Wasser für Durstige (Johannes 7,37-39)
Gottesdienst am 28.5.2017 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
einige Jahre war ich Mitglied im Alpenverein. Dadurch waren Hüttenübernachtungen günstiger, und es war ein gutes Gefühl, die Alpenvereins-Aktivitäten zu unterstützen und einen Beitrag für die Instandhaltung von Wegen und Klettersteigen zu leisten. Nie war ich bei einer Vereinsversammlung in Frankfurt, und die Zeit als Mitglied hat mich in keiner Weise geprägt. Es war einfach nur praktisch für den Sommerurlaub.

Zu einer Kirche zu gehören, könnten wir ganz ähnlich beschreiben. In gewissen Lebensphasen ist es von Vorteil. Die Kinder bekommen christliche Grundwerte vermittelt, wenn sie auf eine christliche Privatschule gehen, hat man damit die Eintrittskarte, Stationstage des Lebens werden festlich gestaltet, im Alter wird man von Seelsorgern betreut. So zu einer Kirchengemeinde zu gehören, sie auch wohlwollend finanziell zu unterstützen, bringt Vorteile, prägt aber nicht.

Was würde Jesus zu Menschen sagen, die ihr Verhältnis zu seiner Gemeinde so beschreiben, wie meine Mitgliedschaft im Alpenverein? Ich versuche mal eine vorsichtige Antwort, abgeleitet von dem, was Jesus in den Evangelien sagt.

  1. Jesus freut sich über jeden und jede, die in Kontakt zu Gott kommen will, egal wie unverbindlich und locker. Auch eine Zwecknähe bietet ihm Anknüpfungsmöglichkeit und ist wie eine angelehnte Tür, die ihm Eintritt gewährt.
  2. Jesus schaut über die Zweckgemeinschaft hinweg ins Innere der Seele. Er erkennt, wo jemand Durst und Sehnsucht hat.
  3. Jesus begegnet Menschen genau an diesem Punkt, wo sie Durst spüren. Er bietet sich selbst als Durstlöscher an, mit ihm unterwegs zu sein, verheißt, an der Quelle zu leben.
  4. Durch diese Erfahrung wandelt sich auch eine unverbindliche Mitgliedschaft in eine Lebensgemeinschaft, die prägt und verändert.
Jesus war beim Laubhüttenfest, so berichtet der Evangelist Johannes. Er redete mit Menschen, denen er näher kommen wollte, deren Durst er sah, und denen er helfen wollte, ihn zu stillen.

Johannes 7,37-39

Am letzten Festtag, dem Höhepunkt des ganzen Festes, trat Jesus vor die Menge und rief: »Wer durstig ist, soll zu mir kommen und trinken – jeder, der mir vertraut! Denn in den Heiligen Schriften heißt es: 'Aus seinem Innern wird lebendiges Wasser strömen.'« Jesus meinte damit den Geist Gottes, den die erhalten sollten, die ihn im Glauben annehmen. Damals war der Geist noch nicht gekommen, weil Jesus noch nicht in Gottes Herrlichkeit aufgenommen war.

Heute feiern wir den Sonntag zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Seit Himmelfahrt ist Jesus beim Vater, er lässt die Jünger mit dem Auftrag zurück, ihre Mitmenschen zu hingegebenen Nachfolgern Jesu zu machen. Wie soll das gehen? Reicht die eigene Kraft dazu aus?

Pfingsten wird noch kommen. Die Kraft des Heiligen Geistes wird ausgegossen. Erst da wird klar: wenn wir anderen Wasser gegen den Durst weitergeben, dann schöpfen wir nicht aus unseren Reserven, sondern geben weiter, was wir von Jesus bekommen.

Sind wir selbst überhaupt durstig, brauchen wir Jesu Wasser?

In einem Aufsatz las ich von vier Bedürfnissen, die alle Menschen haben. Sind diese Bedürfnisse nicht gestillt, haben Menschen sozusagen Durst.
  • Zuerst brauchen Menschen Essen, Trinken, Schlaf und Luft zum Atmen.  Diese Basiselemente haben erste Priorität, der Durst nach ihnen überlagert alle anderen Bedürfnisse. Wer nichts zu essen hat und verhungert, wird alles daran setzen, sich Essen zu besorgen, er wird sicher keine Konzerte besuchen, keine spannenden Bücher lesen wollen und keine Urlaube planen können.
  • Das zweitwichtigste Bedürfnis ist das nach Sicherheit. Um sich sicher zu fühlen, braucht man eine vertraute Umgebung, ein Dach über dem Kopf, genug Geld, Schutz vor Einbrechern und eine gewisse Planungssicherheit für die nächste Zeit. Wer in einem Kriegsgebiet lebt und ständig mit einem Bombenangriff, einer Sprengmine, Vertreibung und Gewalt rechnen muss, wird alles daran setzen, um wieder mehr Sicherheit zu erlangen. Viele fliehen deshalb aus den Krisengebieten in der Hoffnung, woanders angstfreier und sicherer leben zu können.
  • Das dritte Bedürfnis sehnt sich nach sozialen Kontakten. Annahme, Wertschätzung, Familie und Freunde, gelingende Beziehungen und wenig Streit sind für Menschen erstrebenswert. Sich in den sozialen Kontakten geborgen zu wissen, macht glücklich und stillt Lebensdurst.
  • Ist für Essen und Trinken gesorgt, das Leben möglichst sicher, die sozialen Kontakte befriedigend, geht es im vierten Grundbedürfnis um die Persönlichkeit, das Ich. Sich zu entfalten, einen Glauben zu haben und zu leben, den Sinn des Lebens zu finden, lassen aufbrechen und nach Möglichkeiten der Befriedigung suchen.
Schauen wir uns diese vier aufeinander aufbauenden Fragestellungen im Leben an, so wird gleich offensichtlich, dass wir hier und heute unsere Grundbedürfnisse gut befriedigen können.

