Raus aus der Schublade
Rundfunk - Morgenfeier im HR 1 am 08.08.1999

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
vor ein paar Wochen lernte ich jemand kennen, der sehr interessiert war, mehr von meinem Glauben an Jesus Christus zu erfahren. Wir trafen uns zuerst regelmäßig, lasen miteinander die Bibel, gingen seinen Fragen nach. Doch dann kam bei ihm immer etwas dazwischen, unser Bibellesen wurde seltener, hörte schließlich ganz auf. Er verhielt sich wie ein Zuschauer, aber am Glauben selbst wollte er nicht teilhaben. Eine andere Frau erzählte mir von ihren Enttäuschungen mit dem Glauben, sie hatte sich allmählich vom Glauben verabschiedet. Seitdem frage ich mich: Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass Menschen ihre Suche nach Gott nicht gleich aufgeben, sondern dranbleiben können?

Jesus erzählte ein Gleichnis, das genau davon handelt. Der Evangelist Matthäus berichtet im 13. Kapitel: Eine große Menschenmenge war zu Jesus  und seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern gekommen. Am Ufer des Sees war kein Platz mehr. So kletterte er in ein Boot und fing an, den Leuten am Ufer zu erzählen:

Feld"Ein Bauer ging aufs Feld, um zu säen. Als er die Körner ausstreute, fiel ein Teil von ihnen auf den Weg. Die Vögel kamen und pickten sie auf. Andere Körner fielen auf felsigen Grund, der nur mit einer dünnen Erdschicht bedeckt war. Sie gingen rasch auf, weil sie sich nicht in der Erde verwurzeln konnten; als aber die Sonne hochstieg, vertrockneten die jungen Pflanzen, und weil sie keine Wurzeln hatten, verdorrten sie. Wieder andere Körner fielen in Dornengestrüpp, das bald das Getreide überwucherte und erstickte. Andere Körner schließlich fielen auf guten Boden und brachten Frucht. Manche brachten hundert Körner, andere sechzig und wieder andere dreißig." Und Jesus sagte: "Wer Ohren hat, soll gut zuhören!"

Jesus erzählt von sich. Er vergleicht sich mit dem Bauern. Er sät mit weit ausholender Geste Samen auf das Land. Die Leute, die Jesus zuhörten, haben vielleicht gemurmelt: Wie kann ein Bauer nur so verschwenderisch sein und  soviel daneben werfen? Die Betriebswirtschaftler werden geschimpft haben: Das ist völlig gegen die Gesetze der Effektivität. 75% Verlust - das Unternehmen wird bald bankrott sein. Aber manche werden auch geseufzt haben: Ja, das ist meine Lebenserfahrung. Ich habe viel investiert und kaum etwas ist dabei herausgekommen. Ich habe Liebe verschenkt und Fußtritte geerntet.

Jesus ist der Bauer und er stellt in diesem Gleichnis ganz nüchtern fest: Es gibt Saat, die aufgeht, aber viel fällt daneben. Es gibt Menschen, die Gott ihr Leben anvertrauen, aber viele Leute kommen ohne Gott aus. Jesus wählt nicht nur den besten Boden für seine Saat. Er gibt jedem Menschen eine Chance. Er redet nicht nur mit seinen Jüngern, auch das Volk hört gebannt vom Ufer aus zu.

Als das Gleichnis erzählt ist, bleibt eine unausgesprochene Frage offen: Welcher Boden seid ihr? Welcher Boden bist du? In welcher Schublade steckst du? Und willst du nicht eigentlich da rauskommen? Das ist auch eine Anfrage an mich. Muss ich nicht ehrlich vor mir selbst und vor Gott sein, bevor etwas Neues werden kann? Gottes Liebe will mich durchdringen und verändern. Um der Liebe eine Chance zu geben, muss mein Boden locker und aufnahmebereit sein. Gegen meinen Willen läuft nichts. Wenn ich hart und verschlossen bleibe, wird die Liebe Gottes nicht keimen können. 

