Jesus lässt uns nicht kalt
Gottesdienst zum Ewigkeitssonntag am 14.11.1999

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Suppentopfeine leckere Suppe habe ich Ihnen hier mitgebracht. Es ist eine schwäbische Festtagssuppe, eben ein richtiges Sonntagsgericht. Aber diese Suppe - so lecker wie sie anzusehen ist - hat einen Haken, sie ist nicht mehr richtig warm. Und Sie können sich sicher vorstellen, dass diese eigentlich so leckere Suppe viel von ihrem Geschmack einbüßt. Lauwarm ist sie kaum genießbar. Vielleicht ist diese abgestandene lauwarme Suppe ein gutes Bild für unsere Zeit. Äußerlich prachtvoll, doch darf man nicht genau hinsehen. Der drohende Bankrott des großen Baukonzerns Holzmann ist ja auch so ein Fall. Ein riesiges Unternehmen, das Vertrauen erweckt, doch die verborgenen Schulden führen in den Abgrund. Oder ein erfolgreiches Ehepaar mit guten Jobs und schöner Wohnung, doch hilflos, miteinander gut auszukommen. Oder ein lieber Freund, begabt, umgänglich, eigentlich auf der Sonnenseite des Lebens, doch er steckt seinen Arbeitsplatz, weil er keinen Sinn darin entdecken kann und ihm alles hohl und leer erscheint.
So viele Situationen ließen sich da aufzählen, wo es äußerlich so prima erscheint, doch einem bei näherem Hinsehen der Appetit vergeht.
Um diese lauwarme Suppe und vor allem eine warme Herdplatte geht es heute. Denn diese warme Herdplatte brauchen wir wohl dringend, um unsere Bestimmung nicht zu verlieren.
Weil wir heute den Ewigkeitssonntag feiern, bekommt das Thema angesichts des Lebensendes noch eine ganz besondere Dringlichkeit. Wie heiß ist unsere Suppe denn noch?

Johannes der Seher schrieb am Ende des 1. Jahrhunderts die Offenbarung als Aufruf an Gemeinden, die er kannte. Er rief im Namen Jesu auf, angesichts des erwarteten Weltendes sich selbst zu prüfen, die Hand Jesus zu fassen, mit Gottvertrauen die Zeit der Anfeindung und Verfolgung durchzustehen.
Heute werden wir den Brief an die Gemeinde Laodicea genauer betrachten. Darin nennt Jesus der Gemeinde ihren Ist-Zustand und ihren Soll-Zustand. Laodicea war eine reiche Stadt, sie war Handelszentrum und war berühmt für ihre Heilkunst. Heute denke ich da gleich an Frankfurt: Bankmetropole und Uniklinik.

Offenbarung 3,14-22

"Schreibe an den Engel der Gemeinde in Laodizea:
Er, der Amen heißt, der wahrhaftige und treue Zeuge, der vor allem da war, was Gott geschaffen hat, läßt euch sagen: 
Ich kenne euer Tun und sehe, daß ihr weder warm noch kalt seid. Wenn ihr wenigstens eins von beiden wärt!
Aber ihr seid weder warm noch kalt; ihr seid lauwarm. Darum werde ich euch aus meinem Mund ausspucken.
Ihr sagt: "Wir sind reich und gut versorgt; uns fehlt nichts." Aber ihr wißt nicht, wie unglücklich und bejammernswert ihr seid. Ihr seid arm, nackt und blind. 
Ich rate euch, von mir Gold zu kaufen, das im Feuer gereinigt wurde; dann werdet ihr reich. Ihr solltet euch auch weiße Kleider kaufen, damit ihr nicht nackt dasteht und euch schämen müßt. Kauft Salbe und streicht sie auf eure Augen, damit ihr sehen könnt! 
Alle, die ich liebe, weise ich zurecht und erziehe sie. Macht also Ernst und kehrt um! 
Gebt acht, ich stehe vor der Tür und klopfe an! Wenn jemand meine Stimme hört und öffnet, werde ich bei ihm einkehren. Ich werde mit ihm das Mahl halten und er mit mir. 
Allen, die durchhalten und den Sieg erringen, werde ich das Vorrecht geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, so wie ich selbst den Sieg errungen habe und nun mit meinem Vater auf seinem Thron sitze. 
Wer Ohren hat, soll hören, was der Geist den Gemeinden sagt!"

