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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Diese Erinnerung kam mir, als ich mich mit einer Jesus-Begegnung aus aktuellem Anlass beschäftigte. In den letzten Wochen standen wir oft miteinander an Gräbern auf den Friedhöfen. Wir haben Abschied genommen und spüren die Lücken, die die Verstorbenen hinterlassen haben, so stark. Welchen Trost gibt uns Jesus, unser Glaube? Was würde Jesus sagen und tun, wenn er unter uns leben würde wie damals vor 2000 Jahren? Der Evangelist Lukas berichtet, wie Jesus mit seinen Jüngern und vielen anderen Bewunderern im Norden Israels unterwegs ist. Gerade heilte er in Kapernaum einen Jungen, nachdem sein Vater, ein römischer Beamter, Jesus angefleht hatte, ihm zu helfen. Jesus staunte über das Vertrauen dieses Mannes aus einem ganz anderen Kulturkreis. Nun liegen 10 Stunden Fußmarsch zwischen Kapernaum und dem nächsten Ort Nain. Lukas 7,11-16
Die Geschichte
Letzte Woche fand in unserer Kirche ein Trauergottesdienst statt. Anschließend trug der Verantwortliche von der Pietät die Urne zum Friedhof, wir als Gemeinde folgten. Auf der Straße vor der Kirche, die wir überqueren mussten, hielten die Autos wie von Geisterhand gestoppt und warteten respektvoll, bis die Trauergemeinde die Straße überquert hatte. Die Autofahrer drückten damit ihr Mitgefühl den Trauernden gegenüber aus, wurden vielleicht auch an ihre eigene Trauer erinnert und waren dankbar, noch am Leben zu sein. In Nain war es andersherum. Da wartete nicht Jesus mit der Menge, bis der Trauerzug an ihnen vorbei war, sondern Jesus stellte sich ihnen in den Weg und stoppte sie. Mit kurzen Pinselstrichen zeichnet Lukas hier die Überraschung. Jesus sieht die Witwe, die nach ihrem Mann nun noch ihren einzigen Sohn verloren hat. Mit ihm ist das letzte Stückchen Hoffnung auf die Zukunft gestorben. In der damaligen Gesellschaft bedeutete das Alleinsein für die Frau Abstellgleis für immer. Jesus hat Mitgefühl, aber das erschöpft sich nicht in einem mitleidigen Wort, einem mitfühlenden Händedruck oder dem Satz, der so oft an Gräbern gesprochen wird: „Wenn du mich brauchst, melde dich“. Jesus wendet sich direkt der Frau zu und fordert sie zu einer Unmöglichkeit auf: „Weine nicht!“ Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen kann: Dass Jesus den Trauerzug aufgehalten hat, weist weit über diesen Tag damals in Nain hinaus, nämlich auf den Ostermorgen. Genauso, wie seine Anweisung an den toten Sohn: „Steh auf!“ weit über eine Wiederbelebung hinausgeht. "Steh auf!", in dieser Aufforderung schwingt die Ewigkeit mit, die Verheißúng, dass Jesus uns aus dem Tod auferwecken wird zu einem Leben in Gottes Herrlichkeit. So sehr wir uns das an in unseren Trauertagen wünschten, dass jemand vom Totenbett aufsteht und wieder mit uns redet, als sei nichts gewesen, so wäre auch das nur ein Aufschub. Irgendwann ist der junge Mann dann doch endgültig gestorben, ewiges Leben hier auf der Erde gibt es nicht. Die Frau und ihr Sohn bleiben bei dieser Wundertat Jesu auffallend im Hintergrund. Wir lesen nichts darüber, wie sie sich in die Arme gefallen sind, oder ob der junge Mann vielleicht traurig war, wieder im Hier und Jetzt zu sein. Menschen mit Nahtoderfahrungen erzählen ja, wie sie viel lieber in dem Licht geblieben wären, das sie so warm aufgenommen hat. Aber wir hören von der Reaktion der Menge und des Trauerzugs. Da entsteht eine heilige Furcht. Himmel und Erde haben sich berührt, Gott hat seine Menschen besucht, er hat die Hand des jungen Mannes und seiner Mutter ergriffen und ihnen die Zukunft eröffnet. Wenn wir diese Geschichte lesen und hören, lernen wir: So ist Jesus.
