Sehnsucht nach dem Paradies (1.Mose 1,27-28+2,15)
Gottesdienst am 15.11.2015 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Gäste,
ein ganz besonderes Zusammentreffen erleben wir heute in unserer Kirche. Jäger und Angehörige von Jägern, Interessierte am Wald und seinen Bewohnern sind zu Gast in unserer Gemeinde, um in der Tradition der Hubertusmesse diesen Gottesdienst zu feiern. Uns eint, dass wir wieder neu auf Gottes Willen für unser Leben, unser Zusammenleben und unseren Umgang mit Gottes Schöpfung hören möchten und seinen Zuspruch für unseren Weg brauchen. Der Glaube an Jesus Christus hat Auswirkungen über unser eigenes Leben und das unserer Mitmenschen hinaus. Er betrifft auch den Umgang mit dem, was Gott geschaffen hat.

Deshalb möchte ich heute mit Ihnen Aussagen der Bibel auf ihren ersten Seiten betrachten. Menschen haben vor vielen Jahren auf dem Hintergrund ihres Glaubens und mit den Erkenntnissen der damaligen Wissenschaftler die Entstehung der Welt beschrieben. Es sind für uns Glaubenszeugnisse mit Tiefgang, sicher keine naturwissenschaftlichen Entwürfe, die unseren Erkenntnissen entsprechen würden. Doch diese Schöpfungsberichte helfen uns, uns selbst in dieser oft so unübersichtlichen und chaotischen Welt zu verorten.

Zweimal wird über die Erschaffung der Welt und des Menschen berichtet, Texte, die zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichem Fokus entstanden sind. Im ersten Bericht ruft Gott die Erde nach und nach ins Leben, jeder Tag der Schöpfungswoche strebt mit neuen Geschöpfen Gottes der Erschaffung des Menschen entgegen, der die Krone der Schöpfung als Ebenbild Gottes bildet. Die Woche klingt aus im Ruhetag Gottes, der der Menschheit die Freiheit geben soll, selbst aus dem Hamsterrad der unermüdlichen Arbeit wenigstens einen Tag die Woche auszusteigen und die Gemeinschaft mit Gott und untereinander zu genießen.

Hier der Ausschnitt aus dem 6.Tag, die Erschaffung des Menschen:

1 Mose 1,27-28

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

Viel wurde darüber nachgedacht, was es bedeutet, Ebenbild Gottes zu sein. Sicher ist hier nicht unser Äußeres gemeint, sondern wohl eher unsere Fähigkeit, mit Gott in Kontakt zu treten, mit ihm in einer besonderen Beziehung zu stehen. Wir sind berufen, Gottes Stellvertreter auf der Erde zu sein. Von ihm bekommen wir den Auftrag zu herrschen, was wörtlich übersetzt auch heißt zu leiten, zu begleiten, eine Herde zu weiden. Wir sollen Hilfs-Hirten sein und für die Schöpfung sorgen. Dabei kann es zu Konkurrenz kommen. Das merken wir Autofahrer in diesen Tagen auf der Straße, wenn uns ein Reh, ein Hirsch oder ein Wildschwein vors Auto läuft. Die Straße haben wir gerne für uns. Da Gott dem Menschen die stellvertretende Herrschaft übergeben hat, ist klar, wer den gemeinsamen Lebensraum zu gestalten hat, sodass alle zu ihrem Recht kommen, aber kein Krieg entsteht. Das letzte Wort hat der Mensch.

Die Geschichte der Jagd, wie ich sie mir mit Ihrer Hilfe in den letzten Wochen im Schnellkurs angeeignet habe, knüpft an diesem fürsorglichen Herrschaftsauftrag an. Die Jagd war seit Menschengedenken ein Mittel, um Nahrung zu beschaffen, Masttierbetriebe gab es in der Steinzeit nicht. Nebenprodukte waren Kleidung, Werkzeuge aus Knochen, Zelte und Schmuck. Erst im Mittelalter wurde die Jagd auch Freizeitvergnügen für Adel und hochgestellte Geistliche, später für wohlhabende Bürger allgemein. Besonders diese ursprüngliche Funktion des Jagens ausschließlich zur Nahrungsbeschaffung zeigt, wie wichtig ein guter und respektvoller Umgang mit den Tieren für die Menschen war. Sie waren abhängig davon, dass genug Nahrung im Wald zu finden war. Ausbeutung des Waldes hätte ihren sicheren Tod im nächsten Jahr bedeutet. Aber klar war auch die Hierarchie. Die Menschen jagten die Tiere, nicht andersherum.

