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Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
Der letzte Gang zur Hinrichtungsstätte lag vor Jesus. Der Längsbalken des Kreuzes war schon aufgestellt, die Todeskandidaten mussten allerdings den Querbalken selbst zum Kreuz durch die Stadt und zur Schädelstätte, dem Hügel Golgatha, tragen. Wir begleiten Jesus durch die enge Via Dolorosa. Wir grölen nicht mit den Soldaten mit, sondern empfinden tiefen Schmerz. Jesus, der von keiner Sünde weiß, wird hier mit aller Sünde dieser Welt beladen. Jesus, dessen Mission Liebe war, wird zur Zielscheibe für blanken Hass. Die Menschen um Jesus nehmen ihn nicht wahr, sie sind wie blind für ihn, sein Anliegen und seine Vollmacht. Der Zug stoppt plötzlich. Dem Menschenpulk kommt ein einzelner Mann entgegen. Markus 15,20-22 Simon von Zyrene – wer war dieser Mann? Er stammte wohl aus der Kyrenaika, dem heutigen Lybien. Unter Alexander dem Großen siedelten sich dort Juden an, sie bearbeiteten das fruchtbare Land. Zur Zeit Jesu zogen viele Juden wieder zurück in die alte Heimat, Simon gehörte wohl zu ihnen. Nach den biblischen Erwähnungen hatte er eine Frau und zwei Söhne. Wahrscheinlich war er Landwirt und war am Morgen des Karfreitags auf seinen Feldern zugange, um das Saatgut zu kontrollieren. Er kümmerte sich um Weizenkörner, während parallel ein Weltdrama passierte. Simon war auf dem Rückweg, vielleicht wurde er zuhause erwartet. Doch der Rückweg gestaltete sich schwierig. In der engen Gasse war kein Durchkommen gegen den Strom. Vor meinem inneren Auge habe ich die breite Treppe zum Fanblock in der Commerzbank-Arena. Wenn die Eintracht ein Heimspiel hat, drängen sich dort hunderte von Menschen nach oben und nach dem Spiel nach unten. Ein Albtraum für den, der gegen den Strom durchkommen will. So ging es Simon, Mauern rechts und links und vor ihm eine grölende Menschenmenge, die einen blutenden Mann mit Balken auf den Schultern vor sich her schubste. Simon kreuzt den Weg Simon ist ein neutraler Zeuge von Jesu Leidensweg. Jesus ist wirklich gekreuzigt worden. Simon ist tatsächlich Jesus begegnet und konnte es auch Jahre später noch bezeugen. Dass Jesus das Kreuz wie eine schwere Last trug, konnte er mit eigenen Augen verbinden mit dem Prophetenwort aus Jesaja 53: „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.“ Dass Simon Jesus traf, war Gottes Handschrift. Wie wir sehen werden, nahm Gott Simon hinein in Jesu Leben, zog ihn in die Geschichte Jesu mit uns Menschen, ließ ihn zum Prototyp eines Nachfolgers Jesu werden. Simon „ging vorbei“. Er war ein sterblicher Mensch wie du und ich. Der Tod begrenzte auch sein Leben. Doch die Berührung mit Jesus war ein Wendepunkt. Der Tod war nicht mehr Ende, sondern Durchgang zu einem neuen Leben in Ewigkeit. Wir alle „gehen vorbei“. Jesus berührt uns, um die Tür zu seiner neuen Welt aufzutun und uns mitzunehmen. Simon wird gezwungen Wir entdecken hier, wie Jesus selbst in seinen Todesstunden noch mitten in den ganz normalen Alltag von Menschen einbricht. Er ist nicht abhängig davon, ob wir ihn erwarten. Er kreuzt unseren Weg, auch wenn wir kein Willkommensschild um den Hals tragen. Das geschah neben Simon zum Beispiel auch der Witwe, die gerade ihren einzigen Sohn zu Grabe trug. Petrus wurde von Jesus bei den Fischernetzen erwischt und in die Nachfolge gerufen. Paulus war gerade unterwegs, um Christen zu verfolgen, da warf ihn Jesus buchstäblich um, er konnte seinen Weg nicht fortsetzen. Ein Gefängnisaufseher wurde nachts von Jesus berührt, als seine Gefangenen ausbrachen, aber nicht wegliefen, sondern ihm von Jesus erzählten. Das sind nur einige Geschichten, die uns zeigen, hier auf dem Kreuzweg Jesu geschieht etwas Grundsätzliches. Jesus tritt Menschen und damit auch uns in den Weg, wir können entscheiden, was wir letztlich aus diesen Begegnungen machen. Ob wir unberührt weiterlaufen oder uns an Jesus hängen. Dabei sind es nicht unbedingt Christen, die Jesus zu Menschen bringen. Die römischen Soldaten wussten nichts von Jesus und seiner Botschaft. Und doch wurden sie für Simon Boten des Evangeliums. Simon ist kein Zufallsopfer, sondern offenbar herausgeliebt von Gott. Im Nachhinein können wir das erkennen. Viele andere werden zeitgleich ebenfalls auf den Feldern rings um Jerusalem gearbeitet haben. Doch nur der Eine trifft Jesus. Gott geht es immer um den Einzelnen, die Einzelne. Der Einzelne hat große Wirkung, Simon von Zyrene bis heute. Simon trägt das Kreuz Bei der Kreuzigung Jesu wird Simon dabei geblieben sein. Den Balken konnte er Jesus wieder abgeben. Simon hat zu Jesus gefunden. Paulus erwähnt später seine Frau, die ihm eine Mutter im Glauben wurde, und die beiden Söhne Alexander und Rufus, die zur römischen Gemeinde gehörten. Offenbar ist die Familie von Jerusalem weiter nach Rom gezogen. Eine Szene zum Mitmachen Doch vielleicht kreuzt Jesus auch unseren Weg scheinbar zufällig. Wir werden mitgenommen in einen Gesprächskreis, wir lernen einen Christen am Arbeitsplatz kennen, wir zünden im Urlaub eine Kerze in einer Kirche an. Jesus begegnet uns selten geplant. Er trifft uns im banalen Alltagsgeschehen, er kommt uns gerade in Krisenzeiten nahe, in Trauer, in Trennungen, in Job-Problemen. Und diese Kreuzung der Wege kann zum Wendepunkt werden. Simon wurde zum Glück gezwungen. Man bestimmte einfach, dass er Jesu Kreuz zu tragen hatte. Vielleicht werden wir auch zu unserem Glück gezwungen, indem uns eine Last auferlegt wird und wir dabei Jesus begegnen. Wir können wie Simon Jesus ein Stück begleiten. Es ist der Weg der Nachfolge. Wir tragen sein Kreuz, das er uns aber abnehmen wird und uns die Freiheit schenken wird. Cornelia
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