Unterwegs zum Fest
Gottesdienst am 28.11.2004

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
die heranwachsenden Kinder finden nach der Schule einen Brief ihrer Eltern vor:

Brief der Eltern

Liebe Kinder,
haben gerade Anruf bekommen. Oma geht es sehr schlecht. Wir müssen gleich aufbrechen. Wissen nicht, wie lange wir bleiben müssen. Sicher ein paar Tage.
Amanda: In der Zwischenzeit koche du bitte euer Essen. Fertiggerichte sind in der Tiefkühltruhe.
Leonhard: Versorge du bitte die Tiere.
Lisabeth: Kümmere dich bitte um eure Wäsche.
Andreas: Stelle diese Woche bitte die Mülleimer an die Straße, denke auch ans Altpapier.

Telefonnummer für Notfälle und falls ihr Hilfe braucht: 5015 und ansonsten die Gemeindeleute.
Es lieben euch eure Eltern

Was werden die Kinder tun? Werden sie den Zettel ignorieren, sich jede und jeder in eine Ecke verkrümeln und einfach nichts tun, bis die Eltern wiederkommen? Wohl kaum. Sie werden erfüllt sein von dem Wunsch, ihren Eltern keine Sorgen zu bereiten und den Haushalt soweit am Laufen zu halten, dass niemand darunter leiden muss. Sie werden nicht schimpfen auf die Eltern, die sie verlassen haben, sondern ihre Liebe und Fürsorge auch von Ferne spüren.

Einen solchen Brief hat Jesus seiner Gemeinde geschrieben in der Form eines Gleichnisses.

Matthäus 25,14-30

"Es ist wie bei einem Mann, der verreisen wollte. Er rief vorher seine Diener zusammen und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Zentner Silbergeld, dem anderen zwei Zentner und dem dritten einen, je nach ihren Fähigkeiten. Dann reiste er ab. Der erste, der die fünf Zentner bekommen hatte, steckte sofort das ganze Geld in Geschäfte und konnte die Summe verdoppeln. Ebenso machte es der zweite: Zu seinen zwei Zentnern gewann er noch zwei hinzu. Der aber, der nur einen Zentner bekommen hatte, vergrub das Geld seines Herrn in der Erde.
Nach langer Zeit kam der Herr zurück und wollte mit seinen Dienern abrechnen. Der erste, der die fünf Zentner erhalten hatte, trat vor und sagte: 'Du hast mir fünf Zentner anvertraut, Herr, und ich habe noch weitere fünf dazuverdient; hier sind sie!' 'Sehr gut', sagte sein Herr, 'du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du hast dich in kleinen Dingen als zuverlässig erwiesen, darum werde ich dir auch Größeres anvertrauen. Komm zum Freudenfest deines Herrn!'  Dann kam der mit den zwei Zentnern und sagte: 'Du hast mir zwei Zentner gegeben, Herr, und ich habe noch einmal zwei Zentner dazuverdient.' 'Sehr gut', sagte der Herr, 'du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du hast dich in kleinen Dingen als zuverlässig erwiesen, darum werde ich dir auch Größeres anvertrauen. Komm zum Freudenfest deines Herrn!' Zuletzt kam der mit dem einen Zentner und sagte: 'Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nichts ausgeteilt hast. Deshalb hatte ich Angst und habe dein Geld vergraben. Hier hast du zurück, was dir gehört.' Da sagte der Herr zu ihm: 'Du unzuverlässiger und fauler Diener! Du wusstest also, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nichts ausgeteilt habe? Dann hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank bringen sollen, und ich hätte es mit Zinsen zurückbekommen! Nehmt ihm sein Teil weg und gebt es dem, der die zehn Zentner hat! Denn wer viel hat, soll noch mehr bekommen, bis er mehr als genug hat. Wer aber wenig hat, dem wird auch noch das Letzte weggenommen werden. Und diesen Taugenichts werft hinaus in die Dunkelheit draußen! Dort gibt es nur noch Jammern und Zähneknirschen." 

