Ostern mit Folgen (Johannes 21,1-23)
Gottesdienst am 28.4.2019 in Brombach

Liebe Gemeinde,
auf der Straße traf ich letzte Woche einen Nachbarn, der mir mit vollem Einkaufskorb entgegenkam. Normalerweise grüßen wir uns mit einem kurzen Hallo. Aber es war Osterwoche, so rief ich ihm „Frohe Ostern“ zu. Er schaute mich irritiert an, wahrscheinlich überlegte er blitzschnell, ob ich mich in der Woche vertan hatte, oder ob wir Methodisten Ostern später feiern. Jedenfalls wusste er offenbar nicht, was er nun zu mir sagen sollte. Ich half ihm und erläuterte ihm, dass für mich die Osterfreude noch anhält, und ich sah, wie sich seine Gesichtszüge entspannten, ja, damit konnte er dann doch etwas anfangen.

Noch ein paar Mal habe ich es mit „Frohe Ostern“ ausprobiert und jedes Mal die ähnliche Reaktion geerntet. Ist Ostern wirklich schon vorbei? Auch für uns, die wir Jesus vielleicht näher sind als manche Zeitgenossen auf der Straße?

Der Alltag meldet sich mit Macht zurück. Nicht nur die Oster-Anschläge in Sri Lanka erinnern uns daran, auch eigene Schwierigkeiten haben sich mit Ostern nicht einfach in Wohlgefallen aufgelöst. Doch die Osterberichte enden nicht an Ostersonntag, sie gehen weiter und nehmen uns mit, um unseren nach-österlichen Alltag in ihrem Licht zu sehen.

Das Johannesevangelium schließt mit einer sehr eindrücklichen Begegnung mit dem Auferstandenen Jesus in Galiläa am See Genezareth, wo drei Jahre zuvor Jesu Wirken begann:

Johannes 21,1-14
Später zeigte sich Jesus seinen Jüngern noch einmal am See von Tiberias. Das geschah so: Simon Petrus, Thomas, der Didymus genannt wird, Natanael aus Kana in Galiläa,die Söhne des Zebedäus sowie zwei weitere Jünger waren dort am See beieinander. Simon Petrus sagte zu den anderen: »Ich gehe fischen!« Sie antworteten ihm: »Wir kommen mit.« Sie gingen zum See und stiegen ins Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es schon Tag geworden war, stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten aber nicht, dass es Jesus war. Jesus fragte sie: »Kinder, habt ihr nicht etwas Fisch zu essen?« Sie antworteten ihm: »Nein!« Da sagte er zu ihnen: »Werft das Netz an der rechten Bootsseite aus. Dann werdet ihr etwas fangen!« Sie warfen das Netz aus. Aber dann konnten sie es nicht wieder einholen, so voll war es mit Fischen. Der Jünger, den Jesus besonders liebte, sagte zu Petrus: »Es ist der Herr!« Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, warf er sich seinen Mantel über und band ihn hoch. Er trug nämlich nur ein Hemd. Dann sprang er ins Wasser. Die anderen Jünger folgten im Boot und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Sie waren nicht mehr weit vom Ufer entfernt, nur etwa zweihundert Ellen. Als sie an Land kamen, sahen sie dort ein Holzkohlenfeuer brennen. Darauf brieten Fische und Brot lag dabei. Jesus sagte zu ihnen: »Bringt ein paar von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt.« Simon Petrus ging zum Ufer und zog das Netz an Land. Es war voll mit großen Fischen – genau 153 Stück. Und das Netz zerriss nicht, obwohl es so viele waren. Da sagte Jesus zu ihnen: »Kommt! Es gibt Frühstück!« Keiner der Jünger wagte es, ihn zu fragen:»Wer bist du?« Sie wussten doch, dass er der Herr war. Jesus trat zu ihnen, nahm das Brot und gab ihnen davon. Genauso machte er es mit dem Fisch. Das war nun schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern zeigte, nachdem er vom Tod auferstanden war.

Jesus steht am Ufer
Warum wohl die sieben Jünger am See waren? Sind sie vielleicht auf des Wort der Frauen hin nach Galiäa zurückgegangen, um dort Jesus zu begegnen? Oder sind sie einfach in ihr altes Leben zurückgekehrt als Fischer oder Handwerker, als hätte es die Zeit mit Jesus nicht gegeben?

Von ihnen wird berichtet, dass sie ihrer Alltagsbeschäftigung nachgingen, so wie wir morgen wieder zur Arbeit gehen oder unseren Garten beackern. Die Jünger hatten offenbar keinen Gedanken daran, Jesus zu begegnen, denn obwohl Jesus am Ufer stand, brauchte Petrus erst den Lieblingsjünger, der ihn auf Jesus aufmerksam machte: „Es ist der Herr!“, und auch die anderen Jünger fragten sich bis zum gemeinsamen Essen, ob es wirklich Jesus war.
An einigen Erzählstücken bleibe ich hängen:

Petrus eilt zu Jesus
Petrus kann es nicht erwarten, zu Jesus zu kommen. Trotz seines Verrates in der Nacht der Gefangennahme stürzt er sich ins Wasser, um schnell zu ihm zu kommen. Meine erste Reaktion wäre eher Flucht und Verstecken gewesen. Doch Petrus sucht Jesu Nähe. 

