Ja, Gott ist meine Rettung
Gottesdienst am 13.01.2002

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
das neue Jahr hat begonnen und so langsam tasten wir uns in das noch ungewohnte Lebensgefühl 2002 hinein, mit Euros, neuen Preisen und den persönlichen Neuerungen. Was wird das neue Jahr uns bringen? Auf jeden Fall Chancen, alles anders zu machen, Chancen sich überraschen zu lassen und auch Chancen, dem zukünftigen Geschehen jetzt schon eine Überschrift zu geben, eine Art Verstehenshilfe, um das Neue aufzunehmen. Ein schönes Bild dafür habe ich gefunden. 

Terminkalender 2002
Leute gehen mit leeren Eimern in den Terminkalender für 2002 hinein und kommen mit vollen Eimern am anderen Ende heraus. Wünschen wir uns das nicht?

Ein Bibelwort ist als besondere Jahreslosung ausgewählt worden, um Christen diese Überschrift und eine gemeinsame Orientierung zu geben. Nicht nur die individuellen Bibelsprüche sind Leitlinien im Neuland, sondern die Gemeinde Jesu Christi hat einen gemeinsamen Zuspruch und einen gemeinsamen Auftrag für das Jahr 2002. Das gilt auch für uns als Christen, die wir zu dieser Gemeinde in Neuenhain gehören. Mit Christen in ganz Deutschland sind wir verbunden in einem Bibelwort und aufgefordert, auf Gottes Stimme 2002 zu hören. 

Stellen wir uns vor, die Jahreslosung ist Aufsatzthema und wir sind angehalten, im Jahr 2002 einen Aufsatz dazu zu verfassen:

Jesaja 12,1-2

Am Tag deiner Rettung wirst du sagen: "Herr, ich preise dich! Du bist zornig auf mich gewesen; doch nun hat sich dein Zorn gelegt, und ich darf wieder aufatmen!"
Dann wirst du bekennen: "Ja, Gott ist meine Rettung; ihm will ich vertrauen und niemals verzagen. Den Herrn will ich rühmen mit meinem Lied, denn er hat mich gerettet." (fettgedruckt: Jahreslosung 2002)

Ja, Gott ist meine Rettung

Mitten in schweren Zeiten sangen die Israeliten ein Lied, das ihr Vertrauen zu Gott zum Ausdruck brachte. Der Prophet Jesaja sprach Unheilsworte über das Volk. Er klagte die Leute an, ihren Herrn nicht mehr zu kennen. Selbst Ochs und Esel kannten ihren Herrn, aber das Volk, das Gottes Hilfe so oft erfahren hatte, erinnerte sich nicht mehr an seinen Herrn. Jesaja klagte über die Gottesdienste, die alles andere feierten als die Gegenwart des lebendigen Gottes. Statt sich der Schwachen und Armen anzunehmen, wie Gott es ihnen aufgetragen hatte, besaßen die Führenden die Unverfrorenheit, gerade sie aus der Gesellschaft hinauszudrängen. Nun standen die Assyrer vor den Grenzen. Jesaja sah in ihnen das Strafgericht Gottes über ihre Gottvergessenheit.

Doch trotz der deftigen Anklagen ließ Jesaja den Hoffnungsträger der Zukunft erahnen. Er schloss die Unheilsworte mit einer Verheißung: Ein Friedenskönig wird geboren. Und so greift das Vertrauenslied, das unsere Jahreslosung beinhaltet, schon weit in die Zukunft: "Am Tag der Rettung wirst du sagen..."

Was haben diese alten Prophetenworte mit uns heute zu tun? Was mir auffällt. Wir leben in einer bedrängten Zeit wie die Leute damals. Christen, die ihren Herrn kennen, sind vom Aussterben bedroht. Auch heute kennen Ochs und Esel ihren Landwirt besser als viele von uns den Schöpfer und Erlöser. Wir empfinden uns als orientierungslos, gesellschaftliche Werte sind nicht mehr allgemein gültig. Erfolge werden ausgiebig in Gottesdienst ähnlichen Zeremonien gefeiert, Oskars, Preise und Pokale verliehen, doch die Gotteshäuser sind leer, dem Herrn dieser Welt wird die Anbetung verweigert. Arme und Schwache bereiten kaum Kopfzerbrechen. Armut ist privates Risiko und jede/r ist für seine Zukunftssicherung selbst verantwortlich. "Wo ein Wille ist, ist ein Weg" - mit solchem Wahlspruch sichern sich die Satten gegen ein schlechtes Gewissen ab. Es sieht heute wie damals nicht gut aus. Und es besteht kein Grund, sich selbstzufrieden zurückzulehnen und zu sagen: Prima, alles ist gut und wird noch besser!

