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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Dabei kommen mir auch Gespräche
in den Sinn, die ich in den letzten Jahren immer wieder führte. Da
sagte ein älterer Mann: Die Methodisten, die sind ja die besonders
Frommen im Ort. Jemand anders meinte: Die Methodisten fühlen sich
als was Besseres, nicht so wie wir normalen Christen. Und in einer anderen
Begegnung meinte eine Frau: Die Methodisten erkennt mah daran, dass sie
"jeden Sonndag in die Kersch gehe und ganz viel bede". Ich muss zugeben,
über manche Äußerungen habe ich mich richtig gefreut. Ist
doch gut, wenn andere sehen, dass es uns mit dem Christsein ernst ist,
dass wir beten, dass wir Gemeinschaft pflegen und irgendwie konsequent
unseren Glauben leben. Doch können diese Äußerungen ja
auch anders interpretiert werden. Die Leute von der Kapelle (früher
war die Kapelle der Versammlungsort) Eingebettet ist das Gleichnis in zwei große Themen Jesu. Es steht unter der Überschrift Gebet. Wie sollen Menschen, die Jesus kennen, beten? Vor diesem Gleichnis erzählt Jesus von einer Witwe, die durch Beharrlichkeit ihr Recht bekommt. So, sagt Jesus, sollen wir beten. Beharrlich, ausdauernd und gewiss, dass der Vater im Himmel uns das geben wird, was für uns das Richtige ist. Aber es geht Jesus nicht nur um die Intensität des Betens, sondern auch um unsere innere Einstellung beim Reden mit Gott. Dazu erzählt er vom Pharisäer und vom Zöllner. Doch noch ein zweites Thema durchzieht das heute im Mittelpunkt stehende Gleichnis. Wer gehört zu Gott und wird in seinem Reich bei ihm sein? Sind es Menschen, die sich hochgedient haben, die einen Koffer voller Urkunden und Zeugnisse dabei haben? Oder sind es Menschen, die mit leeren Händen zu ihm kommen wie die Kinder, deren Mütter sie zu Jesus brachten, um sie segnen zu lassen (Lukas 18,15ff)? Lukas 18,9-14 Jesus erzählt das Gleichnis „einigen“, wir könnten auch sagen „gewissen Leuten“ und würden den Unterton Jesu damit besser treffen. Denn ganz klar sind die Adressaten nicht irgendwelche Leute auf der Straße oder gar die Jünger, sondern wohl Pharisäer, denen mit dem Gleichnis zur Selbsterkenntnis verholfen werden soll. Aber in diesen „Einigen“ sind nicht nur die Pharisäer der Zeit Jesu enthalten, sondern ist jede und jeder mitgemeint, der in den darauf folgenden 2000 Jahren und mehr von einem Pharisäer und einem Zöllner in der Bibel liest. Und jedes Mal wieder richtet sich die Frage an den Leser und die Leserin: Kommst du in diesem Gleichnis vor, und lernst du daraus? Die Pharisäer zur Zeit Jesu zeichneten sich durch strenge Gesetzeserfüllung aus. Sie hielten alle Gebote und legten sie strenger aus, um sie ja nicht zu übertreten. So beachteten sie nicht nur einen Fastentag der Woche, sondern fasteten gleich zweimal, um nicht in die Gefahr zu kommen, das Gebot zu missachten. Sie gaben von allem, was sie hatten, den 10. Teil Gott, auch von Getreide, das eigentlich von den Händlern schon verzehntet wurde. An sich war ihr Verhalten vorbildlich. Und auch der Pharisäer, den Jesus im Gleichnis beschreibt, führte ein konsequentes Leben. Daran gab es nichts auszusetzen. Doch zwei Wörter deuten an, dass gewisse dunkle Flecken auf der Weste des Pharisäers waren. Jesus spricht zu den Pharisäern, die als anmaßend und anderen gegenüber verachtend charakterisiert werden. Die Anmaßung und Verachtung waren die Kehrseite des vorbildlichen Verhaltens. Und es waren die Kennzeichen, die Menschen zuallererst an ihnen wahrgenommen haben. Sind Menschen, die mit Gott leben, anmaßend und verachtend? Der Pharisäer im Gleichnis setzt sich selbst zum Maßstab, das meint dieses Wort „anmaßend“, er lässt nicht Gott Maß nehmen an seinem Leben, sondern setzt sich selbst den Maßstab an. Ihm sind seine eigenen Regeln wichtiger als das Hören auf Gott. Sein Gang zum Tempel ist vergleichbar mit der bösen Stiefmutter