Jesus nachfolgen (Lukas 9,57-62)
Gottesdienst am 04.03.2012

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Jesus nachzufolgen ist ein Herzensthema für die Gemeinde. Wer will nicht ganz nah bei Jesus sein und ihm auf Schritt und Tritt folgen? Wer will nicht wie ein Entenbaby Jesus hinterher schwimmen und von ihm alles lernen, was zum Leben nötig ist? Wer will nicht von Jesus Verantwortung übernehmen und mit ihm sein Leben gestalten?

Vor gut zehn Jahren hielt ich eine Predigt zum Thema Nachfolge, über Risiken und Nebenwirkungen, die das Thema mit sich bringt. Mit einer Frau hatte ich bereits mehrere Wochen die Bibel gelesen. Sie wollte glauben, war offen für eine Begegnung mit Jesus. Auch sie war im Gottesdienst und hörte die Predigt. Danach trafen wir uns zum letzten Mal. „Nein“, sagte sie, „das ist mir zu hart, was Jesus von mir verlangt. Wenn das so ist, kann ich ihm nicht nachfolgen.“
Für mich war es ein erschütterndes Erlebnis. Das Evangelium hatte sie vertrieben. Und doch, es war eine notwendige Klärung für sie, und ich hoffe, dass es irgendwann einen neuen Anfang des Glaubens für sie gibt.

Seither bin ich sehr persönlich von diesem Thema Nachfolge betroffen. Was ich Ihnen heute weitergebe, ist keine Theorie des christlichen Glaubens, sondern eine sehr ehrliche Auseinandersetzung mit dem, was Jesus von uns will.

Wir sind aufgefordert, nicht gleich mit dem Kopf zu nicken und alles als richtig und bekannt abzuhaken, sondern Jesu Worte noch einmal mit jungen und ungeprägten Ohren zu hören. Was wir heute hören, kann eine entscheidende Weichenstellung für unser weiteres Leben sein: Ob wir Jesus als Dekoration für unseren Lebensweg wählen oder uns ihm hinterher auf den Weg machen, bedeutet einen großen Unterschied.

Jesus ist unterwegs nach Jerusalem, dort wird er gekreuzigt werden. Auf dieser Reise von Nord nach Süd lässt uns der Evangelist Lukas wissen, was Jesus wichtig ist. So beginnt der Weg mit drei Männern, die auf Jesus treffen. Sie stehen exemplarisch für alle, denen Jesus als Auferstandener nach Ostern begegnen wird. Lassen sie sich, lassen wir uns auf Jesus ein? Gehen wir mit zu seinen Bedingungen oder wollen wir nur unsere Bedingungen gelten lassen?

Lukas 9,57-58

Unterwegs sagte jemand zu Jesus: »Ich bin bereit, dir zu folgen, ganz gleich, wohin du gehst!« Jesus antwortete ihm: »Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel ihr Nest; aber der Menschensohn hat keinen Platz, wo er sich hinlegen und ausruhen kann.« (Gute-Nachricht Bibel)

Zu Jesus kommt ein Mann, nach dem Matthäusevangelium ein Schriftgelehrter. Er will mit Jesus gehen. Schauen wir uns die Szene genauer an. Von den Schriftgelehrten ist noch kein einziger Jünger Jesu geworden. Was für eine Chance, eine neue Bevölkerungsgruppe öffnet sich für Jesus. Der eine kann viele mit sich ziehen. Doch Jesus reagiert schroff und abweisend. Statt den Mann in die Arme zu nehmen, zählt er auf, worauf der Mann verzichten muss: auf Heimat und Obdach. Er wird immer unterwegs sein, es wird ihm schlechter ergehen als Füchsen oder Vögeln. Aus der Situation heraus ist das verständlich. Der Weg zum Kreuz ist kein gemütliches Kaffeetrinken. Darauf bereitet Jesus den Mann vor. Er soll es sich genau überlegen, ob er mitgeht.

Was bedeutet dies aber für uns heute? Mit Jesus zu leben, kann bedeuten, aufzubrechen aus der gewohnten Umgebung, den längst gewohnten Alltag aufzugeben, um dahin zu gehen, wo Jesus uns haben will.