Die Jahreslosung verstehe ich als Einladung, die Augen vor der Wirklichkeit nicht zu verschließen. Es ist nicht alles in Butter, aber - ja, Gott ist unsere Rettung! Mitten in der Tagespolitik können wir die Augen aufheben und Gott wahrnehmen, wie er uns in Jesus Christus entgegen kommt. Er ist da, wo wir seine Rettung brauchen. Jesaja wies hin auf den Friedenskönig, der die Rettung bringen sollte. Wir haben die Weihnachtsbotschaft noch in den Ohren, dass Jesus in die Welt gekommen ist. "Jesus" und "Rettung" haben dieselbe Wortwurzel. Jesus ist die Rettung, die Gott uns zukommen lässt.

Woraus rettet nun Jesus ganz konkret? Denn nur so lässt sich ermessen, wie Jesus alles verändert. Die Einleitung der Jahreslosung macht deutlich, dass Jesus aus Gottes Zorn rettet. Wenn von Gottes Zorn die Rede ist, dann wird anschaulich beschrieben, dass wir mit Gott nicht machen können, was wir wollen - so als wäre Gott ein Talisman, den man sich um den Hals hängt oder in der Schublade verschimmeln lässt. Gott ist es nicht egal, wenn er im hintersten Winkel unseres Lebens verschimmelt. Er möchte an unserem Leben teilhaben, er fordert seinen Platz bei uns. Und wird er abgewiesen, so gerät er in Zorn. Eine menschliche Seite Gottes kommt da zum Vorschein. Gott hat Gefühle, er ist enttäuscht, verletzt, er wird zornig. Vielleicht lässt sich dieser Zorn ganz gut nachvollziehen, wenn wir uns folgende Szene anschauen:

Zorn
Da redet Gott mit uns. Da will er uns in unserem Innersten erreichen. Und wir? Wir tun so, als wären wir taub. Wir lassen uns von Gott nicht aus unserem Trott bringen. Und ganz menschlich gesprochen wird Gott immer lauter, bis er uns schließlich anschreit. Kein Wunder, sagen wir uns. In dieser Szene provoziert Linus den Zorn geradezu.

Das Volk Israel verstand von jeher kriegerische Niederlagen, Dürreperioden, Katastrophen als Ausdruck von Gottes Zorn. Diese Vorstellung mag uns fremd sein. Doch immer wieder höre ich Lebensgeschichten, die ganz ähnlich klingen. Da erzählt ein Mann von Schwierigkeiten an seiner Arbeitsstelle und der Erkenntnis, die daraus in ihm wuchs. Er krempelte sein Leben um und Gott bekam einen zentralen Stellenwert in seinem Leben. Eine Frau erzählt, dass sie nach langen Jahren Familienarbeit jetzt ohne alles dasteht. Ihr Mann hat sich von ihr abgewandt und die Kinder gehen eigene Wege. Für sie war es ein Neuanfang im Glauben. Und noch so manche Lebensgeschichte ließe sich anfügen, erlebt in Krankenbetten, an Gräbern, mitten im Alltagsstress. Gottes Zorn ist nicht von außen zu erkennen und zu analysieren. Es ist Jesus, der uns die Augen öffnet für die tiefe Trennung von Gott und seiner Liebe, die in unheilvolle Situationen führt. Jesus rettet aus Gottes Zorn. Er tritt für uns ein. Er lässt uns nicht zu Grunde gehen an unserer oft selbst eingebrockten Misere. Er ist Rettung und öffnet uns die Augen.

Wenn die Jahreslosung in den Mund legt: Ja, Gott ist meine Rettung, dann muss es etwas bei mir geben, aus dem er mich notwendig retten muss. Meine Gottvergessenheit, meine Taubheit, meine Unlust und Selbstüberschätzung. Vielleicht auch meine Schadenfreude, Lieblosigkeit, Ich-Bezogenheit anderen gegenüber. Mein Kleinglaube und meine Angst. Doch vielleicht brauche ich diese Rettung auch aus einer Lage, in die mich andere gebracht haben, wo ich verletzt worden bin, den sicheren Boden unter meinen Füßen verloren habe.