1958 wurde ein Bild, das Jesus als Heiland der Welt zeigte, „Salvator Mundi“, zusammen mit einer Sammlung anderer Bilder für 45 Pfund in London ersteigert. Man hielt es für ein Gemälde aus dem Schülerkreis Leonardo Da Vincis. 2005 machte sich ein Restaurator daran, die verschiedenen Farbschichten, mit denen das Gemälde übermalt war, freizulegen. Was er entdeckte: Ein Orinialbild Leonardo Da Vincis, entstanden um 1500. 2017 wurde es für 450 Millionen Dollar verkauft, das teuerste versteigerte Bild jemals. Vielleicht ist es nicht nur bei Bildern vom Heiland und Retter der Welt so, sondern auch bei diesen Geschichten, die von Jesus handeln. Wir müssen ihren tieferen Sinn ergründen, die Farbschichten sorgfältig abtragen und das zum Vorschein bringen, das Jesu Botschaft für uns heute ist. Die Witwe und ihr Sohn stehen für eine Fülle von traurigen Umständen, die unser Leben begleiten können. Später wird Jesus davon reden, dass er zu den Blinden, Lahmen, Aussätzigen, Tauben, Armen gekommen ist, zu Menschen, die nicht auf der Sonnenseite leben, sondern im Schatten auf die weggeworfenen Brosamen warten. Jesus kreuzt den Weg von Leidtragenden, von Kriegsflüchtlingen, von Menschen auf Seenotrettungsschiffen. Jesus sieht Leid und leidet mit. Es ist ihm nicht egal, was wir durchmachen, er bemerkt unsere Tränen und bleibt kein unbeteiligter Beobachter. Er ist anwesend, wenn wir von Kummer, Angst und Sorge geschüttelt werden. Jesus will Leben
Das Tor zur Ewigkeit können wir nicht von uns aus überwinden. Es muss von der anderen Seite aufgeschlossen werden, von Jesus, der als der Auferstandene abholt und zu sich nimmt. Es wurde dort in Nain nur dieser eine Mann auferweckt, obwohl der Friedhof da sicher auch voller Toter war. Dieser Eine ist wie ein Umleitungsschild auf dunkler Straße. Es vergewissert, wir sind auf dem richtigen Weg, aber es kommen noch einige dunkle Wegabschnitte, bis wir das Ziel erreicht haben. Doch dieser eine Tote, der wieder leben sollte, der zeigt uns, dass Jesus vor dem Tod nicht kapituliert, sondern ihm die Stirn bietet. Er weiß den Weg zum Ziel und wird uns sicher – auch durch Umleitungen hindurch – dorthin bringen. An dieser Geschichte lernen wir Lebens-Hoffnung:
Stellen wir uns die Jesus-Begegnung vor Nain als Theaterstück vor. Wir sollen mitmachen und dürfen die Rolle übernehmen, die zu uns am besten passt. Wo wäre mein Platz? Im Trauerzug, im Jesuszug, wäre ich die Witwe? Im Trauerzug: Vielleicht begleite ich gerade einen Menschen, der durch eine leidvolle Zeit geht. Jesus hilft mir, mich nicht im Leid zu verlieren. Ich will nach Jesus Ausschau halten. Ich habe Respekt vor dem Leid und dem Verlust, aber möchte entdecken, wo Jesus neue Lebenskräfte schenkt. Im Jesuszug: Ich habe Erfahrungen mit Jesus gemacht. Aber es reicht nicht, mich in der Nähe zu Jesus, im Lobpreis und im Gebet wohlzufühlen. Ich möchte mich unterbrechen lassen vom Leid anderer. Als Gemeinde ist das unsere Aufgabe, wachsam zu sein, wo Menschen unsere Hilfe brauchen, unseren Trost und unsere Ermutigung. Wie die Lebensretter auf dem Mittelmeer, die unterwegs sind, um ertrinkende Flüchtlinge aus dem Meer fischen, ist unser Alltag auch ein Patroulieren, wo jemand in Not ist und wir uns ihm mit Jesu Hilfe in den Weg stellen können. Die Witwe: Bin ich in der Situation der Trauernden, direkt vom Leid Betroffenen, will ich mich erinnern, dass Jesus mich sieht und dass er auch mir zuspricht: „Selig sind die Weinenden, denn Gott wird alle ihre Tränen abwischen.“ Der junge Mann von damals soll mir ein Umleitungsschild in der Dunkelheit sein, dass ich noch auf dem richtigen Weg bin und alle Wege zu Gott führen in seine Herrlichkeit. Und zu gerne würde ich wissen, wie es mit der Witwe und ihrem Sohn nach diesem Einschnitt weitergegangen ist. Sind sie mit Jesus mitgegangen, haben sie in ihrem Ort von Jesus erzählt? Haben sie nach Ostern eine Gemeinde gegründet? Ich würde es mir wünschen, weil es ja hieße, dass diese Leiderfahrungen zu Jesus bringen können und dieses neu geschenkte Leben auch ein Vorgeschmack auf die Ewigkeit ist – Gemeinschaft mit Jesus für immer. Am Schluss jubeln alle,
es ist der vorweggenommene Osterjubel, dass Jesus den Tod besiegt hat.
Es ist der Jubel über Jesu Zusage:
Cornelia
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