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Liebe Ostergemeinde,
Wie schön, dass wir Gliederaufnahme und Ostern heute zusammen feiern können. Denn so wird die Ostergeschichte zu einer ganz gegenwärtigen Erfahrung, die Menschen hier mitten unter uns immer wieder machen. Der Auferstandene ist heute nicht nur in der geschichtlichen Erinnerung gegenwärtig, sondern trifft auf uns in unserer ganz speziellen Situation. Ostern geht weiter auch über diesen Tag hinaus und wir sind aufgefordert, unsere eigenen Ostererfahrungen anzufügen. Anknüpfend an unseren Gottesdienst zu Karfreitag möchte ich Ostererfahrungen aufgreifen, die das Johannesevangelium beschreibt. Sie sind Teil eines Abschnitts, den ich das "Kapitel der Seelsorge" des Johannes nennen will. In der Zusammenstellung der Osterberichte bringt der Evangelist Johannes sehr einfühlsam zum Ausdruck, dass es ganz unterschiedliche Wege geben kann und muss, den Auferstandenen zu erkennen. Nicht jeder und jede ist sofort überzeugt, dass Jesus vom Tod auferstanden ist. Nicht jeder und jede erkennt gleich, was es für ihn oder sie bedeutet. Aber alle Osterberichte stimmen darin überein, dass Glaube auch nach manchen Irrungen und Wirrungen gelingt und der Osterjubel über allen Zweifeln siegt. Die Osterberichte beginnen mit Maria Magdalena
und ihrem frühen Gang zu Jesu Grab. Hier wechselt die Perspektive von Maria Magdalena zu Petrus und dem Lieblingsjünger. Die ganz unterschiedlichen Ostererfahrungen der beiden Nachfolger werden uns jetzt nahegebracht. Beide Nachfolger wollen möglichst als erste das Grab erreichen. Merkwürdigerweise liefern sie sich einen Wettlauf, einen Wettlauf mitten in abgrundtiefer Trauer und Verzweiflung. Kämpfen sie immer noch um den besten Platz bei Jesus? Wird hier wieder das allzu Menschliche sichtbar, dass Konkurrenz unser Leben bestimmt und wir noch nicht einmal in den traurigsten Momenten vollkommen solidarisch sein können? Dieser Wettlauf jedenfalls nimmt ein ungewöhnliches Ende. Der als erster ankommt, der Lieblingsjünger, schaut nur kurz ins Grab, sieht die leeren Schweißtücher, wartet auf Petrus und lässt ihm den Vortritt. So wird das neue Verhalten, das Jesus den Jüngern so sehr ans Herz gelegt hat, sichtbar. Wer der erste sein will, der soll den anderen dienen und ihnen den Vortritt lassen. Statt Konkurrenz soll geschwisterliche Liebe das Miteinander der Freunde Jesu prägen. Nun - Petrus geht mutig in die Grabhöhle hinein und entdeckt neben den leeren Schweißtüchern die Binden, die Jesus um den Kopf gewickelt waren. Sie sind an einem besonderen Ort zusammengelegt. Der Stein, die Schweißtücher, die Kopfbinden, so nach und nach wird klar, Jesus ist nicht mehr da. Petrus sieht das, aber es bedeutet ihm nichts. Er versteht nicht, dass Gott seinen Sohn zum Leben auferweckt hat. Er wird erst im Nachhinein begreifen, dass Jesus nun seinen Weg vollendet hat und das neue Leben bei Gott für alle zugänglich gemacht hat. Ganz anders der Lieblingsjünger. Er kommt in die Höhle, er sieht und er glaubt. Er hat keinerlei Mühe, zu erkennen, dass Jesus wirklich auferstanden ist. Mit Petrus und dem Lieblingsjünger werden uns zwei Prototypen des Glaubens vor Augen gestellt. Bei manchen dauert es mit dem Glauben an Jesus Christus länger. Sie sehen zwar, sie hören die Osterberichte, sie nehmen teil an Glaubenserfahrungen anderer, aber es bedeutet ihnen nichts. Sie setzen sich verstandesmäßig damit auseinander, sie studieren die Bibel, bis Jesus auch ihnen begegnet, sie ruft und sie erkennen "Du bist mein Herr und mein Gott". Ganz anders der Zugang von Leuten, die wie der Lieblingsjünger