Licht dringt nach außen
Gottesdienst am 12.10.2008

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Zirkuszelt, die Vorstellung ist ausverkauft. Alle Scheinwerfer sind abgeschaltet, die Manege liegt fast völlig im Dunkeln. Da tritt ein Clown durch den Vorhang in die Manege. Ein Scheinwerfer richtet einen kleinen Lichtkegel auf eine Stelle in der Manege. Der Clown schlurft mit seinen übergroßen Schuhen auf diesen Lichtkreis zu, stellt seinen Koffer ab, setzt sich hinein, räkelt sich im Licht. Doch nach kurzer Zeit wandert der Scheinwerfer weiter. Der Lichtkegel erscheint auf der gegenüberliegenden Seite der Manege. Der Clown packt seinen Koffer und schlurft dem Licht hinterher. Wieder setzt er sich hinein und streckt sich wohlig im Licht aus. Der Scheinwerfer verändert auch jetzt wieder seine Position. Nach einigem Hin- und Herlaufen öffnet der Clown seinen Koffer und fängt den Lichtschein ein. Er schließt den Koffer, doch die Manege ist augenblicklich wieder dunkel. Das Licht hat der Clown zwar dabei, aber im Koffer eingeschlossen. Hell kann es nicht machen. Schließlich öffnet der Clown seinen Koffer, das Licht fließt über und erhellt die gesamte Manege.

Diese Eröffnungsgeschichte aus der Zirkuswelt ist für mich ein gutes Bild für das Leben mit Gott. Wir sind unterwegs auf der Suche nach Licht, auf der Suche nach ihm. Es gibt manche Lichtkegel, die wir mit Gott verwechseln. Wir räkeln uns darin und wundern uns, dass sie immer nur von kurzer Dauer sind. Wir werden in ständige Unruhe gebracht, dem Licht hinterherzueilen. Dann versuchen wir, das Lebenslicht einzufangen für uns selbst. Doch es bringt uns keine Erleuchtung. Erst wenn das Licht Gottes durch uns strömen kann, wird es dauerhaft hell. Sowohl wir als auch andere stehen im Licht und erkennen Gottes Liebe und Zuwendung.

Im 2. Brief an die Korinther beschreibt Paulus dieses Licht, das durch uns leuchten will und uns verändern wird. 

Das Vorwort – Gottes Licht setzt in Gang

2.Korinther 4,6 

Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

Zwei Gotteslichter werden nebeneinander gestellt: Das Licht, das Gott schuf, um in das Chaos und die Dunkelheit der Erde sein Licht zu bringen, das Leben bedeutet. Und Gott bringt Licht ins Verborgene, in den Tresor des Herzens. Das Glaubenslicht entzündet die Erkenntnis, dass Gott in Jesus Christus mich meint, sich zu mir als einzelne Person begibt, in meine Dunkelheit hinein scheinen will. Sein Ziel ist es, dass ich in seinem Licht ihm entgegen leben kann. 

Gottes Schöpfung im Großen kann sich so in einem kleinen Menschenleben nachvollziehen. Wie die Welt nicht zur Dunkelheit bestimmt war, so der Mensch nicht zur dunklen, orientierungslosen Existenz ohne Lebensperspektive. Kein menschliches Können schafft dieses Lebenslicht, sondern die Tat Gottes, der erleuchtet und die Bildung des erleuchteten Herzens in Gang setzt.

So ist das Vorwort zu dem auszulegenden Abschnitt aus dem zweiten Brief an die Korinther die Überschrift für alles Weitere: Gott setzt in Gang, konsekutiv und final:

  1. dass wir Jesus Christus erkennen als Erlöser, der den Weg zu Gott frei macht,
  2. damit wir unserer Umwelt Licht sein können, sie mit dem Licht des Erlösers anstecken.
Gottes Licht verändert

2.Korinther 4,7-12

Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir  tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde. Denn wir, die wir leben,  werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen,  damit auch das Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleisch. So ist nun der Tod mächtig in uns, aber das Leben in euch.

Paulus redet von sich im Plural. Er trägt nicht seine Autobiographie vor, sondern schildert die christliche Existenz, wie sie sich auch in seinem Leben abbildet. Er versteht diese Darstellung als Werbung, als Angebot an die Korinther und nun auch an uns heute und hier, in das „Wir“ mit einzustimmen. Er lässt damit die Möglichkeit, Distanz zu wahren, indem das „wir“ durch ein „ihr“ ausgetauscht wird.

Das Licht wird entzündet, um das Angesicht Jesu zu sehen. Es gibt Orientierung auf dem Weg, der nur in Verbindung mit Jesus zu Gott führt.

