Wo ist Walter? (Apostelgeschichte 8,27-30; 9,1-6; Jeremia 29,13-14)
Gottesdienst am 23.6.2019 in Brombach

Liebe Gemeinde,
ich liebe Wimmelbücher, es gibt so Vieles zu entdecken, gerade die Details überraschen immer wieder, und man kann sich tolle Geschichten zu den einzelnen Szenen ausdenken, was die dargestellten Personen gerade erleben.

„Wo ist Walter?“ von Martin Handford ist ein ganz besonderes Wimmelbuch. „Walter“ ist ein Weltenbummler, der es offenbar liebt, in Menschenmengen an ganz verschiedenen Orten einzutauchen. Immer trägt er eine blaue Hose, einen rot-weiß geringelten Pullover, Brille und Pudelmütze. Die Aufgabe für die Beobachter ist, Walter in der Menschenmenge zu finden. Auf den ersten Bildern der Bücher ist das noch relativ einfach, doch nach und nach wird es schwieriger. Immer mehr wuselnde Menschen umgeben ihn, und andere tauchen auf, die ihm fast zum Verwechseln ähnlich sehen.

Beim Nachdenken über Menschen der Bibel habe ich mich an diesen Walter erinnert. Diese Leute hatten bei ganz unterschiedlichen Lebenswegen eines gemeinsam. Sie suchten nach Gott, und wenn sie ihn gefunden hatten, war das Erstaunen groß.

Vielleicht sind ja nicht nur Menschen der Bibel damals auf der Suche gewesen, sondern wir genauso, auf der Suche nach Gott – wie in einem Wimmelbuch auf der Suche nach Walter.

Zwei Lebensgeschichten habe ich heute ausgewählt, die uns zum Miterleben einladen.

Der Schatzmeister aus Äthiopien 

Apostelgeschichte 8,27-30
Philippus stand auf und ging dorthin. Und sieh doch: Dort war ein Äthiopier unterwegs. Er war Eunuch und hoher Beamter am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien. Er verwaltete ihre Schatzkammer und war nach Jerusalem gekommen, um Gott anzubeten. Jetzt war er auf der Rückreise. Er saß in seinem Wagen und las im Buch des Propheten Jesaja. Der Heilige Geist sagte zu Philippus: »Geh hin und bleibe in der Nähe des Wagens!« Philippus lief hin und hörte, wie der Mann laut im Buch des Propheten Jesaja las. Philippus fragte: »Verstehst du eigentlich, was du da liest?«

Der Schatzmeister der äthiopischen Königin hatte schon einen langen Weg hinter sich. Offenbar hatte er in Äthiopien vom Gott Israels gehört. Er war neugierig geworden auf diesen Gott, der sein Volk liebte und der diesem Volk Gebote gab, die für eine gerechte Gesellschaft sorgen sollten, in der jeder genug zum Leben hatte und niemand unterdrückt wurde.

Der Schatzmeister wollte mehr über diesen Gott erfahren und hatte sich in Jerusalem eine Schriftrolle des Propheten Jesaja gekauft. Doch für ihn waren die Worte völlig unverständlich. „Hä?“, wird er gestöhnt haben, „was soll ich damit in meinem Alltag anfangen?“

Gott schickte ihm Philippus, einen jungen Christen, der wohl die Gabe hatte, anderen den Glauben nahe bringen zu können. Und so entspann sich nach dessen Eingangsfrage ein lebhaftes Gespräch. Inhaltlich wissen wir natürlich nicht viel darüber, aber auf jeden Fall lud Philippus den Äthiopier ein, Jesus zu vertrauen, der auch ihm, einem Nicht-Juden, zusagte, ihn nach Äthiopien zu begleiten, ihm nahe zu sein, ihn mit Gott zu verbinden und ihm seine Kraft zu geben. Ausgehend von Jesaja 53 entfaltete Philippus, dass Jesus dieser Gottesknecht ist, der die gestörte Verbindung zu Gott wiederherstellt. Philippus ergriff die Hand Jesu und ließ sich am Weg an einer Wasserstelle taufen. (Apostelgeschichte 8,31-39)

Der Finanzmann hatte Gott gesucht wie ich Walter im Wimmelbuch. Er hatte ihn gefunden, sich taufen lassen. Aber eigentlich ist er gefunden worden.  

