Pfingstgottesdienst
am 15.05.2005
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
im Verkaufsregal steht
eine neue Kerze. Sie sieht perfekt aus, der Docht hat die richtige Länge,
ich kann erahnen, wie sie einmal leuchten wird. Doch
so, wie diese Kerze jetzt vor mir steht, füllt sie ihre Bestimmung
nicht aus. Ohne Feuer, das ihren Docht entflammt, kann sie höchstens
von außen angestrahlt werden, von innen heraus wird sie nicht leuchten.
Diese Kerze lässt
sich mit uns Menschen vergleichen. Wir sehen äußerlich perfekt
aus. Wir haben vielleicht sogar etwas Ähnliches wie einen Docht. In
uns steckt eine Sehnsucht nach Wärme, nach einem, der uns bedingungslos
liebt, wir warten darauf, von innen zum Leuchten zu kommen, "entdeckt"
zu werden von einer Macht, die uns unsere Bestimmung gibt. Wie die Kerze
sich nicht selbst anzünden kann, so können wir uns nicht selbst
mit der Liebe beschenken, die wir brauchen. Wir sind darauf angewiesen,
dass ein anderer uns Feuer gibt. Dieser andere ist Gott, der uns Pfingsten
erleben lässt, das Fest, an dem er die ersten Jünger mit dem
Heiligen Geist beschenkt hat, sie Feuerflammen auf ihren Häuptern
spürten. Pfingsten heute lässt uns wieder neu in Berührung
kommen mit diesem Geist, der uns unsere Bestimmung zeigen will.
Schon zum Osterfest ist
es hell geworden. Jesus, der Karfreitag am Kreuz ermordet wurde, dessen
Lebenslicht dort erlosch, ist am Ostermorgen vom Tod auferweckt worden.
Er hat den letzten Feind, den Tod, besiegt. Doch erst mit dem Pfingstfest
ist diese Realität in unserem eigenen Leben wahr geworden. Erst als
Gott selbst die erloschenen Hoffnungen der Jünger durch seinen Geist
neu zum Leben erweckte, hatte Jesu Sieg über den Tod direkte Auswirkungen
auf ihr Leben. Sie wurden durch den Heiligen Geist in die Ostererfahrung
hinein genommen. Der
Heilige Geist befähigte sie, ihr Leben Gott anzuvertrauen, Jesus an
ihrer Seite wahrzunehmen und in der Kraft des Geistes ihr Leben zu führen,
von innen zu leuchten.
Der Evangelist Johannes
berichtet von den letzten Stunden Jesu mit seinen Jüngern kurz vor
seiner Hinrichtung. Jesus bereitet seine Wegbegleiter auf die Zeit nach
seinem Tod vor. Er spricht auch vom Heiligen Geist und erklärt seine
Bedeutung. Sie hilft uns, zu verstehen, was Pfingsten für uns bedeuten
soll.
Johannes 16,5-15
Jetzt aber gehe ich hin zu dem,
der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin?
Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. Aber
ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe.
Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch.
Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird
er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die
Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: dass
sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater
gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: dass der Fürst
dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt
es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen
wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus
sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und
was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen;
denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. Alles,
was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird's von dem
Meinen nehmen und euch verkündigen.
"Niemand von euch fragt
mich: Wo gehst du hin?"
Die Jünger waren mit
ihrer eigenen Trauer beschäftigt. Sie sahen nur auf ihren Ist-Zustand.
Jesus verabschiedete sich und sie blieben allein. Was sollte aus ihnen
werden? Ihre Lebensflamme wurde ausgeblasen, alle Lebensperspektive war
dahin. So
wundert es nicht, dass niemand danach fragte, was mit Jesus weiter geschehen
würde. Die Jünger kannten kein Leben nach dem Tod und es interessierte
sie auch nicht, weil ihr eigenes Überleben ihnen wichtiger war.
Ich fühle mich von
Jesus ertappt. Geht es mir doch auch so wie den Jüngern. Ich schaue
auf mich, meine Situation, meine Hoffnungslosigkeit, meine Enttäuschungen.
Ich bin wie gefangen in meiner Trauer und meinen Ängsten. Der Blick
auf Jesus fällt mir schwer. Ich fühle mich zu verlassen, um auf
seine Hilfe zu trauen. Doch Jesus will mich aus dieser Nabelschau herausreißen.
Er spricht mich mit den Jüngern direkt an. Er weist mich hin, dass
ich seinen Tröster, den Heiligen Geist brauche, das Feuer, mit dem
er mir Lebensmut, Perspektive und Zukunft schenken will. Er weist mich
darauf hin, dass die Lösung meiner Probleme nicht mit meinen Mitteln
möglich ist, sondern dass ich seinen Geist brauche, dass ich ihn brauche,
um mein Leben nach seinem Willen zu meistern.