Wie dieses Erleuchten aussieht, zeichnet Paulus nun in einem präziseren Bild. Das Licht kommt ins Herz nicht wie in einen abgeschlossenen, nahezu unzerstörbaren Tresor, der seine wertvollen Geheimnisse strengstens verwahrt und nur von wenigen geöffnet werden kann. Gottes Licht kommt in einen Tonkrug. TonkrugGott begibt sich in ein Menschenleben hinein, das charakterisiert wird als Tongefäß, das

  • nach oben offen ist, jeder und jede kann etwas daraus entnehmen,
  • billige Massenware ist, das keine besonderen Auszeichnungen mitbringt,
  • zerbrechlich ist, denn ein einziger Stoß genügt, um es unbrauchbar zu machen.
Hier schildert Paulus bestimmte Erfahrungen in den Tiefen, in Dunkelheiten des Lebens: das eigene Leben nicht im Griff zu haben, Scheitern, Schuldig-Werden, an Begrenzungen zu stoßen, die nicht überwindbar sind, Krankheiten zu erleiden. Damit einher gehen Erfahrungen der Entfremdung von Gott und die wachsende Sehnsucht nach Heil, Heilung, Versöhnung und neuer Integrität.

Wir wären gerne wie Tresore, mit einem Schatz im Herzen, äußerlich unzerstörbar, innerlich unendlich reich, und selbst bestimmend, wem und wann wir die Tresortür öffnen. Aber die Realität holt uns ein. Wir sind und bleiben zerbrechliche Gefäße wie Paulus sie mit Tonkrügen vergleicht, jederzeit bedroht, ohne besondere Auszeichnungen, die Ewigkeit bedeuten, und meistens schon angeschlagen durch schmerzliche Einwirkungen aller Art.

In dieses ungeschützte Leben hinein kommt Gottes Licht. Es macht dreierlei deutlich:

  1. Es kommt nicht auf mein Leben an, auf meine Schale und wie ich mich nach außen hin unzerstörbar gebe, sondern auf das Licht, das in mir leuchtet. Gottes Kraft ist nicht gleichzusetzen mit meiner Energie. Gottes Antrieb ist nicht zu verwechseln mit meinem Ehrgeiz. Gottes Thema für mein Leben ist nicht deckungsgleich mit meinen Themen.
  2. Je mehr von meinem Tonkrug abbröckelt, je mehr Sauerstoff bekommt das Licht, die Flamme wird größer und scheint heller. Ich muss nicht in meine eigene Stärke investieren, denn sie dämpft das Licht, sie hindert Gottes Geist, durch mich in die Umgebung zu strahlen. Ich kann mich den Aufgaben zuwenden, die nicht meiner Existenzsicherung dienen, sondern durch das Licht in meiner Umgebung erhellt werden. Ich kann mich diesen Aufgaben widmen, ohne ständig Rücksicht auf mich selbst nehmen zu müssen. Gottes Gegenwart in meinem Leben wird glaubwürdiger, je mehr ich ihn mein Leben bestimmen lasse.
  3. Nach der Übersetzung der Gute-Nachricht-Bibel heißt es interpretierend in Vers 7: „Es soll deutlich sichtbar sein, dass das Übermaß an Kraft von Gott kommt und nicht aus mir selbst.“ Es geht offensichtlich um die Werbung für Christus, um die Erleuchtung des Herzens, damit andere auf dieses Licht aufmerksam werden. Das Licht ist nicht für das eigene Tresörchen entzündet, um es dort zu hüten, sondern um es in die Welt scheinen zu lassen. So ist für die eigene Person Transparenz zur Weitergabe des Lichts nötig. Eigene Bruchstellen sind nicht länger persönliche Katastrophen, sondern Chancen für das Licht sich auszubreiten.
Bruchstellen im Leben
Paulus entfaltet einen Leidenskatalog von Bruchstellen, durch die Gottes Licht scheinen kann: bedrängt, aber nicht erdrückt, verfolgt, aber Gott lässt nicht im Stich, niedergeworfen, aber ich komme wieder auf. Leiden wird ganz eng mit der Person verbunden. Das griechische Wort „peripherein“ steht für das Tragen von Wundmalen am Körper oder das Austragen eines Kindes im Mutterleib. Das Sterben Jesu vollzieht sich am eigenen Körper, ist nicht ein einmaliges Geschehen wie die Taufe nach Römer 6, sondern ist allmähliches Absterben des Alten, dass Neues werden kann. Und es ist Leiden „um Jesu willen“. Das Leiden hört auf, wenn die Verbindung zu Jesus gekappt wird. Leiden, wie es hier beschrieben ist, hat eine weitere Dimension als normale persönliche Leiderfahrung. Es ist nicht durch das Risiko „Leben“ allgemein hervorgerufen, sondern geschieht in der aktiven Jesusnachfolge.