Für mich ist das eine Hilfestellung. Ich muss mich mit Schuld nicht vor Jesus verstecken. Ich kann zu ihm rennen. Er ist doch der Einzige, der aus solchen verfahrenen Situationen heraushelfen kann. Er ist der, der Vergebung zusprechen kann, die heilt.

Mein erster Gedanke war, dass ich ja nicht Petrus bin. Bei mir ist doch alles in Ordnung. Ich habe Jesus nicht verraten. Aber stimmt das denn? Auch in meinem Inneren gibt es Schuldgefühlte, den Eindruck, ungerecht behandelt zu werden, Neid. Es sind genug Themen, die es wert sind, dass ich mich in die Fluten stürze und zu Jesus komme, damit er mich reinigt und entlastet.

Das Frühstück
Als die Jünger mit ihren Fischen ans Ufer kamen, bruzzelte Jesus schon Fische und Brot. Jesus brauchte die Fische der Jünger offensichtlich nicht für das gemeinsame Frühstück. Er hatte schon längst für alles gesorgt, um die Jünger zu sättigen. Doch er nahm ihre Fische dazu, gab ihnen die Wertschätzung, dass auch ihr Beitrag wichtig war.

Das ist eine österliche Botschaft für alle, die meinen, die Verantwortung für die Welt auf ihren Schultern zu tragen. Jesus sorgt für uns, er hat genug, um uns umfänglich satt zu machen. Auch in erfolglosen Arbeitsphasen brauchen wir nicht den Mut zu verlieren, denn Jesus hat angerichtet.

Das bedeutet, die eigene Arbeit nicht so wichtig zu nehmen, mit Misserfolgen gelassener umzugehen. Unser Wert richtet sich nicht nach der Menge der gefangenen Fische, sondern daran, dass Jesus mit uns Zeit verbringen will. Alles, was wir mit unserem Mühen beitragen können, ist von Jesus ermöglicht und geschieht auf sein Wort hin.

Das gemeinsame Frühstück am Seestrand erinnerte die Jünger damals und uns ans Abendmahl. Wir werden beim Mahl des Herrn ermutigt: „Du bist es Jesus wert. Du kannst mit leeren Händen kommen und wirst trotzdem satt.“

Johannes 21,15-23
Nach dem Frühstück sagte Jesus zu Simon Petrus: »Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als irgendein anderer hier?« Er antwortete ihm: »Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.« Da sagte Jesus zu ihm: »Sorge für meine Lämmer!« Dann fragte er ihn ein zweites Mal: »Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?« Petrus antwortete: »Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe!« Da sagte Jesus zu ihm: »Führe meine Schafe zur Weide!« Zum dritten Mal fragte er ihn: »Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?« Da wurde Petrus traurig, weil er ihn zum dritten Mal gefragt hatte: »Hast du mich lieb?« Er sagte zu Jesus: »Herr, du weißt alles! Du weißt, dass ich dich lieb habe!« Da sagte Jesus zu ihm: »Sorge für meine Schafe! Amen, amen, das sage ich dir: Als du jung warst, hast du dir selbst den Gürtel festgebunden. Du bist dahin gegangen, wohin du wolltest.Aber wenn du einmal alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken. Dann wird jemand anderes dich festbinden. Er wird dich dahin führen, wohin du nicht willst. Mit diesen Worten deutete Jesus an, wie Petrus einst sterben würde und wie er dadurch die Herrlichkeit Gottes sichtbar machen sollte. Dann sagte Jesus zu Petrus: »Folge mir!« 
Petrus drehte sich um. Er sah, dass der Jünger, den Jesus besonders liebte, ihm ebenfalls folgte. Es war derselbe Jünger, der beim Festmahl an der rechten Seite von Jesus gelegen hatte. Er hatte Jesus damals gefragt: »Herr, wer ist es, der dich den jüdischen Behörden ausliefern wird?« Als Petrus ihn sah, fragte er Jesus: »Herr, was wird aus ihm?« Jesus erwiderte:
»Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich wiederkomme – was geht das dich an? Du jedenfalls sollst mir folgen!« Deswegen kam in der Gemeinde das Gerücht auf, dass dieser Jünger nicht sterben muss. Aber Jesus hatte nicht gesagt, dass er nicht sterben muss. Sondern er hat gesagt: »Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich wiederkomme – was geht das dich an?«