Jesus beschreibt drei verschiedene Böden, auf denen nichts wachsen kann:

  • Da ist der Weg. Die Samen haben keine Chance aufzugehen und sich einzuwurzeln. Schon kommen die Vögel und picken sie weg. Vögel sind ein sehr eindrückliches Bild für gewaltsames Eingreifen. Ein Freund, der sich abschätzend über meine tastenden Versuche im Glauben äußert und seine Meinung sehr massiv vertritt, kann wie ein Vogel das Korn der Liebe Gottes fortreißen. Minderwertigkeitsgefühle, die einreden, dass man nicht liebenswert ist, können die gute Botschaft von der bedingungslosen Liebe Gottes übertönen. Schlechte Erfahrungen mit Christen können die Tür zum Leben mit Gott ein für allemal zuschlagen. Ein Boden, der dem Weg gleicht, hat es schwer, sich durchdringen und verändern zu lassen.
  • Da ist der Fels. Jemand ist schnell begeistert und will mit Gott leben. Doch das Ich und alte Gewohnheiten und Überzeugungen sind so felsenfest und unveränderlich, dass keine Chance für Neues besteht. Wenn das Leben bis jetzt aus eigenen Kräften - ohne Gott - gelungen ist, warum soll man da etwas ändern? In einem Beziehungskonflikt stehen die Meinungen hart gegeneinander. Verstehen oder gar Versöhnung sind weit entfernt. Stattdessen hält jeder an seinem Recht fest. Schließlich zerbricht die Beziehung daran. Das Saatkorn der Liebe Gottes stirbt auf einem Boden, der undurchlässig ist für Vergebung und Neuanfang. Ein Boden mit felsigem Untergrund bietet keinen einfachen Start für Neues.
  • Da sind die Dornen. Viele von uns kennen das von der Gartenarbeit. Pflanzen und Unkraut stehen in ständigem Konkurrenzkampf. Und kaum ist alles Unkraut gejätet, kann man wieder von vorne anfangen. In unserem Leben steht das Vertrauen auf Gottes Fürsorge oft in Konkurrenz zu unseren Alltagssorgen, unseren Pflichten oder unserer Angst, etwas zu verpassen. Wenn Vertrauen und Sorgen klein sind, ist ihr Miteinander kein Problem. Schwierig wird es erst, wenn das das Unkraut seinen Platz behauptet auf Kosten der anderen Pflanzen. Da schießen die Dornen und Disteln in die Höhe und überdecken alles. Die Frau, die auf Gottes Hilfe in einer schier ausweglosen Situation hofft, kann schon bald von ihren Ängsten eingeholt werden. Statt dass das Vertrauen alle Ängste vertreibt, werden die Ängste und Sorgen nur immer größer. Ein Boden, der viele Unkrautwurzeln in sich hat, ist auf Dauer tödlich für die Saat.


Schließlich ist da der fruchtbare Boden. Die Saat wird bereitwillig aufgenommen, sie kann sich entfalten und den Boden durchdringen. Die Pflanze entwickelt sich und wird Frucht bringen. In der Bibel wird das Bild vom Frucht Bringen häufig gebraucht. An einer Stelle werden Früchte aufgezählt, die aus der Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus erwachsen: Liebe, Vertrauen, Geduld, Gelassenheit. Es wird deutlich, der Sinn eines Saatkorns und einer Pflanze mit ihrer Frucht besteht darin, neue Saatkörner und Pflanzen hervorzubringen - sich zu vermehren. Der Mensch, der Gottes Liebe bereitwillig und offen empfängt und ihr einen hohen Stellenwert in seinem Leben einräumt, wird diese Liebe Gottes anderen Menschen weitergeben können. Er wird sie zum Vertrauen auf Gott einladen und ihnen helfen, alles für das Leben mit Gott vorzubereiten.

Jesus möchte mit diesem Gleichnis von den 4 verschiedenen Böden einladen zur Selbsterkenntnis. Er fragt sehr persönlich: Wo bist du? Er ermutigt im Stillen darüber nachzudenken und eine Antwort auf die Frage zu finden: Wo - bei welchem Boden - bist du? In welcher Schublade steckst du? Was hindert dich, aus deiner Schublade herauszukommen und dein Leben immer mehr mit Jesus zu teilen? Sind es Mitmenschen, die dich abhalten oder verhärtet haben? Ist es deine felsenfeste Überzeugung, dass nur du weißt, was für dich gut ist? Oder sind es die vielen Sorgen und Ängste um die Zukunft, die alles in dir dicht machen? 

