Gottesdienst am 13.3.2016
in Brombach
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
dieser Tage hörte
ich ein Lied im Radio. Es beschreibt eine Frau, die aufgewühlt, verwirrt
ist, sich ihrem Partner nicht mehr anvertrauen kann, ihren Halt verloren
hat. Der Sänger bietet sich selbst als ihren Halt an, er ruft ihr
zu: „Halt dich an mir fest, wenn dein Leben dich zerreißt. Halt dich
an mir fest, wenn du nicht mehr weiter weißt. Ich kann dich verstehn.
Halt dich an mir fest, weil das alles ist, was bleibt. Ich lass dich nicht
gehen. Halt dich an mir fest, weil das alles ist, was bleibt.“ (Revolverheld
2010). Wir könnten spekulieren, warum sich diese Frau abgewandt
hatte, warum sie ihren Halt verlor. Doch einfacher Beziehungsstress scheint
es nicht zu sein, sonst würde der Partner sich wohl kaum als letzten
Halt anbieten.
Ich höre dieses Lied
als ein Liebeslied Jesu. Ist es nicht genau sein Angebot, dass wir uns
an ihm festhalten können, wenn das Leben uns zerreißt, wenn
wir nicht weiterwissen? Woran halten wir uns fest?
Jesus war unterwegs von
Galiläa nach Jerusalem und musste Samaria durchqueren, eine Gegend,
die wie Ausland war und in der die Bibel anders ausgelegt wurde. Dort machte
er in der Mittagshitze eine Pause an einem Brunnen. Eine Frau kam dazu,
um Wasser zu holen. Ungewöhnlich war es, zur heißesten Zeit
des Tages Wasser zu schleppen. Sie war offensichtlich eine Einzelgängerin,
die die munteren Gespräche der Frauengruppen am Brunnen in der Morgenkühle
mied. Beide, Jesus und diese Frau, waren sich fremd. Sie hatten eine unterschiedliche
religiöse Zugehörigkeit, waren Mann und Frau und zudem einander
völlig unbekannt. Bisher gab es keine Berührungspunkte in ihrem
Leben. Doch jetzt bittet Jesus diese fremde Frau um Hilfe, um Wasser. Der
große Gottessohn ist bedürftig, vertraut sich einer Frau in
der Fremde an. Ein Gespräch entspinnt sich um dieses Wasser. Jesus
spricht die Frau auf ihren Lebensdurst an. Er kontrastiert das Brunnenwasser
mit lebendigem Wasser, das den Durst wirklich löscht. Und er kommt
auf den Halt im Leben zu sprechen. Was gibt dieser Frau wirklich Halt?
Johannes 4,15-26
»Herr, gib mir von diesem
Wasser«, bat die Frau, »dann werde ich keinen Durst mehr haben
und muss nicht mehr hierher kommen, um Wasser zu schöpfen.«
Jesus sagte zu ihr: »Geh und bring deinen Mann her!« »Ich
habe keinen Mann«, sagte die Frau. Jesus erwiderte: »Es stimmt,
wenn du sagst: 'Ich habe keinen Mann.' Fünfmal warst du verheiratet,
und der, mit dem du jetzt zusammenlebst, ist nicht dein Mann. Da hast du
die Wahrheit gesagt.« »Herr, ich sehe, du bist ein Prophet«,
sagte die Frau. »Unsere Vorfahren verehrten Gott auf diesem Berg.
Ihr Juden dagegen behauptet, dass Jerusalem der Ort ist, an dem Gott verehrt
werden will.« Jesus sagte zu ihr: »Glaube mir, Frau, es kommt
die Zeit, da werdet ihr den Vater weder auf diesem Berg noch in Jerusalem
anbeten. Ihr Samariter betet zu Gott, aber ihr kennt ihn nicht; doch wir
kennen ihn, denn die Rettung für alle Menschen kommt von den Juden.
