Wie in Sodom und Gomorra
Gottesdienst am 14.03.2004

Sodom und Gomorra unter uns

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
letzten Sonntag beschäftigten wir uns mit Abrahams Familiengeschichten. Abraham und Sara waren so eifrig, die Verheißung Gottes auf den Weg zu bringen, dass sie Gott dabei ganz übersahen. Heute werden wir Zeugen eines intensiven Gesprächs zwischen Gott und Abraham, das während einer Wanderung beginnt.

Da brachen die Männer auf und wandten sich nach Sodom, und Abraham ging mit ihnen, um sie zu geleiten. (1.Mose 18,16)

Abraham ist mit zwei Gottesboten unterwegs nach Sodom. Dort wohnt sein Neffe Lot mit seiner Familie. Während Abraham mit den Männern auf Sodom zuläuft, lässt Gott uns an seinen Gedanken teilhaben:

Da sprach der HERR: Wie könnte ich Abraham verbergen, was ich tun will, da er doch ein großes und mächtiges Volk werden soll und alle Völker auf Erden in ihm gesegnet werden sollen? Denn dazu habe ich ihn auserkoren, dass er seinen Kindern befehle und seinem Hause nach ihm, dass sie des HERRN Wege halten und tun, was recht und gut ist, auf dass der HERR auf Abraham kommen lasse, was er ihm verheißen hat. (1.Mose 18,17-19)

Abraham ist von Gott ausgesucht, Stammvater eines Volkes zu sein, das mit Gott in ganz besonderer Weise verbunden sein wird. Als Verheißungsträger soll Abraham wissen, was Gott von ihm und seinem Volk erwartet. Er hat die Aufgabe, Gottes Willen zu achten und ihn seinen Nachfahren verständlich zu machen. Abraham soll informiert sein, was auch für ihn als Träger der Verheißung auf dem Spiel steht. So führt Gott Abraham an den Rand Sodoms und der Nachbarstadt Gomorra.

Der Glaubenskurs Gottes mit Abraham am Beispiel Sodom und Gomorra kann auch für uns interessant sein. Was heißt es, in der Verheißung Gottes zu leben? Schüttet Gott seine Verheißung einfach wie mit der Gießkanne über uns aus und dann wird sich alles ganz automatisch nach seinem Willen fügen? Oder bedeutet seine Verheißung, dass er uns unterstützt, die notwendigen Schritte selbst zu gehen, um in diese Verheißung hineinzuwachsen? So wird Sodom und Gomorra ein Lehrstück für uns alle.

Und der HERR sprach: Es ist ein großes Geschrei über Sodom und Gomorra, dass ihre Sünden sehr schwer sind. Darum will ich hinabfahren und sehen, ob sie alles getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob's nicht so sei, damit ich's wisse. (1.Mose 18,20-21)

Wie es in Sodom und Gomorra zugegangen ist, wissen wir nur andeutungsweise. Sittlicher Verfall, Rechtsbruch, Ausbeutung der Armen zu Gunsten der Reichen, Verweigerung des Gastrechts und mangelnde Ehrfurcht vor dem Leben werden andeutungsweise skizziert. Das Unrecht ist bildlich gesprochen so groß geworden, dass das Geschrei der Verletzten und Ausgebeuteten zum Himmel schreit. Gott ist durch das Geschrei aufmerksam geworden auf diese Städte, er will sich persönlich überzeugen. Er verlässt die Vorstandsetage und sucht die betroffene Abteilung auf. Er will seine Entscheidung nicht an Gerüchten und Geschrei festmachen, sondern sie auf eine sichere Grundlage stellen.

Und die Männer wandten ihr Angesicht und gingen nach Sodom. Aber Abraham blieb stehen vor dem HERRN.(1.Mose 18,22)

Die Szene stockt. Die Männer gehen weiter, doch Abraham bleibt stehen. In den ältesten Handschriften der Bibel ist es Gott, der vor Abraham stehen bleibt. Vielleicht fanden spätere Abschreiber des Textes diese Vorstellung gar zu menschlich. Gott, der vor einem Menschen stehen bleibt, wirkte für sie wie ein Diener, der vor seinem Herrn steht. Diese Rolle kam dann doch eher Abraham zu. Für mich macht beides Sinn. Gott hält Abraham auf. Er stellt sich ihm in den Weg. Abraham hat keine Möglichkeit auszuweichen. Die Unterrichtsstunde für ihn beginnt. Doch nun darf Abraham reden. Er wird aus der Zuschauerposition herausgefordert. Er wird mit Blick auf Sodom und Gomorra nach seiner Haltung gefragt und seiner Position in der Welt. Abraham steht als Fragender und Schüler vor Gott.

