Ostern - Fortsetzung folgt
Gottesdienst am 25.04.2004

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
kennen Sie diese Fabel? Da tritt ein Löwe auf. Er reckt sein Haupt, schüttelt seine Mähne und ruft laut: "Ich bin der König der Tiere."

Hase und Löwe
Ein Hase sieht ihn. Vor Respekt wird er noch kleiner, anerkennend antwortet er: "Ja, du bist der König der Tiere" und flüchtet schnellstens. Der Löwe geht weiter und trifft eine Gazelle.
Gazelle und Löwe
Auch vor ihr baut er sich auf und ruft: "Ich bin der König der Tiere." Die Gazelle vergisst, dass sie so schnell ist, dass der Löwe sie nie einholen würde. Sie vergisst, dass auch ein Löwe nicht alles kann. Vor Ehrfurcht verneigt sie sich vor dem Löwen und stammelt: "Ja, du bist der König der Tiere." Ein Nashorn kreuzt den Weg des Löwen.
Nashorn und Löwe
Der ist mächtig aufgebaut durch Hase und Gazelle. Deren Ehrfurcht hat ihn bestärkt, dass er wirklich etwas Besonderes ist. Auch vor dem Nashorn stellt sich der Löwe in Pose und deklamiert: "Ich bin der König der Tiere." Obwohl das Nashorn dem Löwen ebenbürtig ist, sinkt es zu Boden und hebt ehrerbietig seine Vorderbeine: "Ja, du bist der König der Tiere." Von hinten nähert sich dem Löwen ein Elefant.
Elefant und Löwe
Als der Löwe auf ihn aufmerksam wird, nutzt er die Chance, um dem Elefanten zu sagen, wer hier der König der Tiere ist. Da so viele Tiere ihn darin bestätigt haben, König zu sein, wird auch der Elefant das einsehen. Doch der reagiert anders als erwartet. Er schlägt mit dem einen Fuß aus und wischt dem Löwen eins über seinen Kopf. Der fällt zu Boden und versteht abgesehen von den Schmerzen die Welt nicht mehr. Der Elefant wendet sich zufrieden ab, er hat die alte Rangordnung wiederhergestellt. Niemand kann ihm die Krone rauben.

In einem Vortrag zum Thema Selbstwertgefühl griff Frau Monika Bylitza diese Fabel auf, um an den Tieren unser alltägliches Verhalten abzuleiten.

Manche Menschen verhalten sich wie der Löwe. Sie wollen anerkannt und bestätigt werden. Ihre Botschaft ist: Ich bin die oder der Beste. Wer das anerkennt, ist Freund, wer die Bestätigung verweigert, ist Feind. Wenn die Bestätigung ausbleibt, fallen diese Leute in sich zusammen. Sie leiten von der ausbleibenden Anerkennung ab, dass sie keinen Wert haben.

Aber es gibt auch solche, die wie das Nashorn durch die Gegend laufen. Sie haben Fähigkeiten, sind kommunikativ, werden gebraucht. Doch sobald jemand kommt, der etwas scheinbar besser kann, schrumpfen sie buchstäblich zusammen. Statt wie ein Nashorn fühlen sie sich dann eher wie ein Hase. So kommt es, dass sie sich oft unter Wert verkaufen, der Putzeimer für andere werden und mit sich unzufrieden sind, weil sie spüren, dass mehr in ihnen steckt, als sie nach außen zeigen.

Wer wie ein Elefant durch die Welt geht, weiß um seinen Wert und verteidigt ihn. Er teilt aus ohne Rücksicht auf Verluste. Die Beziehung des Elefanten zum Löwen, der zu Boden gestreckt wurde, kann nicht mehr gut werden. Der Löwe wird Rachegefühle bekommen und nach einer Chance zur Vergeltung Ausschau halten. Wer austeilt wie der Elefant muss sich nicht wundern, dass er Feinde hat.

