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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Wie der Bekannten geht es vielleicht anderen auch. Der Abstand zwischen Himmel und Erde ist groß und scheint nicht überbrückbar zu sein. Und selbst die glauben, dass es Gott gibt, haben keinen leichten Zugang zu ihm. Da sind Enttäuschungen. Man hat gebetet, und nichts ist passiert. Da ist Müdigkeit, man erlebt Gebet als Einbahnstraße, es kommt nichts zurück. Jesus war mit seinen Jüngern unterwegs zwischen Galiläa und Jerusalem. Auf dem Weg, so bringt es der Evangelist Lukas zum Ausdruck, gab er den Jüngern Unterricht in Glauben und Lebensgestaltung mit Gott. Er bereitete die Jünger auf Karfreitag und Ostern vor und die Zeit, in der sie selbstständig ihre Gottesbeziehung gestalten sollten. Wie auch in der Kindererziehung geschah der beste Unterricht durch sein Vorbild. Wie Jesus mit Gott lebte, machte die Jünger neugierig, so wollten sie es auch können. Regelmäßig zog sich Jesus zum Zwiegespräch mit seinem Vater im Himmel zurück, das beobachteten seine Freunde. Sie spürten, dass Jesus mit dem Gebet seine Basisstation aufsuchte, sich von Gott ermutigen ließ, Klarheit bekam und Wegweisung erhielt. Sie sahen, dass er nach diesen Gebetszeiten verändert zu den Jüngern zurückkam. Eines Tages sprach ihn einer von ihnen an und bat ihn: „Lehre uns beten!“ Lukas 11,1+5-13
Ich stelle mir vor, wie Jesus auf dem Boden sitzt, umringt von seinen Jüngern. Eine Tafel hatte er unterwegs nicht zur Hand, so malte er ein Schaubild in den Sand. Die zentrale Aussage steht in der Mitte, die goldene Regel des Betens: „Bitten und Empfangen“ gehören zusammen. Wer seine Hände vor Gott öffnet, dem legt Gott das Erbetene ein. Sofort wird sich Widerstand regen. Wenn das so einfach wäre. Wie oft werden auch die Jünger um etwas gebeten haben, ohne es zu bekommen. Doch Jesus geht auf den Einspruch nicht gleich ein. Er ermutigt seine Jünger, die beiden Worte Bitten und Empfangen erst einmal auf sich wirken zu lassen. Und auch wir können sie jetzt auf uns wirken lassen: Haben wir unsere Hände Gott gegenüber geöffnet? Haben wir alles von Gott erwartet? Haben wir ihm unsere wirkliche Not gesagt? Und Geduld beim Empfangen gehabt? Wer ein Tagebuch mit seinen Gebeten führt, wird im Nachhinein manche Erhörung entdecken, die ihm im Alltag gar nicht aufgefallen wäre. Schon längst war die Bitte verblasst und Gott aus dem Blick geraten. Er oder sie wird aber auch feststellen, dass manche Gebete erhört wurden, aber ganz anders als gedacht. Der Weg führte in andere Richtung, erstaunlich, was Gott aus der Bitte gemacht hatte. Jesus ergänzt die Goldene Regel um zwei Bilder. Das erste Bild zeigt zwei Häuser und einen Weg dazwischen. Er erzählt das Gleichnis vom bittenden Freund, der in der Nacht überraschend Besuch bekam und nichts zum Essen im Haus hatte. Er machte sich auf, um beim Nachbarn um Brot zu bitten. Der öffnete ihm zwar widerwillig, aber gab ihm dann doch die benötigten drei Brote. Das Gleichnis beschreibt eine freundschaftliche Gottesbeziehung. Gott ist mein Freund von nebenan. Wir sind uns nahe, denn ich kann sogar nachts bei ihm klingeln, das würde ich nicht bei allen Freunden machen. Er wird mir öffnen, sogar wenn es echt nicht passt. Er wird mir geben, was ich dringend brauche, das ist für ihn selbstverständlich. Ist es Zufall, dass Jesus hier von einer Not spricht, die einen Dritten betrifft? Beten, nicht für mich selbst, sondern für jemand, für den ich vor Gott eintrete? Ist es Zufall, dass Jesus
hier von Brot spricht, Grundnahrungsmittel, nicht von Schlagsahne? Gibt
Gott mir, was ich als Grundlage meines Lebens brauche, das tägliche
Brot?
Das zweite Bild zeigt Vergleiche. Ein Fisch ist keine Schlange und ein Ei kein Skorpion. Die Gottesbeziehung wird mit einem Eltern-Kind-Verhältnis verglichen. Das Kind bittet den Vater, der Vater wird dem Kind nichts geben, das ihm schadet. Er wird das Vertrauen des Kindes nicht missbrauchen, ihm nichts geben, das es töten würde. Hier geht Jesus ganz selbstverständlich von einem intakten Eltern-Kind-Verhältnis aus. Wir wissen, dass das längst nicht selbstverständlich ist. Es zeigt auch, wo Blockaden des Betens lauern. Wenn ich meinen Eltern nicht trauen konnte, wie kann ich dann Gott trauen? Wenn ich Schlimmes mit meinem Vater erlebt habe, wie kann Gott dann so anders sein? Vielleicht malte Jesus genau deshalb beide Bilder in den Sand – in der Hoffnung, dass eines positiv besetzt ist und wir nachempfinden können, dass es beim Beten darum geht, dass Gott uns Gutes tun will. In der Gebets-Sprachlosigkeit
sagt er zu: Hab Vertrauen, Gott wartet auf deine Bitten.
Der Zusatz im letzten Halbsatz lässt noch einmal aufhorchen. Es geht hier zusammengefasst um die Gabe des Heiligen Geistes. Ist das Bitten und Empfangen doch nicht so universal zu verstehen, auf alle Bedürfnisse unseres Lebens bezogen? Bitten und Empfangen eröffnet kein Schlaraffenland, Knopfdruck genügt und aus dem Automaten kommen alle Köstlichkeiten einfach so herausgeschossen. Der Nachsatz rückt unsere Fantasien in die richtige Perspektive. Es geht zuallererst nicht um Dinge und Geld, es geht um eine stabile Leitung zu Gott, die der Heilige Geist garantiert. Wenn alles in unserem Leben den Bach heruntergeht, unsere Gebete scheinbar nicht erhört werden, dann sollen wir wissen: Auch wenn wir es nicht spüren, Gott ist für uns da, er gibt uns ein sicheres Netz und garantiert seine Treue. Er ist der Freund, der in der schlaflosen Nacht bereit steht und die Mutter, die ihr Leben für die Kinder lässt. Diese Beziehung heilt von innen, sie gibt Stärke und Widerstandskraft, sie lässt Kräfte wachsen und schenkt einen veränderten Blick auf die Situation. In dieser Beziehung haben alle unsere menschlichen Bitten Raum. Gott wird sie hören und viele auch erhören, wie es aus seiner Sicht gut für uns ist. Wir können ihm vertrauen, auch wenn wir enttäuscht sind, dass Manches anders läuft, als wir es uns wünschen. Bitten – Empfangen, das soll uns ermutigen, bei Gott wie bei unserem besten Freund vorbeizuschauen, auch tags, nicht nur in der Not. Die Freundschaft wird spannend bleiben, abenteuerlich und risikoreich, aber sie wird niemals brechen, Jesus sagt uns zu, dass er uns auch im dunkelsten Tag nicht loslassen wird. Cornelia
Trick
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