Die Ampel ist grün 2
Gottesdienst am 19.11.2006

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
letztes Wochenende nahm ich an einer Veranstaltung teil, die jungen Leuten helfen wollte, ihre Berufung für ihr Leben zu finden. 30 überwiegend junge Leute kamen zusammen, um nachzuspüren, wo sie gerade standen und wozu Gott sie herausforderte. Im Abschlussgottesdienst wurde ihnen die Möglichkeit gegeben, die verschiedenen Ampelphasen auf ihre Situation zu beziehen. Standen sie gerade vor einer roten Ampel? rote AmpelGing es für sie nicht weiter? Standen Sie an einer Ampel, die gerade auf gelb gesprungen war? Bereiteten sie sich darauf vor, weiter zu kommen oder stehen zu bleiben? Stand die persönliche Ampel auf grün? War klar, wie der nächste Wegabschnitt aussehen konnte?

Mir wurde beim Nachdenken über Ampelphasen in meinem Leben bewusst, dass das Thema nicht nur Leute in der Berufsfindungszeit betrifft. Auch im ganz normalen Alltag nehmen wir Ampelsignale wahr. Wir erleben Stillstand und Bewegung, Zeiten der Orientierungssuche und der Vorbereitung auf neue Aktivitäten. Wir erleben leider auch viel zu oft, dass die rote Ampel nicht auf grün umspringt und wir wie bestellt und nicht abgeholt auf der Stelle treten. 
Vor drei Wochen begannen wir, den Spuren Jesu nach dem Johannesevangelium zu folgen. Wir hörten von den ersten Jüngern, die bei Jesus auf die Frage "Was sucht ihr?" Antwort gefunden haben. Wir lernten dabei Andreas kennen, der seinen Bruder Simon Petrus zu Jesus führte. Wir begegneten Philippus, der statt eines Glaubensbekenntnisses zu Nathanael ging und ihm von Jesus erzählte. Wir nahmen teil an einer Hochzeit in Kana, bei der Jesus leere Gefäße mit Wein füllte als Zeichen für seine Zuwendung zu denen, die mit leerem Herzen zu ihm kommen. Heute sind wir eingeladen, Jesus kennen zu lernen als den, der unsere Ampeln auf grün springen lässt und uns ermutigt, aufzubrechen und etwas zu wagen.

Johannes 6,1-15

Danach fuhr Jesus über den See von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt. Eine große Menge Menschen folgten ihm, weil sie seine Wunder an den Kranken gesehen hatten. Jesus stieg auf einen Berg und setzte sich mit seinen Jüngern. Es war kurz vor dem jüdischen Passafest. Jesus blickte auf und sah die Menschenmenge auf sich zukommen. Er wandte sich an Philippus: "Wo können wir Brot kaufen, damit alle diese Leute zu essen bekommen?" Das sagte er, um Philippus auf die Probe zu stellen; er selbst wusste schon, was er tun würde. Philippus antwortete: "Wir müssten für über zweihundert Silberstücke Brot kaufen, wenn jeder auch nur eine Kleinigkeit bekommen sollte." Andreas, ein anderer Jünger, der Bruder von Simon Petrus, sagte: "Hier ist ein Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was hilft das bei so vielen Menschen?" "Sorgt dafür, dass die Leute sich setzen", sagte Jesus. Es gab viel Gras an dem Ort. Sie setzten sich; allein an Männern waren es ungefähr fünftausend. Jesus nahm die Brote, sprach darüber das Dankgebet und verteilte sie an die Menge. Mit den Fischen tat er dasselbe, und alle hatten reichlich zu essen. Als sie satt waren, sagte er zu seinen Jüngern: "Sammelt die Brotreste auf, damit nichts verdirbt." Sie taten es und füllten zwölf Körbe mit den Resten. Soviel war von den fünf Gerstenbroten übrig geblieben. Als die Leute das Wunder sahen, das Jesus vollbracht hatte, sagten sie: "Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll!" Jesus merkte, dass sie drauf und dran waren, ihn mit Gewalt zu ihrem König zu machen. Deshalb zog er sich wieder auf den Berg zurück, ganz für sich allein. 

Das Wunder der Brotvermehrung

Alle vier Evangelien berichten über die Speisung der 5000 Menschen. Doch anders als Matthäus, Markus und Lukas erzählt Johannes nicht eine biographische Episode des Lebensweges Jesu, sondern entwirft mit dieser Erzählung ein 3-D-Bild. Vordergründig geht es um die Vermehrung von Brot für viele Menschen. Doch schaut man das Bild lange genug an, erscheint in der Tiefe eine Ampel. Die Brotvermehrung will uns konfrontieren mit der Anfrage, wie unsere Ampel geschaltet ist. (Neben dieser Ampel erscheint im Verlauf des Kapitels auch noch die Menschenmenge selbst in ihrer Bedeutung für uns heute. Doch diesen Aspekt werde ich heute nicht vertiefen.)

