Lebensfreude
Erntedankgottesdienst am 03.10.2010

Liebe Gemeinde,
mit allen Sinnen können wir heute Gottes Gegenwart feiern. Augen, Ohren, Nase, Mund und Hände sind eingeladen, Gottes Güte zu spüren, Gott neu zu vertrauen und neue Freude wachsen zu lassen.

Durch die Bibellese, Bibelgespräch und Hauskreis bin ich in den letzten Tagen inspiriert worden, den Weisheitslehrer Prediger zu interviewen, was er zu Erntedank zu sagen hat. Dabei bin ich auf das Thema Lebensfreude gestoßen, das eng mit Erntedank verknüpft ist. Den Menschen, die Gott gefallen, gibt er Freude, und Inhalt des Erntedankfestes ist die Freude über Gott und seine Geschenke.

Vielleicht ist in der öffentlichen Wahrnehmung Gott gar nicht für Freude zuständig. Man erwartet eher Buße, Strafe, mühseliges Leben und traurige Gottesdienste. Aber Erntedank spricht eine andere Sprache. Es ist ein Fest, das Gott uns schenkt, um uns zur Freude über seine Schöpfung und seine Fürsorge herauszulocken.

Prediger 2,24-26

Es gibt für den Menschen nichts Besseres als essen und trinken und genießen, was er sich erarbeitet hat. Doch dieses Glück hängt nicht von ihm selbst ab: Es ist ein Geschenk Gottes. Denn wer hat zu essen oder hat Grund zur Freude ohne ihn? Den Menschen, die Gott liebt, schenkt er Weisheit, Wissen und Freude. Die Sünder aber lässt er sammeln und anhäufen, um es denen zu geben, die er liebt. Die ganze Mühe war dann sinnlos und Jagd nach Wind. 

Der Prediger gehörte zum Volk Israel, das sich durch besonders viele Feste auszeichnete. Acht Tage dauerten die Festlichkeiten des Erntefestes an, Jubel um Jubel, Freude um Freude, acht Tage lang. In den schweren Zeiten erinnerte man sich an diese Höhepunkte des Lebens. Der Beter von Psalm 42 rief das Bild der jubelnden Schar auf dem Weg zum Heiligtum in sich wach und fand Trost darin, dass diese Feste in Zukunft wieder sein würden. Die Propheten kritisierten die Festpraxis des Volkes zwar hart, aber nicht ihren Sinn, den Ursprung, an den die Feste erinnern sollten – Gottes Zuwendung und seine Treue dem Volk gegenüber. Sie deckten den Missbrauch auf, äußerliche Rituale und innerlicher Egoismus straften den Anlass Lügen. 

Seit Jesus ist die Rede von der vollkommenen Freude. Die Evangelien sind nicht nur Gute Nachrichten, sondern Freudenbotschaften. Der Prediger kannte den Grund zur vollkommenen Freude noch nicht. Für ihn war klar, dass dem Sünder das genommen wurde, was er sich erarbeitet hatte. Gott würde es dem geben, der ihm gefiel. Vollkommen ist die Freude durch Jesus. Sogar der Sünder, die Sünderin darf sich freuen, Jesus vergibt, schenkt Neuanfang, der verlorene Sohn wird wieder ins Haus aufgenommen. Gott gab seinen Sohn dahin, dass Sünder sich freuen dürfen – ja, gerade die!

Auf Gottes Angebot zur Freude reagieren Menschen jedoch sonderbar. Sie schätzen die Freude des Paradieses nicht, die sie geschenkt bekamen, sondern suchen die verbotene Frucht, um sich die vollkommene Freude zu nehmen. Ist denn gestohlene Freude doppelte Freude?

Das 2. Kapitel der Predigerschrift, wovon unsere Sätze den Schluss bilden, ist ein sehr persönliches Bekenntnis, vielleicht kann es auch unseres werden. Der Prediger beichtet Gott, dass er die Freude sich selbst viel lieber nimmt, als sie sich von Gott schenken zu lassen. 

Die Überschrift über sein Bekenntnis lautet:
Ich wollte am vollen Leben teilhaben wie die Menschen, die sich nicht um Weisheit und Einsicht kümmern.“

1. Versuch: Vergnügungsindustrie

Der Prediger wollte Lebensfreude durch Genuss mit allen fünf Sinnen finden. Er zählte auf: Große Dinge hat er getan, alles schaffte er an, was seine Augen wollten. Mit den Händen erbaute er Paläste, Parkanlagen und prachtvolle Gärten. Eine große Dienerschaft ließ er für sich arbeiten und auch an Frauen fehlte es nicht. Sein selbst gemachtes Paradies kleidete er in Gold und Silber, es gab keine Steigerung mehr für seinen Genuss. Wie Gott am Ende des 6. Tages sagte: „Ich sah an alles, was ich gemacht hatte, und siehe es war sehr gut“, so musste der Prediger allerdings zu einer anderen Einsicht kommen: „und siehe, es war alles Haschen und Jagen nach Wind.“

Bei aller Mühe ist doch nichts herausgekommen. Der Aufwand war keine Garantie für die Freude. Auch volle Scheunen voller Getreide und Obst sind keine Garantie für Lebensfreude. Der eine Apfel, der einem auf einer beschwerlichen Wanderung geschenkt wird, kann wesentlich mehr Freude hervorrufen als Zentner davon im Keller, die nur ächzen und stöhnen lassen. Der Prediger wusste, wovon der sprach. Er hatte es am eigenen Leib erfahren, Lebensfreude ist nicht gleich Ansammlung von Gütern dieser Welt.