Die Adventgemeinde weiß, von welchem Mann Jesus redet. Er spricht von sich selbst. Und die Gemeinde kennt diesen Mann. Sie weiß, dass es der Immanuel der Weihnachtsgeschichte ist, "Gott mit uns". Sie hat die Worte Jesu im Ohr: "Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken." Sie hat Erfahrung mit Jesus gesammelt, der dem Seesturm Einhalt gebot, heilte und dem Bösen Einhalt gebot. Der Mann war für die Gemeinde vertrauenswürdig.

Die Knechte stehen für die Gemeinde. So sind die Menschen, die zur Gemeinde gehören, mit Jesus verbunden, von ihm abhängig, auf ihn angewiesen und haben ihr Leben ihm zur Verfügung gestellt.

Das Vermögen steht für die Gaben, die Jesus mit dem Heiligen Geist seiner Gemeinde schenkt. Sie gehören zu Jesu Vermögen und repräsentieren es. Dass jemand die Gabe des Gebets, die Gabe der Lehre, die Gabe des Dienens oder andere Gaben hat, ist so wertvoll wie ein großer Haufen Silber.

Die Handlung ist klar. In der Zeit seiner Abwesenheit vertraut Jesus der Gemeinde sein Vermögen an. Die Adventsgemeinde,die auf den wiederkommenden Herrn am Ende der Zeiten wartet, ist angesprochen.

Von Jesus berufen

Wie den Kindern, die plötzlich mit der Abreise ihrer Eltern konfrontiert waren, ging des wohl auch den Knechten. Der Herr rief sie zu sich und teilte sein Vermögen unter ihnen auf, je nach dem, wie viel er ihnen zutraute. Das mag mit unseren Vorstellungen nicht ganz übereinstimmen. Haben wir doch eher im Kopf, dass irgendwo im Gemeindezentrum eine Liste mit Jobs hängt, auf der sich jede und jeder eintragen kann, wo er oder sie will. Und wenn man gerade keine Lust auf einen Job hat, läuft man an dieser Liste einfach vorbei. Von Listen ist in dieser Beispielgeschichte nicht die Rede. Nur von einem Anruf ohne Vorbereitung und einer konkreten Arbeitsanweisung. Auch geht in diesem Gleichnis niemand leer aus, alle bekommen ihren Teil vom Vermögen des Herrn.

Auf Jesus zu warten ist offensichtlich keine tote Zeit, die wir einfach nur absitzen müssen. Die Wartezeit ist gefüllt mit der Verantwortung für die anvertrauten Gaben. Wir bekommen diese Gaben zugeteilt und können sie uns nicht aussuchen. Wir können uns auch nicht davor drücken, denn Jesus ruft uns persönlich zu sich. Ist uns das bewusst? Jesus begabt uns, damit wir ihn mit diesen Gaben groß machen und andere zu ihm finden können. Das ist unser Auftrag, während wir auf seine Wiederkunft warten.

Vor die Entscheidung gestellt

Wenn Jesu Ruf uns trifft und er uns unmissverständlich deutlich macht, dass er uns braucht, genau mit den Gaben, die er uns geschenkt hat, dann sind wir vielleicht verwirrt. Niemand kann uns die Entscheidung abnehmen, ob wir uns darauf einlassen. Denn die Konsequenzen sind offensichtlich. Jesus wird die erste Priorität einnehmen. Seine Gaben einzusetzen, ist Lebensaufgabe und nicht nur dann gefordert, wenn nichts anderes läuft. Ich muss mich darum kümmern, was Jesus von mir erwartet, das heißt, mich mit der Bibel beschäftigen, die Gemeinschaft mit Christen suchen und mit Jesus reden. Denn wenn ich mich nicht darum kümmere, kann es mir gehen wie dem dritten Knecht. Der pflegte seine Vorurteile gegenüber dem Herrn und nahm das als Ausrede, sich mit dem Anvertrauten nicht zu beschäftigen. Ich kann Verantwortung auch nicht auf andere abschieben und mit ihnen einfach mitschwimmen - so nach dem Motto, wenn alle aktiv sind, fällt es nicht auf, was ich so treibe. Der dritte Knecht hatte nichts davon, dass die anderen beiden so viel Gewinn erwirtschafteten.

