Gottesdienst - und dann? (Amos 5,21-24)
Gottesdienst am 24.6.2018 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
im Bibelleseplan hatten wir uns mehrere Wochen durch den Hebräerbrief gearbeitet. Die Grundidee des Autors war, dass die Opferordnung des Alten Bundes durch Jesus abgelöst wurde. Opfer waren für die Menschen damals eine spürbare, riechbare und sichtbare Verbindung zu Gott. Wenn ihnen durch das Opfern eines Tieres Vergebung zugesprochen wurde, spielte sich diese Vergebung nicht nur im Kopf ab, sondern sie wurde handgreiflich.

Jesus hat diese Opfer zu Ende gebracht. Er ist die Verbindung zu Gott, er sagt uns Vergebung zu und lässt das auf seine Weise spürbar werden. Nicht wir müssen weiterhin Tiere zum Altar bringen und sie in einem Rauchopfer für Gott darbringen, sondern Jesus lädt uns an seinen Tisch und teilt aus – Liebe, Leben, Vergebung, Neuanfang, Trost und Ermutigung. Spürbar wird es im Abendmahl durch Brot und Wein, die er uns gibt, damit wir die nächste Wegstrecke mit seiner Hilfe gehen können.

Der Hebräerbrief hat in etwas komplizierten Worten und Satzgebilden zum Ausdruck gebracht, dass das Verständnis, was ein Gottesdienst ist, durch Jesus umgekehrt wurde. Gottesdienst meint nicht, dass wir Gott dienen, sondern dass Gott uns dient, durch Jesus, durch seine Speisung und Stärkung fürs Leben.

Der Bibelleseplan führte uns weiter zu einem weiteren biblischen Buch, das die Gottesdienste seiner Zeit thematisierte. Der Prophet Amos nahm diese Kultfeiern unter die Lupe.

Störgeräusche in Bethel
Spielen wir Mäuschen bei einem typischen Kultfest in Bethel im 8. Jahrhundert vor Christus. Tausende strömten, erwarteten Hilfe von Gott, Erweiterung ihres Horizonts und Heilung. Auf den tagelangen Pilgerwegen bis Bethel trugen die Leute Taubenkäfige, Früchte, etwas von ihrer Ernte mit sich. Das wollten sie Gott aus Dankbarkeit bringen. Der Priester Amazja nahm die Gaben in Empfang und opferte sie Gott als Brand-, Speis-, Dankopfer. Die musikalische Umrahmung der Feier ließ alle in eine ganz besondere Stimmung kommen. Nach Darbringung der Gaben sprach Amazja den Pilgern zu, dass Gott die Opfer angenommen hatte und sie nun in Frieden nach Hause gehen konnten. Der Segen Gottes sollte ihren Weg in den Alltag begleiten.

Viele Jahre und Jahrzehnte lief dieser Opferbetrieb in Bethel ungestört, bis Amos auftauchte. Er hatte im Nordreich Israel gar nichts zu suchen, stammte er doch aus dem Südreich. Amos nahm eine Weile an den Feierlichkeiten teil, schaute zu und spürte die Atmosphäre. Genau in dem Moment, in dem Amazja den Kultbescheid verlas, stand Amos auf, stellte sich neben ihn und riss das Wort an sich:

Amos 5,21-24
Der HERR sagt: »Ich hasse eure Feste und kann eure Feiern nicht ausstehen. Eure Brandopfer und Speiseopfer sind mir zuwider; das gemästete Vieh, das ihr für das Opfermahl schlachtet, kann ich nicht mehr sehen. Hört auf mit dem Geplärr eurer Lieder! Euer Harfengeklimper ist mir lästig! Sorgt lieber dafür, dass jeder zu seinem Recht kommt! Recht und Gerechtigkeit sollen das Land erfüllen wie ein Strom, der nie austrocknet.

Die Leute waren ratlos, was wollte dieser Mann aus dem Süden? Die Priester waren fassungslos. Statt dass die Menschen nun den Segen Gottes zugesprochen bekamen, wurden sie mit einem Fluch nach Hause geschickt. 

Kein Wunder, dass Amazja dafür sorgte, dass Amos ganz schnell aus Bethel ausgewiesen und in den Süden abgeschoben wurde.

Das Störgeräusch aus Bethel ist in die Sammlung der Bibel eingegangen. Warum? Soll Amos kritisch auf unsere Gottesdienste schauen? Ist unser Bethel, zu Deutsch „Haus Gottes“, wirklich ein Ort, an dem Gott gerne ein- und ausgeht?

Störgeräusche in Korinth
Bethel ist nicht der einzige Ort, von dem die Bibel Störgeräusche überliefert. Machen wir einen großen Sprung in die Stadt Korinth ca. 50 nach Christus. Die Gemeinde ist von Paulus vor ein paar Jahren gegründet worden, Christen der ersten Generation kamen dort zusammen. Dem Korintherbrief entnehmen wir, dass die Gemeinde lebendig war, begeisterte Leute zusammenkamen, die Jesus und seinen Geist erlebt hatten. Zungenrede, Prophetien, Heilungen, Abendmahlsfeiern und engagierte Schriftauslegung waren an der Tagesordnung. 