Die Suppe war in Laodicea offenbar lauwarm. Doch das schien da keiner zu merken. Statt schnellstens den Topf wieder auf den Herd zu stellen, fühlten sie sich zufrieden und satt und sonnten sich in ihrem Ruhm. Wenn wir nach den genaueren Umständen fragen, wie dieses Lausein aussah, dann wird klar, die Gemeindeleute hatten sich mit oder trotz ihres Glaubens gut in der Welt eingelebt. Sie waren angesehen im Ort, fehlten auf keiner Veranstaltung und konnten alle Vorzüge des reichen Laodicea genießen. Man fragt sich natürlich, wie sie da noch ihren Glauben gelebt haben, wo es doch die Zeit der Christenverfolgungen war und Christen überall aneckten. Aber irgendwie haben sie es wohl beides verbunden oder an der Kirchentür die Kleider schnell gewechselt. Bei all dem Trubel ihres gesellschaftlichen Lebens konnten sie Jesus gar nicht mehr hören - neudeutsch. Ihr Handy war da vorsorglich abgeschaltet um nicht zu stören. Das führte unweigerlich zu einem Problem. Ihre Ausstrahlung wurde immer geringer. Sie waren weder warm noch kalt. Keiner konnte mehr ahnen, dass sie von Gott her leben und seine Wärme weitergeben wollten. Ihre Prioritäten haben sie "eingelaod", also eingelullt. Und so haben sie noch nicht mal gemerkt, dass etwas nicht stimmt. 

Ich frage mich, wie es denn in Laodicea ausgesehen hätte, wenn sie dort warm gewesen wären. Ich stelle es mir so vor: Zuerst einmal ist ein enger Kontakt zu Jesus da. Denn er ist ja die heiße Herdplatte, die warm hält. Auf Jesus ruht alle Hoffnung, nicht auf dem Ansehen, dem Geld und der Macht im Ort. Was andere tun, ist nicht mehr so wichtig. Ob "man" nun zu diesem Fest geht oder nicht, verliert seine Bedeutung. Das führt zu Auseinandersetzungen und Konflikten in der Umwelt. In der eigenen Familien werden die Gemeindeglieder angefeindet und für verrückt erklärt und in der Öffentlichkeit wird vor ihnen gewarnt. Da sind welche, die sich nur auf Gottes Autorität berufen und unsere Regeln hier nicht anerkennen. Und so sind diese Gemeindeglieder bald auch nicht mehr bei den Reichen, sondern ausgegrenzt und oft ohne das Nötigste zum Leben. Aber ihr Gemiendeleben ist eine Oase. Da unterstützen sie sich, helfen sich, trösten einander. Und sie feiern sehr bewegende Gottesdienste. Sie warten auf Jesus Anklopfen und Hereinkommen. Sie warten auf seine Worte für die nächste Woche. Sie werden mutig, mit ihm in den Alltag zu gehen. Und sie werden mutig, andere immer wieder einzuladen zu diesem neuen Lebensweg mit Jesus. Wer diese warme Gemeinde erlebt, ist von innen her warm geworden und angesteckt, die Wärme weiterzugeben.

Jesus lädt die Gemeinde ein, bei ihm warm zu werden. Er liebt sie. Es tut ihm weh, dass sie verblendet ist, sich mit Dingen umgibt, die keinen Wert in der Ewigkeit haben. Jetzt bleibt Jesus nur noch ein Machtwort (das ist ja eine Erziehungsmaßnahme) um auf sich aufmerksam zu machen. Jesus sagt dem Engel der Gemeinde als ihrem Repräsentanten: "Es ist ernst! Entscheidet euch jetzt. Es gibt ein zu spät. Lasst mich rechtzeitig bei euch ein."