im Märchen von Schneewitchen. Sie setzte sich vor den Spiegel und fragte ihn: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Natürlich erwartete sie als Antwort: Du, Königin, bist die Schönste! Als die Antwort anders ausfiel, plante sie einen Mord. Der Pharisäer fragte: Gott, wer ist der Frömmste im ganzen Land? Er erwartete Gottes Zustimmung zu seinem tadellosen Leben und wollte mit diesem Lob Gottes wieder nach Hause gehen. Die Kehrseite seiner Anmaßung war seine verachtende Haltung gegenüber Menschen, die an seinen Frömmigkeitsstatus nicht heran kamen. Räuber, Betrüger, Ehebrecher und Zöllner, aber sicher nicht nur die offensichtlich in Sünde lebten, waren für ihn außerhalb von Gottes Wohlwollen. Er ließ nicht Gott über diese Menschen entscheiden, sondern fällte selbst das Urteil. Der Zöllner ging wie der Pharisäer hinauf ins Gotteshaus, um zu beten. Er ließ sich von Gott messen und wusste, dass er weit unterhalb der von Gott gesetzten Linie blieb. Er hatte gesündigt, sich mit Betrug und Kollaboration mit dem Feind weit von Gottes Willen wegbewegt. Deshalb sprach er sein Schuldbekenntnis. Vielleicht verwendete er gar nicht seine eigenen Worte, sondern Worte aus Psalm 51. Er konnte sich am Tiefpunkt seines Lebens nicht mehr selbst retten, auch nicht mehr argumentieren oder die richtigen Worte finden. Er konnte nur noch das Seil ergreifen, das dieser alte Psalm, den er aus der Kindheit schon kannte, für ihn bedeutete. Er betete mit ihm fremden Worten, um den Einzigen zu erreichen, der ihm am Tiefpunkt seines Lebens helfen konnte. Dass mit ihm ein Pharisäer zur gleichen Zeit im Tempel war, nahm er offensichtlich nicht wahr. Er sah nur seinen Schuldenberg und hoffte, dass Gott sich erbarmen würde. Jesus stellt diese beiden Typen vor und legt sich auf ein Urteil fest. Der Pharisäer bleibt mit sich selbst allein. Er spricht sich selbst gerecht. Gottes Gerechtigkeit braucht er nicht. Doch kann er sich selbst in den Himmel bringen? Der Zöllner erfährt Gottes ausgestreckte Hand. Gott zieht ihn heraus aus seinem Schlamassel. Er spricht ihm seine – Gottes – Gerechtigkeit zu und holt ihn in seinen Einflussbereich. Der Zöllner ist nun mit Gott verbunden. Der Evangelist Lukas hat diese Beispielerzählung für die christliche Gemeinde festgehalten. Als Gemeinde Jesu wissen wir es eigentlich besser als die Leute, denen Jesus die Geschichte erzählte. Jesus ist für uns gestorben. Nur er ist Maßstab unseres Lebens, und der Glaube an ihn macht uns richtig vor Gott. Aus uns selbst können wir nicht sein, wie Gott uns will. Die Sünde will nach uns greifen und flüstert uns ein, unabhängig von Gott zu werden. Dabei werden wir anmaßend und verachtend anderen gegenüber, statt sie mit Gottes Augen zu sehen. Eigentlich wissen wir es besser, doch schnell schleichen sich alte Verhaltensmuster wieder ein. Als ich nach einigen Jahren Klavierunterricht eine neue Lehrerin bekam, machte die mit mir Monate lang Fingerübungen. Meine Fingerhaltung war mit den Jahren so schlampig geworden, dass ich über das erreichte Niveau nicht hinauskam ohne Korrektur. Diese Fingerübungen gibt uns Jesu Gleichnis auf. Wir lernen wieder neu, wie wir beten und was wichtig ist, um zu Gott zu gehören. Die Beispielerzählung lehrt uns:
Aber wir sind sicher besser dran als manche anderen Menschen. ProChrist fordert uns heraus, uns schon im Vorfeld ganz eng an Jesus zu binden, selbst ehrlich zu werden vor Gott, den Spiegel des Gebets nicht zu missbrauchen, um uns selbst auf die Schulter zu klopfen. Wir können die Freude über Gottes geschenkte Zuwendung umwandeln in Liebe zu den Menschen, denen wir täglich begegnen. So wird unser „Gehen zum Tempel“ einladend für alle, denen wir unterwegs begegnen, denn wir werden sie nicht anmaßend und verachtend betrachten, sondern mit der Liebe Gottes, die einlädt und verändert. Cornelia
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