Doch was haben diese verschiedenen Menschentypen, zu denen auch wir mal mehr mal weniger gehören, mit unserem Glauben an Jesus Christus zu tun? Und steckt in dieser uralten Geschichte vom menschlichen Miteinander vielleicht sogar Veränderungspotenzial, weil wir Ostern erlebt haben und unser Leben entgrenzt ist? Auf diese Fragen gibt ein Christuslied Antwort, das im ersten Brief des Petrus zitiert ist:

1. Petrus 2,21-25
Ihr wisst doch:
Christus hat für euch gelitten
und euch ein Beispiel gegeben,
damit ihr seinen Spuren folgt. 
Ihr wisst: "Er hat kein Unrecht getan;
nie ist ein unwahres Wort aus seinem Mund gekommen."
Wenn er beleidigt wurde,
gab er es nicht zurück.
Wenn er leiden musste,
drohte er nicht mit Vergeltung,
sondern überließ es Gott,
ihm zum Recht zu verhelfen. 
Unsere Sünden hat er ans Kreuz hinaufgetragen,
mit seinem eigenen Leib.
Damit sind wir für die Sünden tot
und können nun für das Gute leben.
Durch seine Wunden seid ihr geheilt worden! 
Ihr wart wie Schafe, die sich verlaufen haben;
jetzt aber seid ihr auf den rechten Weg zurückgekehrt
und folgt dem Hirten, der euch leitet und schützt. 

Jesus ist Vorbild, er hat mit seinem Leben ein Beispiel gegeben. Wörtlich heißt es, Jesus ist zur "Schreibvorlage" geworden. Wenn wir etwas für unser Leben lernen wollen, müssen wir uns an Jesus halten und seinen Weg nachgehen. Dabei fällt auf, dass Jesus weder Löwe, noch Hase, Gazelle, Nashorn oder Elefant war. Löwe war er nicht, denn er schrie nicht "Ich bin der König der Welt". Er überließ das Urteil über sich den Menschen, die von ihm berührt waren. Er stellte sich nicht über andere, um sie zu beeindrucken oder ihren Beifall einzustreichen, sondern beugte sich hinab zu den Leidenden, Gestrauchelten und den Kindern. Er machte Gott groß, nicht sich selbst. Jesus war auch kein Nashorn. Er ist nicht weggelaufen oder im Staub gekrochen, wenn jemand ihn anklagte oder maßregelte. Selbst im Garten Getsemane bewahrte er seine Würde, die alle vor ihm zurückweichen ließ. Er ließ sich auch angesichts des Todes nicht einschüchtern, sondern ging den Weg im Bewusstsein, dass es Gottes Wille war. Jesus war andererseits aber auch kein Elefant, der austeilte und andere auf ihre Plätze verwies. In den Auseinandersetzungen mit seinen Gegnern ließ er sich nicht provozieren, sondern ließ Raum zur Selbsterkenntnis. Er wandte sich in mancher Situation schweigend ab, verließ das Kampffeld, das ihn nicht interessierte.

Mit seinem Leben hat Jesus die Umkehrung unserer Verhältnisse vorgelebt, er hat die Spur gezogen, der wir nachgehen können und sollen. Seit Ostern ist der Weg für uns frei, aus unseren eingefahrenen Wegen auszubrechen und uns der Spur Jesu anzuvertrauen. Jesus zu folgen bedeutet, ihn an uns wirken zu lassen. Das geschieht in drei Phasen:

1 Erkennen und Bekennen
Wenn ich mich wie ein Löwe aufführe, widerspricht mein Verhalten Gott. Ich maße mir an, größer zu sein, als ich wirklich bin. Ich missbrauche meine Mitmenschen dazu, mir zuzujubeln, und benutze sie als Trittbrett. Was zu solchem Verhalten führt, ist oft ein Loch in der Seele. Meine Erfahrung sagt mir, dass mich niemand aus freien Stücken liebt. Deshalb muss ich mir Liebe und Aufmerksamkeit mit allen Mitteln erkämpfen.

Der Christushymnus besingt Jesus und seine Kraft zu heilen. Seine Wunden am Kreuz sind meine Chance, das Loch in meiner Seele zu füllen. Sie zeigen mir, dass Jesus mich mehr liebt, als irgendein Mitmensch es je könnte. Seine Liebe kann ich aufnehmen in der Gemeinschaft der Christen, beim Singen und der Anbetung, in den kleinen Momenten des Tages, wo ich mir seiner Nähe bewusst werde.

Wenn ich mich wie ein Nashorn aufführe, ist das genauso ein Zeichen, dass ich Gottes Liebe zu mir nicht ernst nehme. Meine geschenkten Gaben nehme ich nicht wahr, stattdessen schiele ich zu anderen, die viel mehr glänzen als ich. Auch hier habe ich Lebenserfahrungen gesammelt, die mich in dieser Weise geprägt haben. Die innere Stimme wiederholt Sätze wie "du genügst nicht, deinen Beitrag brauchen wir nicht, es gibt Bessere als dich."

