Komm, du lang ersehnter Jesus
Gottesdienst am 29.11.2009

Komm, du lang ersehnter Jesus, komm und mach uns Menschen frei von der Angst und von den Sünden, unsre Ruhe in dir sei! Du bist Israels Trost und Stärke, Hoffnung für die ganze Welt, tiefe Sehnsucht aller Völker, Freude, die das Herz erhellt.
Als ein Kind bist du geboren und bist dennoch Herr und Gott. Recht und Friede wird regieren, überwinden Hass und Tod. Leite uns in allen Dingen durch den Geist, der uns vertritt. Nimm, erlöst durch deine Liebe, uns zum Thron des Vaters mit. (Charles Wesley 1745)

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
dieses Adventslied drückt aus, was mit der Erwartung von Jesus verbunden ist. Der Dichter Charles Wesley nennt seine Sehnsucht: frei zu werden von Angst und Sünden, zur Ruhe zu kommen, getröstet, gestärkt zu werden und Hoffnung zu haben, das Regieren von Recht und Friede, der Hass und Tod überwindet, Begleitung über den Tod hinaus.

Die eigene Realität dagegen gleicht oft mehr einem Fischerboot bei Ebbe, gestrandetes Schiffdas im Schlick fest hängt, auf der Seite liegt und so seiner Bestimmung nicht leben kann. Die Bitte „Komm, du lang ersehnter Jesus“ ist der Schrei nach der Flut, die das Boot hebt und wieder zum Leben erweckt, ins Meer leitet und es seine Bestimmung leben lässt. „Komm, du lang ersehnter Jesus“ in mein Leben, das sich anfühlt wie ein gestrandeter Fischerkahn, in unsere Welt, die auf Erlösung und Rettung hofft.

Die Adventszeit lässt uns der Sehnsucht nachspüren, die Herzen öffnen für sein Kommen. Sie nimmt uns mit, Jesus zu begegnen, der Flut, die uns wieder see- und lebenstüchtig werden lässt.

Hoffnung für die ganze Welt

Um diese Hoffnung geht es dem Apostel Paulus in seiner „kleinen Anleitung zum christlichen Leben“, die er im Römerbrief kurz und knapp zusammenfasst.

Römer 5,1-5

Nachdem wir nun aufgrund des Glaubens bei Gott angenommen sind, haben wir Frieden mit Gott. Das verdanken wir Jesus Christus, unserem Herrn. Er öffnete uns den Weg des Vertrauens und damit den Zugang zur Gnade Gottes, in der wir jetzt festen Stand gewonnen haben. Nun haben wir Grund, uns zu rühmen, weil wir die gewisse Hoffnung haben, dass Gott uns an seiner Herrlichkeit teilnehmen lässt. Mehr noch: Wir rühmen uns sogar der Leiden, die wir für Christus auf uns nehmen müssen. Denn wir wissen: Durch Leiden lernen wir Geduld, durch Geduld kommt es zur Bewährung, durch Bewährung festigt sich die Hoffnung. Unsere Hoffnung aber wird uns nicht enttäuschen. Denn dass Gott uns liebt, ist uns unumstößlich gewiss. Seine Liebe ist ja in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, den er uns geschenkt hat. 

Zuallererst, wir haben Frieden mit Gott, das lässt uns für die Welt hoffen. Hoffnung für die ganze Welt zu haben, bedeutet nicht, mit eigenen Kräften die Klimakatastrophe abzuwenden, die Kriege abzuschaffen, den Hunger zu verhindern, soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten oder Krankheiten zu besiegen. Diese Hoffnungen werden sich nicht erfüllen, da wir Menschen nicht fähig sind, von uns heraus friedlich zu leben, sozialen Ausgleich zu schaffen und auf eigene Privilegien uneigennützig zu verzichten. In der ZEIT vom 26.10.09 (44/09) wurde in einer eindrücklichen Studie entwickelt, dass keine Spezies eine ähnliche Aggressionsbereitschaft besitzt wie der Mensch. Wir erleben es jeden Tag aufs Neue mit Blick auf die Nachrichten, dass nur Erziehung, Kultur und Normen uns davon abhalten, aufeinander loszugehen. 

Hoffung für unsere Welt setzt auf Hilfe von außen. Den lang ersehnten Jesus erwartete das Volk Israel und die jüdische Tradition las messianischen Befreier: 
Ein Kind ist geboren, der künftige König ist uns geschenkt! Und das sind die Ehrennamen, die ihm gegeben werden: umsichtiger Herrscher, mächtiger Held, ewiger Vater, Friedensfürst. Seine Macht wird weit reichen, und dauerhafter Frieden wird einkehren. Er wird auf dem Thron Davids regieren, und seine Herrschaft wird für immer Bestand haben, weil er sich an die Rechtsordnungen Gottes hält. Der HERR, der Herrscher der Welt, hat es so beschlossen und wird es tun.“ (Jesaja 9,5-6)

Jesus, so bezeugt es die Bibel, ist der Retter, der von Gott gesandt und im Volk Israel verwurzelt ist. Jesus bringt den Frieden mit Gott, denn die Menschen, die vom Bösen wie Geiseln festgehalten werden, löst er aus und lässt sich für sie austauschen. Er macht sich zur Geisel des Bösen, lässt sich töten und bricht damit den Fluch, der auf der Menschheit lastet. Mit ihm sind Menschen frei, sich nicht länger vom Bösen bestimmen zu lassen, sondern den Weg mit Gott zu gehen. Mit ihm, das heißt, indem sie sich an Jesus klammern, werden sie diesen Weg in die Freiheit finden, werden sie fähig, Frieden zu halten, auf eigenen Vorteil zu verzichten und andere zu achten. 

