Gottesdienst am 13.09.2009
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
was halten Sie von folgender
Statistik: von 100 Personen, die etwas mit dem christlichen Glauben in
ihrer Kindheit oder Jugend erlebt hatten, haben 90 Personen heute keinen
aktiven Bezug mehr zum christlichen Glauben, während 10 Personen ihren
Glauben engagiert leben, in einer Kirchengemeinde, einer sozialen Aufgabe
und in einem persönlichen Leben mit Gott.
So ähnlich war das
Verhältnis, als wir vor einigen Jahren den inzwischen erwachsen gewordenen
Jugendkreis von damals einluden zu einem Wiedersehensfest. Beeindruckend,
was die Einzelnen von ihren Erfahrungen in der Zeit des Jugendkreises berichteten.
Und diese Erlebnisse waren nicht etwa vergessen und verschüttet, sondern
die Leute trugen sie mit sich wie in einem kleinen Schatzkästchen.
Doch heute ist bei vielen der Glaube aus dem Blick geraten. Sie haben andere
Themen, die sie beschäftigen. Gefragt, ob sie sich einer Gemeinde
angeschlossen hätten, verneinten die meisten. Diese Episode ihres
Lebens war im Schatzkästchen gut aufgehoben.
Von einer solchen Statistik
berichtet die Bibel:
Lukas 17,11-19
Auf dem Weg nach Jerusalem
zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als
er in ein Dorf ging, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben
in gehörigem Abstand stehen und riefen laut: »Jesus! Herr! Hab
Erbarmen mit uns!« Jesus sah sie und befahl ihnen: »Geht zu
den Priestern und lasst euch eure Heilung bestätigen!« Und als
sie unterwegs waren, wurden sie tatsächlich gesund.
Einer aus der Gruppe kam
zurück, als er es merkte. Laut pries er Gott, warf sich vor Jesus
nieder, das Gesicht zur Erde, und dankte ihm. Und das war ein Samariter.
Jesus sagte: »Sind nicht alle zehn gesund geworden? Wo sind dann
die anderen neun? Ist keiner zurückgekommen, um Gott die Ehre zu erweisen,
nur dieser Fremde hier?« Dann sagte er zu dem Mann: »Steh auf
und geh nach Hause, dein Vertrauen hat dich gerettet.«
Die Jesus-Begegnung ist
einmalig. Die Lepra-Kranken sind damals geheilt worden, das ist nicht wiederholbar.
Doch wählte der Evangelist Lukas diese Geschichte ganz bewusst aus,
um seinem Freund Theophil, für den er in erster Linie das Evangelium
schrieb, etwas von Gott und Jesus weiterzugeben, was auch für Theophil
wichtig sein konnte. So hören wir heute auf die Begegnung aus alter
Zeit und lassen sie zu einer Begegnung mit Jesus heute werden, obwohl wir
nicht im Grenzgebiet zwischen Galiläa und Samarien leben und hoffentlich
nicht an Lepra erkrankt sind.
Eigentlich werden uns hier
zwei Begegnungen erzählt mit jeweils anderem Schwerpunkt.
Die Heilung
Jesus war mit seinen Jüngern
unterwegs nach Jerusalem. Auf dem Weg kam er auch durch Samarien, wo Menschen
lebten, die einen anderen Zugang zu Gott hatten als die Juden. Sie waren
für Juden Fremde. Spannend, dass Jesus diesen Fremden genauso begegnete
wie seinen eigenen Leuten. Er brach Grenzen auf, indem er sich auf Grenzwege
einließ.
Auf diesen Grenzwegen riefen
ihn aus der nach dem Seuchengesetz angeordneten Distanz 10 Lepra-Kranke
um Hilfe an. Mit nur wenigen Worten gibt Lukas zu verstehen, dass die Kranken
die Kraft Jesu spürten. Sie riefen ihn an als göttlicher Helfer
mit Worten aus den Psalmen, so etwa in Psalm 41,5: „Herr,
hab Erbarmen mit mir und mach mich gesund.“
Jesus, so heißt es, sah sie und ihre Not. Man sollte erwarten, er
hätte ihr Schreien gehört, aber er sah sie mit den Augen Gottes,
erkannte ihre Situation und erhörte ihre Bitte. Die Kranken befolgten
Jesu Auftrag und machten sich auf den Weg – ohne Zögern, ohne Rückfrage
und ohne bis zu diesem Zeitpunkt geheilt zu sein. Die Heilung selbst wird
kaum erwähnt. Sie passierte irgendwo auf dem Weg. Sie war nicht das
Entscheidende dieser Begegnung. Schlüsselszene war stattdessen, dass
die Männer sich nur auf das Wort Jesu hin auf den Weg machten und
Jesus vertrauten.