Das Zwiegespräch
Dreimal fragt Jesus Petrus, ob er ihn lieber hat als die anderen ihn liebhaben. Die Fragen entsprechen dem dreifachen Verrat des Petrus im Hof des Hohen Rates. Wir werden hier Zeugen einer therapeutischen Trauerarbeit. Jesus wischt das Scheitern von Petrus nicht einfach weg, er kehrt es nicht unter den Teppich oder entschuldigt es mit Petrus Charakter, der nun mal so ist. Jesus geht mit Petrus die Schritte des Verrats sozusagen rückwärts. Seine Fragen variieren die entscheidende Frage an Petrus, ob er immer noch eine Beziehung zu Jesus hat und sie will. Wenn er an dieser Beziehung festhalten will, so ist ihm seine Schuld vergeben. Das führt bei Petrus zu noch größerer Liebe als zuvor. Er hat nun eine stärkere Bindung, denn er weiß, wie es sich anfühlt, aus der Beziehung weggelaufen zu sein. Er empfindet eine überwältigende Dankbarkeit. Er fühlt sich aufgehoben aus dem Staub und mit einer neuen Chance beschenkt. Er hat in diesem Prozess Jesus intensiv kennengelernt als den, der auch Versagern die Hand reicht.

Jesus will auch mit uns solche Zwiegespräche führen. Er begegnet uns gerade dort, wo wir am Ende sind und uns aus eigener Kraft nicht retten können. Er kommt uns in der Tiefe unserer Seele nahe. Da sind Haltungen verborgen, die Jesus genauso verraten, wie Petrus es öffentlich tat.

  • Hochmut: Ich schaffe mein Leben aus eigener Kraft, mir wird schon nichts passieren.
  • Angst: Als ob es Jesus und seine Zusage der Nähe nicht gäbe, sorge ich mich um alles und jedes.
  • Verzweiflung: Obwohl ich glaube, dass Jesus Netze füllen kann, gebe ich auf, weil meines wieder leer ist.
  • Dickköpfigkeit: Ich halte an meinen Plänen und Einstellungen fest, als ob mich Jesus nicht auf eine Glaubensreise schicken würde, die mich verändert.
  • Verweigerung: Ich will meinen und nicht Jesu Weg gehen – mit allen Mitteln.
Jesus fragt: „Hast du mich lieb?“ Weißt du, dass ich dir das Leben gerettet habe und immer wieder rette? Und wenn ich darauf mit Ja antworte, dann heißt es, ich lasse es zu, mich von Jesus retten und verändern zu lassen.

Petrus und sein Mega-Auftrag
Gerade ist er aus dem Beichtstuhl entlassen, da bekommt Petrus gleich eine Job-Zusage. Er soll in Jesu Betrieb einsteigen und Schafe hüten, das heißt, Gemeinden bauen. Die Erfahrung der Vergebung macht ihn fähig dazu und auch zu seinem Martyrium, das ihn am Ende seines irdischen Weges erwarten wird. 

Welchen Auftrag gibt Jesus mir? Wie kann ich dazu beitragen, dass seine Liebe zu meinen Mitmenschen kommt? Darüber will ich diese Woche verstärkt nachdenken.

Wir sind nicht Petrus und leben – Gott sei Dank – in einem friedlichen Teil dieser Erde. Doch eine Wahrheit für alle steckt in Jesu Worten an Petrus. Je älter wir werden, je mehr müssen wir lernen, dass nicht unser Wille geschehe, sondern sein Wille. Wir müssen loslassen und uns voller Vertrauen der Führung Jesu anvertrauen. Der Weg wird nicht unbedingt einfacher dadurch, die letzte Wegstrecke auf Erden ist oft durch Leiden geprägt. Aber wir gehen an Jesu Hand, und er geht voraus, das ist die Zusage, die uns tragen soll.

Als wenn der alte Petrus noch einmal durchblitzt, dreht er sich um, sieht den Lieblingsjünger und fragt Jesus nach ihm. In dieser kleinen Frage steckt so viel mehr, Vergleichen, Neid, Missgunst, die Frage, wen Jesus mehr liebt. Jesus geht darauf nicht ein. Er verweist Petrus streng auf sich selbst.

Jesus verweist auch uns mit unseren ganz individuellen Lebensführungen auf uns selbst. Egal, wie es den Leuten um uns geht, wichtig ist, dass jeder und jede Einzelne ihren Weg mit Jesus geht und ihm vertraut.
Mit diesen kurzen Sätzen gibt uns Jesus einen Hinweis auf unser Zusammenleben als Gemeinde. Er warnt uns vor Vergleichen, er fordert uns heraus, ihm zu vertrauen und aus der Erfahrung von Vergebung und Neuanfang zu leben. Er lädt uns alle an seinen gedeckten Tisch, den nur er bestückt. Von ihm können wir alles erwarten, von ihm hängt alles ab.

Cornelia Trick


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