So gingen die beiden miteinander
Gottesdienst am 28.03.2004

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
kaum ein Tag vergeht, an dem nicht auf den neuen Jesusfilm von Mel Gibson hingewiesen wird. Mich erreichen E-Mails sehr unterschiedlichen Inhalts. Manche preisen den Film an als die Gelegenheit, Menschen mit Jesus Christus bekannt zu machen. Andere raten eindringlich davon ab, den Film anzuschauen. Sie hängen Berichte von Kinogängern an, die seither beim Beten stets die Todesmaske des Jesus-Schauspielers vor Augen haben. Zwei Menschen sind während des Films am Herzinfarkt gestorben und doch setzen sich namhafte Christen für diesen Film ein. Ich bin sicher, wenn ich mir den Film antun würde, könnte ich die Tränen auch nicht zurück halten.

Doch so geht es mir auch beim Lesen der Passionstexte in der Bibel. Das Leiden Christi ist nicht deshalb schrecklich und anrührend, weil ein Haufen Blut fließt, sondern weil Jesus als Sohn Gottes an meiner Stelle stirbt. Er geht den Weg, den ich gehen sollte und schenkt mir Freiheit. Das berührt mich tief. Ich möchte mit Ihnen heute über eine Geschichte nachdenken, die auf Jesus hindeutet wie ein Wegweiser. Sie ist kein Kinohit und nicht so spektakulär wie der Film "The Passion of the Christ", doch sie enthüllt tiefe, zu Herzen gehenden Wahrheiten über Gott, über Abraham und Jesus, über Sie und mich. Und sie steht so in der Bibel ohne fremde Effekte und hinzugedichtete Passagen.
Abraham ist nun schon lange Zeit mit Gott unterwegs gewesen. Er ist bald ans Ende seines Lebens gekommen. Da tut sich ein neuer Raum für ihn auf, der die Überschrift "Erprobung" trägt. Gott lässt Abraham seinen Glauben in der Praxis bewähren. Doch Abraham weiß nichts von dieser Überschrift, er stolpert ahnungslos in diesen neuen Raum der Gotteserfahrung.

Gottes Anruf

Einige Zeit danach geschah es: Gott stellte Abraham auf die Probe. "Abraham!" rief er. "Ja?" erwiderte Abraham. "Nimm deinen Sohn", sagte Gott, "deinen einzigen, der dir ans Herz gewachsen ist, den Isaak! Geh mit ihm ins Land Morija auf einen Berg, den ich dir nennen werde, und opfere ihn mir dort als Brandopfer." (1.Mose 22,1-2)

Gott redet Abraham an und Abraham ist bereit. Abraham kennt Gott, viele Erfahrungen mit Gott liegen hinter ihm. Gott hat ihm verheißen, Land und Kinder zu bekommen. Gott hat ihn begleitet und geführt, ihn aus heiklen Situationen herausgehauen und ihm Land und Nachkommen geschenkt. In Zeiten des Zweifels hat Gott ihm Rede und Antwort gestanden und ihn gelehrt, worauf es für ihn ankommt, nämlich bei Gott zu sein und auf ihn zu hören. Abraham weiß, dass er mit Gott rechnen kann, weil der ihm treu zur Seite steht. Dieses dicke Polster an Gottesbegegnungen ist Voraussetzung der Erprobung. Denn die Aufforderung Gottes scheint ungeheuerlich. Endlich ist der verheißene Sohn Abrahams und Saras da, nun soll er auf dem Altar geopfert werden. Gott will Abraham den Sohn wegnehmen, der ihm ans Herz gewachsen ist. Damit raubt Gott Abraham die Zukunft. Nur der Sohn kann die Linie Abrahams fortsetzen. Stutzig macht mich, dass Gott nicht anordnet: "Töte Isaak!", sondern dass er von Abraham verlangt, Isaak zu opfern. Vielleicht erschließt sich darin ein Sinn dieser Anordnung. Es geht nicht darum, dass Abraham seinen Sohn schlachtet, um einem widersinnigen Befehl Gottes zu gehorchen. Es geht vielmehr darum, dass Abraham seinen Sohn Gott zur Verfügung stellt, ihn nicht als sein Eigentum betrachtet. 