Keinen Plan in der Hand haben

Die Knechte bekamen keinen Wirtschaftsplan in die Hand, was sie mit dem Vermögen in den nächsten Monaten anstellen sollten. Ihnen war alle Freiheit gelassen. So lässt Jesus uns mit seinen Gaben auch alle Freiheit. Es gibt nur eine Überschrift: sie einzusetzen, um Jesus groß zu machen und Menschen mit ihm in Berührung zu bringen.

Aus den Anfängen der christlichen Kirche wissen wir, wie die Gemeinden vorgegangen sind, um zu entdecken, wo sie gebraucht wurden. Sie setzten sich zusammen und beschäftigten sich mit Gott, beteten, fasteten, machten sich bereit, um seine Stimme zu hören. So kam es dazu, dass sie die richtigen Leute aussandten, um neue Gemeinden zu gründen, dass sie die richtigen Leute fanden, die in der Diakonie tätig waren oder ihr Haus für die Gemeinde zur Verfügung stellten.

So können wir auch vorgehen. Statt auf den Plan vom Himmel zu warten, können wir mit Jesus im Gespräch sein und Schritt für Schritt entdecken, wo uns die Gaben hinführen. Das kann manchmal auch über Umwege gehen, doch werden wir nicht ohne Jesus und seine Begleitung mit einem fertigen Plan loslaufen können. 

Selbständig werden

Die Knechte zeigen ein hohes Maß an Selbständigkeit in jenem Unternehmen. Übertragen wir das auf uns. Auch wir sind in dem Unternehmen Jesu tätig, bei dem Jesus der Geschäftsführer ist. Er braucht selbständige Mitarbeiter, auf die er sich verlassen kann. Dazu gehört, dass wir
  • die Geschäftsidee verinnerlicht haben: Machet zu Jüngern alle Menschen
  • selbst als Jünger leben und nicht nur davon reden
  • zu einer Unternehmenskultur beitragen, die Jesu Frieden und Versöhnung widerspiegelt
Dazu helfen kann die Gemeinschaft, mit der wir uns unterstützen und einander helfen, unseren Auftrag zu erfüllen. Dem dritten Knecht fehlte die Gemeinschaft. Seltsam isoliert stand er neben den beiden anderen Knechten. Sie hätten ihm helfen können.

Erfolgsbilanz

Nach langer Zeit kommt der Herr wieder und fordert von seinen Knechten Rechenschaft. Zwei Knechte hatten investiert und gewonnen, ein Freudenfest wartet auf sie. Der dritte Knecht hatte sich vor den Konsequenzen des Rufes gedrückt. Er benutzt eine faule Ausrede um sich rauszureden. Doch es hilft ihm jetzt nichts, Jesus lässt ihn den eingeschlagenen Weg weitergehen. Er wollte nichts mit dem Vermögen seines Herrn zu tun haben, so hat er auch jetzt nichts mit seinem Herrn zu tun und wird rausgeschmissen.

Das Freudenfest ist doch dazu wirklich eine Alternative. Es ist das Sinnbild für die Ewigkeit, wenn Jesus unser Leben vollendet und wir mit ihm zusammen sind. 

Adventszeit ist Vorbereitung auf das Freudenfest. Den Ruf Jesu sollten wir hören und ernst nehmen. Die Entscheidung, für Jesus ganz da zu sein, müssen wir immer wieder neu treffen. Das ist unsere Chance, Neues zu entdecken und mit Jesus im Gespräch zu bleiben. Wir sollten selbständig die Möglichkeiten ergreifen und nicht warten, bis andere uns die Aufgaben auf dem Tablett servieren. Keine Angst. Wenn alle ihre Gaben einbringen und damit die anfallenden Aufgaben anpacken, entsteht kein Stress und keine Überforderung, denn Jesus teilt zu nach unseren Möglichkeiten. Stress entsteht erst, wenn einer sein Vermögen in der Ecke liegen lässt. Dann muss nämlich der, der schon viel am Laufen hat, auch noch diesen Teil bearbeiten. 

Für den dritten Knecht war es zu spät. Er konnte seinen Fehler nicht wieder gut machen. Doch wir als Adventsgemeinde haben noch die Chance, das Vergrabene auszupacken und ein neues Ja zur Berufung zu sprechen. 

"Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu." (Philipper 1,6)

Cornelia Trick


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