Wie wohl die Gemeinde reagiert hat? Hat sie das Machtwort erstmal einem Ausschuss zugewiesen, um da das Für und Wider abzuwägen, dann einen Unterausschuss zu bilden, der es als Schwerpunktthema des Hausausschusses vorschlägt - weil doch wohl eine neue Heizung angeschafft werden soll? Oder war es ganz anders. Die Gemeinde hat den Ernst der Stunde begriffen und sofort und mit aller Dankbarkeit das Gemeindeprogramm geändert. Die Wechselkleider am Kirchenausgang wurden abgeschafft, die Leute bildeten Gebetskreise, Jesus hatte wieder offene Türen bei ihnen.

Mich hat diese Gemeindesituation in Laodicea getroffen und persönlich berührt. So ganz weit weg sind wir ja nicht. Und die Beispiele von der lauen Suppe bei uns sind ja auch alles andere als weit hergeholt. Unsere laue Suppe kühlt wohl so ab: Da ist Jesus. Er sagt uns zu, unser Leben ganz auszufüllen und alles mit uns zu teilen. Aber da sind auch: Unser Alltag, der uns voll und ganz fordert und manchmal wie ein Ozeanbrecher über uns zusammenschlägt. Unsere Probleme, die uns ständig beschäftigen ohne Aussicht auf Erfolg. Die gesellschaftlichen Zwänge, denen wir nicht entkommen können, schließlich leben wir in dieser Welt. Und ehrlich gesagt wollen wir uns ja auch nichts entgehen lassen - die Angebote sind zu schön und bunt. Ob wir wollen oder nicht, oft bleibt da nur ein fauler Kompromiss übrig. Jesus ist zwar eine feste Größe im Leben, aber er hat eigentlich im Alltag nicht viel zu sagen. 

Und genau in diese schier ausweglose Lage sagt Jesus wie ein erfahrener Arzt: Stell sofort deine Lebensweise um, sonst kannst du dein Leben nicht bis in die Ewigkeit retten. Jetzt ist es Zeit umzukehren. Jetzt ist die Stunde, aus der Selbstgefälligkeit aufzuwachen. Jetzt steht Jesus vor der Tür und klopft an. Jetzt stell den Suppentopf auf den Herd - dir wird es dabei warm und andere sollen doch auch was von der Wärme abbekommen. Am Ewigkeitssonntag wird mir bewusst, dass es keinen Aufschub dafür gibt. Wer weiß, wie viel Zeit mir noch bleibt - wer weiß, wie viel Zeit dieser Welt noch bleibt?

Was mache ich nun, um warm zu werden, um das Anklopfen Jesus zu hören? Jesus gibt hier sehr eindrücklich Antwort. Man stelle sich vor, ein volles Haus, alles schreit und rennt durcheinander. Ich versuche allen gerecht zu werden, flitze hierhin und dorthin. Wenn ich mich kurz fortschleichen kann, falle ich im hintersten Winkel des Hauses in Tiefschlaf. Ich höre nichts.

Der erste Schritt zum Warmwerden: Ich versuche auf Jesu Anklopfen und Stimme zu hören. Vielleicht muss ich da ein paar Leute nach Hause schicken, Küchengeräte abschalten, den CD-Player ausschalten. Vielleicht muss ich mich bei der Tür aufhalten, um das Anklopfen nicht zu verpassen. Und dabei wird mein Wunsch, dass Jesus jetzt endlich kommt, immer größer. Ich erwarte ihn und fürchte mich nicht davor, dass er mitten in mein Chaos einkehrt. Wie das praktisch aussehen kann, möchte ich an einem ganz normalen Tagesablauf aufzeigen. Ich gebrauche dabei die Ich-Form, damit wir alle ganz leicht in einen solchen Tagesablauf mit Jesus hineinschlüpfen können.
Am Morgen nach dem Aufstehen bereite ich mich vor. Herr, du kennst meinen Stundenplan. Du weißt auch, dass ich vor manchem Angst habe, bei anderem unsicher und nicht genügend vorbereitet bin, du kennst die Stunden, auf die ich mich freue. Herr, sei du überall dabei. Gib mir Zeichen, wenn du reden willst und schubse mich an, wenn ich was tun sollte. Mach mich mutig, weil ich mit dir doch nichts fürchten muss. Danke, dass du da bist.
Am Mittag in einer kleinen Verschnaufpause komme ich dazu, bei Jesus neue Kraft zu schöpfen. Herr, hier bin ich, rette mich aus dieser Sitzung. Rette mich bei dem Hausaufgabenstress. Stoße mich an, dass ich jetzt endlich loslege und dann auch irgendwie fertig werde. Danke für die kleinen Lichtblicke heute Morgen. Und danke, dass du da bist.
Abends blicke ich zurück und lege ab, was sich auf meinem Rücken wieder angesammelt hat. Herr, es gab viele verpasste Gelegenheiten für mich. Ich habe dir da auch die Tür vor der Nase zugeschlagen, bin aus dem Zimmer gerannt, als du mit mir reden wolltest. Verzeih mir. Jetzt bin ich wieder bei dir, erwärme mich und lass deine Liebe in mir groß werden. Danke, dass du immer noch da bist.

