Vielleicht hilft der Herr
Gottesdienst am 11.01.2004

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
"Es ist dem Herrn nicht schwer, durch viel oder wenig zu helfen", so stand es an einem Morgen in meinem Andachtsbuch. Ich nahm dieses Wort persönlich und stellte fest, dass es mir half, in den gegebenen Herausforderungen zu bestehen. Doch mich interessierte, in welchem Zusammenhang dieses Wort stand. War es eine Selbstaussage Gottes? Redete jemand anderes so über Gott? Hatte jemand erlebt, dass der Herr ihm durch viel oder wenig half? Ich las die Geschichte, in die dieses Bibelwort eingebettet ist, und war überrascht. Nicht nur dieser eine Satz war eine Ermutigung, die ganze Geschichte leitete an, mutig voranzugehen. So möchte ich uns diese Geschichte heute, zu Beginn eines neuen Jahres, nahe bringen, denn sie lädt ein, im neuen Jahr Visionen zu entwickeln, Initiative zu ergreifen und zur Tat zu schreiten.

Die Geschichte nach 1 Samuel 14,1-23 erzähle ich kurz nach. Um 1000 vor Christus hatten israelitische Stämme Saul zum König gewählt. Damals war der Hauptfeind des Stämmebundes die Philister. Sie waren zahlenmäßig und militärisch weit überlegen. Es wird in der Bibel berichtet, dass sie das Waffenmonopol hatten, nur der König Saul und sein Sohn durften eine Waffe tragen. Die Israeliten waren derart eingeschüchtert, dass 80 Prozent der Soldaten aus Sauls Heer desertierten. Übrig blieben 600 Mann. Die Philister lagerten mit ihrem Heer hinter einer Bergkuppe, oben drauf standen Wachen. Sauls Sohn Jonatan befand sich eines Tages am Fuß des Berges zusammen mit seinem Waffenträger. Er fasste einen Entschluss: "Komm, wir gehen zu dem Philisterposten dort drüben. Vielleicht hilft uns der Herr; denn für ihn ist es nicht schwer, den Sieg zu schenken, ganz gleich, ob nun viele oder wenige kämpfen." Der Waffenträger antwortete: "Nur zu, tu, was du vorhast! Ich bin dabei, du kannst dich auf mich verlassen." Nachdem der Waffenträger ihm sein Einverständnis gegeben hatte, suchte Jonatan das Gespräch mit Gott. Er bat Gott um ein Zeichen, wenn er die Philister angreifen sollte. Wenn die Wachen zu ihm sagen sollten "Komm!", dann war Gott mit ihm. Wenn die Wachen ihm zuriefen "Halt!", dann war Gott nicht mit ihm und er sollte umkehren. Als Jonatan sich nun mit seinem Waffenträger den Wachen der Philister näherte, riefen sie "Komm" und Jonatan kroch auf allen vieren zu ihnen hinauf. Da fielen sie einfach um, ohne dass Jonatan seine Waffe erheben musste. In Windeseile sprach sich ihre Niederlage im Lager der Philister herum, ein Tumult entstand, einer stand gegen den andern auf und erschlug ihn. Jonatan schaute dem zu, ohne kämpfen zu müssen. Es war Gottes Sache, diesen Befreiungsschlag für Israel auszuführen. Erst als die Schlacht fast gewonnen war, erfuhr Saul davon, rief seine paar Leute zusammen und kam gerade noch rechtzeitig, um diesen Sieg für sich in Anspruch zu nehmen. Jonatan dagegen wusste genau, wem er den Sieg zu verdanken hatte, Gott selbst, der seiner Vision Gelingen geschenkt hatte.

Die Vision

Jonatan ist ein Beispiel für einen Menschen zu Beginn eines neuen Jahres. Er hatte eine Vision. Er wollte dazu beitragen, das Volk Israel von der Knechtschaft der überlegenen Philister zu befreien.

Eine solche Vision ist auch für das Jahr 2004 wichtig. 

  • Wohin will ich, kann ich, soll ich gehen?
  • Welche Aufgaben stellen sich mir?
  • Wo sehe ich, dass Gott mich ruft?
Als Christin orientiere ich meine Vision an Jesus Christus selbst. Das neue Jahr soll ihm gerecht werden und nicht meinen Weg voran bringen. Statt auf Jesus zu sehen, könnte ich auch daran arbeiten, mein Ego voran zu bringen, die eigene Sache zu fördern, meine Pläne zu Lasten anderer durchzusetzen. Solche VisionErwartungen könnte von den Philistern stammen, die offensichtlich daran arbeiteten, ihre Machtposition auszuweiten.

