Lauft als Titelverteidiger
Gottesdienst am 05.03.2006

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
die olympischen Spiele liegen hinter uns, manche Sportarten sind dadurch verstärkt in den Blickpunkt geraten. Biathlon, Langlauf, Eisschnelllauf, Rodeln, Bobfahren waren offensichtlich für die deutsche Mannschaft besonders erfolgreich. Die Athleten haben bei diesen Wettkämpfen ein klares Ziel vor Augen, das sie möglichst schnell und ohne Fehler erreichen müssen. Wenige Hundertstel Sekunden entscheiden über Gold oder Blech.

Für mich ist es faszinierend, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Diese jungen Menschen setzen alles dafür ein, an einem Tag in ihrem Leben auf dem olympischen Treppchen zu stehen. SkifahrerIhre Berufswahl ordnen sie meistens diesem Ziel unter. Sie werden Polizisten oder sind Berufssoldatinnen, um in diesem Beruf die besten Trainingschancen zu nutzen. Sie ordnen ihr Privatleben dem Sport unter, sie nehmen es hin, durch Verletzungen ihre Gesundheit mittelfristig aufs Spiel zu setzen. Ihre Motivation zu siegen ist so stark, dass sie den Stress bis zum Wettkampf durchstehen. Aber wir haben auch von Sportlern gehört, deren Motivation abrupt abbrach, als sie merkten, dass sie nicht siegen konnten. Manche reisten vorzeitig ab. Ein Platz im hinteren Feld war ihnen zu wenig. Auch Doping wurde bei manchen ein Thema. Sie wollten die lange Distanz zum Sieg abkürzen durch Medikamente und kamen dabei ins Straucheln. Statt schneller ans Ziel zu kommen, stürzten sie ins Bodenlose.

Paulus war kein Zuschauer der Olympischen Winterspiele in Turin. Doch in Korinth wurden die Isthmischen Spiele veranstaltet, die ebenfalls eine große öffentliche Wirkung hatten und die Menschen begeisterten. Deshalb gebrauchte Paulus das Bild vom Wettlauf, um an ihm deutlich zu machen, was es heißt, mit Jesus Christus unterwegs zu sein. Er stellte klar, das Ziel eines jeden Laufs ist es, die Ziellinie als Erster oder Erste zu erreichen. Diesem Ziel wird alles im Leben untergeordnet, das Privatleben, der Beruf, die Familie, die Freunde. Aber nicht jede und jeder hält das durch. Manche brechen den Lauf vorher ab, weil sie zu schlecht vorbereitet sind. Manche geben zu früh auf, ohne alle Kräfte zu mobilisieren. Manche stürzen schwer, sei es, dass sie über das eigene Leben stolpern, sei es, dass sie andere mit unlauteren Methoden überrunden wollen. So formuliert Paulus im 1. Korintherbrief:

1. Korinther 9,24-27

Ihr wisst doch, dass an einem Wettlauf viele teilnehmen; aber nur einer bekommt den Preis, den Siegeskranz. Darum lauft so, dass ihr den Kranz gewinnt! Alle, die an einem Wettkampf teilnehmen wollen, nehmen harte Einschränkungen auf sich. Sie tun es für einen Siegeskranz, der vergeht. Aber auf uns wartet ein Siegeskranz, der unvergänglich ist. Darum laufe ich wie einer, der das Ziel erreichen will. Darum kämpfe ich wie ein Faustkämpfer, der nicht daneben schlägt. Ich treffe mit meinen Schlägen den eigenen Körper, so dass ich ihn ganz in die Gewalt bekomme. Ich will nicht anderen predigen und selbst versagen.

Paulus setzt voraus, dass nur Titelverteidiger zum Rennen zugelassen sind. Titelverteidiger sind die, die Jesus Christus begegnet sind und Ja zu ihm gesagt haben. Mit Jesus sind sie schon Sieger, weil Jesus für sie gesiegt hat. Aber die Ziellinie liegt noch weit voraus. Das ganze restliche Leben von heute bis zu unserem Tod liegt noch zwischen uns und dem Sieg, mit Jesus in der ewigen Gemeinschaft mit Gott zu leben. Wir wissen, wir werden siegen, wenn Jesus mit uns unterwegs bleibt. Aber es gilt, die Strecke bis zur Siegeslinie noch mit ihm zurückzulegen. Dabei sind wir nicht als einzelne Individuen ins Rennen geschickt. Nur zusammen mit unserer Mannschaft können wir überhaupt ans Ziel kommen. Mit Jesus unterwegs zu sein, ist keine Fahrt im Zweierpakt oder 2-er-Bob, sondern im Gemeinde-Bob. Da sind Schwestern und Brüder mit uns unterwegs, auch von ihnen ist unser eigenes Vorankommen abhängig.