Gottes Anruf kann uns auch heute ganz persönlich betreffen. Jemand hat eine neue Arbeit angenommen und das als ein Geschenk Gottes gefeiert. Doch die Probezeit übersteht er nicht. Warum hat Gott ihm Arbeit gegeben, um sie ihm gleich wieder aus der Hand zu schlagen? Eine Frau hat Gott innig um den richtigen Mann gebeten. Der ist auch aufgetaucht. Und doch war die Liebe fast schneller zu Ende als sie begonnen hatte. Wollte Gott das Geschenk gleich wieder wegnehmen? Das Ehepaar trägt das lang ersehnte Kind zu Grabe. Es hat die Geburt nur ein paar Stunden überlebt. Warum ließ Gott ihnen dieses Kind nicht? Wäre es von ihm nicht barmherziger gewesen, erst gar kein Kind ins Leben zu rufen? Weil diese Situationen nicht unbekannt sind, sollten wir hellhörig sein, wie die Geschichte weitergeht. Sie will uns helfen, uns selbst in diesen schweren Erfahrungen zurechtzufinden.

Der Weg des Gehorsams

Am nächsten Morgen stand Abraham früh auf. Er spaltete Holz für das Opferfeuer, belud seinen Esel und machte sich mit seinem Sohn auf den Weg zu dem Ort, von dem Gott gesprochen hatte. Auch zwei Knechte nahm er mit. Am dritten Tag erblickte er den Berg in der Ferne. Da sagte er zu den Knechten: "Bleibt hier mit dem Esel! Ich gehe mit dem Jungen dort hinauf, um mich vor Gott niederzuwerfen; dann kommen wir wieder zurück." Abraham packte seinem Sohn die Holzscheite auf den Rücken; er selbst nahm das Becken mit glühenden Kohlen und das Messer. So gingen die beiden miteinander. Nach einer Weile sagte Isaak: "Vater!" "Ja, mein Sohn?"
"Feuer und Holz haben wir, aber wo ist das Lamm für das Opfer?" "Gott wird schon für ein Opferlamm sorgen!" So gingen die beiden miteinander. Sie kamen zu dem Ort, von dem Gott zu Abraham gesprochen hatte. Auf dem Berg baute Abraham einen Altar und schichtete die Holzscheite auf. Er fesselte Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf den Holzstoß. Schon fasste er nach dem Messer, um seinen Sohn zu schlachten, da rief der Engel des HERRN vom Himmel her: "Abraham! Abraham!" "Ja?" erwiderte er und der Engel rief: "Halt ein! Tu dem Jungen nichts zuleide! Jetzt weiß ich, dass du Gott gehorchst. Du warst bereit, mir sogar deinen einzigen Sohn zu opfern." (1.Mose 22,3-12)

Von Abrahams Zweifeln lesen wir nichts. Er steht früh morgens auf und geht mit Isaak los. Das Ziel ist ihm so unbekannt wie damals, als er das erste Mal zum Aufbruch gerufen wurde. Er geht allein auf das Wort Gottes hin los. Wieder einmal vertraut er sich Gottes Führung an. Hand in HandDrei Tage sind die beiden unterwegs, "so gingen die beiden miteinander". Dieser gemeinsame Gang, der zweimal ausdrücklich erwähnt wird, ist für mich wichtig. Abraham und Isaak bilden eine unzertrennliche Einheit. Was Abraham hier mit Isaak vorhat, fügt er sich selbst zuallererst zu. Der Schmerz, der Isaak bevorsteht, ist in Abraham schon jetzt lebendig.

Zweimal gibt Abraham die Sicht auf sein Innerstes frei. Er sagt zu den Knechten, die er vor dem Berg zurücklässt: "Ich gehe mit dem Jungen hinauf, um mich vor Gott niederzuwerfen, dann kommen wir wieder zurück." Abraham interpretiert sein Vorhaben als Hingabe an Gott. Er kann sich Gott ausliefern, weil er zu ihm unerschütterliches Vertrauen gefasst hat durch viele Erfahrungen hindurch. Er hält fest an der Verheißung, die Gott ihm gegeben hat und lässt sich nicht davon abbringen: "Wir kehren wieder zurück."

Als Isaak ihn nach dem Opfertier fragt, antwortet Abraham: "Gott wird schon für ein Opferlamm sorgen." Das ist keine verschleiernde Ausrede, sondern Abrahams tiefgreifende Lebenserfahrung. Gott hatte ihn schon so oft versorgt, warum sollte er ihn jetzt im Stich lassen? Auch in dieser aussichtslosen Situation glaubt Abraham an Gott, seinen Versorger. Weil Abraham mit Gott Erfahrungen gesammelt hat, kann er jetzt seinen Glauben voll in die Wagschale werfen. Er hat nichts vergessen und beruft sich auf die Stationen seines Lebens, in denen er Gottes Fürsorge erfahren hat.