Im zweiten Schöpfungsbericht wird wie mit einer Lupe ins Paradies hineingeschaut und der Mensch mit seinen Lebensbedingungen in besonderer Weise angeschaut. Er ist nach diesem Bericht zuerst geschaffen. Sein Leben bekommt er, anders als die anderen Lebewesen, durch den Atem Gottes, der ihm eingehaucht wird und seine besondere Beziehung zu und Abhängigkeit von Gott zum Ausdruck bringt. Als zweite Besonderheit formt Gott den Menschen aus Erde. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht: Der Mensch braucht den Ackerboden, der ist seine Lebensgrundlage. Der Ackerboden braucht umgekehrt auch den Menschen, um kultiviert und fruchtbar zu werden. Das dritte Merkmal des Menschen ist, dass er den Tieren Namen geben soll. Der Mensch ist nun Gartenbewohner und ihr Gestalter. Er soll diesen Garten bebauen und bewahren.

1 Mose 2,15

Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

Dieser Auftrag steht heute in unseren Breiten im Mittelpunkt. Ökologisch wird darauf geachtet, dass Wald, Tiere und Menschen in einem guten Miteinander leben. Wirtschaftlich werden Schäden am Forst gering gehalten oder ganz vermieden. Das Wild wird gehegt – nicht nur im Ortsteil Schmitten-Hegewiese, indem Wildäcker für den Winter angelegt werden, auf dem das Wild ausreichend Nahrung findet, auf Naturschutz geachtet wird und Renaturierungsprogramme vorangetrieben werden. 

Noch eine vierte Besonderheit wird im 2. Schöpfungsbericht dargestellt. Der Mensch bleibt nicht allein, sondern bekommt eine „Menschin“ als Ergänzung an die Seite. Der Schöpfungsauftrag, den Garten Eden zu bebauen und zu bewahren, soll in Gemeinschaft wahrgenommen werden. 

Soweit zu unseren Lebensbedingungen und unserem Auftrag nach Gottes Willen. Doch schon wenige Augenblicke später hören wir, wie Adam und Eva mit dem Ist-Zustand nicht mehr zufrieden sind. Sie hören auf die listige Schlange und essen von der verbotenen Frucht, weil sie sein wollen wie Gott. Nach diesem Sündenfall, so berichtet die Bibel, gerät die Welt aus dem Lot. Der Bruder bringt den Bruder um, die Menschen haben nur Schlechtes im Sinn. Statt fürsorglich miteinander umzugehen, herrscht Konkurrenz, der Stärke setzt sich durch, wie Darwin es später beschrieb, die Natur wird ausgebeutet.

Gott ist kein Uhrmacher, der einmal die Uhr der Welt mit der Schöpfung in Gang setzte und sie dann sich selbst überließ. Er behält seine Welt im Auge. So liebevoll, wie er sie geschaffen hat, so bleiben seine Gedanken und Taten von dieser Liebe bestimmt. Er fing noch einmal von vorne an mit der Arche Noah, er begann immer wieder von vorne mit seinem erwählten Volk Israel, er fing mit der ganzen Welt neu an, als er uns Jesus schenkte. Der versöhnte am Kreuz die Welt mit Gott und gab uns – bildlich gesprochen – einen Blick durch die Mauerritze aufs Paradies. Durch Jesus sind wir wieder in Beziehung zu Gott gebracht, der Atem des Heiligen Geistes befreit uns von der Gier, immer mehr haben zu wollen, als wir brauchen, sein zu wollen wie Gott. Er schenkte uns den Blick auf die Lebensmöglichkeiten der anderen Menschen und der Natur. 

Der Glaube an Jesus, die vertrauensvolle Beziehung zu ihm, dem Türöffner zum Paradies, bleibt nicht beim auswendig gelernten Glaubensbekenntnis stehen, sondern wird praktisch im ganzen Leben.

