Wir wollen Jesus sehen
Gottesdienst am 22.03.2009

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
wir waren zu einem Geburtstagsfest eines Freundes eingeladen. Er feierte seinen runden Jubeltag in einer urigen Gaststätte mitten im Wald. Natürlich war der Einladung eine Anfahrtskizze beigelegt, so dass wir uns im Vorfeld nicht weiter um die Anreise kümmerten. Die Wegbeschreibung würde uns ja helfen. Dummerweise, nachdem wir schon etliche Kilometer gefahren waren, stellten wir fest, dass Einladung mit Skizze zu Hause liegen geblieben waren. Wir hatten nur eine ungefähre Vorstellung vom Ort und der Lokalität. So blieb uns nichts anderes übrig, als uns durchzufragen. Passanten konnten uns weiterhelfen, und am Schluss standen wir vor dem richtigen Lokal, nur ein bisschen verspätet. Heute kann das mit den modernen Möglichkeiten eines Handys nicht mehr so leicht passieren, aber vor ein paar Jahren wären wir ohne Hilfe aufgeschmissen gewesen. 

Die heutige Szene aus dem Leben Jesu unterwegs ans Kreuz handelt auch von Leuten, die den Weg suchten, und Helfern, die ihnen den Weg zeigen konnten. Ziel war nicht eine Gaststätte, sondern Jesus, der Gastgeber für das Fest des Lebens.

Als Jesus in Jerusalem angekommen war, liefen ihm viele Leute nach. Für sie war Jesus Wundertäter, seit er Lazarus vom Tod auferweckt hatte. Sie sehnten sich nach Heilung, einem Wort, das sie frei machte, einer segnenden Hand, die ihre Wunden bedeckte. Die jüdische Führungsschicht beurteilte die Situation: „Alle Welt läuft ihm nach.“ Und sie beschlossen, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Doch bevor sie mit ihrem Mordplan zum Zuge kamen, legte Gott schon die Spuren in die Zukunft. Auch wenn sie Jesus töteten, würden sie seine Mission nicht beenden können. Im Gegenteil, durch seinen Tod würde Jesus über Israel hinaus zum Heiland der ganzen Welt.

Johannes 12,20-22 Griechen wollen Jesus sehen

Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu  Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen's Jesus weiter.

Alle Welt läuft Jesus nach, dabei waren auch Menschen aus dem hellenistisch geprägten Kulturkreis. Sie symphatisierten als Nicht-Juden mit der jüdischen Religion, durften zwar nicht an den Passah-Feierlichkeiten teilnehmen, aber waren mit hinein genommen in die festliche Atmosphäre in Jerusalem. Sie hatten wohl von Jesus gehört, denn er war mittlerweile Stadtgespräch geworden. Sie konnten sich nicht an Jesus selbst wenden. Zu unerreichbar war er für sie, die ja noch nicht mal offiziell beim Passah-Fest dabei sein durften. Sie brauchten die Wegweiser an der Straße, die Passanten, die ihnen Hinweise geben konnten, wie sie ihr Ziel erreichen konnten. Philippus war der geeignete Mann. Mit seinem griechischen Namen war er einer der ihren. Sie konnten ihm ihren Wunsch anvertrauen: „Wir wollen so gerne Jesus sehen.“ Philippus mag sich an die Anfangszeit mit Jesus zurückerinnert haben. Als er erst ein paar Tage mit Jesus unterwegs war, sprach er Nathanael an und lud ihn zu Jesus ein: „Komm und sieh!“ Philippus war jetzt offenbar unsicher. Wollte Jesus sich mit den Griechen treffen? Sollte er sie zu Jesus führen wie damals Nathanel? Sollte Jesus jetzt auch Leute aus dem griechischen Umfeld in die Nachfolge rufen? So wird berichtet, dass er sich mit Andreas beriet, der ebenfalls einen griechischen Namen hatte. Vielleicht waren die beiden die besonderen Kontaktleute zu den Griechen. Und beide gingen mit dem Anliegen zu Jesus.

Diese Szene weist voraus auf die Zeit nach Ostern und Pfingsten. Menschen aus aller Welt und ganz verschiedenen Kulturkreisen werden auf Jesus aufmerksam. Es wächst eine große Sehnsucht, ihm zu begegnen. Vermittelt werden die Jesus-Begegnungen durch Missionare, Nachfolger Jesu wie Philippus und Andreas, die wie Passanten den Autofahrern den Weg zu Jesus erklären. Die Nachfolger reden nicht von sich selbst, sondern vermitteln den Kontakt. Sie treten als Personen zurück hinter ihrem Auftrag.

