Jesus in der Mitte (Matthäus 18,15-20)
Gottesdienst am 8.11.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
wenn ich Bahn fahre, stelle ich mir gerne vor, jemand setzt sich neben mich. Wir kommen ins Gespräch über unser Leben und die Welt, und irgendwann sind wir bei unserem Glauben angelangt. Mein Nebensitzer fragt mich: „Was ist Ihnen in Ihrem Glauben am wichtigsten?“ Was würde ich antworten? Meistens komme ich zum gleichen Ergebnis. Das Wichtigste ist für mich, dass Jesus immer bei mir ist, in den Hochs und Tiefs, in angstvollen und unsicheren Phasen, aber auch, wenn er Siege mit mir feiert. Jesus ist nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen, das entlastet mich, ich trage nicht die Sorge für die ganze Welt.

Selten ergeben sich solche Gespräche wirklich, aber immer wieder, nicht nur beim Bahnfahren. Da ist es gut, dass ich durch meine Gedankenspiele vorbereitet bin.

Jesu letzter Satz vor seiner Himmelfahrt ging in diese Richtung und gilt bis heute: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matthäus 28,20)

Schon vorher gab Jesus seinen Jüngern genau diese Zusage. Er redete mit ihnen über die Zeit nach seiner Auferstehung, deutete an, dass sie in Gemeinden leben würden, in denen er mit seinem Geist gegenwärtig sein würde. Dazu gab er den Jüngern Leitlinien mit. Vielleicht ist jetzt gerade eine gute Zeit, sich diese Leitlinien neu zu vergegenwärtigen. Durch die Kontaktbeschränkungen sind wir ein bisschen voneinander getrennt, können im Abstand manches klarer sehen und erkennen, was uns verbindet und was uns im Miteinander Mühe bereitet.

Das Wichtigste der Gemeindeordnung ziehe ich vor an den Anfang.

Matthäus 18,19-20
»Und auch das sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde gemeinsam um irgendetwas bitten: Mein Vater im Himmel wird ihnen ihre Bitte erfüllen. Denn wo zwei oder drei Menschen in meinem Namen zusammenkommen, da bin ich selbst in ihrer Mitte.«

Jesus in der Mitte
Jesus ist bei seinen Leuten. Mit zwei bis drei Personen nennt er die Minimalgröße einer Gruppe. Er ist nicht nur bei den Massen, bei großen geistlichen Tagungen und Konzerten, sondern sogar mitten in einer Kleinstgruppe. Mittendrin, ich stelle mir das so vor, wie wir es in unserem Gemeinde-Alltag erleben. Wir führen ein Gespräch, das in die Tiefe geht. In der Mitte steht eine Kerze. Sie symbolisiert uns, es geht nicht nur um uns, um unser Miteinander oder um das Lösen von irgendwelchen Problemen mit unserer eigenen Weisheit. Hier ist Jesus, und der gibt uns Licht in manchen verworrenen Situationen.

Bei einer Sitzung, als es um Renovierungsarbeiten ging, hatten wir Baupläne auf dem Tisch in der Mitte. Die gaben uns die Impulse und zeigten uns, wo wir handeln mussten. So wie die Baupläne damals gibt Jesus uns in unserer Mitte Impulse zum Handeln. Schauen wir auf ihn, wird uns klar, was als Nächstes dran ist.

Und noch eine Situation zur Mitte kommt mir in den Sinn. Am Ende der Jungscharstunde fahren wir immer einen Servierwagen in den Raum, auf dem sich irgendetwas Leckeres zu essen befindet. Dieser Servierwagen ist wie ein Magnet. Egal, was die einzelnen Kinder gerade basteln, wo sie spielen oder ob sie sich gerade in der Ecke unterhalten, sie stürmen herbei und freuen sich über das Gute, das da auf sie wartet. So ist Jesus, er wirkt wie ein voller Servierwagen, wir kommen voller Vorfreude zu ihm, versammeln uns um ihn und warten darauf, was er uns schenkt.

Die zwei oder drei kommen zusammen zum Gebet, zum Austausch mit Jesus. Er sagt zu, ihr Gebet zu erhören, wenn sie eins werden in ihrem Anliegen. Was er hier meint, ist sicher nicht, dass wir erst eine gemeinsame Weltsicht brauchen, um miteinander beten zu können. Nicht alle müssen den gleichen Fußballverein lieben oder die gleiche Partei wählen. Dieses Einswerden bedeutet etwas anderes. Wir sollen nicht unsere egoistischen Wunschlisten vor Gott bringen. Es geht vielmehr darum, uns klar zu werden, was Jesu Anliegen sein könnte, und es mit ihm zu besprechen. Im Moment könnte das so aussehen, dass drei gemeinsam beten, dass Jesus der ihnen bekannten Person begegnet, die von den Corona-Maßnahmen gerade hart getroffen wird. Dass er sie schützt, behütet und den drei Impulse gibt, wie sie helfen können. 