Schauen wir auf die Jagd, so betonen wir die Hege, nicht das Sammeln von Trophäen und Geweihen, die uns toll aussehen lassen. Wir setzen uns ein für ein gedeihliches Miteinander von Mensch, Tier und Pflanzen. Schauen wir auf uns als Konsumenten, so werden wir erinnert, dass kein Essen selbstverständlich ist. Wir werden dankbar für das Brot, den Käse, die Wurst und das Gemüse, sind bereit, einen fairen Preis dafür zu zahlen. Wir achten auf die Arbeitsbedingungen derer, die für unser Essen sorgen und wirken hin, maßzuhalten, wo uns das möglich ist. Das geht noch weiter bis hin zum Umgang mit Energie, die wir nicht verschleudern wollen, als gäbe es kein Morgen, sondern intelligent gewinnen und nutzen können.

Ich habe mir letzte Woche vorgestellt, wie mich Jesus durch den ganz normalen Tag begleitet. Was würde er zu meinem Essen sagen? Was würde er mir beim Einkaufen raten? In welches Geschäft würde er gehen und was würde er in den Einkaufswagen legen? Was würde Jesus als Beifahrer zu meinem Fahrstil sagen? Oder würde er gar nicht einsteigen und von mir erwarten, mit Bus, zu Fuß, mit dem Fahrrad zu fahren? Was würde er zu den Flüchtlingen in unseren Orten sagen? Würde er mich ermutigen, ihnen die Autotür zu öffnen und sie ein Stück Wegs mitzunehmen? Würde er von mir erwarten, dass ich mich über ihre Lebenssituation informiere und in meinen Möglichkeiten helfe? Spannende Fragen. Und dabei ist mir aufgefallen, dass ich mir die Antworten ganz genau vorstellen kann, nur seine Antworten nicht ernst genug nehme. Das kann nur ich ändern, sonst niemand.

Vielleicht empfinden Sie jetzt so etwas wie eine große Müdigkeit. Ja, klar, man müsste sich, um dem Schöpfungsauftrag Gottes nachzukommen, viel mehr kümmern. Aber die Kraft reicht nicht, die anderen tun auch nichts, warum sollte ich mich dann aufraffen.
Hier bekommt der 7. Tag der Woche, der Ruhetag, seine Bedeutung. An diesem Tag, so hat es Gott vorgesehen, können wir wieder neu den Lebensatem Gottes schöpfen. Wir sind eingeladen, einen Schritt aus dem Alltagstrott herauszutreten und „frische Luft zu schnappen“. 

Wir feiern als Christen nicht den siebten Tag der Woche, Samstag, sondern den Sonntag, den ersten Tag der Woche. Es ist der Auferstehungstag Jesu, und mit ihm begann eine neue Schöpfung, in der Mensch und Erde wieder von Gottes Geist bestimmt sind. Wir verspielen diese Chance, wenn wir rastlos den Sonntag übergehen und auf die Luft von oben verzichten. Hier wird uns alle 7 Tage deutlich: Nicht ich muss mein Leben erschaffen, meine Karriere angehen, mein Leben ist Geschenk Gottes. Ich darf darauf vertrauen, dass Jesus mir hilft, dieses Geschenk auszupacken und richtig einzusetzen. Ich brauche Brachzeiten, um den Blick fürs Ganze zu bekommen, denn wir alle – Mensch, Tier und Pflanze, sind aufeinander angewiesen und füreinander da. Ein Jäger erzählte mir im Vorfeld dieses Gottesdienstes, wie er eigentlich gar nicht mehr schießt, sondern im Hochsitz sitzt und fotografiert. Er freut sich an dem, was Gott geschaffen hat. Er wird sich bewusst, wie alles Leben geschenkt ist, und wartet geduldig auf den Moment, wo er die Schönheit von Gottes Schöpfung einfangen kann.
 

Der Wald war schon zu biblischen Zeiten ein Ort der besonderen Gottesbegegnung, wir sind dankbar, dass wir hier im Taunus so viele Chancen für diese Gottesbegegnungen haben.

Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.
Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?
(Psalm 42,1-3)

Cornelia Trick


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