Zwei Lektionen gibt es
hier zu lernen:
-
Meine Not kann ich Jesus laut
entgegen schreien. Er will mich hören und wird mich sehen. Es ist
der erste Vertrauensbeweis. Wie oft erzähle ich meine Not anderen,
tausche mich über Lösungsmöglichkeiten aus, suche im Internet
und liege nachts vor Sorgen wach. Dabei geht es so einfach. Ich kann Jesus
meine Not anvertrauen, leise und laut, aber direkt. Und er wird mich sehen.
-
Wenn Jesus zu mir spricht,
sollte ich ihm vertrauen und losgehen, auch wenn das Problem noch gar nicht
gelöst ist. Ich denke an einen Streit, bei dem ich mich fürchterlich
verletzt und falsch verstanden fühlte. Ich hatte Jesus bedrängt,
mir zu meinem Recht zu helfen, dem anderen zu zeigen, wie verkehrt er war.
Doch Jesus zeigte mir, dass ich losgehen sollte auf den anderen zu. Es
war ein wichtiger Weg. Unsere Beziehung heilte, ohne dass abgerechnet werden
musste. Noch heute haben wir ganz unterschiedliche Sichten auf die Zeit
damals. Das Wunder geschah unterwegs, im Vertrauen, dass Jesus wirken wollte.
Am Ende wurden 10 Leprakranke
geheilt, das Wunder geschah allein auf Jesu Wort hin. Doch bleibt eine
Frage offen. Warum heilte Jesus sie? Wofür wurden sie gesund? Einfach,
um ein ganz normales Leben zu führen und später vielleicht eine
andere Krankheit zu bekommen? Dieser Frage geht der zweite Teil der Jesus-Begegnung
nach.
Der Eine und die neun
Die neun wurden geheilt und
konnten ihren Alltag wieder aufnehmen. Was hatte die Heilung verändert?
War sie ein Schatz, der nun ins Schatzkästchen kam, aber den Alltag
nicht wesentlich veränderte?
Der Eine kehrte zu Jesus
zurück. Er lobte Gott, er gab Gott die Ehre, er dankte Jesus und warf
sich ihm zu Füßen. Er hatte die persönliche Beziehung zum
Retter gespürt und ist zu ihm zurückgekehrt. Dieser Eine gibt
die Antwort auf die Frage nach dem Wozu der Heilung. Alle 10 sind geheilt
worden, um mit ihrem Leben Gott die Ehre zu geben. Aber nur 10% haben es
erkannt.
Als dritte Lektion gibt
uns diese Jesus-Begegnung zu verstehen:
-
Wenn ich Jesus erfahren haben,
hat das Konsequenzen. Ich gehöre nun ihm und gebe Gott mit meinem
Leben die Ehre.
Auch die neun wurden gesund,
aber ihre Heilung brachte sie nicht zu Jesus, nicht zum wahren Leben, nicht
in Beziehung zu dem himmlischen Vater, der sie als seine Kinder aufgesucht
hatte.
Zu Gottes Ehre leben
Der Eine lässt uns darüber
nachdenken, was es bedeutet, zu Gottes Ehre zu leben.
Dazu gleich ein paar grundsätzliche
Aussagen:
-
Es geht nicht darum, dass
ich möglichst viel vom Leben habe, sondern dass Gott durch mein Leben
groß wird.
-
Es geht nicht darum, dass
ich möglichst viele Hamburger im Schnellrestaurant in mich hineinstopfe,
sondern dass ich den Tisch decke, um viele zu einem Essen mit Jesus einzuladen.
-
Es geht nicht darum, Lobpreis
und Anbetung zu praktizieren, dass ich mich gut fühle, sondern dass
Gott sich freut und ich einstimme in den himmlischen Lobgesang zur Ehre
Gottes (Offenbarung 4,11).