Jesu Worte bewahren uns davor, den Mund zu schnell zu voll zu nehmen. Petrus ist es so gegangen. Er wollte Jesus überall hin folgen, auch in den Tod. Doch am Abend vor der Kreuzigung verriet er Jesus aus Angst. Sein Versprechen hatte er nicht gehalten. In dem historischen Roman von Sienkiewicz „Quo vadis“, für den er 1905 den Nobelpreis erhielt, treffen wir Petrus im Rom unter Kaiser Nero wieder. Die Christen werden von Nero brutal verfolgt, sie haben Angst um Petrus, der bei ihnen ist. Sie beschließen, dass Petrus die Stadt verlassen sollte, um den anderen Gemeinden dienen zu können. Von einem toten Petrus hätten die nichts. Also macht sich Petrus auf und lässt Rom hinter sich. Unterwegs hat er eine Christusvision. Er fragt Jesus: „Wohin gehst du, Herr?“ Der antwortet, er gehe zu seinen Brüdern und Schwestern nach Rom, um ihnen beizustehen, mit ihnen zu leiden und zu sterben. Und so dreht Petrus mit Jesus nach Rom zu seinen Schwestern und Brüdern um, stärkt sie und stirbt dort den Märtyrertod, wie es auch historische Quellen belegen.

An dieser fiktiven Erzählung wird deutlich, was Jesus nachzufolgen für den ersten Mann, der Jesus auf dem Weg nach Jerusalem begegnet, bedeutet. Um Jesus zu folgen, braucht der Mann eine Beziehung zu Jesus. Die Kraft, wirklich den Weg Jesus hinterher zu gehen, kann er nicht selbst aufbringen, da wird er zum Verräter wie Petrus am Gründonnerstagabend. Jesus schenkt Kraft zum Folgen, er gibt uns alles, was wir brauchen, um auch harte Wege aus der Bequemlichkeit heraus zu gehen.

Lukas 9,59-60

Zu einem anderen sagte Jesus: »Komm, folge mir!« Er aber antwortete: »Herr, erlaube mir, dass ich erst noch hingehe und meinen Vater begrabe.«  Jesus sagte zu ihm: »Überlass es den Toten, ihre Toten zu begraben! Du aber geh hin und verkünde, dass Gott jetzt seine Herrschaft aufrichten will!«

Beim zweiten Mann übernimmt Jesus die Initiative. „Folge mir“, fordert er ihn heraus. Der Mann befindet sich in einer besonderen Situation. Sein Vater ist gestorben. Von ihm wird erwartet, dass er den Trauerzeremonien beiwohnt. Nichts Ungewöhnliches auch für uns. Will Jesus den Mann wirklich von der Beerdigung abhalten? Geht es Jesus um zwei, drei Stunden?

Hier entdecken wir, wie Jesus diesem Mann ins Herz schaut. Natürlich ist Jesus nicht so kleinlich, den Mann wegen drei Stunden stehen zu lassen. Aber von ihm wird wohl mehr erwartet als ein Begräbnis. Er soll wahrscheinlich in die Fußstapfen seines Vaters treten, ein Geschäft übernehmen, Verantwortung für seine Mutter übernehmen. Ginge der Mann zurück zur Beerdigung, würde er nicht mehr loskommen. Jesus sieht den Konflikt des Mannes, seine Loyalität gegenüber der Familie und seinen Wunsch, ein Leben mit Jesus zu wagen. Und er fordert ihn heraus, eine Entscheidung zu treffen. Die Krise des Todes kann für ihn die Chance zu einem neuen Leben werden.

Jesus erwischt auch uns an den Bruchstellen unseres Lebens. Da sind die Kinder aus dem Haus, die Pflege der alten Eltern ist abgeschlossen, eine Ehe zerbricht, ein Arbeitsplatz wird weg rationalisiert. Genau in einer solchen Situation kann Jesus auch jemand von uns herausfordern, unserem Leben eine neue Richtung zu geben, Gewohntes hinter uns zu lassen und auf Jesu Wort hin neu anzufangen. Wie diesen zweiten Mann spricht Jesus uns persönlich an. Wir brauchen keine Angst zu haben, sein Rufen zu überhören, er redet deutlich. Werden wir auf ihn hören?

Lukas 9,61-62

Ein anderer sagte: »Herr, ich will ja gerne mit dir gehen, aber lass mich erst noch von meiner Familie Abschied nehmen!« Jesus sagte zu ihm: »Wer seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, den kann Gott nicht gebrauchen, wenn er jetzt seine Herrschaft aufrichten will.« 

Der dritte Mann kommt wieder auf Jesus zu. Vielleicht hat er die Gespräche Jesu mit den beiden anderen Männern mitbekommen. Dieser Mann jetzt erinnert mich an manche Gebete, die ich gesprochen habe: „Herr, ich will ja diesen neuen Weg gehen, den du mir zeigst, aber …“ Tausend Gründe fallen mir plötzlich ein, um den neuen Weg eben doch nicht gehen zu können. Der Mann hat sogar ein sehr gutes Argument. Er will erst noch seine Familie verabschieden.