Der Schatzmeister suchte, aber Jesus wartete längst auf ihn und schickte ihm Philippus. Er fand ihn in seiner Kutsche, er nahm ihn an die Hand, er brachte ihn mit Jesus in Berührung.

Unser Suchen
Wenn ich tief in mich hineinhöre, lassen sich viele meiner Suchbewegungen auf zwei Stichworte zurückführen. 

Ich suche nach Anerkennung. Wichtig ist für mich, dass ich weiß, ich bin etwas wert. Ich bin von Herzen geliebt. Es gibt jemand, der alles stehen und liegen lässt, wenn ich ihn brauche. Ich suche danach, dass jemand sich für das interessiert, was mich beschäftigt und mehr noch, dass es ihm so wichtig ist wie mir.

Ich suche nach Zugehörigkeit. Ich möchte so selbstverständlich dazu gehören, dass mich niemand fragt: „Was machst du hier? Warum bist du hier? Wie lange bleibst du noch?“ Ich möchte mich fallenlassen können und zuhause sein. Ich möchte erwartet werden und durch Aufgaben eingebunden sein. Ich möchte mit Entscheidungen treffen und nicht im Gaststatus verharren.

Das sind zwei wichtige Such-Themen, Anerkennung und Zugehörigkeit, nicht nur für mich, ich denke, sie sind für viele aktuell. 

Würden wir sie mit Jesus in Verbindung bringen? Würden wir nach Jesus suchen, wenn es uns um Anerkennung und Zugehörigkeit gehen würde? Jesus steht doch in der allgemeinen Wahrnehmung, wie ich es in Umfragen höre und aus meinem Umfeld kenne, eher für gestern, Tradition, Zwänge, vielleicht noch für die Diakonie-Station.

Es braucht wohl einen Philippus oder eine Philippa, die den Blick weitet, um Jesus zu finden. Es braucht Jesus selbst, der auf uns zugeht, unser Herz berührt, uns zuspricht, Geliebte Gottes zu sein und zu seiner neuen Familie gehören zu dürfen als vollwertiges Mitglied.

Kann ich mich in dem Finanzminister aus Äthiopien wiedererkennen? Wonach suche ich gerade? Vielleicht hat Jesus schon einen Philippus oder eine Philippa losgeschickt, die mir wichtige Hinweise geben, mich mit Jesus zu treffen.

Paulus 

Apostelgeschichte 9,1-6
Paulus verfolgte immer noch die Jünger des Herrn und drohte ihnen mit Gefängnis und Hinrichtung. Er ging zum Obersten Priester und bat um eine schriftliche Vollmacht für die Synagogen in Damaskus.
Dort wollte er die Anhänger des neuen Weges aufspüren. Er wollte sie, Männer wie Frauen, festnehmen und nach Jerusalem bringen. Auf dem Weg nach Damaskus, kurz vor der Stadt, umstrahlte ihn plötzlich ein Licht vom Himmel. Er stürzte zu Boden und hörte eine Stimme, die zu ihm sagte: »Paulus, Paulus, warum verfolgst du mich?« Er fragte: »Wer bist du, Herr?« Die Stimme antwortete: »Ich bin Jesus, den du verfolgst. Doch jetzt steh auf und geh in die Stadt. Dort wirst du erfahren, was du tun sollst.«

Paulus dachte, er hätte Gott längst gefunden. Er kannte sich als Pharisäer in der Bibel aus wie kein Zweiter. Aber dann kam der Einschnitt vor Damaskus. Es ist, als hätte er erkennen müssen, dass sein „Walter“, den er längst gefunden hatte, der falsche war. Der Richtige stellte sich ihm auf die harte Tour vor. Der wissende, klar sehende Paulus wurde blind, angewiesen darauf, dass ihm ein Christ die Hand auflegte. Seine Vorstellungen von Gott wurden über den Haufen geworfen. Er lernte nun, dass er sein Leben nicht selbst im Griff hatte, dass er nicht mehr genau wusste, was Gott wollte, sondern dass er sich von Jesus führen lassen musste.

