Gottesdienst am 22.9.2019
in Brombach
Liebe Gemeinde,
beim Metzger stand eine
Mutter mit Kind vor mir. Die Verkäuferin reichte dem Kind eine Gelbwurstscheibe
über den Tresen. Das Kind nahm die Scheibe begeistert, während
die Mutter reflexartig erinnerte: „Was sagt man?“ „Danke“, erwiderte das
Kind. Ich dachte an einige Metzgerbesuche mit genau dem gleichen Ritual.
Danke zu sagen ist uns nicht in die Wiege gelegt, das müssen wir von
Kind an mühsam lernen, und oft genug vergessen wir es wieder.
Ganz begreifen wir das
Danke wohl erst, wenn die Erkenntnis reift:
-
Ich kann nicht alles allein,
bin auf Hilfe und Unterstützung angewiesen.
-
Ich bekomme manches geschenkt,
was nicht selbstverständlich ist.
-
Ich kann nicht alles zurückgeben,
was andere mir geschenkt haben.
Hinter vielen konkreten Ereignissen,
von irgendjemand etwas unverdient zu bekommen, entdecke ich einen, der
es gut mit mir meint, dem ich vertrauen kann und der mir mehr gibt, als
ich aus eigener Kraft vermag. Dieser eine ist Gott.
Schon das Volk Israel lernte
so Gott kennen. Als kleines Nomadenvölkchen wurden sie aus der Sklaverei
in Ägypten befreit, ohne Aufstand und Krieg, nur durch Gottes Führung.
Jesus wirkte unter uns
Menschen, um uns auf diesen Gott aufmerksam zu machen, der uns beschenken
will, uns lieben will – vorbehaltlos ohne Gegenleistung. Jesus warb um
Vertrauen zu Gott. Er als das Bindeglied zu Gott hielt Menschen fest, ließ
sich von ihnen unterbrechen und berühren, wendete ihre Wege zum Guten.
Wenn wir uns nochmals die
Szene beim Metzger vorstellen, ist ja die Frage, was aus dem Danke des
Kindes wird. In unserem Fall ist eine jahrelange Vertrauensbeziehung daraus
gewachsen. Noch heute muss es genau die Gelbwurst sein, wenn wir Wurst
essen, und die Verkäuferin von damals ist fest im Herzen verankert.
Sie ist „eine Liebe, die uns nie übersehen hat“. Wenn unsere erwachsene
Tochter ab und zu bei ihr einkauft, bekommt sie immer noch mit Augenzwinkern
eine Gelbwurstscheibe – und die schmeckt ganz besonders gut.
Das Danke war eine Antwort
auf das Beziehungsangebot der Verkäuferin, es festigte die Verbindung
und hatte einen Lerneffekt: Gib weiter von der Großzügigkeit,
die du erlebt hast.
Eine Begebenheit aus dem
Leben Jesu lässt dies sehr anschaulich werden.
Lukas 17,11-19
Später, immer noch
auf der Reise nach Jerusalem, zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien
und Galiläa. Er kam in ein Dorf. Dort begegneten ihm zehn Männer,
die an Aussatz erkrankt waren. Sie blieben in einiger Entfernung stehen
und riefen laut: »Jesus, Meister, hab Mitleid mit uns!« Jesus
sah sie an und sagte zu ihnen: »Geht und zeigt euch den Priestern!«
Und dann, als sie noch unterwegs waren, wurden sie geheilt und rein. Einer
von ihnen kehrte wieder zurück, als er merkte, dass er geheilt war.