Paulus war Titelverteidiger seit der Begegnung mit Jesus vor Damaskus. Die Lektionen, die er als junger Christ während der ersten drei Jahre lernte, waren:

  • Gott liebte ihn wie Eltern ihr Kind. Gott erwartete nicht gute Zeugnisse und volle Gesetzeserfüllung, um Paulus als Kind anzuerkennen. Er wollte mit Paulus eine Lebensgemeinschaft führen und ihm helfen, Gottes Willen zu tun.
  • Paulus musste Ja zu Jesus sagen. Das ehrliche Gebet "Herr, ich will zu dir gehören und dir vertrauen" war seine Unterschrift. Nun gehörte Paulus zu Jesus und war an seine Kraft angeschlossen.
  • Mit Jesus zu leben, bedeutete für Paulus, von Jesus zu lernen und ihm ähnlicher zu werden, mit den Augen der Liebe zu sehen, das Herz für Vergebung zu öffnen, Menschen Jesus nahe bringen zu wollen.
  • Paulus entdeckte die Bedeutung der Gemeinde. Jesus rief sie zusammen und sah sie vor als die Lebensform, in der er gegenwärtig sein will hier auf Erden. Alle Verheißungen, mit seinem Geist zu wirken, beziehen sich auf die Existenz der Gemeinde und ihren Auftrag in der Welt.
Im Korintherbrief greift Paulus aktuelle Fragen der Gemeinde in Korinth auf und bezieht sie auf ein Leben mit Jesus. Wie kann die Gemeinde ihrem Auftrag, als Titelverteidiger auch den Sieg nach Hause zu bringen, gerecht werden? So führt er an, dass Menschen, die von Gottes Liebe leben, unabhängig werden von menschlichem Urteil. Doch sie werden nicht zu einer Sondergemeinschaft, der das Leben der Menschen außerhalb egal ist. Im Gegenteil. Sie wollen ja nichts lieber, als noch mehr Leute für Jesus zu gewinnen. Das gelingt nur durch persönliches Abholen. Als Titelverteidiger an den Start zu gehen und loszulaufen lässt die Menschen in den Blick nehmen, für die Jesus auch gestorben und auferstanden ist.

Paulus ermutigt auch uns heute, an den Start zu gehen und als Titelverteidiger loszulaufen. Wir sind unterwegs und müssen dem Ziel näher kommen. Jesus möchte uns darauf hinweisen, dass er begonnen hat mit uns, aber ohne weitere Aufmerksamkeit werden wir stehen bleiben.

So ist der erste Ansatzpunkt, unsere Nähe zu Jesus Christus zu stärken. Das Gebet und die Orientierung auf Jesus sind dafür nötig. Das Studium der Bibel ist Sprachtraining, um Gottes Reden zu hören und zu verstehen. Und ich möchte mich selbst dabei in die Pflicht nehmen. Die biblischen Inhalte sollen nicht an meinem Ohr vorbeirauschen wie die stündlichen Nachrichten und der Wetterbericht. Ich möchte sie mit meinem Leben verknüpfen und mich in der biblischen Botschaft wieder finden. Eine biblische Geschichte, ein Bibelvers pro Woche kann Hilfe sein, sie jeden Tag zu durchdenken und wirklich zu Herzen gehen zu lassen. 

Doch Beten und Bibellesen allein werden nicht reichen, um den Lauf erfolgreich durchzuhalten. Der volle Einsatz ist nur möglich, wenn wir unser Leben auf Gott ausrichten und uns ihm anpassen. Oft verstehen wir Veränderung aber genau anders herum. Wenn ich mir eine neue Jeans kaufe, formt sie die ersten Tage ganz klar meine Figur. Sie ist in diesem Stadium allerdings nicht sehr bequem. Nach einiger Zeit hat sich die Jeans dann meinem Körper perfekt angepasst. Sie hindert mich nicht beim Bücken, kneift nicht am Bauch, ist wie meine zweite Haut geworden. Wahrscheinlich mache ich es mit meinem Glauben sehr ähnlich. Ich vertiefe mich in die Bibel und entdecke ganz neue Seiten Gottes. Ich nehme dieses Neue begierig auf und versuche es für mein Leben umzusetzen. Das ist erst ganz schön schwierig. Ich merke, wie es klemmt und zwickt. Bis dann der Zustand einer eingetragenen Jeans erreicht ist. Der Glaube formt und verformt nicht mehr mich, sondern ich ihn. Ich mache ihn mir meistens unbewusst passend, dass er mich nicht stört, einengt, in Frage stellt oder korrigiert. Doch Jesus erwartet von mir etwas ganz anderes. Er möchte, dass ich mich ihm anpasse, ihm ähnlicher werde. Im Falle meiner Jeans würde das vielleicht bedeuten, abzunehmen, mehr Sport zu treiben, sich gesünder zu bücken. Bei Jesus hat das viel weiter reichende Folgen:
 