Diese Geschichte Abrahams ist ein Hinweisschild, das auf Jesus Christus weist. Wie Abraham mit seinem Sohn Isaak ging, so ging Gott mit seinem Sohn Jesus. Wie Abraham Isaak das Holz auflud, so wurde Jesus das Kreuz aufgeladen. Wie Isaak sich binden ließ ohne Gegenwehr, so ließ Jesus sich ans Kreuz hängen. Gott brachte mit Jesus sich selbst als Opfer dar, wie für Abraham mit Isaaks Opferung seine ganze Zukunft auf dem Spiel stand.

Doch Abraham war nicht Gott. Sein Sohn konnte nicht die Welt erlösen. So wurde Isaak von Gott ausgelöst durch ein Opferlamm.

Jesus ist für uns gestorben, um uns zu retten. Er ist den Weg des Gehorsams bis zum Schluss gegangen, er hat sich seinem Vater hingegeben mit seinem ganzen Leben. Und er ist auferweckt worden zum Leben in Ewigkeit. Weil Jesus uns sogar im Tod vorangegangen ist, sind wir nicht allein. Er schenkt uns den Beistand seines heiligen Geistes, der die Verheißung über unserem Leben groß macht und sie uns vor Augen hält, wenn wir sie aus dem Blickfeld verlieren. Diese Verheißung lautet, dass nichts uns aus Gottes Hand reißen kann. Niemand kann uns den Wert absprechen, den wir von Gott her haben. Kein Hindernis kann so groß sein, dass wir es nicht mit seiner Hilfe überwinden können. Unser Leben wird Sinn haben, denn Gott wirkt an uns und durch uns.

Der Weg des Gehorsams ist ein Weg des Loslassens. Gott weiß, wer oder was uns ans Herz gewachsen ist. Beim reichen jungen Mann war es das Geld, auf das er seinen Finger legte, bei Abraham war es das Kind, bei uns ist es vielleicht etwas anderes. Es gibt Zeiten, da spricht Gott zu uns so direkt wie zu Abraham: "Traust du mir zu, dass ich es richtig mit dir mache? Hältst du daran fest, dass ich dich liebe oder siehst du eigentlich in mir den willkürlichen Tyrann, auf den du dich nicht verlassen kannst?" Wenn diese direkten Anfragen kommen, ist es gut, auf Jesus zu sehen und uns von ihm wieder neu gewiss machen zu lassen, dass er für uns gestorben ist, damit wir bis in Ewigkeit wissen, dass Gott uns liebt - auch gegen den Augenschein.

Abrahams Dank

Als Abraham aufblickte, sah er einen einzelnen Schafbock, der sich mit seinen Hörnern im Gestrüpp verfangen hatte. Er ging hinüber, nahm das Tier und opferte es anstelle seines Sohnes auf dem Altar. Er nannte den Ort "Der HERR sorgt vor". Noch heute sagt man: "Auf dem Berg des HERRN ist vorgesorgt." Abraham kehrte wieder zu seinen Knechten zurück, und sie gingen miteinander nach Beerscheba. Dort blieb Abraham wohnen. (1.Mose 22,13-14+19)

Abraham blickt auf und sieht das Opferlamm. Gott hat wirklich vorgesorgt. Mit diesem Tier bringt Abraham sein Dankopfer dar. Was er im Herzen dachte und glaubte, ist nun bestätigt worden. Er gibt Gott sein ganzes Leben mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und darf mit seinem Sohn zurückkehren.

In diesen Dank Abrahams können wir einstimmen und in ihm unseren Osterjubel zum Ausdruck bringen. Unser Vater im Himmel sorgte für das Lamm, das an unserer Stelle die Probe bestand und den Weg für uns freimachte. Jesus nahm unsere Untreue und unseren Kleinglauben auf sich und gab sich für uns hin.

Die Erprobungen werden uns seither nicht erspart. Sie lassen unseren Glauben praktisch werden inmitten der Herausforderungen unseres Lebens. Aber sie sind große Chancen, dass wir durch die Probe hindurch fester mit Gott verbunden sind, weil wir wissen, er steht wirklich zu seinem Wort. Am Ende von Abrahams Leben und unserem eigenen zählt, dass wir zu Gott gehören und an der Verheißung über unserem Leben festgehalten haben.

Psalm 103,1-5
Von David. Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen,
der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,
der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst  wie ein Adler.

Cornelia Trick


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