Gottes Möglichkeiten
Gottesdienst am 11.01.2009

Liebe Gemeinde,
Sören Kierkegaard beschrieb Christen seiner Zeit mit dem Bild von schnatternden Gänsen auf einem Bauernhof. An jedem siebten Tag zog eine festliche Parade auf. GänseIm Gänsemarsch versammelte sich das stattliche Federvieh, und der beredste Gänserich stellte sich auf den Zaun, um mit ergreifenden Worten über das Wunder der Gänse zu schnattern. Er berichtete von längst vergangenen Zeiten, als die Gänse noch flogen und ganze Erdteile überquerten. Er lobte die Schöpfermacht und Güte Gottes, der den Gänsen so überaus große Flügel gab und sie mit einem sicheren Instinkt zum Fliegen ausstattete. Die Gänse waren nach dieser Rede wie immer tief beeindruckt, senkten andächtig die Köpfe und drückten die Flügel fest an ihre wohlgenährten Körper. Auf dem Weg nach Hause lobten sie die Predigt und den redegewandten Gänserich. Aber das war alles. Zum Fliegen kamen sie nicht. Das Korn war zu gut und der Hof zu sicher.

Diese Beispielerzählung gleicht einer Karikatur von Christen, die wissen, worauf es ankommt, aber das nicht umsetzen. Die Jahreslosung 2009 im Zusammenhang des biblischen Kontextes konfrontiert uns mit dieser Situation.
Ein reicher, einflussreicher religiöser Führer, der wahrscheinlich zu den Pharisäern gehörte, wollte von Jesus hören, dass er alles richtig machte und so den Freifahrtschein für das Reich Gottes in der Tasche hatte.

Lukas 18,18-30

Und es fragte ihn ein Oberer und sprach: Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!« Er aber sprach: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf. Als Jesus das hörte, sprach er zu ihm: Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen  Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! Als er das aber hörte, wurde er traurig; denn er war sehr reich. Als aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes! Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme. Da sprachen, die das hörten: Wer kann dann selig werden? Er aber sprach: 
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.
Da sprach Petrus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt. Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

Jesus trifft diesen Mann an seiner Achillesferse. Die 10 Gebote hält er, aber beim Test versagt er. Gott lieben will er, aber umsetzen, sein Geld den Armen geben und Jesus folgen, kann er es nicht. Es ist die Eigenart Jesu, uns an unseren ganz individuellen Schwachstellen des Lebens zu treffen. Ein anderer einflussreicher Mann kam auch zu Jesus und stellte ihm die gleiche Frage (Lukas 10,25ff), wohl auch um zu hören, dass er alles richtig machte. Ihm gab Jesus eine andere Antwort und erzählte ihm das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Der Mann hatte offenbar kein Problem mit Geld, sondern mit der Liebe zu seinen Mitmenschen. Welche Schwachstelle möchte Jesus bei mir aufdecken? Was hindert mich, es wie die Jünger zu machen und alles für Jesus hinzugeben? Kann ich loslassen, wenn Jesus mit dem Finger darauf zeigt?
Diese Spannung löst sich auch im Jüngergespräch nicht auf. Jesus bestärkt die Jünger, dass sie alles richtig gemacht haben, als sie ihre Vergangenheit hinter sich ließen. Die Verwandtschaftsbeziehungen, die in damaliger Zeit sehr oft einengend waren und Lebensmöglichkeiten abschnitten, wurden vielfach ersetzt durch die neue Gemeinschaft der Jesusnachfolger, die neue Familie Jesu. Der Lohn wartete nicht erst in der Ewigkeit, sondern schon in der unmittelbaren Gegenwart. 

Doch der reiche Mann konnte sich darauf nicht einlassen. Er wurde traurig. Vielleicht sah er nicht nur seinen dicken Geldspeicher, aus dem er verteilen sollte. Vielleicht hatte er ein Unternehmen mit Angestellten, für die er Verantwortung trug. Die konnte er nicht einfach so dastehen lassen.