Der Vater im Himmel, so sagt Jesus, wird die Bitte, die Jesus ihm weiterleitet, in seine Hände nehmen und etwas daraus machen. Wir wissen aus unserer Lebenserfahrung, dass Gottes Antworten auf unsere Gebete oft beträchtlich von unseren Vorstellungen abweichen. Wir können uns aber an zwei Worten festhalten, die gelten: Gott wird. Er wird unsere Anliegen aufnehmen und darauf reagieren, das steht fest, auch wenn es sich anders anfühlen sollte.

Gebet ist die Grundlage des Gemeindelebens
Jesus ist kein Einrichtungsgegenstand, der mal eben in die Ecke geschoben werden kann, sondern ist Mitte, unverrückbar. Der Idealfall ist, dass wir uns um diese Mitte scharen. In der Praxis können wir uns dabei sehr nahekommen, uns auf die Füße treten und mit den Ellenbogen stoßen. Wie können wir damit umgehen?

Matthäus 18,15-17
»Wenn dein Bruder – oder deine Schwester – dir Unrecht tut: Geh hin und stell ihn unter vier Augen zur Rede! Wenn er auf dich hört, hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Wenn er aber nicht auf dich hört, dann nimm noch ein oder zwei andere mit zu ihm. Denn jeder Streitfall soll mithilfe von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Wenn er auch auf sie nicht hört, dann sage es den Leuten eurer Gemeinde. Wenn er auch auf die Gemeinde nicht hört, behandle ihn wie einen Heiden und Zolleinnehmer.«

Ziel aller Versuche, Verletzungen zu heilen, ist, Gemeinschaft wiederherzustellen. Auch nach einem Streit sollen wir wieder zusammenfinden. Dazu stellt Jesus ein Deeskalationskonzept auf:

Stufe 1: Wenn mir jemand wehtut, soll ich es direkt mit ihm klären. Das leuchtet theoretisch ja völlig ein. Niemand soll unnötig in die Auseinandersetzung hineingezogen werden, eine Wunde sollte gesäubert werden, ehe sich Entzündungen und Eiter bilden. 

Bei einer Tagung hörte ich ein Referat zu diesem Thema. Der Vortragende legte uns an Herz, sofort einem komischen Bauchgefühl nachzugehen und das Gespräch direkt zu suchen. Zwei Wochen später stand ich vor der Frage. Sollte ich jetzt direkt hingehen oder abwarten? Ich hätte die fällige Aussprache sehr gerne auf die lange Bank geschoben, aber bin doch dem Rat des Referenten gefolgt. Es war kein einfaches Gespräch, aber hat so schnell für Klarheit gesorgt. Wir konnten ohne Gesichtsverlust in die Zukunft gehen, ja, hatten Wichtiges aus der Konfrontation gelernt. 

Nicht immer sind solche Gespräche allerdings zielführend. Dafür nennt Jesus eine zweite Stufe:

Stufe 2: Zeugen werden zum Gespräch dazu genommen. Die sollen nicht Zeugen dafür sein, ob der oder die nun im Recht oder Unrecht ist, sondern sie sollen Zeugen des Gesprächs werden. Die Kontrahenten auf der Sachebene ansprechen, ihnen spiegeln, wenn sie etwas falsch verstanden haben, und hilfreiche Anregungen geben, wie eine gemeinsame Ebene erreicht werden kann. Sie werden auch feststellen, ob man wirklich nicht mehr miteinander kann oder eine Seite so verhärtet ist, dass nur noch ein Abbruch möglich ist. Zeugen entlasten und geben eine weitere Perspektive. Führt das Gespräch auch so nicht weiter, bleibt noch eine letzte Stufe:

Stufe 3: Eine Gemeindeversammlung tagt und lässt die Person los, die keine gemeinsame Basis mehr sieht oder erkennen lässt. Ist eine Beziehung zerrüttet und auch das Vertrauen in die Gemeinde geschwunden, hilft es nur noch, die Person Jesus direkt anzubefehlen. Der Hirte sorgt sich um das Schaf, so Jesus um den Menschen, der aus welchen Gründen auch immer aus der Gemeinschaft gefallen ist und bei dem die Gemeinde in diesem Konflikt als Ort der Heilung versagt hat.

Matthäus 18,18
»Amen, das sage ich euch: Was ihr auf der Erde für gültig erklärt, wird auch im Himmel gelten. Was ihr nicht für gültig erklärt, wird auch im Himmel nicht gelten.«

Gemeinde, die Jesus in der Mitte hat, handelt in Jesu Auftrag. Wo Vergebung geschieht, ist das in Gottes Sinne. In jedem Vaterunser, im seelsorglichen Gespräch, beim Abendmahl wird deutlich, dass Jesus die Kraft zur Vergebung schenkt und sie von seinen Geschwistern erwartet. 

In Zeiten von Corona-Maßnahmen kommen wir uns nicht so nahe. Das ist eine Gelegenheit, unsere Altlasten anzusehen und zu entsorgen. Wir können auch per Telefon und beim Spaziergang zu zweit gute Gespräche führen und einander nahe sein im Gebet.

Jesus in der Mitte legt uns ans Herz: „Geh dem einen, der einen nach, mit der du noch ein Thema offen hast, und hilf, dass eure Beziehung der Gemeinschaft mit Jesus entspricht.“

Cornelia Trick


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