Die Jünger führen
uns beispielhaft vor Augen, wie wir oft nichts mehr erwarten, uns abfinden,
resignieren. Wir haben zwar Ostern gefeiert, uns gefreut an Jesu Sieg über
den Tod, aber wir haben diese Freude nicht wirklich in unseren Alltag hineinwirken
lassen. Dem Osterfest sind keine persönlichen Konsequenzen gefolgt.
Erst dieses Pfingstfest lässt Ostern in unser Leben durchdringen,
der Tröster kommt, der uns das Lebenslicht entzündet.
Jesus entfaltet das in
zwei Schritten. Er führt den Jüngern und uns vor Augen, dass
der Heilige Geist uns zu Jesus bringt und dass der Heilige Geist uns verändert.
Der Tröster bekehrt
zu Jesus
Die Kerze im Verkaufsregal
weiß nichts von ihrer Bestimmung. Sie findet sich schön und
völlig in Ordnung. Sie kennt kein Licht und verspürt deshalb
auch keine Sehnsucht danach. Erst das Streichholz, das ihren Docht entzündet,
befähigt sie, ihre wahre Bestimmung zu leben. Sie darf leuchten, ihre
Flamme zeigt nach oben, ist Hinweis auf den, der ihr ihren Sinn geschenkt
hat. Jetzt ist klar, wozu es die Kerze gibt.
Der Heilige Geist öffnet
die Augen für die Sünde. Erst im Licht der Gemeinschaft mit Gott
wird klar, dass ein Leben ohne Gott Zielverfehlung, Sünde ist. So
wird klar, warum jemand, der vom Heiligen Geist nicht berührt wurde,
nicht verstehen kann, warum ihm ohne Gott das Entscheidende im Leben fehlt.
Wie die Kerze im Regal sich perfekt fühlt, so ein Mensch, der Gottes
Gegenwart nicht erfahren hat. Erst in der direkten Begegnung wird klar,
was vorher gefehlt hatte.
Der Heilige Geist gibt
Verständnis dafür, dass Jesus alles für uns getan hat, um
in die Gemeinschaft mit Gott zu finden. Jesu Tod ist kein Beschwichtigungsopfer
für den strafenden Gott gewesen, der Blut zur Vergeltung forderte.
Jesus ist als Gottes Sohn in den Tod gegangen, weil Gott selbst die letzte
Konsequenz unserer Gottesferne auf sich genommen hat in seinem Sohn. Der
Tod ist Gottes Selbsthingabe, um uns diese Konsequenz abzunehmen und uns
zu retten. Nun ist für die, die sich von Gottes Geist entflammen lassen,
der Tod nicht mehr das letzte Wort der Sünde, sondern Gott hat das
letzte Wort, es heißt Leben in Ewigkeit.
Der Heilige Geist öffnet
die Augen für das Gericht. Die Welt ist schon gerichtet. Der Teufel
ist entmachtet. Er kann nicht mehr von Gott trennen und die Menschen ins
Verderben rennen lassen. Er kann nicht mehr verhindern, dass Kerzen angezündet
werden und zu ihrer Bestimmung finden. Das Licht brennt und wird über
die Dunkelheit siegen, nicht andersherum.
Der Heilige Geist ist die
Kraft, die zur Umkehr, zu Jesus bewegt. Unsere Aufgabe ist es, dem Heiligen
Geist Raum zu schaffen, dass er an uns wirken kann und noch viel mehr Menschen
in seinen Einflussbereich kommen und sich beschenken lassen.
Der Tröster verändert
Hat der Heilige Geist uns
berührt, so bewirkt er Veränderung.
-
Gemeinschaft:
Mit dem Licht des Pfingstfestes werden wir zur Gemeinschaft befähigt.
Wir sind nicht länger Einzelkämpfer, einzelne Kerzen im Regal,
sondern wachsen zusammen wie drei Kerzen, die eng beieinander stehen und
bald eine gemeinsame Kerze bilden. Wir
müssen nicht große Sympathien füreinander hegen, keine
gemeinsamen Hobbys ausüben, keine gleiche Vergangenheit haben. Es
reicht, dass Gottes Liebe in uns brennt, sie ist das Zeichen, woran andere
erkennen werden, dass wir zu Jesus gehören. Diese Liebe prägt
die Gemeinschaft, indem wir aufeinander Acht haben, aufeinander zugehen,
einander vergeben und uns aufeinander einlassen.
-
Glaubensentscheidung:
Mit Jesus in der Kraft des Heiligen Geistes zu leben, bedeutet nicht zu
zeigen, was ich Tolles kann und mache, sondern was Gott Tolles aus meinem
kleinen Leben machen will. Auf ihn hinzuweisen, gibt meinem Leben Sinn.