Eingebettet ist das Wunder von zwei Bergetappen. Jesus ist auf dem Berg, er sucht den Kontakt zu seinem Vater, um Kraft zu bekommen für die nächsten Herausforderungen. Nach der Sättigung der 5000 mit Brot steigt er wieder auf den Berg. Das Wunder selbst ist Offenbarung Gottes durch Jesus.

Im Mittelpunkt der Erzählung steht nicht das Wunder, sondern die Prüfung der Jünger. Stehen sie in ihrer Nachfolge vor einer roten, gelben oder grünen Ampel? Jesus redet zwar mit Philippus und Andreas, eigentlich aber mit uns Leserinnen und Lesern. Wenn Jesus uns herausfordert zu ungewöhnlichen Schritten, wie antworten wir?

Die Prüfung der Jünger

Philippus und Andreas hören auf Jesus. Sie folgen ihm nach seit der ersten Begegnung. Es steht für sie außer Frage, Jesus zu gehorchen. Hier setzt Jesus ein. Befolgen sie wirklich seine Aufträge? Sehen sie ihre Ampel auf grün geschaltet? Oder verharren sie, bis aus grün wieder rot geworden ist? Wie steht es um ihren Gehorsam, ihr Vertrauen, ihren Mut?

Philippus antwortet mit "wir müssten ...". Er rechnet aus, dass 200 Tageslöhne nötig wären, um diesen 5000 Leuten nur ein bisschen Brot zu geben. Er hört den Auftrag, aber schiebt sein "wir müssten (erst)" dazwischen. So bleibt er an der Ampel stehen. Nichts geschieht, denn das Geld fällt nicht vom Himmel.

Ich erkenne mich in Philippus wieder. Jesus sagt mir: "Wo kannst du den Menschen davon erzählen, dass ich ihre Sehnsucht stille?" Und ich antworte, dass erst diese und jene Bedingung erfüllt sein müsste, damit ich andere auf Jesus hinweisen kann. Ich nenne mein geistliches Leben. Um von Jesus weiterzusagen, müsste mein geistliches Leben besser sein. Ich bräuchte mehr Zeit am Morgen, mehr Ruhe am Tag, eine bessere Bibellese, eine Freundin, die mit mir betet. Ich müsste eine andere Gemeinde haben, mehr Anregungen bekommen, in einem ermutigenderen Umfeld leben. Ich nenne Jesus meine Freunde. Die kann ich nicht mit Jesus bekannt machen, dafür bräuchte ich erstmal eine Schulung, um über meinen Glauben reden zu können. Auch bräuchte ich vielleicht Freunde, die offener wären für meinen Glauben, nicht so festgelegt in ihrer Weltanschauung. Außerdem fehlen mir die Gelegenheiten, sie mit Jesus bekannt zu machen. So zwischen Tür und Angel oder bei Festen geht das ja nicht. Und auch mein Beruf steht vielleicht dem Auftrag Jesu entgegen. In meinem Büro kann ich nicht von Jesus erzählen, die Kollegen würden mich gnadenlos ausnutzen, denn als Christ darf man sich ja nicht wehren.

Ein solches Antworten offenbart, dass die Ampel solange rot bleibt, bis "200 Silberstücke" beisammen sind. Vorher tut sich gar nichts.

Andreas schaut weiter als Philippus. Er denkt nicht nur an die möglichen Kosten. Er sieht den Jungen mit seinen 5 Broten und 2 Fischen. Doch die kleine Menge an Nahrungsmitteln, die er auf den ersten Blick entdeckt, macht ihn mutlos. Das könnte höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Was hilft das angesichts der großen Nachfrage? 

Niemand würde mit dieser Haltung des Andreas in die Weltmission gehen. Jede Stunde, die er oder sie beim Roden von Urwald, bei der Einrichtung einer Krankenstation oder beim Verarzten von Kranken verbringen würde, wäre ja auch nichts anderes als ein Tropfen auf den heißen Stein. Durch einen begrenzten Missionseinsatz wird die Welt nicht wesentlich verändert werden. Niemand würde sich wie der barmherzige Samariter um den Überfallenen am Straßenrand kümmern. Denn statistisch gesehen ist dieser Überfallene nur einer von vielen. Es macht für die anderen Überfallenen keinen Unterschied, ob man ihm hilft oder nicht. Niemand würde Stühle für eine Gemeindeveranstaltung stellen. Was nützt eine Gemeindeveranstaltung angesichts des Elends in der Welt? Ist sie nicht auch der Tropfen auf den heißen Stein, der gleich verpufft?