Aber die Stunde kommt, ja sie ist schon gekommen, da wird der Heilige Geist,
der Gottes Wahrheit enthüllt, Menschen befähigen, den Vater an
jedem Ort anzubeten. Gott ist ganz anders als diese Welt, er ist machtvoller
Geist, und alle, die ihn anbeten wollen, müssen vom Geist der Wahrheit
erfüllt sein. Von solchen Menschen will der Vater angebetet werden.«
Die Frau sagte zu ihm: »Ich weiß, dass der Messias kommen wird,
der versprochene Retter. Wenn er kommt, wird er uns alles sagen.«
Jesus antwortete: »Er spricht mit dir; ich bin es.«
Die Frau öffnet sich
Jesus, sechs Männer spielten und spielen in ihrem Leben eine Rolle.
Sie hatten ihr wohl immer wieder versprochen: „Halt dich an mir fest, wenn
dein Leben dich zerreißt. Halt dich an mir fest, wenn du nicht mehr
weiterweißt.“ Jesus lenkt ihren Blick weg von ihren Männern
hin zum lebendigen Wasser. Das stillt den Durst, alles andere ist vorläufig
und kann schnell einknicken.
Die Frau steht stellvertretend
für uns. Haben wir nicht auch Durst nach Leben, Durst nach Mehr? Wir
brauchen hier nicht Brunnenwasser, es kommt anders als in Samaria, einer
wüstenähnlichen Landschaft, jederzeit aus der Leitung. Aber wir
sind durstig nach anderem. Einer sucht nach Anerkennung, dass jemand ihm
zuspricht: „Du bist wertvoll.“ Eine kriegt ihr Leben nicht auf die Reihe.
Sie fühlt sich wie im freien Fall und sehnt sich nach jemand, der
Ordnung in ihr Chaos bringt. Jemand sucht einen Ort der Geborgenheit, an
dem er bleiben kann. Viele Menschen haben einen langen, beschwerlichen
und gefahrvollen Weg auf sich genommen, um in Deutschland diesen Ort zu
finden, wo keine Bomben explodieren und niemand den Schulweg fürchten
muss. Durst kann sehr unterschiedlich sein.
Das Schlimme am Durst ist,
dass er nicht irgendwann aufhört. Er steigert sich und wird zunehmend
lebensbedrohlicher. Kein Wunder, dass wir sehr schnell die uns angebotenen
Durstlöscher greifen. Für die Frau waren es wohl ihre 6 Männer,
die ihr das Gefühl gaben, wertvoll und wichtig zu sein und die vielleicht
ihre Einsamkeit auffingen. Wie schnell wird eine Beziehung überfrachtet,
wenn sie als Durstlöscher gelebt wird. Sie erwartet alles von ihm
und er von ihr, sie geben sich keine Freiräume, vereinnahmen einander
und drücken sich die Luft zum Atmen ab. In dem anfangs zitierten Lied
hört sich das so an: „Ich lass das Licht an, bis du schlafen kannst,
doch du wälzt dich hin und her, schläfst die Nächte von
mir abgewandt, bist du einsam neben mir?“
Nicht jeder löscht
den Durst mit der Beziehung, andere sehen in ihren Kindern Befriedigung
ihrer Sehnsucht. Doch wenn die Kinder eigene Wege gehen, tut sich ein großes
Loch auf. Mancher arbeitet an einem Denkmal, er will etwas Einmaliges schaffen,
berühmt werden, viele Likes auf Facebook sammeln. Und einige Überstunden
werden geleistet in der Hoffnung, dass jemand die Leistung anerkennt und
lobt.
Es dauert lange, bis wir
merken, dass so unser Durst nicht gestillt wird. Der Partner kann nicht
immer nur Halt geben, er braucht ihn auch selbst. Das Denkmal setzt irgendwann
Moos an und verwittert. Der Arbeitsplatz kann umstrukturiert werden und
wackeln, man wird wieder zum Niemand.
So sind wir auf der Suche
nach Durstlöschern, die wirklich löschen. Da begegnet Jesus uns
am Brunnenrand auf unserem Weg. Er ist wie damals immer zuerst da, wenn
wir uns aufmachen, und wartet auf uns. Er sieht in unser Herz, was wir
am nötigsten brauchen. Er redet mit uns, es wird ein lebenslanger
Glaubenskurs.
