Vom Kreuz getroffen (Markus 15,20-22)
Gottesdienst am 29.03.2015 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
Jesus wurde von Pontius Pilatus zum Tode verurteilt, obwohl Pilatus keine Schuld an ihm fand, die dieses Urteil gerechtfertigt hätte. Er wollte seinen eigenen Kopf retten und sprach ein für die Jerusalemer Oberschicht wichtiges Gefälligkeitsurteil. Nach diesem Richterspruch war Jesus Freiwild für Demütigungen aller Art. Spott und Hohn der Soldaten entlud sich auf ihm. Als König wurde er verkleidet mit Purpurmantel und einer Dornenkrone, die ihm schmerzhaft in die Kopfhaut gedrückt wurde. Doch den Purpurmantel wollte man schonen, zog ihn Jesus wieder aus und gab ihm stattdessen seine zerrissenen Kleider wieder. 

Der letzte Gang zur Hinrichtungsstätte lag vor Jesus. Der Längsbalken des Kreuzes war schon aufgestellt, die Todeskandidaten mussten allerdings den Querbalken selbst zum Kreuz durch die Stadt und zur Schädelstätte, dem Hügel Golgatha, tragen. 

Wir begleiten Jesus durch die enge Via Dolorosa. Wir grölen nicht mit den Soldaten mit, sondern empfinden tiefen Schmerz. Jesus, der von keiner Sünde weiß, wird hier mit aller Sünde dieser Welt beladen. Jesus, dessen Mission Liebe war, wird zur Zielscheibe für blanken Hass. Die Menschen um Jesus nehmen ihn nicht wahr, sie sind wie blind für ihn, sein Anliegen und seine Vollmacht.

Der Zug stoppt plötzlich. Dem Menschenpulk kommt ein einzelner Mann entgegen.

Markus 15,20-22

Sie zwangen einen Mann, der gerade vorbeiging, für Jesus das Kreuz zu tragen. Es war Simon aus Zyrene, der Vater von Alexander und Rufus, der gerade vom Feld in die Stadt zurückkam. Sie brachten Jesus an die Stelle, die Golgota heißt, das bedeutet übersetzt »Schädelplatz«.

Simon von Zyrene – wer war dieser Mann? Er stammte wohl aus der Kyrenaika, dem heutigen Lybien. Unter Alexander dem Großen siedelten sich dort Juden an, sie bearbeiteten das fruchtbare Land. Zur Zeit Jesu zogen viele Juden wieder zurück in die alte Heimat, Simon gehörte wohl zu ihnen. Nach den biblischen Erwähnungen hatte er eine Frau und zwei Söhne. Wahrscheinlich war er Landwirt und war am Morgen des Karfreitags auf seinen Feldern zugange, um das Saatgut zu kontrollieren. Er kümmerte sich um Weizenkörner, während parallel ein Weltdrama passierte.

Simon war auf dem Rückweg, vielleicht wurde er zuhause erwartet. Doch der Rückweg gestaltete sich schwierig. In der engen Gasse war kein Durchkommen gegen den Strom. Vor meinem inneren Auge habe ich die breite Treppe zum Fanblock in der Commerzbank-Arena. Wenn die Eintracht ein Heimspiel hat, drängen sich dort hunderte von Menschen nach oben und nach dem Spiel nach unten. Ein Albtraum für den, der gegen den Strom durchkommen will. So ging es Simon, Mauern rechts und links und vor ihm eine grölende Menschenmenge, die einen blutenden Mann mit Balken auf den Schultern vor sich her schubste. 

Simon kreuzt den Weg

Simon hatte nicht vor, Jesus zu begegnen. Der Evangelist Markus berichtet, dass Simon zufällig den Weg von Jesus kreuzte. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort. Doch Simon hatte als zufällig Vorbeikommender Bedeutung. Der Evangelist nennt seinen Namen, er soll uns bis heute im Gedächtnis bleiben. Drei  Merkmale zeichnen ihn aus.

Simon ist ein neutraler Zeuge von Jesu Leidensweg. Jesus ist wirklich gekreuzigt worden. Simon ist tatsächlich Jesus begegnet und konnte es auch Jahre später noch bezeugen. Dass Jesus das Kreuz wie eine schwere Last trug, konnte er mit eigenen Augen verbinden mit dem Prophetenwort aus Jesaja 53: „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.“ 

Dass Simon Jesus traf, war Gottes Handschrift. Wie wir sehen werden, nahm Gott Simon hinein in Jesu Leben, zog ihn in die Geschichte Jesu mit uns Menschen, ließ ihn zum Prototyp eines Nachfolgers Jesu werden.

Simon „ging vorbei“. Er war ein sterblicher Mensch wie du und ich. Der Tod begrenzte auch sein Leben. Doch die Berührung mit Jesus war ein Wendepunkt. Der Tod war nicht mehr Ende, sondern Durchgang zu einem neuen Leben in Ewigkeit. Wir alle „gehen vorbei“. Jesus berührt uns, um die Tür zu seiner neuen Welt aufzutun und uns mitzunehmen.