Der zweite Schritt zum Warmwerden: Jesus will mit uns Abendmahl feiern. Er kommt mitten in unsere Lebenswelt - er feiert mit uns auf dem Schreibtisch, am Küchentisch, an Kaffeetischen und am Krankenbett. Er gibt uns seine Wärme, die unsere Lauheit, unsere Unverbindlichkeit, unsere mangelnde Konsequenz beendet. Jetzt ist die Gelegenheit, ihm das beim Abendmahl anzuvertrauen, was bei uns in Ordnung kommen, warm werden soll. Und so verändert das Mahl mit Jesus unsere Suppe. Jesus wird wieder Zentrum unseres Lebens. Alles was wir tun und lassen, hat Bezug zu ihm. Und er hat die Vollmacht um in unserer Lebensplanung mitzubestimmen. Nachher beim Abendmahl hören wir die Einsetzungsworte. Jesus spricht uns zu "mein Leib, für dich gebrochen, mein Blut, der neue Bund für die Ewigkeit". Und aus diesem Geschenk, das Jesus uns macht, folgt eine neue Selbstverpflichtung. Ich möchte mich an Jesus halten. Er hilft mir, ihm treu zu bleiben. Er bringt Ordnung auch in die letzten Kramecken, die sonst niemand sehen darf. Auf Ihrem Gottesdienstprogramm finden Sie ein Gebet zur Selbstverpflichtung. Vielleicht hilft es Ihnen, diesen neuen Bund, der uns heute wieder zugesprochen wird, neu festzumachen. Vielleicht legen Sie sich dieses Gebet in Ihre Bibel und lassen es immer tiefer in Ihr Herz eindringen, Satz für Satz.

Gebet 
Herr Gott, heiliger Vater, du hast mich in Jesus Christus berufen, teilzuhaben an deinem Bund.
Ich gehöre nicht mehr mir, sondern dir.
Stelle mich, wohin du willst; stelle mich, zu wem du willst.
Lass mich wirken, lass mich dulden.
Brauche mich für dich oder stelle mich für dich beiseite.
Erhöhe mich für dich, erniedrige mich für dich.
Lass mich erfüllt sein, lass mich leer sein. Lass mich alles haben, lass mich nichts haben.

In freier Entscheidung und von ganzem Herzen überlasse ich alles deinem Willen und Wohlgefallen.
Herrlicher und erhabener Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist:
Du bist mein und ich bin dein. So soll es sein.
Bestätige im Himmel den Bund, der jetzt auf Erden neu geschlossen wurde. Amen
(aus: methodistischer Bundeserneuerungsgottesdienst)

Jesus lässt uns nicht kalt. Aus Liebe zeigt er auf unsere lauwarme Suppenschüssel. Aus Liebe lädt er uns heute ein, bei ihm warm zu werden. Wir sind nicht die Gemeinde in Laodicea und wollen sie sicher auch nicht werden. Wir haben die Chance, wach für Jesu Anklopfen zu sein, seine Stimme zu hören und seine Kraft morgen wieder neu zu spüren. Die Gemeinde Neuenhain ist dann ein Ort, wo wir Kraft zum Durchhalten schöpfen und anderen an der Wärme Anteil geben - bis wir einst mit Jesus auf dem Thron sein werden. Hier und heute stellen wir die Weichen für die Ewigkeit.

Cornelia Trick


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