  • Er möchte, dass ich meine äußeren Lebensumstände an ihn anpasse, meinen Arbeitsplatz so wähle und gestalte, dass ich seinem Wirken damit nicht im Weg bin. Meinen Wohnort so wähle, dass ich in seiner Gemeinde mitarbeiten kann und meine Bekannten in diese Gemeinde mitnehmen kann. Meine Finanzen so regele, dass Gott der 10. von allem bleibt, nicht nur von meinem Taschengeld.
  • Er möchte, dass ich meine Beziehungen ihm anpasse. Wo kommt Jesus in meinen Beziehungen vor? Helfen sie mir dabei, Jesus immer besser kennen zu lernen und ihm zu vertrauen, oder ziehen mich diese Beziehungen von Jesus weg?
  • Er möchte, dass ich mein Denken ihm anpasse. Die Stammtischparolen kann ich nicht einfach nachsprechen, wenn Jesus mich verändert. Ein besonderes Augenmerk schenkt er mir für Benachteiligte, Verletzte, auch für die, die nach unserem schnellen Verurteilen selbst schuld sind, dass es ihnen schlecht geht.
  • Er möchte, dass ich Jesus nicht nur etwas hingebe, sondern mich. Dann erst kann er mich so verändern, wie er es für einen Titelverteidiger vorgesehen hat. Doch lasse ich das zu, setze ich mich Jesus so aus? Lege ich ihm alles offen hin und bete, "Herr, zeige mir, was dran ist und dann will ich den Weg auch gehen"?
  • Er möchte, dass wir uns als Gemeinde an seinem Willen ausrichten, nicht an unseren Bedürfnissen. Vielleicht ist für jemand in dieser Gemeinde gerade eine Aufgabe dran, aber er wehrt sich dagegen. Nein, bloß keine Verpflichtung eingehen. Doch genau diese Aufgabe kann so wichtig sein, dass die Gemeinde den Lauf zum Ziel gut forsetzen kann.
Der Lauf ist bedroht. Damals in Korinth und heute 
Die Gemeinde kann zum Stillstand kommen. Sie verliert ihre Zielvorstellung. Sie sieht sich nicht mehr als Titelverteidiger, die einen klaren Auftrag hat, diesen Titel zu behalten. Sie verpulvert ihre Kraft in Alltagsgeschäften und Unmut über ungleiche Lasten. Aber auch einzelne können stillstehen und lähmen damit die ganze Gemeinde. Ihre Verbindung zu Jesus wird zu einer gestrichelten Linie, sie verlieren ihre Motivation und Kraft, bis sie schließlich ganz aus der Mannschaft fallen. 

Gefahr droht, wenn die Gemeinde aus ihrer Bahn ausbricht. Sie hat vielleicht viele Aufgaben zu bewältigen, doch irgendwann sind die Aufgaben wichtiger als Jesus, die Leute rennen ihren unterschiedlichen Aufgaben nach, werden kraftlos ohne den Strom des Heiligen Geistes und haben ihr Ziel verloren. 

Auch Zusammenstöße und Verletzungen auf der Bahn sind eine große Gefahr. Jeder Konflikt in der Gemeinde, der nicht geklärt und bereinigt wird, hemmt beim Laufen. Die Vorwürfe und die Wut aufeinander lassen die Kraft vollständig erlahmen. Statt Gemeinde als einen Ort des Friedens Gottes zu erleben, wird Gemeinde zum Kampfplatz, wo Blut und Tränen fließen. 

"Lauft, dass ihr den Siegeskranz gewinnt!" Dieses Motto legt uns Paulus heute ans Herz. Es ist Aufforderung an uns persönlich, dass wir unsere Jesusbeziehung stärken durch biblische Geschichten, die Beziehung zu Christen, den Blick nach vorn, um uns an Jesus immer mehr anzupassen.

Dieses Motto sagt uns auch etwas als Gesamtgemeinde. Es ermutigt uns, Frieden zu leben, Liebe zu praktizieren, Menschen in ihren Lebenssituationen abzuholen.

Im Vertrauen auf Jesus können wir laufen, der Titel ist uns schon längst zugesprochen, doch den Lauf bestehen müssen wir.

Cornelia Trick


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