Auch hier bricht es uns fast das Herz, wie schroff Jesus ihn davon abhält. Nein, nicht nach hinten soll dieser Mann schauen, sondern nach vorne, sonst wird sein Weg in die Zukunft krumm und schief werden. Jesus ist auch hier offenbar Seelsorger. Er sieht das ewige Hin und Her dieses Mannes voraus. Er wird zwischen den Familienbanden und dem neuen Leben mit Jesus zerrieben werden. Ein Schnitt ist wichtig, um sich voll und ganz auf Jesus konzentrieren zu können.

Nicht jede und jeder von uns muss ihre oder seine Familie verlassen. Im Gegenteil, die meisten Christen bleiben seit Anbeginn der christlichen Gemeinde in ihren familiären Bezügen. Jesus erwartet von uns keine Scheidungen oder Kindesvernachlässigungen. Er kritisiert vielmehr das Zurückschauen. Und da gibt es viel, auf das wir zurück schauen könnten: Konflikte, ungelöste Probleme, Schuld, die wir uns nicht vergeben lassen oder anderen nicht vergeben, Wunden, die wir nicht heilen lassen wollen. Wenn wir diese „Schatzkästchen der Vergangenheit“ immer wieder öffnen, wird uns das im Leben mit Jesus stark behindern. Jesus gibt dem Mann und uns zu verstehen, dass wir uns mit der Vergangenheit versöhnen, sie abschließen müssen, um ganz mit Jesus unterwegs sein zu können.

Jesus nachzufolgen bedeutet gemäß diesen drei Begegnungen, sich ganz fest an Jesus zu binden und daraus die Kraft zu nehmen, manches zurück zu lassen und aufzubrechen mit leichtem Gepäck.

Wie wir die Beziehung zu Jesus gestalten können, will ich kurz zusammenfassen.

  • Sich ganz fest an Jesus zu binden, ist Voraussetzung zum Loslassen. Dazu gehört Kommunikation und die Fähigkeit, seine Spuren lesen zu können – was ist Jesus wichtig, wo wird er hingehen, wofür schlägt sein Herz?
  • Loszulassen ist eine Lebensschule. Wir müssen nicht künstlich das Loslassen üben. Stattdessen können wir einfach nur das eine oder andere „aber“ wegstreichen und uns sofort auf den Weg machen, wenn Jesus ruft.
  • Das Ziel Jesu verantwortlich verfolgen können wir wie Kinder, die das Unternehmen des Vaters übernehmen. Sein Ziel ist, die Liebe des Vaters in diese Welt zu tragen, darum geht es in der Nachfolge. Das bedeutet, die Schwestern und Brüder in der Gemeinde zu lieben als die Basisstation, die Nächsten zu lieben, mit denen wir in Kontakt sind, und die Feinde zu lieben, die uns das Leben schwer machen, schlecht über uns reden, uns die Tür nicht aufhalten, die uns schaden, die so bleiben, wie sie sind trotz unserer Liebe.
  • Anfechtungen auszuhalten, ist ebenfalls ein Ausdruck der Nachfolge. Gewisse Spannungen in unserem Leben lassen sich nicht immer auflösen. Wir fühlen uns gerufen von Jesus, und gleichzeitig sind wir fest verankert in unseren Strukturen. Wir geraten in Sackgassen, obwohl wir Jesus folgen. Wir haben gesät, und doch ist nichts aufgegangen, wir haben keinen Erfolg. In diesen Situationen dürfen wir uns in Jesu Nähe bergen. Er geht uns voran, aber immer nur so weit, dass wir noch mit ihm in Kontakt bleiben. Die dunklen Zeiten der Nachfolge können wir durchstehen, weil Jesus uns Licht gibt.
  • In Bewegung zu bleiben, ist ein Grundmotiv der Nachfolge. Einfacher wäre es, uns in unseren Gotteshäusern zu verschanzen. Doch unser Auftrag ist, die Menschen zu erreichen, die vor den Kirchentüren leben. Also müssen wir hinaus und immer wieder den Mut zum Aufbrechen finden.
Wir sind heute an den Tisch des Herrn eingeladen. Er ist der Gastgeber. Er wird uns in Brot und Wein begegnen und uns fragen: Folgst du mir nach? Wie schön, wenn wir ihm mit einem kräftigen Ja antworten können, das seine Gewissheit aus der Beziehung zu Jesus bezieht.
Cornelia Trick


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