kommen, sehen und glauben. Sie brauchen keine langen Studien, keine großen Erklärungen, sie sind nicht von Zweifeln und Ungewissheiten geplagt. Sie lassen sich überraschen von Jesus und von ihm mitreißen. Dieser Zugang zum Glauben an Jesus ist nicht naiv, wie man vielleicht unterstellen könnte. Und Leute, die von klein auf im christlichen Glauben groß geworden sind und ihn für sich persönlich angenommen haben ohne große Krisen, sind deshalb noch nicht verdächtig oder einfach in ihrer Entwicklung zurückgeblieben. Der Evangelist Johannes führt uns vor Augen, es gibt unterschiedliche Zugänge. Wohl dem, der am Ende seines Weges glauben kann - egal, wie lang für jeden und jede der Weg war. Doch nun wieder zurück zu Maria Magdalena, die mit ihrer Entdeckung am Grab die erste war. Der Evangelist berichtet weiter: Johannes 20,11-18 Maria schaut ins leere Grab Maria wendet sich um Kenne ich nicht ähnliche Situationen, in denen mich Jesus anspricht mitten in der Suche nach Sinn und Ziel für mein Leben? Da brauche ich in einer anstrengenden Lebensphase so nötig Entlastung und Hilfe. Eine liebe Freundin ruft mich an und fragt nach. Und ich erkenne nicht, dass sie im Auftrag Jesu fragt. Statt ihr Antwort zu geben und mich auf ihre Ermutigung einzulassen, würge ich sie barsch ab. Was kannst du mir schon helfen? Ich muss meinen Weg selbst finden. Und dabei habe ich schon genau im Kopf, wie dieses Finden aussehen wird. Maria macht mich hellhörig für solches Anfragen Jesu. Gespannt bin ich darauf, wie es bei ihr nun weitergeht. Maria wendet sich ein zweites Mal um "Geh zu den Jüngern" Vielleicht sind wir ja jetzt in der Rolle der Jünger, die von Maria heute Morgen wieder neu die Osterbotschaft hören. Und vielleicht haben wir auch gewisse Zweifel an ihrer Authentizität. Sollte es wirklich stimmen, was sie erlebt hat? Dann ist die Geschichte der Maria selbst ein großer Trost. Eine wendungsreiche Suche kann zu Jesus führen, bis er selbst sich unmissverständlich zu erkennen gibt. Wir sollten bei dieser Suche nach dem Auferstandenen nicht zu schnell aufgeben. Mit einer Kehrtwende ist es oft nicht getan. Manchmal braucht es zwei und mehr, bis wir Jesus erkennen können, der uns als Auferstandener mitten in unserer Not entgegenkommt. Dann allerdings ändert sich die Perspektive grundlegend. Aus Trauer wird Osterjubel, aus Verzweiflung neue Hoffnung. Die Verhältnisse ändern sich oft gar nicht grundlegend. Aber ein Herrschaftswechsel hat sich vollzogen. Nicht die Not, die Chefs, die Krankheiten regieren, sondern der lebendige Herr und er hat einen Auftrag für uns hier und heute. Wir können Osterboten und –botinnen sein, die seine Auferstehung anderen weitersagen. Wir können bezeugen, dass sich eine wunderbare Zukunft eröffnet. Wir können einander zu Seelsorgerinnen und Seelsorgern werden und fragen "Warum weinst du?" In diesen Momenten wird Jesus unter uns mit seiner ganzen Kraft wirken und uns mit seiner Gegenwart beschenken. Ostern ist ein Jubelfest. Jesus hat den Tod besiegt. Gott hat ihn ins Leben gerufen. Er ist der Erste geworden, der uns eine Zukunft jenseits der Todesgrenze verheißt. Und wir? Wollen wir nicht unsere ganz eigenen Ostererfahrungen hier anfügen? So helfen wir einander, Jesus immer besser kennen zu lernen und ihm zu vertrauen. Wenn wir ein neues Kirchenglied in unsere Gemeinde aufnehmen, dann freuen wir uns darüber, dass Jesus sie bei ihrem Namen gerufen hat und sie ihn erkennen konnte. Und wir sind dankbar, dass sie eine weitere Osterzeugin in unserer Mitte ist, die anderen von Jesus erzählen kann. Cornelia
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