Scheinbar hört das Gleichnis hier auf. Meine Erfahrungen mit verschiedenen Leuten in letzter Zeit scheinen ja auch bestätigt zu sein. Es kommt darauf an, wie wir die Botschaft aufnehmen und fertig. Doch der Nachsatz Jesu macht mich aufmerksam "Wer Ohren hat, soll gut zuhören" - also: Passt auf, es geht weiter! Niemand muss in seiner Schublade bleiben. Die Aufforderung Jesu weist mich in die Zukunft. Jesus beschreibt kein starres Bild mit vier verschiedenen Böden, die immer schon so waren und immer so bleiben werden. Ein solches starres Bild könnte irgendwo in einer uralten Kirche hängen, jahrhundertelang in irgendeinem Schrank, verstaubt und nicht wichtig - ändert sich ja doch nichts an der Unterschiedlichkeit der Menschen und ihrer Antennen für Gott. Nein - ein solches verstaubtes Bild stellt uns Jesus nicht vor Augen. Jesus erzählt stattdessen eine Bildergeschichte mit Fortsetzung, heute würde man sagen, Jesus erzählt einen Comic, sein Bild von den vier verschiedenen Böden hat Bewegung und verändert sich. "Passt auf, es geht weiter", denn Jesus ist der Bauer, der Sämann. Ihm ist doch seine Saat nicht egal. Er möchte nichts lieber, als dass sie aufgenommen wird, aufgeht und Frucht bringt. Jesus sorgt sich um den Boden. Er beackert ihn, dass alles für das Saatkorn vorbereitet ist. 

Jesus ist der Bauer, seine Liebe zu uns sprengt das statische Bild von den vier Böden. Er wird die Vögel verscheuchen und sich Menschen in den Weg stellen, die den kleinen Anfang von Vertrauen niedertrampeln wollen. Er wird die harten Felsen in unserer Seele heraus brechen und Mutterboden auf unser Herz schütten, damit die Liebe eine Chance hat. Und er wird unermüdlich Unkraut jäten und sich die Finger an den Dornen aufreißen, um uns Luft zum Atmen zu verschaffen und Zutrauen, unser Leben mit ihm zu meistern. 

Jesus möchte, dass wir ihm Einfluss auf unser Leben geben. Das Saatgut ist gefährdet. 75% gehen verloren. Nur der Bauer garantiert, dass Frucht auch unter diesen widrigen Umständen wachsen kann. Es gibt keine Frucht unabhängig vom Bauern, es gibt kein erfülltes, gelassenes und sinnvolles Leben ohne die Gemeinschaft mit Jesus Christus.

Unterschiedlich ist die Reaktion auf das Angebot, den Bauern machen zu lassen. Die einen gehen weg, sie wollen Jesus nicht ihr Leben anvertrauen. Die anderen hören das Gleichnis, kommen und vertrauen Jesus. Sie lassen Jesus den Boden für ein gelingendes Leben bereiten und erleben, wie sich Früchte ihres Glaubens entwickeln. Am Ende des Matthäusevangeliums gibt Jesus seinen Nachfolgern und Nachfolgerinnen mit, was auch schon in diesem Gleichnis angedeutet ist. Er sagt ihnen: Gebt alles weiter, was ihr von mir erfahren habt. Ladet Menschen ein, mir zu vertrauen und auf mich zu hören. Erzählt ihnen, dass ich ihr Leben verändern werde und meine Liebe sie durchdringen wird. Es kommt nicht darauf an, was euch zustoßen wird, ob die Leute euch glauben oder euch verspotten. Es kommt nicht darauf an, ob ihr in großem Glück oder in großer Not lebt. Denn für euch gilt: "Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt".

SchubladenJesus stellt uns auch heute die Frage: In welcher Schublade steckst du? Und er wartet auf unsere Antwort, eine positive Antwort - ja, ich will raus aus meiner Schublade und bei Jesus sein. Mit ihm will ich wachsen und mich entfalten, mein Leben mit seinem verbinden. Die Zukunft kann beginnen - heute.

Cornelia Trick


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