Eine Vision, die die Sichtweise Jesu Christi aufnimmt, hat für mich drei Elemente.

Hingabe an Christus

Bevor ich überhaupt einen Plan fasse, wie ich weitergehe, lasse ich mein Leben von Jesus Christus durchleuchten. Dazu gehört der Tagesbeginn mit Gebet. Dieses Gebet ist nicht ein Abhaken von Tagesordnungspunkten, sondern fragt nach Jesus und seinem Willen, bittet ihn, zu zeigen, was an diesem Tag dran ist und hört auf ihn, was er mir zu sagen hat. Das biblische Prinzip, Gott den 10. Teil von allem zur Verfügung zu stellen, was ich habe, gilt auch für meinen Tagesablauf. Mindestens diesen 10. Teil meiner Zeit möchte ich Gott zur Verfügung stellen. Das macht bei einer Wachzeit von 16 Stunden immerhin 1 Stunde und 36 Minuten aus, 7 Tage die Woche.

Mich Jesus hingeben ist auch verbunden mit kreativen Zeichen meiner Liebe zu ihm. Meinem Mann zeige ich das ja auch auf unterschiedliche Weise, dass ich ihn lieb habe, warum dann nicht auch Jesus? Ein Mitbringsel aus der Stadt ist da ja vielleicht nicht so angebracht, aber freut er sich nicht, wenn ich für ihn einem Menschen einen Lichtblick in seinen Alltag bringe, der mir nicht besonders nahe steht? Oder wenn ich seine Schöpfung dankbar bei einem Spaziergang genieße und mich an ihr von Herzen freue? Oder wenn ich seine Gaben einsetze und entfalte und er sieht, dass ich mich über dieses Geschenk freue und es gebrauche? Hingabe an Jesus hat viele Facetten. Ihm nahe zu sein und ihn immer wieder in den Mittelpunkt rücken ist Voraussetzung, den Blick für die Zukunft zu bekommen.

Wer sich Jesus hingibt, wird sein persönliches Leben als "Licht für die Welt" gestalten, nicht als Warnblinkanlage, die andere von Jesus Christus abhält. Es macht einen Unterschied, ob ich mit meiner Umgebung in Frieden lebe oder nicht. Ich bin verantwortlich für meine Beziehungen und meine Reaktionen. Natürlich, werden Sie einwenden, aber so einfach ist das ja nicht. Was kann ich tun, wenn mein Nachbar nicht mit mir in Frieden leben will? Auch Jesus hat das so erlebt. Er gab seinen Jüngern mit auf den Weg, in einem solchen Fall den Staub von den Füßen zu schütteln und weiterzugehen, also auf keinen Fall in den feindlichen Schlagabtausch einzusteigen. Jesus lehrt mich, den anderen für ihn zu gewinnen, deshalb ist es so wichtig, seine Einladung durch mein Verhalten zu unterstreichen und sie nicht aufzuheben durch einen Warnblinker.

Eine Vision zu entwickeln, heißt Jesu Auftrag zu erkennen. Wichtiger noch als mein eigenes persönliches Ergehen ist für Jesus die Gemeinde, in der er gegenwärtig ist und in der er wirken will. Wie Jonatan erkannte, dass er der Mann war, der es mit den Philistern ganz allein aufnehmen sollte, um seinem Volk Freiheit zu verschaffen, so geht es darum, zu erkennen, dass es von mir abhängt, die Gemeinde so zu gestalten, dass sie Kirchendistanzierte anspricht und einlädt. Es geht also nicht primär darum, dass mir die Gemeinde gefällt und meine Bedürfnisse optimal befriedigt, sondern dass sie durch mich so einladend wird, dass andere hier heimisch werden und Heilung erfahren. Viele Dienste in der Gemeinde sind nur mit einer solchen Vision möglich, dass man nicht zuerst auf die eigenen Bedürfnisse schaut, sondern darauf, was die Gemeinde voran bringt.

Die Leidenschaft

Jonatan kroch mit seinem Waffenträger auf allen Vieren den Berg hinauf auf die Wachen zu. Der Königssohn landete auf den Knien. Das ist wohl auch ein wichtiger Hinweis für das neue Jahr, dass wir unsere Vision auf den Knien umsetzen.