Simon wird gezwungen

Das römische Besatzungsrecht sagte, dass jeder x-beliebige Bürger auf der Straße genötigt werden konnte, einem römischen Soldaten Gepäck abzunehmen und es eine Meile für ihn zu tragen. Wir begegnen diesem Recht auch in der Bergpredigt Jesu, als Jesus seine Jünger und die Menge auffordert, dann nicht nur eine Meile, sondern zwei Meilen freiwillig mitzugehen (Matthäus 5,41). Wir können also davon ausgehen, dass Simon nicht voller Begeisterung den Balken Jesu freiwillig übernahm, sondern von den Soldaten dazu gezwungen wurde. Es war nicht wirklich sein Job, sondern eher der der Jünger, die aber alle geflohen waren.

Wir entdecken hier, wie Jesus selbst in seinen Todesstunden noch mitten in den ganz normalen Alltag von Menschen  einbricht. Er ist nicht abhängig davon, ob wir ihn erwarten. Er kreuzt unseren Weg, auch wenn wir kein Willkommensschild um den Hals tragen. Das geschah neben Simon zum Beispiel auch der Witwe, die gerade ihren einzigen Sohn zu Grabe trug. Petrus wurde von Jesus bei den Fischernetzen erwischt und in die Nachfolge gerufen. Paulus war gerade unterwegs, um Christen zu verfolgen, da warf ihn Jesus buchstäblich um, er konnte seinen Weg nicht fortsetzen. Ein Gefängnisaufseher wurde nachts von Jesus berührt, als seine Gefangenen ausbrachen, aber nicht wegliefen, sondern ihm von Jesus erzählten.

Das sind nur einige Geschichten, die uns zeigen, hier auf dem Kreuzweg Jesu geschieht etwas Grundsätzliches. Jesus tritt Menschen und damit auch uns in den Weg, wir können entscheiden, was wir letztlich aus diesen Begegnungen machen. Ob wir unberührt weiterlaufen oder uns an Jesus hängen. Dabei sind es nicht unbedingt Christen, die Jesus zu Menschen bringen. Die römischen Soldaten wussten nichts von Jesus und seiner Botschaft. Und doch wurden sie für Simon Boten des Evangeliums. 

Simon ist kein Zufallsopfer, sondern offenbar herausgeliebt von Gott. Im Nachhinein können wir das erkennen. Viele andere werden zeitgleich ebenfalls auf den Feldern rings um Jerusalem gearbeitet haben. Doch nur der Eine trifft Jesus. Gott geht es immer um den Einzelnen, die Einzelne. Der Einzelne hat große Wirkung, Simon von Zyrene bis heute.

Simon trägt das Kreuz

Wie Simon den Balken für Jesus trägt, könnte man fast an eine Königsprozession denken. Jesus trägt eine Krone, ihm folgt sein Heer, die Soldaten, die Menge des Volkes ist hintendran, ein Schild wird getragen mit der Aufschrift „Jesus, König der Juden“. Es ist für Simon eine Ehre, den Balken zu tragen. Er ist Träger des Königs. Die Bedeutung des Kreuzes erfährt er am eigenen Leib. Er trägt stellvertretend für Jesus das Kreuz wie Jesus stellvertretend für ihn sterben wird. 

Bei der Kreuzigung Jesu wird Simon dabei geblieben sein. Den Balken konnte er Jesus wieder abgeben. Simon hat zu Jesus gefunden. Paulus erwähnt später seine Frau, die ihm eine Mutter im Glauben wurde, und die beiden Söhne Alexander und Rufus, die zur römischen Gemeinde gehörten. Offenbar ist die Familie von Jerusalem weiter nach Rom gezogen. 

Eine Szene zum Mitmachen

In Simons Kleider zu schlüpfen, ist keine leichte Aufgabe. Auch Simon wäre in der Situation wohl lieber unbehelligt nach Hause gegangen. 

Doch vielleicht kreuzt Jesus auch unseren Weg scheinbar zufällig. Wir werden mitgenommen in einen Gesprächskreis, wir lernen einen Christen am Arbeitsplatz kennen, wir zünden im Urlaub eine Kerze in einer Kirche an.

Jesus begegnet uns selten geplant. Er trifft uns im banalen Alltagsgeschehen, er kommt uns gerade in Krisenzeiten nahe, in Trauer, in Trennungen, in Job-Problemen. Und diese Kreuzung der Wege kann zum Wendepunkt werden.

Simon wurde zum Glück gezwungen. Man bestimmte einfach, dass er Jesu Kreuz zu tragen hatte. Vielleicht werden wir auch zu unserem Glück gezwungen, indem uns eine Last auferlegt wird und wir dabei Jesus begegnen.

Wir können wie Simon Jesus ein Stück begleiten. Es ist der Weg der Nachfolge. Wir tragen sein Kreuz, das er uns aber abnehmen wird und uns die Freiheit schenken wird. 

Cornelia Trick


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