Wir können uns heute mit den Griechen in diesem Gespräch identifizieren. Wir wollen Jesus sehen, wir wollen ihm begegnen, wir wollen von ihm berührt werden. Es sind Menschen auf dem Weg, die uns helfen, ihn zu finden. Vielleicht waren es die Eltern, vielleicht Lehrer oder Partner, vielleicht Freunde oder eine Jugendgruppe, vielleicht ein Arzt oder ein Seelsorger in einer bedrohlichen Situation. 

Wir können uns aber auch mit Philippus und Andreas identifizieren. Hoffentlich kennen wir Menschen, die auf der Suche sind, die Halt brauchen und eine Orientierung herbeisehnen. Ihnen können wir Wegweiser sein, nicht indem wir uns selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern indem wir von Jesus erzählen und den Weg zu ihm zeigen. Die Griechen wollen Jesus sehen, meine Nachbarn vielleicht auch, wer führt sie zu Jesus?

Johannes 12,23-26 Jesus will Frucht sehen

Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird's erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

Philippus und Andreas wollten einen Termin für die Griechen machen. Doch Jesus sprach von einem anderen Termin, der zuerst dran war. Er gab zur Antwort, dass er erst sterben würde und dass dadurch Gottes Größe erst ganz sichtbar werden könnte. Vorher wollte er keinen Termin mit den Griechen machen. Jesu Tod ermöglichte erst das richtige Sehen. Jetzt würden die Griechen nur den Wundertäter sehen, nach Ostern den Retter der Welt, der sie mit Gott versöhnte.

Doch was bedeutete Jesu Tod und was hieß sein Sterben für die Griechen? Das verdeutlichte Jesus mit einem Weizenkorn. KornMan stelle sich vor, ein Weizenkorn versteckt sich in der Scheune. Es will nicht ausgesät werden. Es will sich nicht in die Erde stecken lassen, seine Form verlieren und sterben. Es möchte prall und goldgelb bleiben, sich selbst pflegen und endlich mal an sich denken. Über den Winter bleibt das Weizenkorn unentdeckt. Doch als nach dem Frühling der Sommer kommt, fegt der Bauer die Scheune aus, um Platz für die neuen Weizenvorräte zu schaffen. Auch das kleine goldgelbe Weizenkorn wird mit dem Staub weggefegt. Es landet im Müll, todeinsam verfällt es schließlich. Ein anderes Weizenkorn nimmt seine Lebensaufgabe an. Es lässt sich in die Erde säen, verliert seine Form, wird zum Halm und bringt an seiner Ähre viele neue Weizenkörner hervor. Es wird zu Brot, das sättigt, geteilt und gesegnet wird, Brot, das hinweist auf Jesus, das Brot des Lebens. 

So vergleicht Jesus seinen Tod mit einem Weizenkorn, das nicht einsam in der Scheune bleibt, sondern das seine Aufgabe annimmt. Sein Tod wird dazu führen, dass Viele zu Gott finden, nicht nur Juden, sondern auch Griechen und die ganze Welt. Sein Tod wird den Leib Christi begründen, wie ein Samenkorn Grundlage für einen ganzen Laib Brot sein kann. Jesus führt nun aus, was sein Tod für die bedeutet, die ihn sehen werden. Sie werden nun ihrerseits von Jesus gepflanzt wie Weizenkörner. Wer lieber unversehrt in der Scheune liegen bleiben will, der wird seine Bestimmung verlieren. Wer sich von Jesus in die Erde senken lässt, der wird erst erfahren, was Jesus aus ihm machen will.