Jesus heilt. Er nimmt sich unserer Wunden an, sie sind in seinen Wunden aufgehoben. Er sagt zu, dass alles, was mich ausmacht, von ihm stammt und er mich genau so will, mit meinen Fähigkeiten, aber auch mit meinen Grenzen. Er hat mich nicht geschaffen, dass ich mich verstecke und für mein Dasein entschuldige, sondern dass ich den Platz einnehme, den er mir zeigen will.

Auch ein elefantenartiges Verhalten zeigt meine Trennung von Gott und ist Sünde. Ich habe kein Recht, auf den anderen draufzuhauen und ihn zu zerstören, nur weil er meine Position in Frage stellt. Gott wird Recht sprechen, wie es im Christushymnus heißt. Meinen Kontrahenten kann ich sachlich und respektvoll behandeln und ihm die Chance geben, selbst einen neuen Weg zu finden.

Jesus hat unsere Sünden ans Kreuz hinauf getragen. Sie sind mit ihm gestorben, wir sind frei für ein neues Selbstwertgefühl, das wir von Jesus lernen können.

2 Öffnen
Die Zusage Jesu, dass er mich liebt und mir einen von ihm gewollten Platz in dieser Welt gibt, stellt mich in eine neue Verantwortung. Ich kann nicht der Löwe, das Nashorn, der Elefant bleiben, der ich X-Jahre war. Ostern ist nicht abgehakt, sondern hat Fortsetzung in der Veränderung meiner Selbstwahrnehmung und meines Verhaltens. Der Christushymnus benennt dabei verschiedene Punkte

  • kein Unrecht tun,
  • die Wahrheit sagen,
  • Streit nicht eskalieren lassen und
  • keine Rachegefühle zu pflegen,
die zu Christen gehören, die dem auferstandenen Jesus begegnet sind.

Kein Unrecht tun
Würde mich jemand fragen, ob ich in der letzten Woche Unrecht getan habe, würde ich das erst mal weit von mir weisen. Ich habe niemand bestohlen, keinen umgebracht und meine Ehe nicht gebrochen. Aber beim genaueren Hinsehen fällt mir auf, dass es mir in manchen Situationen doch wieder so ging, wie den Tieren in der Fabel. Ich war ganz darauf aus, meine Löcher in der Seele zu stopfen, statt wie Jesus nach Gottes Willen zu fragen. So soll es nicht weitergehen.

Ein Aspekt ist mir zur Zeit wichtig. Jesus steht zu mir, obwohl ich ihn sicher oft enttäusche, er ist mir treu. Diese Treue möchte ich in meinem Umfeld, besonders in meiner Familie leben. Sie ist kein sehr moderner Wert, denn man nimmt sich doch, was man kriegen kann, und verzichtet nicht um der Treue willen. Doch darin zeigt sich für mich, dass ich mit Jesus kein Unrecht zu tun brauche. Ich muss nicht den Partner wechseln, um damit mein Loch in der Seele zu füllen, das ist geheilt. Jesus liebt mich, ich kann treu sein. Er wird mir die Kraft schenken, diesen neuen und wichtigen Weg zu gehen.

Wahrheit sagen
Hätte der Löwe die Wahrheit gesagt, wären Hase und Gazelle sicher immer noch geflohen, aber das Nashorn wäre stehen geblieben als gleichwertiger Partner und der Elefant hätte mit dem Löwen Frieden halten können.

Wie steht es um den Wahrheitsgehalt unserer Aussagen? Dabei geht es ja nicht nur um richtig und falsch, sondern um die Wahrheit, die Jesus verkörpert. Können unsere Gespräche vor Jesus standhalten?

Es ist eine einfache Übung, beim gemeinsamen Essen, Jesus als Tischnachbarn willkommen zu heißen. Was reden wir in seiner Anwesenheit? Wieviel Klatsch und Tratsch bleibt auf einmal ungesagt, weil er vor Jesus nicht bestehen kann? Wieviel Verletzendes wird gar nicht erst ausgesprochen, weil wir uns seiner Nähe bewusst sind? Die Wahrheit zu sagen ist ein wichtiger Schritt, das neue Leben mit Jesus praktisch werden zu lassen. Denn unser Reden spiegelt unser Denken, unsere Haltung und unsere Werte wider. Mit unserem Reden können wir Gott die Ehre geben, wie Jesus es tat.

