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Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
Der Prophet Jeremia trat in einer Krisenzeit auf. Die erstarkende babylonische Großmacht drohte am Horizont. Das kleine Juda, nach dem Untergang des Nordreichs allein übriggeblieben, suchte Bündnispartner gegen den Feind. Jeremia kritisierte dieses rein politische Abwägen. Er forderte, dass die Verantwortlichen mit Gott rechnen, ihn in seine Überlegungen einbeziehen sollten. Er führte ihnen vor Augen, welche Konsequenzen ihr Tun haben würde. Leichte Risse zeigen sich in dem Bild, das Jeremia vom Untergang malte. Durch diese Risse dringt Gottes barmherzige Liebe. Auch wenn Jeremia in seiner Predigt keine Hoffnung auf Umkehr hatte, spüren wir, wie noch nicht alles verloren ist. Jeremias ernste Worte hören wir heute am Volkstrauertag. Wir werden an großes Leid erinnert, das von verblendeten Menschen verursacht wurde. Der Gedenktag stellt uns wieder neu vor die Aufgabe, unseren Standort zu bestimmen und uns wachzurütteln. Wo stehen wir? Jeremia 8,4-7 Eine große Bewegung wird von Jeremia gezeichnet. Wer in eine Sackgasse gerät, kehrt um, das ist eine natürliche Reaktion. Das Volk Israel ist in eine Sackgasse geraten, doch die natürlichen Instinkte versagen: Sie halten fest am falschen Gottesdienst. Wenn wir uns das bildlich vorstellen, kommen die Leute mit schmutzigen, stinkenden Kleidern zum Gottesdienst. Dort sollten sie sie waschen lassen, dass sie als neue Menschen nach Hause gehen. Doch statt sie waschen zu lassen, ziehen sie dicke Mäntel darüber. Untendrunter gärt und schimmelt es, aber der Schein des anständigen Menschen ist gewahrt. Jeremia mahnt an, dass in den Gottesdiensten kein Wasser gereicht wird, um sich rein waschen zu lassen. Es wird keine Vergebung angeboten, stattdessen macht jeder weiter wie bisher in der irrigen Meinung, er habe sein Leben selbst in der Hand und wisse, was gut und böse ist. Sie reden nicht die Wahrheit. Sie reden fromm, aber haben nicht Gottes Willen im Blick, sondern ihren eigenen. Sie meinen, im Dienst des Herrn zu stehen, aber machen nur, was ihnen gut tut. Sie wollen für andere da sein, aber kümmern sich um andere, um nicht allein zu sein. Was wäre Wahrheit? Ich lasse von Gott prüfen, was ich will. Ich frage ihn, ob das, was ich tue, in seinem Sinne ist. Ich suche mir nicht andere, damit ich nicht allein sein muss, sondern frage Gott: Willst du, dass ich das Alleinsein lerne? Ich räume Gott ein Mitspracherecht ein, warte auf seine Signale und lasse mich korrigieren. Sie lassen Bosheit walten. Das Böse hat Macht und bewirkt Zerwürfnisse, Selbstüberschätzung und Verzweiflung. Glaube, Hoffnung und Liebe sterben. Wie eine graue Decke legt sich das Böse über die Menschen, alle Farben verlieren ihren Glanz, Hass und Rache greifen um sich. Das Volk Israel hat sich gegen das Böse nicht gewehrt, die graue Decke akzeptiert. Dabei hätten sie Gott auf ihrer Seite gehabt, der stärker ist, als alles Böse dieser Welt, und der nichts lieber tut, als dunkle Decken von seinen Menschen zu reißen. Wir hören diese Worte des Propheten heute als Gemeinde Jesu. Die Sackgassen von damals sind auch heute allgegenwärtig. Falsche Gottesdienste, in denen Mäntel verteilt werden statt frisches Wasser, sind auch heute eine Gefahr. Unsere Sicht der Dinge als Gottes Sicht der Dinge darzustellen, ist eine Versuchung, die wir kennen. Dass Glaube, Liebe und Hoffnung wie gedämpft wirken, werden wir kennen. Jeremia ruft seinen Leuten zu: Ihr seid wie Kriegsrosse, die mit Scheuklappen in eine Schlacht stürmen, die sie nur verlieren können. Wenn ihr weiter in diese Richtung stürmt, werdet ihr untergehen. Was hast du getan? Zwei mögliche Reaktionen auf Jesu Aufdecken lassen sich vorstellen. Wir stürmen wie Rosse ins Kriegsgetümmel. Ein Verhalten, das an den Vater erinnert, von dem ich am Anfang berichtete. Da kann man regelmäßig am Gemeindeleben teilnehmen, und doch bleibt Gott außen vor, die Beziehungen verhärten sich, man ist getrieben, lässt sich ausbeuten, statt da zu sein, wo Gott einen haben will. Die zweite Reaktion: Man lässt sich infrage stellen, den Spiegel vorhalten. Will Jesus, dass ich mich so verhalte, meine Prioritäten so setze, meine Beziehungen so gestalte? Wie sieht Jesus mich? Mit dieser ehrlichen Offenbarung wird der Weg frei zur Reinigung, zu Vergebung, zum Neuanfang. Wie Jesus kranke Menschen fragte: Was soll ich für dich tun? So fragt er uns, obwohl er weiß, was wir dringend brauchen. Es ist an uns, ihm zu sagen, dass wir ihn brauchen. Die Zugvögel Es wäre ein Jammer, wenn wir wie Kriegsrosse mit Scheuklappen dem Untergang entgegen stürmen würden statt am Flug dem Herrn entgegen teilzunehmen. Dazu lädt Jeremia uns eindringlich ein. Cornelia
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