Zwei Beispiele möchte ich dazu ausführen. Eines stammt aus Irland im 6. und 7. Jahrhundert, das andere aus der Bibel.
Als die ersten Iren Christen wurden, überlegten sie sehr ernsthaft, wie sie ihr Leben Gott zur Verfügung stellen konnten. Sie wurden nicht verfolgt, keine Christen mussten in Irland wegen ihres Glaubens sterben. Das so genannte „rote Märtyrertum“, das Jesu Wort vom Leben-Verlieren ernst werden ließ, gab es in Irland nicht. Wie konnten sie Jesus nachfolgen, wenn keiner sie töten wollte? Da reifte in ihnen die Erkenntnis, dass sie sich wie die Wüstenväter in Ägypten ganz in die Einöde zurückziehen konnten, um die heiligen Schriften zu studieren, für ihre Sünden zu büßen und mit Gott zu reden. Sie nannten es das „grüne Martyrium“. Viele Christen zogen sich als Einsiedler aus den Dorfgemeinschaften auf Hügel oder Inseln zurück und lebten dort in inniger Verbindung zu ihrem Herrn. Bis die Zeit reif wurde, in eine neue Phase einzutreten. Die Einsiedelei ließ keine neue Frucht wachsen. Das Land wurde zwar durch Gebet und Bibellesen für die Saat bestellt, aber es fehlte das Säen, niemand ging zu den Leuten und erzählte ihnen von Jesus, wurde ihr Wegweiser wie Philippus und Andreas. So begann mit einem Kloster auf der Insel Iona vor Schottland die Zeit des „weißen Martyriums“, 12 Mönche begründeten eine Missionsarbeit, die auf Schottland und England überging. Weiß nannten sie es, weil sie mit Segelbooten und Blick in den weißen Himmel zu unbekannten Ufern aufbrachen. Aus vereinsamt lebenden Mönchen wurden Botschafter des Evangeliums, die Seereisen auf sich nahmen, um in fremden Ländern von Jesus zu erzählen. Diese Menschen haben ihr Leben für das Evangelium eingesetzt. Sie wollten ganz für Jesus da sein. 

Das zweite Beispiel handelt von einer alleinerziehenden Witwe aus der Stadt Sarepta, nördlich von Israel. (1.Könige 17,8-16) Sie litt mit ihrem Sohn an einer 2 Jahre andauernden Dürre. Ihre Vorräte waren fast aufgebraucht, als sie vom Propheten Elia angesprochen wurde, sie solle ihm Wasser und Brot bringen. Wasser, das wollte sie ihm geben, aber Brot, so sagte sie, habe sie nicht mehr. Nur noch eine Hand voll Mehl und ein paar Tropfen Öl befanden sich in ihrer Speisekammer, das sollte die letzte Mahlzeit für sie und ihren Sohn vor dem Hungertod werden. Der Prophet bat sie, ihm zuerst von diesem letzten Brot zu geben, dann würden ihre Vorräte durch Gottes Fürsorge nie mehr ausgehen. Die Witwe brachte ihm tatsächlich das Brot und erlebte das Wunder, dass ihr Mehl und Öl reichte, bis die Dürre vorüber war. Diese Frau hat ihr Leben in Gottes Hand gelegt. Sie gab Gott nicht das, was bei ihr übrig war, sondern das, was sie eigentlich selbst dringend brauchte. Damit macht sie uns vor, was es bedeutet, sich von Jesus pflanzen zu lassen. Es heißt, ihm alles zur Verfügung zu stellen, was wir besitzen. Dabei müssen wir uns nicht groß Gedanken machen, was er denn nun von uns will und was nicht. Er wird auf uns zukommen wie auf die Witwe aus Sarepta und uns klar sagen, was er will. Vielleicht ist es Zeit, vielleicht ist es Geld, vielleicht unsere Arbeitskraft und unsere Liebe. Vielleicht ist es eine Aufgabe, die auf uns zugeschnitten scheint, wir uns aber immer wieder sagen, dass sie uns nichts bringt, zu wenig Erfolg verspricht, zuviel kostet. Dann will Gott uns wohl gerade da pflanzen und uns staunen lassen, wie wir erst in seiner Erde uns zu seinem Lob entfalten können und Frucht bringen.

Mit den Griechen in Jerusalem, die Jesus sehen wollten, beginnt die nachösterliche Missionsgeschichte. Wir dürfen heute am Sonntag Laetare („Freut euch mit Jerusalem“) schon über Karfreitag und Ostern hinausblicken. Jesus möchte unsere Frucht sehen. Bleiben wir in der Scheune, um unversehrt und prall im Leben zu bleiben, wird uns das Schönste verborgen bleiben. Leben gewinnen können wir nur, wenn wir uns von Jesus mit unserem ganzen Leben packen lassen, damit er Großes daraus wachsen lässt.

Cornelia Trick


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