Sofort kommen mir dazu zwei Assoziationen. Auf den Knien bin ich, um zu beten und mir bewusst zu machen, dass Gott mein Leben, mein Denken und Tun in seiner Hand hält. Es ist eine Demutsgeste, die mir meinen Platz vor Gott zeigt. Die andere Assoziation betrifft den Alltag. Auf den Knien bin ich, um die Ecken zu putzen und gründlich aufzuräumen. Beide Bilder helfen, um Leidenschaft näher zu bestimmen. Sie entwickelt sich in der Abhängigkeit von Gott, im Gebet, in der demütigen Haltung, die von Gott alles erwartet. Und sie ist wirkliche Arbeit.

Hingabe, persönliche Lebensgestaltung, in einer Gemeinde für andere da zu sein verlangt uns etwas ab. Geld, Kraft, Zeit, manchmal auch Ansehen, Anfechtungen in den Rückschlägen, persönliche Krisen trotz ganzem Einsatz für Jesus, das ist alles kein Spaziergang am sonnigen Sonntag Nachmittag. Doch die Leidenschaft trägt durch. Sie immer wieder anzufachen ist wichtig. Die "heiligen Pfade" (siehe Predigt: Heilige Pfade, Markus 1,21-39) helfen dabei, in der Leidenschaft zu wachsen.

Der Waffenträger

Jonatan war nicht allein unterwegs. Sein Waffenträger begleitete ihn von Anfang an und unterstützte ihn in seinem Vorhaben. Jesus sagte: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Auch hier ist es Jesus wichtig, uns nicht zu Einzelkämpfern zu machen. Wir werden zusammen gestellt, um uns zu unterstützen, uns zu ermutigen, einander Hilfe zu sein. Und selbst wenn wir in einer Situation allein wären, Jesus ist dabei, er ist der, der immer mit uns ist.

Wer ist im neuen Jahr unser Begleiter oder unsere Begleiterin? Vielleicht haben wir längst einen Menschen, der uns begleitet. Vielleicht sind wir auch überzeugt, es allein am besten zu schaffen. Dann sollten wir uns das zu Herzen nehmen, das Gottes Prinzip seit Erschaffung der Welt ist, uns nicht allein los zu schicken, sondern uns eine Hilfe zu geben, die mit uns geht. Auch bei der Umsetzung unserer Vision brauchen wir jemand, der mit uns betet, mit uns ringt, mit uns Leidenschaft tankt. Nicht für alle Situationen mag es ein und dieselbe Person sein. Im Gemeindevorstand erleben wir es, wie wir miteinander Gemeinde für andere umsetzen wollen, wie wir um unsere Stärken und Schwächen in diesem Prozess wissen, miteinander beten, einander im Glauben helfen. Solche Teams gibt es in der Gemeinde vielfältig, bei den Kirchenkindern, im Jugendkreis, bei den Frauen und Senioren, in den Hauskreisen.

Das Negativbeispiel sieht so aus. Nehmen wir an, es gibt eine Musikband in der Gemeinde und einen fähigen Bandleader. Der rackert sich für diese Gruppe ab, ist regelmäßig zu den Proben da, rennt allen anderen hinterher. Die anderen, die haben bei ihrem Mitmachen keinen Anteil an seiner Vision. Die machen mit, weil es ihnen Spaß macht. Die wundern sich, warum ihr Bandleader kein Verständnis hat, wenn sie fehlen. Ihnen geht es nicht um die Gemeinde und ihre Einladung an andere. Sie wollen Musik machen zum eigenen Spaß. Kein Wunder, wenn dem Bandleader irgendwann die Leidenschaft ausgeht. Er hat keinen "Waffenträger", der seine Vision teilt. Er hätte sich rechtzeitig einen suchen sollen.

Es ist dem Herrn nicht schwer, durch viel oder wenig zu helfen. Im Jahr 2004 hören wir diese Zusage neu. Jesus Christus ist für uns da, um uns in seine Nachfolge zu rufen. Er schenkt uns eine Vision, er gibt uns Leidenschaft, er stellt einen Menschen an unsere Seite, der uns hilft, auf dem Weg der Vision zu bleiben. Gemeinde in diesem Jahr zu leben ist unsere Aufgabe, um Menschen neu mit dem Evangelium zu erreichen. Es ist dem Herrn nicht schwer, uns dabei durch viel oder wenig zu helfen.

Cornelia Trick


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