Ja, Jesus ist meine Rettung. Ich will vertrauen und niemals verzagen.

Ich will, diese Worte haben im hebräischen Urtext drei Aussageabsichten. Ich werde vertrauen, ich vertraue ständig oder zumindest immer wieder, ich kann und will vertrauen.

Die Übersetzer unserer Jahreslosung haben die dritte Möglichkeit betont und den Willensakt herausgestrichen. Sicher passt ein Willensakt gut zum Jahresanfang, an dem viele gute Vorsätze fürs neue Jahr gefasst werden. Doch hoffentlich reicht der Wille zum Gottvertrauen länger als zwei Wochen. Zum Wollen gehören deshalb die beiden anderen Bedeutungen dazu, Kontinuität und Wiederholung. Wir haben seit Jahren die Jahreslosung im Eingangsbereich des Gemeindezentrums hängen. Bei jedem Kirchgang steht uns dieser Vers nun ein ganzes Jahr groß vor Augen "Ich will vertrauen und ich will niemals verzagen". Wir nehmen diesen Vorsatz mit in unsere Gemeindeveranstaltungen. In den Kindergruppen, im Bibelgespräch, in den Nachmittagskreisen bekräftigen wir unser Bekenntnis "Ich will vertrauen". Das gibt mancher Stunde eine neue Ausrichtung. Ich will vertrauen, dass diese Gruppenstunde den Kindern etwas von Jesus offenbart hat. Ich will vertrauen, dass meine Freundin im Nachmittagskreis durch Jesu Gegenwart getröstet wurde. Ich will vertrauen, dass das Wort der Bibel in mein Problem hineinspricht und es verändert. Und auch für unsere Geschäftssitzungen hier im Gemeindezentrum brauchen wir das Bekenntnis. Ich will vertrauen, dass Jesus der Gemeinde Leben gibt. Ich will nicht verzagen, wenn die Probleme auf den Tisch kommen. Ich will vertrauen, dass Jesu Gegenwart uns mit seinem Geist erfüllt und befähigt, Gemeinde zu bauen.

In alle persönlichen Gespräche können wir das Bekenntnis mitnehmen. Wir können es weitergeben als unsere persönliche Erfahrung, wir können uns ermutigen und stärken in Zeiten der Not und Anfechtung.

Ja, Jesus ist meine Rettung. Ich will vertrauen und niemals verzagen. Ich will den Herrn rühmen mit meinem Lied.

Über die Jahreslosung hinaus meine ich, den nächsten Halbsatz aus Psalm 12 unbedingt hinzu nehmen zu müssen. Die Rettung bleibt nicht bei uns stehen. Wir wollen uns nicht selbst mit unseren Rettungsgeschichten beweihräuchern. Stattdessen wollen wir ein Lied anstimmen, das nach draußen dringt. Mit diesem Lied geben wir Gott die Ehre, preisen Jesus.

Und zugleich ist dieses Lied Evangelisation. Es erreicht nicht nur die Ohren unserer Mitmenschen, sondern ihr Herz. Im Lied feiern wir unsere Rettung und laden ein zum Mitsingen. Und dieses Lied singt nicht jeder und jede für sich, es ist Gemeinschaftsaufgabe und Gemeindeerfahrung. Im Lied werden wir geeint und erleben die Berührung von Himmel und Erde. In dieses Lied darf einstimmen, wer sich nach dem Himmel sehnt. Dieses Lied ist dazu bestimmt, Kreise zu schlagen. 

Wollen wir miteinander 2002 von Rettung, Vertrauen und Nicht- Verzagen singen? Wollen wir es gemeinsam tun und die Herzen zu Gott erheben? Wollen wir unsere Freunde einladen mitzusingen? Vielleicht eine sehr konkrete Aufgabe für 2002, in unserer Gemeinde die Jahreslosung wach zu halten und sie in Kopf und Herz als Singende zu verankern.

Am Anfang sprach ich von einem Aufsatzthema für 2002. Wer immer etwas erlebt von Rettung, Vertrauen, Nicht- Verzagen möge es seinem und ihrem Aufsatz hinzufügen. Hoffentlich halten wir am Ende von 2002 dicke Aufsatzhefte in unserer Hand, die zu Liederbüchern wurden.

Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht: Christus meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht. (Text nach Jesaja 12,2; Melodie: Jacques Berthier, Taizé 1988)

Cornelia Trick


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