Deshalb muss ich mich entscheiden, ihm zu vertrauen, wenn ich nicht selbst
alles 100% im Griff habe. Was ich nach Gottes Willen tun soll, kann meine
eigene Kraft übersteigen. Was mir durch Krankheiten, Arbeitsplatzsituationen,
Beziehungsthemen zugemutet wird, kann außerhalb meiner Lösungsmöglichkeiten
liegen. Ich muss den Schritt wagen, dem Heiligen Geist zuzutrauen, dass
er es gut mit mir meint und sein Wirken an mir Sinn macht, egal, wie es
jetzt scheint. Das ist kein einfacher Weg. Die Frau, die an einer unheilbaren
Krankheit leidet, muss immer wieder von vorne anfangen und sich darauf
einlassen, alles von Gott zu erwarten und ihm ihr Leben anzuvertrauen.
Der Mann, der im Arbeitsleben kalt gestellt wurde und schon Monate nach
einer neuen Stelle sucht, hat längst resigniert. Doch auch ihn weckt
der Heilige Geist aus der Verzweiflung. Der Mann macht einen neuen Anlauf
und traut Gott zu, dass er zu seiner Verheißung steht und ihn nicht
allein lässt. Das Paar, das vor den Scherben einer Ehe steht und kaum
selbst glauben kann, was da geschehen ist, wird von Gottes Geist aufmerksam
gemacht auf Gottes Liebe zu ihnen und sein Versprechen, sie auch im Zerbruch,
dem Ende einer Liebe, nicht untergehen zu lassen, sondern ihnen eine Zukunft
zu schenken und ihrer beider Leben zum Segen für andere werden zu
lassen.
-
Kurskorrekturen:
Der Heilige Geist setzt in unserem Alltag an. Er korrigiert uns, dass wir
bei Jesus bleiben und unser Verhalten ihm anpassen. Verhaltensänderung
ist leichter in jüngeren Jahren. Jugendliche in unserer Gemeinde,
die neu zum Glauben gefunden haben, können es erstaunlich gut auf
die Reihe bringen, jeden Sonntag im Gottesdienst dabei zu sein, den Donnerstag
für den Jugendkreis zu reservieren und auch sonst Gelegenheiten zu
schaffen, für Gott da zu sein. Sie leben ihr Christsein erstaunlich
konsequent. Ältere, die zu Glauben kommen, haben mehr Mühe, Jesus
in ihren Alltag zu packen. Sie stehen in anderen Abhängigkeiten. Vielleicht
sind sie die einzigen der Familie, die Sonntagmorgen in den Gottesdienst
wollen. Sie stoßen auf Unverständnis und können sich schlecht
vom traditionellen Sonntagsritual loseisen. Sie haben schon ihre Beziehungen,
neue Beziehungen zu Christen aufzubauen, fällt schwer. Und erst noch
ein ganzes Leben Jesus anpassen? Pfingsten erinnert daran, dass Jesus sich
nicht an uns anpassen wird, sondern uns durch seinen Geist befähigt,
uns nach ihm auszurichten. Die letzten fünf Gottesdienste zum Thema
"G", Grundwerte des Lebens als Christen, haben uns dazu ja Anstöße
gegeben. Wie halte ich es nun mit dem Geschenk der Gnade, nehme ich sie
an und stelle mich meinen Fehlern? Wie geht es mir mit der Gemeinschaft,
erwarte ich, in ihr Jesus näher zu kommen und bin ich bereit, mich
in sie einzupassen? Wie entwickelt sich mein geistliches Wachstum, bin
ich eine Topfpflanze, die sich regelmäßig gießen lässt,
aber keinen Dünger hat und in einem viel zu kleinen Topf dahin vegetiert?
Mache ich etwas aus den mir anvertrauten Gaben und lasse mit ihnen Licht
leuchten, das andere zu Jesus weist? Und bin ich ein guter Haushalter von
Gottes Gaben? Lasse ich mir die Gemeinschaft mit Gott so viel kosten, wie
sie mir wert ist? Alle diese persönlichen Anfragen bringt der Heilige
Geist uns nahe. Er ist der Wind, der uns in die Richtung auf Jesus hin
treibt. Wenn wir ihm Angriffsfläche bieten, uns ihm aussetzen, kann
er an uns wirken und uns korrigieren.
Ein Licht geht uns auf in
der Dunkelheit, durchbricht die Nacht und erhellt die Zeit.
Licht der Liebe, Lebenslicht,
Gottes Geist verlässt uns nicht.
Ein Licht weist den Weg,
der zur Hoffnung führt, erfüllt den Tag, dass es jeder spürt.
Licht der Liebe, Lebenslicht,
Gottes Geist verlässt uns nicht.
Ein Licht macht uns froh,
wir sind nicht allein. An jedem Ort wird es bei uns sein.
Licht der Liebe, Lebenslicht,
Gottes Geist verlässt uns nicht.
Ein Licht steckt uns an,
macht uns selbst zu Licht. Wir fürchten uns, weil wir leuchten, nicht.
Licht der Liebe, Lebenslicht,
Gottes Geist verlässt uns nicht. (Eckhart Bücken)
Cornelia
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