Auch mir stellt sich Gott in den Weg. Er lässt mich innehalten in meinen Tagesgeschäften und aufblicken. Er fragt mich: "Was sagst du zu den Schlagzeilen der Woche und zu den Bombenanschlägen in Madrid? Was denkt Gott über diese Welt, in der das möglich ist? Wie verhältst du dich dazu?"

Und Abraham trat zu ihm und sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen?  Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären? Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte wäre gleich wie der Gottlose! Das sei ferne von dir! Sollte der  Richter aller Welt nicht gerecht richten? Der HERR sprach: Finde ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin. Es könnten vielleicht fünf weniger als fünfzig Gerechte darin sein; wolltest du denn die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben. Und er fuhr fort mit ihm zu reden und sprach: Man könnte vielleicht vierzig darin finden. Er aber sprach: Ich will ihnen nichts tun um der vierzig willen. Abraham sprach: Zürne nicht, Herr, dass ich noch mehr rede. Man könnte vielleicht dreißig darin finden. Er aber sprach: Finde ich dreißig darin, so will ich ihnen nichts tun. Und er sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, mit dem Herrn zu reden. Man könnte vielleicht zwanzig darin finden. Er antwortete: Ich will sie nicht verderben um der zwanzig willen. Und er sprach: Ach, zürne nicht, Herr, dass ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht zehn darin finden. Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen. Und der HERR ging weg, nachdem er aufgehört hatte, mit Abraham zu reden; und Abraham kehrte wieder um an seinen Ort. (1.Mose 18,23-33)

Abraham steht vor Gott und setzt sich mit dem Problem auseinander. Dabei wird deutlich, was ihn beschäftigt.

  • Abraham geht ganz selbstverständlich davon aus, dass Gott Sodom und Gomorra untergehen lassen wird. Die Lebensweise der Menschen dort verträgt sich nicht mit Gottes Heiligkeit. Da Gott stärker ist, wird er sich durchsetzen. Hätten die Leute sich nach Gott gerichtet, wäre ihnen der Untergang erspart geblieben. Für Abraham gibt es keine Grautöne, entweder Leben mit Gott oder Untergang.
  • Abraham ist beunruhigt. Er kennt zumindest einen Menschen in Sodom, seinen Neffen Lot. Er denkt an ihn und andere, die nichts mit dem Unrecht der Einwohner zu tun haben könnten. Werden die Gerechten mit den Ungerechten vernichtet? Ist Gott zu Gerechten ungerecht?
  • Gott lässt sich auf Abrahams Anfragen ein. Es schließen sich mehrere Gesprächsgänge an. Abraham wird zunehmend unsicherer. Ging er zuerst von 50 Gerechten in der Stadt aus, so bleiben gegen Ende noch 10 übrig, die Abraham in der Stadt vermutet. An dieser Stelle bricht Gott das Gespräch ab. Um 10 Gerechter willen wird er die Städte vom Gericht verschonen.
  • In diesem Gespräch geht es nicht um einen Handel, sondern um Seelsorge. Gott führt Abraham Stück für Stück weiter. Er zeigt sich Abraham als Chef, der das Beste seines Bodenpersonals im Blick hat. Er möchte die Menschen retten, nicht vernichten. Er würde es sogar hinnehmen, wenn nur 10 Leute übrig wären, die Gerechtigkeit in der Stadt lebten. In sie würde er seine ganze Hoffnung setzen, dass sie die Stadt zur Umkehr bewegen könnten. Aber Abraham merkt selbst, es gibt keine Sicherheit der Errettung. Gerechte sind nicht wie Sand am Meer auf dieser Welt.
  • Gott bricht das Gespräch ab. Abraham soll jetzt genau hinschauen, was passiert.
Schauen wir selbst genau hin. Das Unrecht unserer Umgebung schreit ebenso zum Himmel. Gewalt, Korruption, Kindesmissbrauch, Steuerhinterziehung und das Leben auf Kosten anderer vertragen sich nicht mit der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes. Gibt es 10 Leute, die Gott so fest vertrauen, dass sie seine Gerichte aufhalten können? 

Sodom und Gomorra werden vernichtet, so erzählt es die Fortsetzung der Geschichte. Gerettet wird Lot mit seiner Familie. Doch wird nicht etwa festgestellt, dass Lot wegen seiner Gerechtigkeit und seines Gottvertrauens dem Untergang entkommen ist. Nur um Abraham willen zerrte Gott ihn aus der brennenden Stadt. Lot selbst zögerte, er stand eben mit einem Bein selbst in Sodom und Gomorra. Doch Gott ließ ihn nicht untergehen, die Boten Gottes - so heißt es wörtlich - ergriffen Lots Handgelenke und rissen ihn weg. Gott wollte nicht, so heißt es weiter, dass er in der Missetat der Stadt unterging. Diese Aussage ist wichtig. Der eigentliche Untergang wurde durch die Gottlosigkeit der Menschen dort verursacht, ihre Rechtsverdrehung und Verletzung der von Gott gegebenen Menschenwürde. Da brauchte es gar nicht mehr Feuer und Schwefel vom Himmel. Sodom und Gomorra bescherten sich selbst das Gericht.