Vielleicht fragen Sie sich,
wie dieses Reden Jesu denn konkret aussieht, und ich möchte Ihnen
weitergeben, wie ich persönlich Jesus reden höre. Vielleicht
entdecken Sie dabei etwas, was Sie auch schon erlebt haben.
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Im Alltag werde ich manchmal
angestupst und auf ein Thema hingewiesen: Das betrifft mich. Ein Bild,
ein Bibelwort, ein Gedanke entfaltet sich und zeigt mir, was Jesus mir
schenken will. So war mein Terminplan im Februar randvoll, dazu noch mehrere
Abwesenheitszeiten. Ich habe mich ernstlich gefragt, ob ich das alles packe.
Da las ich in einem Andachtsbuch, das ich für die Passionszeit geschenkt
bekommen hatte, von einem Kind, das mit der einen Hand den Vater festhält,
mit der anderen Erdbeeren und Himbeeren pflückt. Es war wie eine Antwort
Jesu auf meine Angst: Vertrau der Hand des Vaters, sie hält dich.
Und mit deiner anderen Hand kümmere dich fröhlich um all deine
Termine.
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Jesu Reden höre ich oft
deutlich. Er gibt mir Ruhe oder lässt mich unruhig werden. Er lenkt
meine Gedanken und meine Schritte. Mitten in konzentrierter Schreibtischarbeit
ist mir, als sollte ich jemand einen kurzen Gruß schicken, jemand
anrufen, eine Karte schreiben. Nicht immer weiß ich natürlich,
was das bewirkte, aber oft höre ich dann: das war genau im richtigen
Moment, das habe ich gerade gebraucht. Und so lasse ich mich gerne von
Jesus unterbrechen. Manchmal unterbricht er mich auch, um meinen Durst
zu löschen. Etwa wenn jemand mich anruft, mir Mut zuspricht, weil
Jesus ihn beauftragt hat. Das ist dann wie ein großes Glas meines
Lieblingssprudels an einem heißen Mittag.
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Jesus schickt mir auch Menschen,
die mich in seine Nähe bringen. Die Frau am Brunnen ließ ja
ihren Krug stehen und lief ins Dorf, um den Leuten von Jesus zu erzählen.
So erlebe ich es auch. Heute singt in unserem Gottesdienst ein Projektchor.
Er kann so ein Reden Jesu sein, die Sängerinnen und Sänger bringen
uns Jesus nahe, sie erzählen in ihren Liedern von ihm und öffnen
uns den Himmel. Zurzeit höre ich oft Lieder mit christlichem Inhalt.
Sie bringen mich ganz nahe an Jesu Herz und erfrischen mich spürbar.
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Jeder Sonntag ist ein Brunnentag.
Wir kommen zusammen als Solidargemeinschaft. Wir brauchen alle dieses lebendige
Wasser, Jesus in unserem Leben. Auch wenn wir ihn schon lange kennen, will
er die Beziehung auffrischen, ist er interessiert, wo wir heute stehen
und will auf unsere Themen heute eingehen. Manchmal komme ich in den Gottesdienst
mit viel zu kleinen Gefäßen. Manchmal haben sie auch Risse,
und all das Gute, das ich hier erlebe, reicht dann nicht weit. Aber immer
steht Jesu Angebot, mir nachzuschenken, denn er steht dazu: „Halt dich
an mir fest, weil das alles ist, was bleibt.“
Erfüllt von Jesus können
wir selbst lebendiges Wasser weitergeben, bis Jesus auch denen begegnet,
die der Durst an die Brunnen des Lebens treibt.
Viele Samariter in jenem
Ort kamen zum Glauben an Jesus, weil die Frau bezeugt hatte: »Er
hat mir alles gesagt, was ich getan habe.«
Als sie nun bei Jesus
eintrafen, baten sie ihn zu bleiben, und er verbrachte zwei Tage bei ihnen.
Da kamen noch viel mehr von ihnen zum Glauben aufgrund seiner Worte. Sie
erklärten der Frau: »Jetzt glauben wir nicht länger wegen
deiner Erzählung, sondern weil wir ihn selbst gehört haben. Wir
wissen jetzt, dass er wirklich der Retter der Welt ist.«
(Johannes 4,39-42)
Cornelia
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