Wie können wir uns selbst in diese Aussage einbringen? 2008 in Deutschland jenseits von Christenverfolgung und Ausgrenzung aufgrund des Glaubens an Jesus Christus? Wir können uns vielleicht behutsam annähern. Statt gleich vollmundig vom Leiden um Jesu willen zu sprechen, ist es vielleicht ehrlicher, vom Leben mit Jesus zu reden. Auch die Jünger, die mit Jesus zogen, lebten erstmal ein paar Jahre mit Jesus, bevor sie mit dem Leiden konfrontiert wurden. Das Leben war wichtige Vorbereitung und Bildungsreise für das Leiden. Sollte es uns da anders gehen? Auch das simple Leben mit Jesus führt zu Bruchstellen: Die Liebe zu Jesus kollidiert mit anderen Interessen. Die Liebe zum Nächsten widerspricht den eigenen Egoismen. Mit Jesus zu leben führt zu Prioritätendiskussionen, was wirklich zählt und wichtig ist im Alltag, führt zu Anfragen an Berufs- und Partnerwahl. Die Liebe zu Jesus ruft zur Verbindlichkeit und deckt pures Eventhopping auf.

Diese alltäglichen, durch die Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus hervorgerufenen Bruchstellen lassen Licht in die Öffentlichkeit durchscheinen. Sie sind Zeugnis und Auftrag, wie ihn Jesus nach Matthäus 5,13-16 und 28,18-20 formuliert: „Ihr seid Salz der Erde, ihr seid Licht der Welt, gehet hin!“ Die Bruchstellen führen nicht zum Zerbrechen, sondern zum Leben. So zeigen die Bruchstellen des Paulus, wie durch sie Gottes Licht in die Heidenwelt hineinleuchten konnte, und neue Gemeinden entstanden. Durch das Selbstzeugnis des Apostels wuchsen die Gemeinden. Sie lernten, Jesus zu vertrauen, der nicht zerbrechen lässt. Sie machten die Erfahrung von innerer Kraft, die am Leben erhält. Sie erkannten Sinn und Ziel ihres Daseins, in Jesus hinein gebildet zu werden.

Paulus öffnet den Blick für eine neue Interpretation des Leidens und Lebens für Jesus: Leiden wird nicht als Prüfung verstanden, die nur bestehen kann, wer bis zum Schluss das Leiden geduldig erträgt, wie die Apokalyptiker Leiden deuteten. Paulus deutet Leiden hier als Zeugnis für die Welt: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig (2.Korinther 12,9).

Jesus Christus - das Licht der Welt

Im ganzen Abschnitt wird viermal Jesus zitiert ohne den sonst von Paulus hinzugesetzten Titel Christus. Paulus bringt die engste Vertrautheit mit Jesus zum Ausdruck, den er besonders im Leiden kennen gelernt hat. Er ist Jesus sehr nahe gekommen. Das Leben und Leiden mit ihm und für ihn hat ihn mit Jesus zusammengeschweißt. In der engsten Beziehung des Gebets als Keimzelle der Gotteserfahrung offenbarte sich ihm Jesus als Freund, als Retter, als Heiland, als Fürsprecher.

Das Bild der Tongefäße, durch deren Bruchstellen Licht dringt, ermutigt zu einem zeugnishaften, durchscheinenden Lebensstil, an dem sichtbar wird, wie die Beziehung zu Jesus Christus das Leben beeinflusst, Entscheidungen berührt, Wege markiert. Es ermutigt zu einem persönlichen Gebetsleben, das sich möglichst eng an Jesus bindet und im alltäglichen Leben diese Beziehung pflegt, um im Ernstfall des Leidens um Jesu willen Vertrauen zu ihm zu haben. Es ermutigt, auch in den Krisenzeiten das Lob Gottes nicht verstummen zu lassen, weil gerade da seine Kraft für andere viel sichtbarer wird, wo wir selbst nicht mehr können.

Leben mit Jesus bedeutet ständige Veränderung. Wir können den Alltag als Einübung verstehen, wir werden stark gemacht, auch im Leiden nicht von Jesus zu lassen, auf ihn zu hören, ihm zu gehorchen und ihm zu folgen. Denn es geht nicht zuerst um uns, sondern darum, dass Gott die Finsternis dieser Welt durchdringt und erleuchtet – durch Jesus, das Licht der Welt.

Cornelia Trick


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