An dem Tag ist ein Bote mit einem neuen Paulusbrief eingetroffen. Alle saßen gespannt auf ihren Polstern. Sie erwarteten ermutigende Worte, eine neue Ausrichtung des Gebets und vielleicht auch neue Visionen für die Zukunft. Aber stattdessen wird der Satz vorgelesen: „Ohne Liebe ist alles nichts“ (1.Korinther 13,1-3).

Fragende Gesichter, betroffenes Schweigen. Die Visionäre fragen sich: Sind unsere Eingebungen nur Verlängerung unserer Wünsche, oder stehen sie im Dienst der Liebe an den anderen? Die sozial Engagierten prüfen sich: Machen wir das, um von anderen bewundert zu werden, oder weil wir uns aus Liebe den Armen widmen wollen?

Paulus gibt der Gemeinde zu verstehen, dass das Vorzeichen für alles Tun und Glauben entscheidend ist wie bei einer Melodie. Manche Töne einer Melodie werden durch ein Kreuz am Anfang der Liedzeile um einen Halbton erhöht. So erhöht das Kreuz Jesu alles Tun um die Liebe, die den Taten die Richtung gibt.

Amos kritisierte, dass die Menschen nicht die Gegenwart Gottes aufsuchten trotz Gottesdiensten und Opferfesten, denn sie nahmen Gottes Weisung nicht auf. So versiegte der Fluss „Gerechtigkeit und Recht“, die Gesellschaft brach auseinander, die Liebe untereinander starb.

Paulus griff diesen Gedankengang auf. Wenn Christen sich nicht von der Liebe Jesu füllen lassen, feiern sie nur sich selbst und ihre Bedürfnisse. Die Liebe kann nicht nach außen fließen, der Strom der Liebe verebbt.

Als Kind war ich in Berlin jedes Jahr auf dem Deutsch-Französischen Volksfest. Außer an die Zuckerwatte erinnere ich mich noch an die eindrucksvollen Fassaden von Häusern, komplett aus Pappe, und hintendran war nichts. Ohne Liebe zueinander und zu den Menschen, mit denen wir im Alltag zusammenkommen, ist Gemeinde Jesu nur Pappfassade, schön anzusehen, aber mit nichts dahinter.

Das Gremium, das den jährlichen Bibelleseplan festlegt, will wohl, dass wir alle 8 Jahre von Amos aufgescheucht werden. Nötig sind Korrekturen, bevor es zu spät ist. Bei Amos geschah zwei Jahre später ein verheerendes Erdbeben, gedeutet als Konsequenz auf die tauben Ohren der Verantwortlichen.

Korrektur unserer Gottesbeziehung
Gottesdienst, so lernen wir es von den Störgeräuschen, heißt nicht, etwas Religion mitzunehmen, uns bestätigen zu lassen in unseren Ansichten und unseren Vorhaben. Ein Gottesdienstteilnehmer sollte nicht nach Hause gehen und wieder in die alten Pantoffeln schlüpfen, die alten Muster des Lebens bedienen.

Wir sind hoffentlich nicht so krass wie die Leute in Bethel oder Korinth, führen fromme Reden und treten unsere Mitmenschen mit Füßen. Aber an manchen Punkten könnte es schon Veränderungspotential geben.

Erwarten wir wirklich Gottes Kraft und Hilfe, oder vertrauen wir auf die eigene Kraft, und wenn die nicht reicht, verzweifeln wir?

Geben wir Gott Freiraum, um mit uns zu reden, oder ist unser Terminkalender so voll mit anderen Themen, dass wir Gott Tag um Tag vertrösten?

Wirkt eine Stunde mit Gott am Sonntagmorgen nach, indem wir in der neuen Woche wenigstens eine Kleinigkeit anders machen, oder ist Gottesdienst wie duschen, abtrocknen und danach trotzdem wieder schwitzen?

Ein kleiner Schritt zur Veränderung könnte sein, dass ich heute einen Impuls festhalte und mitnehme, dass ich ein Lied behalte und die Woche über singe, dass ich ein Gespräch beim Kaffee ins Gebet nehme und für die Person die Woche über bete, dass ich von dem, was ich heute hier empfange, einem Menschen am Montag weitergebe.

Im Gottesdienst dient Gott uns, Jesus ist in unserer Mitte und sammelt uns um sich. Gottesdienst ist nicht Selbstbestätigung - wir sind toll und toller -, sondern Gottesbestätigung. Jesus ist mit uns unterwegs und bleibt bei uns. Nicht wir bringen Gott sonntags unsere Rewe-Karten mit Treuepunkten und erwarten eine Prämie für unser Verhalten, sondern er versorgt uns hier mit Recht, Gerechtigkeit und Liebe. Ob wir uns vom Tisch des Herrn bedienen lassen, wird erst sichtbar am Montag, an dem, was wir anderen austeilen.

Der HERR sagt: »Es kommt der Tag, an dem ich die verfallene Hütte Davids wieder aufrichten werde. Ich maure die Risse zu und ziehe die eingestürzten Mauern hoch, sodass das Haus Davids in alter Pracht wieder ersteht. (Amos 9,11)

Cornelia Trick


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