2. Versuch: Intellektueller Höhenflug

Die Suche nach Lebensfreude verfeinerte der Prediger. Er versuchte mit dem Verstand zur Freude zu finden. Er studierte, lernte, wusste bald mehr als andere. Das befriedigte ihn, aber war das Lebensfreude? Ihm fiel buchstäblich eine Fliege in sein Festessen. Er wurde sich bewusst, dass mit seinem Ableben auch alles Wissen und Können beendet war. Seine Erkenntnis war dann für immer verloren.

Pierre Curie, der mit seiner Frau Nobelpreisträger war und Bahnbrechendes in der Physik erforschte, wurde im Alter von 47 Jahren von einer Droschke angefahren und erlitt einen Schädelbruch. Er wurde noch zu einem Hauseingang geschleift, wo er 1906 seinen Verletzungen erlag. Das Genie Curie starb, die Welt drehte sich weiter, auch ohne ihn. Sein Wissen, das in seinem Kopf gespeichert war, ist für immer verloren. Der Prediger zog sein Resümee: Er hasst das Leben, alles ist umsonst, sogar die verfeinerte Suche nach Lebensfreude.

3. Versuch: Schätze Sammeln

Noch einen dritten Versuch unternimmt der Prediger, er erwägt, Reichtümer und Schätze zu sammeln und sich durch sie unsterblich zu machen. Doch seine Freude wird wieder durch eine Fliege im Brei getrübt. Wie ein Blitzlicht sieht er die Zukunft aufleuchten: Lachende Erben, die seine Schätze verjubeln und sein Geld verprassen.

Sein Fazit am Ende des 3. Versuchs: Was hat der Mensch am Ende von aller Anstrengung? Sorgen und schlaflose Nächte. Deshalb ist alles sinnlos. Es soll Leute gegeben haben, die sich mit diesem Lebensfazit entweder die Pistole an die Stirn gesetzt haben oder der Welt den Rücken gekehrt haben und ins Kloster eintraten. ÄpfelSo ging der Kirchenvater Hieronymus nach der Lektüre des Predigers ins Kloster und wandte der Welt endgültig den Rücken zu. 

Der Prediger geht einen anderen Weg. Er ermutigt zur schlichten Hinwendung zum gewöhnlichen Leben. Er klingt am Ende seiner Lebensbeichte lange nicht mehr so vollmundig wie am Anfang. Nicht mehr „Wohlan, wir schaffen´s schon!“, sondern tastend ermutigt er, Lebensfreude im Alltag, mitten in der Arbeit zu finden und sie als Gottes Geschenk auszupacken. Man kann nicht essen, nicht trinken, nichts erarbeiten ohne Gott, so seine Einsicht. Gott ist die Nummer 1 im Leben. Der vorfindliche Alltag ist Geschenk, darin innezuhalten bewirkt Lebensfreude.

Am Erntedanktag halten wir inne, falten die Hände dankbar für alles, was wir bekommen haben. An diesem 3. Oktober schauen wir besonders dankbar auf 20 Jahre geeintes Deutschland zurück, das wir uns genauso wenig erarbeitet haben wie unsere Äpfel auf dem Abendmahlstisch. Wir können in diesen Geschenken Gottes Handschrift erkennen: „Ich habe dich lieb, ich bin mit dir, ich sorge für dich“. Er zeigt uns, dass seine Liebe auch den Sündern gilt, ja, gerade ihnen. Wir dürfen empfangen, obwohl wir nicht jeden Apfelbaum gesetzt haben, das Getreide nicht selbst ausgesät haben und in vielerlei Hinsicht auf Gottes Güte angewiesen waren. Lebensfreude erwächst aus Dankbarkeit und Vertrauen, dass Gott weiter für uns sorgen wird. 

Und unser Glaube an Jesus Christus führt uns noch einen Schritt weiter. Wir leben in dem Bewusstsein, dass uns auch der Tod nicht von Gottes Liebe trennen kann, Gottes Zusage bestehen bleibt. Das Vertrauen zu Jesus ist Grundlage einer Lebensfreude, die empfängt und nicht nehmen oder stehlen muss. 

Was habe ich geschenkt bekommen in diesem Jahr, wofür ich von Herzen dankbar sein kann? Die Antwort auf diese Frage öffnet den Blick zur Freude hier und heute, an dem was ist, nicht an dem, was ich noch schaffen muss oder andere noch tun müssen. Geschenkt ist das Leben, das ist Grund zur Freude.

Psalm 1,1-3

Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, sondern hat Lust am HERRN und sinnt über seinem Wort Tag und Nacht! Der ist  wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl. (nach Psalm 1)
Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_lebensfreude.htm