Er lobte Gott mit lauter Stimme, warf sich vor Jesus zu Boden und dankte
ihm. Und das war ein Mann aus Samarien! Da fragte Jesus ihn: »Sind
nicht zehn Männer rein geworden? Wo sind denn die anderen neun? Ist
sonst keiner zurückgekommen, um Gottes Herrlichkeit zu loben – nur
dieser Fremde hier?« Und Jesus sagte zu ihm: »Steh auf, du
kannst gehen! Dein Glaube hat dich gerettet.«
Das Wesentliche dieser
Jesus-Begegnung ist schnell erzählt. Zehn hatten eine Hautkrankheit,
die als ansteckend galt. Ob es Lepra war, wissen wir nicht, auf jeden Fall
bestand die Möglichkeit, geheilt zu werden. Dafür gab es extra
Regelungen, wie jemand wieder in die Gesellschaft integriert werden konnte.
Die Zehn trafen auf Jesus. Sie bettelten, eine Heilung durch Jesus hatten
sie nicht im Blick. Doch Jesus gab ihnen mehr als Mitleid, er heilte sie
und schickte sie zum Priester, heute wäre das das Gesundheitsamt.
Sie gingen los, obwohl sie erstmal noch gar nicht gesund waren. Auf dem
Weg stellten sie die Heilung fest. Neun von ihnen gingen weiter, wie Jesus
es ihnen aufgetragen hatte. Sie taten nichts Unrechtes, sondern taten das,
was normal war. Vielleicht hatten sie sogar nach Feststellung der Heilung
Opfer im Tempel gebracht, um Gott zu danken. Einer kehrte um zu Jesus,
bevor er beim Gesundheitsamt war. Er entdeckte in Jesus seinen Lebensretter,
warf sich ihm zu Füßen und lobte Gott. Er sah nicht nur das
Geschenk, die Heilung, sondern entdeckte den Schenkenden. Er ergriff die
ausgestreckte Hand Jesu und schlug ein, hatte seinen Freund fürs Leben
gefunden.
Unsere Erzählung erwähnt,
dass er aus Samarien kam, also einen etwas abweichenden Glauben an Gott
hatte. Er erkannte hinter der Heilung die ausgestreckte Hand Jesu. Die
eigentlich Jesus viel näher standen, erkannten sie nicht.
Der Eine erkannte, dass
Jesus ihn mit Gott verband und kein Dienstleister war. Bei Jesus, so lernen
wir es hier, funktioniert es nicht wie bei Amazon: Ich bestelle auf der
Homepage ein Produkt, das Geld dafür wird vom Konto abgebucht, das
Produkt wird geliefert und fertig. Wer würde schon eine Dankeskarte
an Amazon schicken!
Der Mann konnte Jesus nicht
für die Heilung bezahlen. Kein Opfer dieser Welt hätte einen
entsprechenden Gegenwert dargestellt. Er konnte nur annehmen und staunen.
Und die Neun? Sie stehen
wohl für die Leser des Lukas-Evangeliums und damit auch für uns.
Wir sind den Juden näher als dem Samaritaner. Wir kennen Jesus – jedenfalls
wenn wir das Lukas-Evangelium bis hierher gelesen haben. Und wir werden
ertappt. Wie oft gehen wir zur Tagesordnung über, wenn Gott uns Gutes
tut. Vielleicht sprechen wir ein Dankgebet am Abend. Vielleicht erzählen
wir im engsten Kreis, wie krass es war, dass wir gesund geworden sind,
dass wir einen Konflikt lösen konnten, dass wir eine neue Perspektive
bekommen haben. Vielleicht spenden wir etwas mehr zum Erntedankfest. Doch
spätestens dann ist es erledigt. Der Alltag mit neuen Problemen baut
sich wieder drohend auf.
Der eine Dankbar lehrt
uns ein anderes Vorgehen:
-
Jesus gibt mehr, als wir erbitten.
Statt eine milde Gabe bekamen die Zehn einen gesunden Körper. Wir
können die Augen offenhalten, wo Jesus uns mehr gibt, als wir erbitten.
-
Jesus lässt uns gehen,
auch unsere gewohnten, gleichgültigen, vergesslichen Wege. Er hält
uns nicht auf und zwingt uns nicht, zu ihm zurückzukommen.