Anschauliches Beispiel dieser
Lebenshaltung ist die St.Colman´s Cathedral, die ich in Cobh, Irland,
besuchte. Sie überragt den kleinen Hafenort weit und beherbergt ein
mächtiges Glockenspiel mit 47 Glocken. Gefragt,
wann diese monumentale Kirche im neugotischen Stil entworfen wurde, bekam
ich zur Antwort, dass an ihr knapp 50 Jahre gebaut und sie 1915 fertig
gestellt wurde. Lassen wir uns das Datum mal durch den Kopf gehen. In einer
Zeit, in der die Welt im Krieg brannte, in Irland Menschen an Hunger gestorben
sind und große Teile der Bevölkerung das Land verließen,
bauten Gläubige an einer Kirche. Sie sorgten sich darum, dass Gott
in ihrem Ort die Ehre erwiesen wurde, dass er Mittelpunkt in all der Not
war. Und bis heute ragt diese Kirche wie ein Fingerzeig in den Himmel.
Gott die Ehre zu erweisen
weist uns ein in die Gemeinschaft der Glaubenden. Jesus berief die Gemeinde,
dass sie Gott in dieser Welt groß macht. Er hat Gemeinden nicht gegründet,
um uns die Langeweile zu vertreiben oder uns Lektionen in Sachen Gemeinschaftssinn
zu erteilen, sondern weil er wusste, dass wir allein nicht durchhalten,
unser Leben auf Gott zu konzentrieren. Es würde uns gehen, wie einem
einzelnen Grashalm, er würde im Nu zertreten, vertrocknen oder weggeschwemmt.
Er könnte nie eine einladende und widerstandsfähige Wiese werden.
Deshalb ist auch die Gemeinde der erste Ort, wo wir zu Gottes Ehre zusammenkommen.
Das beinhaltet zwei Themen, Gott zuzuhören und das Gehörte in
die Tat umzusetzen.
Wir können Gott nicht
Ehre erweisen, wenn wir nicht wissen, was er uns zu sagen hat. Tatsächlich
bringen wir viel Zeit in der Gemeinde damit zu, über Gott zu reden
und nachzudenken, was er vielleicht zu diesem oder jenem sagen könnte.
Vom Posaunenchor kenne ich dieses Phänomen sehr gut. Wir üben
ein Stück, es hört sich ein bisschen jämmerlich an. Nach
dem letzten Ton bricht ein großes Gespräch aus. Der eine findet
das Stück unmelodisch, der zweite meint, dass es zu schwer ist, die
dritte bekennt sich zu ihren Vorzeichenfehlern, die vierte mahnt das Tempo
an, und der fünfte antwortet dem ersten und gibt seine Meinung dazu
kund. Der Chorleiter muss all seine Autorität durchsetzen, um die
Spielenden zu beruhigen, die Fehler aufzuzeigen und Mut zum Weiterspielen
zu machen. Sind wir Gott gegenüber nicht oft wie ein Posaunenchor?
Oder sogar noch schlimmer, weil wir grundsätzlich lieber auf uns selbst
als auf Gott hören und gar nicht merken, dass es um Gottes „Musikstück“
geht? Gott die Ehre zu geben bedeutet aber, still zu sein und ihn reden
zu lassen. Dann erst hören wir: „Steh
auf und geh“ („nach
Hause“ ist ein Zusatz, den die Gute-Nachricht-Bibel anfügt). Dann
erst erfahren wir, wo unser von Gott gemeinter Auftrag uns hinführt.
Auf Gott zu hören
hat praktische Folgen. Der Eine wurde wohl als Missionar in seine heimatliche
Umgebung zurück geschickt. Wir schließen es aus der Tatsache,
dass Lukas diese Erzählung von der Jesus-Begegnung vorgefunden
hatte. Wer hätte sie weitererzählen können, wenn der Geheilte
geschwiegen hätte?
Die Folgen von Gottes Gegenwart
sind vielfältig. Sie umfassen das ganze Leben, so wie es Paulus in
Römer 12,1 ausdrückt: „Brüder
und Schwestern, weil Gott soviel Erbarmen mit euch gehabt hat, bitte und
ermahne ich euch: Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung! Bringt
euch Gott als lebendiges Opfer dar, ein Opfer völliger Hingabe, an
dem er Freude hat. Das ist für euch der »vernunftgemäße«
Gottesdienst.“
Was es im Einzelnen bedeutet,
möchte ich anhand der folgenden Stichworte aufzeigen. Gott geben wir
die Ehre durch:
-
Lob und Dank: Loben und Danken
erschöpfen sich nicht in Dankgebeten oder Lobpreisliedern. Sie bringen
eine umfassende Lebenshaltung zum Ausdruck. In der Gemeinde äußern
sie sich neben der Musik in vielfältigen Formen der Kreativität,
im Dekorieren, im Tanzen, auch in der Gartenpflege und der einladenden
Gestaltung von Gemeindeveranstaltungen. Diese scheinbar äußeren
Elemente sind Hinweise, ob eine Gemeinde Gott zur Ehre zusammenkommt, ihm
das Beste zur Verfügung stellt, ihm mit offenen Herzen begegnet.