Diese Traurigkeit des Mannes lässt Gott nicht das letzte Wort sein, sondern das erste. Es sind die Tränen, die man vergießt, wenn man Gottes Ansprüchen nicht gerecht wird. Es ist die Trauer, aus eigener Kraft Gott nicht gefallen zu können.

Petrus weinte, als ihm bewusst wurde, dass er Jesus verraten hatte. Er hatte mit Jesus sterben wollen, doch es hatte noch nicht mal zu dem Bekenntnis gereicht, dass er mit Jesus umhergezogen war. Petrus erkannte, dass es keinen Rückwärtsgang im Leben gibt und er aus eigener Kraft Gottes Ansprüchen nicht genügen konnte. Seine Trauer war der erste Schritt zur Umkehr. Nun erst ließ er sich von Jesus erneut in die Nachfolge rufen und gab sich ihm ganz bis in den Märtyrertod. 

Der reiche Mann war wie das Kamel, das von allein nicht durch ein Nadelöhr passt. Gottes Möglichkeiten sind gefragt.
Sehr leicht ließe sich die Jahreslosung aus dem Kontext herauslösen und benutzen wie eine Ereigniskarte beim Spiel Monopoly: „Mit dieser Karte kommen Sie aus dem Gefängnis frei!“ Eine Jahreslosung als Freikarte für die komplizierten Fälle in 2009. Doch dass bei Gott Unmögliches möglich wird, heißt nicht, dass Reiche nun doch in den Himmel kommen oder Lieblose ohne Nächstenliebe Gottes Reich erben werden. Stattdessen sagt uns die Jahreslosung: Gott kann es möglich machen, dass ein Reicher alles hingibt für Jesus, dass ein Unternehmer sein Unternehmen verkauft und das Geld für ein Jugendhaus im sozialen Brennpunkt investiert. Gott kann es möglich machen, dass ein egoistischer Mensch seine eigenen Pläne drangibt, um Nachbarskindern ein warmes Essen zu kochen. Gott kann es möglich machen, dass meine eigene Achillesferse besiegt wird und ich neu höre, wozu Jesus mich beruft.

Die Jahreslosung legt uns Gott ans Herz und seinen Werben um uns. Er ist nicht der Strippenzieher, der macht, was er will, eben auch Menschenunmögliches. Sondern er sucht eine Beziehung zu uns in Jesus Christus. Loszulassen für ihn ist nur die Voraussetzung, Jesus folgen zu können. Und Jesus zu folgen heißt, mit freien Händen Gott zu erleben in neuer Familie, neuen Beziehungen, neuem Reichtum und mit einer Aufgabe, die Sinn macht, siehe Petrus, der Missionar wurde.

In methodistischer Tradition feiern wir am Beginn des Neuen Jahres die Erneuerung unseres Bundes mit Gott. Es ist eine neue Chance, Jesus darum zu bitten, uns zu zeigen, wo unsere Schwachstellen sind, und ihn zu bitten, sie zu heilen und uns von allem zu befreien, was uns von ihm trennt. 

„Ich gehöre nicht mehr mir, sondern dir. Stelle mich, wohin du willst. Geselle mich, zu wem du willst. Lass mich wirken, lass mich dulden. Brauche mich für dich oder stelle mich für dich beiseite. Erhöhe mich für dich, erniedrige mich für dich. Lass mich erfüllt sein, lass mich leer sein. Lass mich alles haben, lass mich nichts haben. In freier Entscheidung und von ganzem Herzen überlasse ich alles deinem Willen und Wohlgefallen. Herrlicher und erhabener Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist: Du bist mein und ich bin dein. So soll es sein. Bestätige im Himmel den Bund, den ich jetzt auf Erden erneuert habe. Amen.“ (Aus der Liturgie des Bundeserneuerungsgottesdienstes, Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche, Stuttgart 2002, S. 1363-1367)

Cornelia Trick


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