-
Jesus freut sich über
jeden und jede, die die Route ändert. Das bedeutet, sie geht auf das
Beziehungsangebot ein, bleibt in Kontakt zu Jesus. Sie gesteht sich ein,
nicht aus eigener Kraft leben zu können, sondern von Gottes Güte
abhängig zu sein. Sie wird nicht über andere pauschal urteilen,
dass die selbst schuld an ihrem Schicksal sind. Sie ist sich bewusst, ihr
Leben nicht „verdient“ zu haben. Sie gibt Gott die Ehre.
-
Gott die Ehre zu geben wird
praktisch, das entfaltet das 17. Kapitel des Lukas-Evangeliums.
-
Vergeben: Sieben mal täglich
vergeben wir dem Bruder, der Schwester, einem Nahestehenden um uns
herum – sind also ständig im Vergebungsmodus. Wenn mein Kumpel zu
wiederholten Mal bei der Verabredung nicht erschienen ist, kann ich daraus
Konsequenzen ziehen, mich vielleicht nicht mehr mit ihm verabreden, aber
ich soll es ihm nicht nachtragen, offen sein für neue Impulse für
die Freundschaft.
-
Dienstbereit sein: mit unseren
Gaben und Fähigkeiten bringen wir uns für Gottes Sache ein, ohne
auf Gegenleistung zu schielen. Wir leben ja von unverdienter Güte,
da ist uns Gott nichts schuldig, auch wenn wir uns noch so mühen.
Konkret bedeutet das, nach dem Kirchenkaffee die Küche wieder aufzuräumen
und keinen Blumenstrauß dafür zu erwarten, sondern vergnügt
nach Hause zu gehen und sich zu freuen, dass man anderen Gutes tun konnte.
-
Sich unterstützt und
begleitet wissen: In der Jungschar singen wir sehr gerne „Ich bin nie,
nie, nie mehr allein, weil ich weiß, dass Jesus mich liebt.“ Dieser
Satz, ist er im Herzen angekommen, macht mutig in Herausforderungen, lässt
uns in Schmerzen getröstet sein und schenkt uns immer wieder auch
in schweren Zeiten einen Blick auf einen Sonnenstrahl von oben, der das
Dunkle erleuchtet.
-
Die Beziehung hält an,
sie bleibt lebenslang. Das Danke stärkt und belebt, versichert neu,
wem wir unser Leben verdanken.
Ein Bekannter lud uns zu einem
ganz besonderen Fest ein. Er war seit 20 Jahren trockener Alkoholiker.
Aus der Sucht und einem Leben in der Gosse riss ihn vor 20 Jahren ein Mann,
der ihn auf der Straße ansprach: „Sie brauchen Jesus, rufen Sie die
Telefonnummer Gottes an, 5015“. In Psalm 50,15 steht: „Rufe
mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du wirst mich preisen.“
Unser Bekannter ging mit ihm mit, machte einen harten Entzug durch, wurde
von Jesus gefunden und erlebte eine fundamentale Lebenswende. Wir feierten
seinen 20.Jahrestag der neuen Geburt ausgelassen. Was für ein Zeichen,
dass Jesus auch heute noch wirkt wie damals bei den Zehn. Und wie das Leben
weitergeht, wenn der Eine zu Jesus kommt und mit ihm verbunden bleibt.
Die Geschichte von den
zehn Aussätzigen ist für mich ein Stopp-Schild. Normalerweise
wäre ich eher bei den Neun. Aber der Eine lockt mich, die gewohnten
Pfade zu verlassen und Jesus die Ehre zu geben, auch durch meinen Alltag.
Ich bin dankbar, denn verdient habe ich mein Leben nicht. Ich werde vergebungsbereiter,
denn Neuanfänge sind möglich. Ich unterstütze andere und
gebe das Erfahrene weiter, und ich darf zuversichtlich und getrost sein,
dann Jesus bleibt bei mir und hat mich im Blick.
Cornelia
Trick
|