Abraham schaute dem Geschehen vom Stadtrand aus zu. Er lernte, dass die Verheißung für ihn und seine Nachkommen Folgen hatte. Er hatte Verantwortung, sein Leben, Reden und Handeln an Gott auszurichten, damit es Bestand hatte. Gottes Verheißung konnte er durch Rechtsbruch verspielen.

Wenn wir mit Abraham vor dem brennenden Sodom und Gomorra stehen, wirkt die Szene trostlos auf uns. Ein wenig werden wir uns in Lot wiedererkennen, der mittendrin lebte und gar nicht fliehen wollte. Auch wir haben uns ja in unseren Verhältnissen ganz gut eingelebt. Wen kümmern die täglichen Schreckensnachrichten schon so, dass er auf und davon geht. Und sind wir wirklich so anders als unsere Umgebung? Sind wir gerecht? Halten wir Gottes Gebote ohne zu zögern? Schon beim ersten Gebot kann uns die Selbsterkenntnis treffen, dass auch wir nicht auf der sicheren Seite sind. Gott über alles zu lieben und ihn an erster Stelle zu haben, ist im Alltag doch oftmals mehr ein Wunschdenken als Realität. Was gibt uns Hoffnung und wo ist der Ausweg aus dem Gericht über unser Leben?

Gott ließ Jesus mitten in unserer Welt leben. Er war der eine Gerechte. Auch er musste sterben, doch nicht an den Folgen seiner eigenen Gottlosigkeit, sondern stellvertretend für unsere Gottlosigkeit. Gott sagte Ja zu seiner Stellvertretung, als er Jesus auferweckte. Er sagt Ja zu uns, die wir uns seitdem auf Jesus berufen und gewiss sind, dass Jesus uns aus dem letzten Gericht retten wird. Weil er uns gerecht spricht, sind wir auf Gottes Seite. Und weil er mit uns lebt, verändert er uns. Wir müssen nicht mehr mitmachen bei dem Unrecht dieser Welt, das zum Himmel schreit. Keiner kann uns zur Lüge zwingen, zu menschenverachtendem Umgang mit Schwächeren, zu Ehebruch und Kindesmissbrauch. Es ist etwas anders geworden in unserem Leben, denn wir scharen uns um Jesus. Von seiner Mitte her hat Sodom und Gomorra eine neue Chance zur Umkehr, bevor sich die Städte durch ihr Unrecht selbst die Lebensgrundlage entziehen.

Gott spricht durch dieses Lehrstück zu uns. Er stellt sich uns in den Weg, wir sind aufgefordert, auf die Welt um uns zu schauen. Er fordert uns heraus, für diese Welt einzutreten. Mit Jesus können wir beten für unsere Stadt, dass sie umkehrt und aufmerksam wird auf Gott. Weil Jesus für diese Stadt und das Leid in ihr gestorben ist, brauchen wir nicht müde werden, um Gottes Erbarmen zu flehen.

Wie Abraham werden wir aufgefordert, als Segensträger und -trägerinnen zu leben. Das schlägt sich in unserem konkreten Handeln nieder. In unserer Eindeutigkeit, unserer Klarheit, unserer bedingungslosen Gerechtigkeit und unserer Liebe. So kann die Zahl der Christen wachsen, die sich auf den einen Gerechten verlassen und von ihm die Kraft bekommen, die Stadt zu verändern.

Ich frage mich, was wir hier als Christen und Christinnen in Neuenhain und Umgebung zu tun haben, um Gott gemäß zu leben und Segensträger und -trägerinnen zu sein. Die Fürbitte ist das eine, ganz konkret und anhaltend. Unser Reden und Handeln sollte ebenso davon Zeugnis geben, wie Gott sich menschliches Zusammenleben gedacht hat. Es sollte einladend sein, dass die Zahl der Menschen wächst, um derentwillen Jesus gestorben ist und die er retten will bis in Ewigkeit. Den Bombenattentaten können wir als Christen nicht entkommen, die Gerichte dieser Welt treffen uns alle in gleicher Weise, aber die Rettung steht am Ende. Jesus wartet auf uns in Ewigkeit. Darauf kommt es an.

Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn sandte, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Johannes 3,16)

Cornelia Trick


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