-
Demut: Wer Gott groß
sein lässt, will nicht selbst der größte sein, sondern
ordnet sich Gott unter. Das wird greifbar, wenn auch das Zusammenleben
in der Gemeinde von diesem Wissen geprägt ist. Wer scheinbar im Rampenlicht
steht, bückt sich auch, um Papiere vom Parkplatz aufzulesen. Und wer
in der Küche abwäscht, leistet den gleichen Beitrag zu Gottes
Ehre wie der, der ein fehlerfreies Vorspiel auf einem Instrument hinlegt.
Wer viel redet, hat nicht mehr zu sagen, als die Stille. Im Gegenteil,
er hat sich prüfen zu lassen, ob er bei allem Reden noch ein auf Gott
Hörender ist.
-
Umkehr: Gott die Ehre zu geben,
bedeutet, Fehler zuzugeben, sie zu bereuen, sie sich vergeben zu lassen
und bereit zu einem Neuanfang zu sein. Wie oft ehren wir Gott nicht, weil
wir an unseren Fehlern festhalten. Wie würden wir Gott ehren, wenn
wir bereuen, uns mit Kontrahenten versöhnen und den neuen Kurs einschlagen.
-
Gebet: Hand aufs Herz. Wie
viele Gebetsanliegen betrafen in der letzten Woche unsere eigenen privaten
Themen und wie viele betrafen die Gemeinde und das Reich Gottes? Gott die
Ehre zu geben, heißt, uns auf seine Mission einzulassen, in seinen
Spuren zu gehen. Und seine Spuren führen nicht im Kreis um unsere
Probleme, sondern weiter, um andere Menschen mit seiner Liebe zu erreichen.
Wenn wir zusammen kommen zum Beten, dann können wir Gottes Auftrag
in den Blick nehmen und darum beten, dass er uns zeigt, wie wir herauskommen
aus dem Drehen um die eigenen Probleme.
-
Dienst: unsere Kindergruppen,
Hauskreise und anderen Gruppen nennen sich offiziell „Dienstgruppen“. Das
hat einen tief liegenden Sinn. Wir kommen nicht zusammen, um uns zu bespaßen
und gemeinsam zu chillen, sondern in erster Linie im Dienst Jesu. Wir haben
mit unseren Kreisen einen Auftrag. Wir wollen das Evangelium verkünden,
Menschen zu Jesus einladen, ihren Glauben vertiefen. Wir sind nicht für
uns selbst, sondern für Gott da. Wir sind Zeugnis dafür, dass
Gott groß ist. So wird klar, es geht morgen nicht darum, ob ich Lust
auf Posaunenchor habe oder nicht, sondern darum, ob ich bereit bin, mich
mit dem Posaunenchor an Gottes Mission zu beteiligen. Und das manchmal
auch mit Unlustgefühlen.
Natürlich ist diese Liste
nicht erschöpfend. Weitere Stichpunkte lassen sich anfügen. Aber
ein Anfang ist gemacht. Gott die Ehre zu geben ist ein großes Wort,
ein Lebensthema ist es erst in der praktischen Umsetzung. Wie die konkret
bei mir aussieht, sollte ich mir immer wieder ehrlich vor Augen führen.
Vielleicht ist Stille nötig, vielleicht Umkehr, Demut oder mehr Dienstbewusstsein.
Der Eine ist zu Jesus umgekehrt.
Gemeinde ist Umkehrende. Wir sind gemeint als die, die zu Jesus kommen,
ihm die Ehre geben durch unser Stillsein und Hören, durch unser Aufbrechen
und Tun. Alles dient dazu, dass Menschen Jesus kennen lernen und in den
Chor der Kinder Gottes einstimmen: "Würdig
bist du, unser Herr und Gott, dass alle dich preisen und ehren und deine
Macht anerkennen. Denn du hast die ganze Welt geschaffen; weil du es gewollt
hast, ist sie entstanden." (Offenbarung
4,11)
Cornelia
Trick
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