Streit nicht eskalieren lassen
Letzten Sonntag setzten wir uns an den einzig freien Tisch in einem Restaurant. Am Nachbartisch saßen starke Raucher. Ich öffnete das Fenster, der Nachbar schloss es wieder. Ich öffnete es und konnte froh sein, dass es danach nur ein kurzes Wortgefecht gab. Im Nachhinein wusste ich genau, dass Jesus genau das nicht von mir wollte. Ich hätte mit dem Nachbartisch ein ganz freundliches Gespräch anfangen können. Ich hätte cool bleiben sollen, beherrscht, entwaffnend. Stattdessen habe ich alles getan, um die Leute gegen mich aufzubringen.

Manchmal spüre ich genau, was Jesus von mir will. Dem will ich nachgehen und in Zukunft still bis 10 zählen und mit Jesus ein Zwiegespräch führen, bevor ich wieder irgendwo Öl ins Feuer gieße.

Keine Rachegefühle pflegen
Der Christushymnus eröffnet uns noch einen neuen Aspekt, wie wir aus alten Gewohnheiten ausbrechen können. Rachegefühle gehören zum Miteinander. Sie sind die Antwort auf Verletzungen und offene Wunden. Aber Jesus hat unsere Wunden geheilt, er hat die Schuld ans Kreuz genommen, die Rache ist abgegeben an Gott.

Wie das zu leben ist, müssen wir für uns entdecken. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, für die Person, die mich verletzt hat, zu beten. Ich merke, dass Jesus mich von der Last der Verletzung und der Rache befreien will. Er nimmt sich der Situation an. Er will nicht, dass meine Wunde eitert und meinen ganzen Körper, meine ganze Seele vergiftet. Wenn meine Wunde heilt, brauche ich dem anderen nicht mehr zu grollen. Er hat mich um die Erfahrung reicher gemacht, dass Jesus zu mir steht, er wirklich der gute Hirte ist, der mich führt und schützt. Dafür bin ich dankbar. Und Jesus wird schon wissen, wie er mit der Person umgeht, die mich verletzt hat. Das soll mich nicht belasten.

3 Handeln
In der Zeitung war letzte Woche ein heruntergekommenes Haus abgebildet, das einen 16-Jahre langen Briefwechsel zwischen Rathaus und Eigentümer ausgelöst hat. Haus für Abbruch oder SanierungDie Stadt verlangte den Abriss oder die Sanierung, der Eigentümer gab sein Einverständnis, tat aber nie etwas.

Dieses Haus ist für mich zum Sinnbild für das Leben geworden. Ich weiß, dass Jesus für mich gestorben und auferstanden ist. Ich weiß, dass das bei mir zur Veränderung führen sollte. Aber ich rede nur davon. Ich habe einen regen Briefwechsel mit Gott: "Herr, ich will ja, aber du siehst doch, das es momentan noch nicht geht..." Vielleicht mache ich so weiter, bis mein Lebenshaus zusammenstürzt und noch andere mit ins Verderben reißt, die von meinen Trümmern getroffen werden.

Ich höre aus dem Christuslied heraus, dass ich heute etwas verändern muss, und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Jesus ist mein guter Hirte. Er geht mir voraus, leitet mich und schützt mich. Darauf kann ich mich verlassen und mit dieser Sicherheit im Rücken endlich etwas verändern.

Die Sünden darf ich bekennen und mir vergeben lassen. Ein neues Miteinander darf ich einüben und dabei erleben, wie Veränderung eintreten wird. Denn aus oberflächlichen Gesprächen werden Begegnungen, bei denen Jesus zuhört und redet. Streit mündet nicht in Krieg, sondern endet mit Versöhnung. Ich weiß um meinen Wert und muss mich nicht klein machen und meine Gaben vergraben, weil alle anderen scheinbar wertvoller sind. Wenn ich anderen vorangehe, ist das für mich kein Grund zu Stolz und Überheblichkeit, sondern zeigt mir, dass auch ich dienen kann und soll. Treue kann ich leben, weil es nicht mehr darum geht, dass ich möglichst gut wegkomme und alles ausschöpfe, was sich mir bietet, sondern dass Gott geehrt wird und seine Treue erwidert wird. 

Der gute Hirte geht uns voran, er ist die Schreibvorlage für unser Leben. Wir können ihm nachgehen, dann hat Ostern Fortsetzung in unserem Leben.

Cornelia Trick


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