Die beiden Antworten von Philippus und Andreas sind Totschlagargumente. Jeden Auftrag Jesu, jede Bewegung nach vorn wird abgeblockt durch das "man müsste (zuerst)" und "was hilft das denn?". Wer wie die beiden Jünger auf Jesu Anfrage antwortet, hat die Prüfung nicht bestanden. Wer hingegen den Auftrag annimmt, wird bestehen.

Jesu Auftrag

Jesus erwartet gar nichts Übermenschliches von den beiden Jüngern. Er erwartet nicht, dass sie übernatürliche Wunder vollbringen, die Taschen der Leute nach Essen durchsuchen oder eine Bank überfallen. Was er den Jüngern aufträgt, können sie tun. Sie sollen einfach dafür sorgen, dass die Leute Platz nehmen auf der Wiese.

Wieder scheint die Tiefendimension dieser Erzählung durch. Jesus erwartet von uns auch nicht übernatürliche Wunder oder besondere Gerissenheit. Er sagt uns deutlich, was zu tun ist. Wir sollen unsere Mitmenschen einladen, in ihrer Hektik und Betriebsamkeit innezuhalten und sich einen Moment Ruhe zu gönnen. In dieser Pause will Jesus ihnen begegnen, ihre Sehnsucht und ihren Hunger nach Leben stillen und ihr Leben tief greifend verändern.

Ein Ort zum Innehalten, zu dem wir unsere Mitmenschen einladen können, ist der Gottesdienst. Hier sind nicht wir auf dem Präsentierteller, nicht wir machen aus Steinen Brot und vermehren die fünf Brote und zwei Fische zu einem Festessen für alle, sondern Jesus selbst will das tun. Unsere Aufgabe ist nur, den Rahmen zu bilden, damit Ruhe einkehrt und Jesusbegegnung möglich wird. Der Rahmen ist Arbeit genug für uns, Musik will so die Herzen erreichen, dass sie berührt und nicht anstrengt. Worte wollen so gewählt werden, dass sie abholen und öffnen für neue Erfahrungen. Gebete wollen so formuliert werden, dass sie mit hinein in Gottes Gegenwart nehmen. Kein Schauspiel erwartet Jesus von uns, sondern die umfassende Einladung seiner selbst, die Erwartung, dass er die Hauptrolle in jedem Gottesdienst hat.

So ist es nur folgerichtig, dass die Jünger die fünf Brote und zwei Fische nicht einfach in die Menge werfen, sondern sie Jesus übergeben, der sie austeilt. Denn er verwandelt das Vorhandene und lässt es zu lebendigem Brot werden, das bis in Ewigkeit sättigt. Bevor wir etwas für andere tun, bevor wir als Gottesdienst-Team den Gottesdienst beginnen, werden wir von Jesus gebeten, ihm alles zu geben, was wir haben. Er will unsere Worte und Lieder, unsere PowerPoint-Präsentationen und Anspiele verwandeln, dass sie Herzen für das Leben mit Gott öffnen.

Die Geschichte der Speisung der 5000 kann unsere Geschichte werden. Sind die Ampeln wirklich auf rot, oder verhindern unsere Argumente, dass sich etwas in Bewegung setzt? Hat Jesus nicht schon längst auf grün geschaltet, uns gezeigt, was der nächste Schritt ist, uns ermutigt, ihn zu bekennen, mutig einen Schritt nach vorn zu tun?

Ich möchte Sie einladen, in dieser neuen Woche Jesus darum zu bitten, Ihnen Mut zu machen, das Leben mit Jesus wirklich anzupacken. Nehmen Sie Ihre Bibel und lesen Sie sie. Lassen Sie sich nicht stören von Gedanken, was alles noch besser sein müsste, bevor Sie zur Ruhe kommen. Gehen Sie dorthin, wo Sie schon lange hingehen wollten, Ihnen aber der Mut fehlte. Machen Sie etwas, was wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirkt, aber Jesus zum Zuge kommen lässt. Probieren Sie es einfach aus, bei grün loszufahren. Jesus machte mit 5 Broten 5000 Menschen satt, es braucht auch oft nur ein Promille unserer Kraft und unseres Mutes, dass Jesus Großes tut und Menschen zu sich ruft.

Cornelia Trick


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