Wer sich an Jesus klammert, so führt es Jesus aus, bekommt von ihm einen Schlüssel überreicht. Er passt ins Schloss zum „Raum der Gnade“. Wie können wir uns den von Paulus benannten „Raum der Gnade“ vorstellen? In dem eindrücklichen Bestseller von Neil Young, Die Hütte, wird dieser Raum als Küche mit einem einladenden Küchentisch beschrieben, an dem eine liebevolle Mama für den Protagonisten da ist und ihn mit allen seinen Zweifeln und Wunden erwartet, aufnimmt, umsorgt, unterrichtet, weiterführt. Den Raum der Gnade können wir uns nur mit menschlichen Bildern vorstellen. Aber warum nicht als einen warmen Ort, an dem Gott auf uns wartet? Wo wir uns bewusst werden können, wie unser Zustand ist, wo wir auch sagen können, dass wir uns wie ein gestrandetes Fischerboot fühlen? Es ist ein Ort, an dem Gott uns seine Liebe zuspricht, uns unsere Lasten abnimmt und Schuld vergibt, an dem er Wunden heilt und den Blick auf die Zukunft richtet. Und wenn wir diesen Ort verlassen, sind wir erlöst und befreit, die Sehnsucht ist zumindest jetzt gestillt, wir sind frei von Angst und Sünde, wie es in dem Adventslied heißt.

Hoffnung für die ganze Welt ist Hoffnung auf Gott, der uns einlädt, uns an Jesus zu klammern und frei zu werden von den Geiselnehmern, die uns im Griff haben.

Hoffnung in Bedrängnissen

Das Leben mit Jesus ist kein Ponyhof, so sagte es eine Frau zu mir, als wir über unseren Alltag sprachen. Sie meinte damit, dass nicht alles glatt bei ihr läuft, sie immer noch die Fangarme des Bösen spürt und Friede nur ansatzweise leben und verwirklichen kann. So sagt es auch Paulus. Leiden, Bedrängnisse stellen sich ihm in den Weg. Die hatte er vielfältig erlebt. Er wurde verfolgt, gefoltert, mehrfach inhaftiert wegen seiner missionarischen Tätigkeit und der Angst der Behörden vor politischem Umsturz. Er hatte mehrmals Streit mit Mitarbeitern, die sogar zum Bruch von Beziehungen führten. Er wurde Zeuge von Gemeindespaltungen. Gemeinden griffen ihn persönlich an und sprachen ihm seine Befähigung als Missionar ab. Wir können uns sicher nur ansatzweise vorstellen, wie sehr das alles Paulus mitgenommen hatte, wie er an seiner Berufung zweifelte und an Gottes Durchsetzungswillen. Und wie wichtig für ihn der Schlüssel zum Raum der Gnade wurde, um dort wieder aufzutanken.

Unsere Leiden und Bedrängnisse sind andere. Vielleicht zweifelt jemand an Gott, weil sein kleines Leben nicht vom Fleck kommt und er nicht erkennt, dass sein Fischerboot wieder seetüchtig wird. Vielleicht ficht jemand an, dass sie keine Leute mit Jesus in Berührung bringen kann, vielleicht ist es eine Krankheit, die an Gottes Liebe irre werden lässt. Vielleicht ist es einfach die alltägliche Erschöpfung, die keine Zeit mehr lässt, Gottes Gnade aufzunehmen und seine Kraft zu tanken.

Negatives wird nicht ausgeblendet oder zurechtgerückt. Paulus hilft, einen realistischen Blick auf die Welt und das Leben zu richten. Doch Bedrängnisse können Geduld fördern.

Geduld wird möglich, wenn wir uns festhalten an Gottes Versprechen, uns zu leiten, wie es auch im Adventslied heißt: „Leite uns in allen Dingen durch den Geist, der uns vertritt.“ Geduld meint, einen Zustand, eine Phase passiv zu ertragen, sich zu fügen und still zu halten. Sind solche Zeiten durchstanden, ist neues Vertrauen gewachsen. Gott geht mit und lässt nicht los. Es gibt keinen freien Fall nach unten.

Aktiv werden wir bei der Bewährung unseres Glaubens. Jetzt geht es nicht mehr darum, eine Phase durchzustehen, sondern auch gegen Zweifel, Bedrängnisse und Feindschaft das Leben mit Jesus festzuhalten. Helfen kann uns wieder der Schlüssel zum Gnadenraum, in dem wir neue Orientierung bekommen und neue Kraft zum Festhalten an Jesus.

Hoffnung ist in diesem Prozess von Bedrängnis zu Geduld und Bewährung gewachsen. Denn die Gnade Gottes trägt, sie ist die Liebe Gottes, die in uns immer mehr Raum einnimmt und uns zu Gott zieht. Nach durchstandenen Bedrängnissen ist die Hoffnung gestärkt.

„Komm, du lang ersehnter Jesus“:

  • hilf mir, Frieden mit Gott zu schließen
  • zeige mir den Weg zum Raum der Gnade, in dem ich Zuflucht finde
  • mache mich stark in meinen ganz persönlichen Bedrängnissen
  • lass mich deine Liebe ganz neu spüren, die mich mit dir verbindet und zum Vater zieht.
Cornelia Trick


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