An Hunger leiden wir nicht, ein Dach über dem Kopf hat fast jeder, relativ sicher leben wir in Deutschland, und für fast alles gibt es Versicherungen. Soziale Beziehungen sind nicht überall einfach, in Städten leben viele Menschen vereinzelt, gerade auch im Alter, doch bei uns gibt es noch große Familien, intakte Nachbarschaft, und viele wohnen seit der Kindheit hier und treffen sich regelmäßig mit Freunden, die sie seit Urzeiten kennen. Wie steht es um die Entfaltungsmöglichkeiten des Ich? Sicher, nicht jeder konnte das lernen und studieren, was er wollte, manche Biografien sind nicht ideal und selbstbestimmt verlaufen. Aber in unserer Zeit ist eher das Thema, sich aus zu vielen Wahlmöglichkeiten für einen Weg zu entscheiden, als fremdbestimmt in eine Laufbahn hineingezwängt zu werden. 

Sind wir äußerlich satt und zufrieden, haben alles und dürfen uns unseren Lebensentwurf selbst wählen, so sind doch unter der Oberfläche manche Unsicherheiten und Durst. Besonders an den Weggabelungen tauchen Probleme auf, wird klar, dass wir eben doch nicht für alles Lösungen haben und wissen, wie es weitergeht. Schauen wir uns das ganz normale Leben an,  haben wir Durst-Erfahrungen beim Ausbildungsweg, bei der Partnerwahl, bei der Familiengründung, bei der Zeit nach der Berufstätigkeit, in Brüchen von Beziehungen, in Krankheitszeiten, beim Älterwerden. Da tauchen die Fragen auf: Wie soll es weitergehen? Was ist das Beste für mich? Gibt es Gott und was will er von mir?

Vielleicht haben wir im Moment gar keine Fragen zu unserem eigenen Leben, sondern für das Leben anderer, die mit uns unterwegs sind. Ihre Sorgen lassen uns genauso durstig werden, genauso nach Antworten suchen, die wir selbst nicht geben können. 

Es ist wichtig, dass wir diese Durst-Fragen offenlegen, sie nicht verdrängen, sondern sie Jesus bringen. Er steht mit der Wasserflasche vor uns, wenn wir erschöpft am Wegrand liegen, die Sonne vom Himmel brennt und wir aus dem letzten Loch pfeifen.

Jesus hilft uns, unseren Durst zu löschen

Er gönnt uns Auszeiten. Der Gottesdienst am Sonntag ist zum Beispiel eine solche Auszeit, in der Jesus uns Wasser für unsere Lebensfragen geben will. Wir kommen in den Gottesdienst und können nachspüren, wo unsere Sehnsucht heute ist. 

Brauchen wir Nahrung, eine Wohnung? Brauchen wir mehr Sicherheit? Brauchen wir jemand, mit dem wir uns austauschen können? Brauchen wir Klarheit für Lebensentscheidungen? Oder brauchen wir einen Rat für jemand, mit dem wir unterwegs sind, der unsere Hilfe in Anspruch nimmt? Durstig kommen wir in den Gottesdienst und erwarten, dass Jesus uns zu trinken gibt.

In der Urgemeinde aß und trank man zusammen, teilte das Geld und sorgte umfassend füreinander. Klar war, im Gottesdienst wurde nicht nur geistlicher Durst gestillt, sondern Lebensdurst.

Jesus reicht uns die Flasche Wasser. Er spricht uns zu, dass er sich um uns und unsere Nöte kümmert. Er wird helfen und versichert uns, dass wir ihm vertrauen können. Er lässt Menschen neben uns sitzen, auf uns zukommen, die uns bestärken oder uns Hinweise geben. Er lässt uns Situationen erleben, die uns wie ein volles Glas Wasser beschenken.

Unser Durst ist nicht immer weg. Wer krank hier hergekommen ist, wird nicht automatisch sofort gesund. Aber er darf sich in Jesu Hand fallen lassen, der ihm die Liebe Gottes nahe bringt. Er oder sie darf hören, Jesus ist immer da und wird nicht fallen lassen, wie groß auch die Not ist.

Ist Durst von Jesus gestillt, geht es erst richtig los. Ströme lebendigen Wassers werden die weitergeben, die damit beschenkt worden sind. Stellen Sie sich vor, am Ausgang bekommen alle Gottesdienstteilnehmenden Sprudelkisten mit, die sie während der Woche verteilen können. Wer von ihnen eine solche Flasche geschenkt bekommt, wird mit der Liebe Gottes berührt, darf seinen Durst mit Jesu Hilfe stillen.

Jesus verheißt Wasser für Durstige. Unser Problem ist, dass wir scheinbar alles haben und nichts mehr brauchen, auch kein Jesus-Wasser. Da macht es Sinn, tiefer zu graben, bis wir an den Stellen sind, wo auch wir uns mit offenen Fragen quälen.

Unsere Chance ist, dass wir hier im Gottesdienst und natürlich an jedem Tag innehalten können, um Jesu Zusage zu hören, dass er uns Wasser geben will, das uns seiner Liebe versichert.

Sind wir satt, können wir weitergeben und anderen helfen, ihre Bedürfnisse nach Leben mit Gottes Hilfe zu stillen.

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_wasser_fuer_durstige.htm