Er veränderte sein Glaubensverständnis grundlegend, atmete die Freiheit, Kind Gottes zu sein, spürte die Liebe Jesu in seinem Herzen, die ihn bereit machte, zu Menschen zu gehen, die aus anderen Kulturen waren und die Jesus genauso vorbehaltlos lieben wollte wie Paulus mit seiner makellosen Abstammung und Ausbildung. 

Erkenne ich mich in Paulus wieder? Habe ich den Eindruck, schon längst gefunden zu haben? Habe ich mir mein Leben eingerichtet, und ja, Gott ist auch irgendwie dabei, aber mehr als „Walter“ in einem Wimmelbild, einer unter vielen, der leicht übersehen wird?

Unser Sturz vor Damaskus
Krisen des Lebens können solche Stürze sein, wie Paulus ihn vor Damaskus erlebte. Wir denken, alles geht seinen geordneten Gang weiter, und plötzlich fallen wir buchstäblich vom Pferd – bekommen eine angstmachende ärztliche Diagnose, haben Stress mit unseren Engsten, verlieren und fühlen uns ausgemustert. Manche Krisen sind auch eher schleichend, sie kündigen sich schon viel früher an, bereiten manche schlaflose Nacht und beherrschen unser Denken über einen langen Zeitraum.

Es können Zeiten sein, in denen uns Jesus begegnet, wie er wirklich ist. Er zeigt sich und beleuchtet unsere Vorstellungen von ihm in einem ganz anderen Licht. Mit einem Leitsatz wie „Immer so weiter und möglichst nichts Unrechtes tun, dann wird schon alles gut“ kommen wir nicht mehr zurecht. Wir werden aufmerksam darauf, was Jesus sagt, wir hören vielleicht zum ersten Mal wirklich seine Stimme wie Paulus damals.

Was könnten wir von Jesus hören?

  • Meine Krise hat einen verborgenen Sinn. Erst jetzt werde bereit, Jesus zu bitten, dass er mir hilft und einen Weg für mich auftut.
  • In der Krise hat Jesus mich schon im Blick. Er spinnt Fäden, er schickt Hilfe, er lässt mich nicht allein. 
  • Ich muss es zulassen, die mir entgegengestreckten Hände ergreifen, mich führen lassen.
  • Was nach der Krise kommt, ist nicht unbedingt einfacher als vorher. Paulus hätte als Christenverfolger ein ruhigeres Leben gehabt als als Missionar. Vielleicht müssen schmerzhafte Entscheidungen mit Auswirkungen getroffen werden. Vielleicht muss ich mich von manchem trennen.
  • Neue Entdeckungen folgen der Krise. Ich bin immer in Verbindung mit Gott, kann zu jeder Zeit und Gelegenheit beten. Ich werde getragen von der Gemeinschaft meiner Gemeinde. Unter mir ist die Hand Gottes, und seine Zusage gilt: Du gehörst zu mir bis in alle Ewigkeit.
„Wo ist Walter?“ Wir sind wohl ein Leben lang auf der Suche nach Anerkennung und Zugehörigkeit, auf der Suche nach Gott, der uns liebt und uns Heimat gibt. Doch Gott hat schon längst alles in die Wege geleitet, uns zu finden. Jesus kommt uns entgegen. Er schickt uns Philippus und Philippa wie damals dem Schatzmeister aus Äthiopien. Er unterbricht unseren Weg und zeigt sich uns wie damals Paulus, dass wir merken, er ist ganz anders, als wir dachten. Mit ihm zu leben ist Abenteuer. Mit ihm können wir so wie im Wimmelbuch mit „Walter“ immer wieder neue Situationen erleben, die uns zeigen, wir werden von ihm geliebt und anerkannt, und wir gehören zu ihm.

Jeremia 29,13-14
Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR.

Cornelia Trick


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