
Wir haben uns dem zu stellen. Wir müssen uns verändern lassen
in seine Richtung. Gott legt selten direkt Hand an uns, um uns zu formen.
Er lässt unsere Mitschwestern und -brüder diese Aufgabe verrichten.
Und wir selbst sind aufgefordert, den anderen Gottes Dienst nicht zu versagen.
Vielleicht braucht jemand heute meine Sicht auf seine Lage, meine Hilfe,
den Polarstern wieder in den Blick zu bekommen. Vielleicht reicht ein Anruf,
ein Wort bei Minimal, eine liebevolle Karte oder ein deutliches Wort. Es
geht um ein Ziel, lassen wir das Schiff nicht weit vor dem Ziel auseinanderbrechen,
weil jede und jeder den Polarstern woanders vermutet.
3 Einheit im Auftrag
Jesus hat seine Jünger
verabschiedet mit den Worten "Gehet hin in alle Welt" (nach Matthäus
28,18-20). Diese Worte spricht er auch zu uns Neuenhainern. Wir haben
nicht die ganze Welt vor der Kirchtür, aber genug Menschen, die Jesus
brauchen. Das neue Jahr bringt für uns genug Gelegenheiten, unsere
Einheit im Auftrag durchzubuchstabieren. Bei fast allen Entscheidungen,
bei unseren Begegnungen, in unseren Gottesdiensten können wir die
Leitfrage zulassen: Dient diese Entscheidung, dient diese Begegnung, dient
dieser Gottesdienst dazu, dass wir unserem Auftrag nachkommen, Menschen
für Christus zu gewinnen. Dabei dürfen wir sicher im Auftrag
auch hören, dass Jesus sich um seine Leute kümmert, die er in
die Mission schickt. Wir sind mitgemeint, wenn wir Hilfe brauchen. Doch
wie oft ertappe ich mich, dass ich bei mir und den Meinen stehen bleibe.
Als ob Jesus gesagt hätte: Gehe hin zu dir selbst, Cornelia, zu deiner
Familie und deiner Gemeinde! Nein, Jesus hat den Auftrag weiter gefasst.
Gehe zu denen, die Jesus Christus brauchen, das kann durchaus auch meine
Familie sein, einzelne in der Gemeinde, aber eben auch die, die noch nicht
im Schiff sind, die im Meer ziellos umher treiben, aus welchen Gründen
auch immer. Leider sind es bei uns auch Menschen, die von anderen Schiffen,
anderen Gemeinden enttäuscht wurden, herausgefallen sind, Jesus verloren
haben, aber tiefe Sehnsucht nach neuer Heimat haben. Zu ihnen allen sind
wir gesandt. Sie sind unsere große Aufgabe und Herausforderung im
neuen Jahr. Und jede und jeder hier ist in diese Mission einbezogen. Die
Jungscharmitarbeiter können keine Kinder in die Jungschar bringen.
Einladen müssen die Jungscharkinder selbst. Die Pastorin kann keine
Arbeitskollegen der Gemeindeglieder ansprechen, das müssen die Gemeindeglieder
tun. Jugendliche lassen sich durch Jugendliche einladen, nicht durch die
Eltern oder Großeltern anderer Jugendlicher. Wenn wir diesen individuellen
Auftrag erkennen, werden wir merken, wie nötig dieses Schiff Gemeinde
in der Welt ist. Denn niemand kann längere Zeit jemand im Wasser abschleppen,
auch nicht mit der besten DLRG-Ausbildung. Dazu ist die Rettungsmannschaft
der Gemeinde zuständig, das Versorgungsteam in der Küche, die
Stewards und das Ärzteteam. Wir brauchen einander, um retten zu können.
Gott ist treu, er schenkt
uns den sichtbaren Polarstern, um auf Kurs zu bleiben. Unsere Entscheidung
ist nötig, auf dieses Schiff zu kommen und nicht im Hamsterkäfig
zu bleiben, unser gemeinsamer Glaube ist wichtig, um auf Kurs dem Ziel
entgegen zu gehen, unser gemeinsamer Auftrag hält uns zusammen und
lässt uns unsere Gaben genau an den richtigen Stellen zu Gottes Ehre
einbringen.
Gott selbst hat euch dazu
berufen, für immer mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn,
verbunden zu sein, und er ist treu: Er steht zu seinem Wort. 1. Korinther
1,9
Cornelia
Trick
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