Gottesdienst am 13.05.2012
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
zu einer Entdeckungsreise
lade ich Sie ein. Vor uns steht ein großes, ehrwürdiges Haus
mit einem großen Eingangsportal. Vor dem Haus ist eine Infotafel
angebracht, auf der steht:
„Wenn Sie die Sehnsucht
haben, ganz nah bei Gott zu sein, mit ihm unterwegs, von ihm geführt
und behütet zu sein, in seinem Auftrag zu handeln, sind Sie hier richtig.
Herzlich willkommen!“
Wir treten durch die Eingangstür
und kommen in die Eingangshalle, die den Seligpreisungen der Bergpredigt
gewidmet ist. Wir lernen hier, dass die selig oder glücklich zu nennen
sind, die ihr Leben Gott widmen und ihm vertrauen. Sie leben als Kinder
Gottes frei und mit Ewigkeitsperspektive. Eine Tür führt weiter.
Wir finden uns in einem Raum wieder, der von Licht erfüllt ist. Uns
wird eine Kerze in die Hand gedrückt: „Ihr seid das Licht der Welt.“
Es ist Jesu Licht, das wir in der Hand halten und das durch uns in die
Welt getragen werden will. Von diesem Raum gehen viele Türen ab. Es
sind Entscheidungstüren. Will ich mit Gott leben und danach handeln,
trete ich durch Türen, die mich weiter ins Innere des Hauses führen.
Entscheide ich mich dagegen, trete ich durch die Türen, die mich wieder
nach draußen führen.
Schließlich komme
ich zu einem Bereich, dessen Türschild verrät: „Gebet“.
Matthäus 6,1
Hütet euch, eure Frömmigkeit
vor den Menschen zur Schau zu stellen! Denn dann habt ihr keinen Lohn mehr
von eurem Vater im Himmel zu erwarten.
Um in diesen innersten
Raum zu kommen, sind zwei Vorzimmer zu durchqueren. Sie fordern auf, alles
Störende abzulegen. Einmal werde ich aufgefordert, Almosen zu geben,
um frei für Gott zu werden. Was ich weggegeben habe, soll mich nicht
mehr beschäftigen. Materiell kann ich mich in Gottes Hand legen, er
sorgt für mich.
Ein anderer Raum ermutigt
mich zum Fasten. Ich soll frei von Bedürfnissen nach diesem und jenem
werden. Ich werde nicht verhungern, aber muss mir keine Gedanken um abwechslungsreiches
Kochen, Einkaufen, Lust und Appetit machen. Ich werde bereit für andere
Nahrung, die Gott mir geben will.
Nicht vor jedem Gebet sind
diese beiden Vorzimmer zu passieren. Es geht hier eher um eine Lebenshaltung.
Wir werden ermutigt, unseren Alltag immer wieder loszulassen, aus dem Hamsterrad
der täglichen Bedürfnisse auszusteigen und uns auf die Zeit mit
Gott vorzubereiten. Ob das konkret ein Spaziergang ist, ein Tagebucheintrag,
ein kurzes Innehalten oder Singen, wird jede und jeder für sich selbst
entdecken.
Nun stehen wir vor der
innersten Tür:
Matthäus 6,5-8
Wenn ihr betet, dann tut es
nicht wie die Scheinheiligen! Sie beten gern öffentlich in den Synagogen
und an den Straßenecken, damit sie von allen gesehen werden. Ich
versichere euch: Sie haben ihren Lohn schon kassiert. Wenn du beten willst,
dann geh in dein Zimmer, schließ die Tür zu und bete zu deinem
Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht,
wird dich dafür belohnen. Wenn ihr betet, dann leiert nicht Gebetsworte
herunter wie die Heiden. Sie meinen, sie könnten bei Gott etwas erreichen,
wenn sie viele Worte machen. Ihr sollt es anders halten. Euer Vater weiß,
was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet.
Was Gebet nicht ist
Wir öffnen die Tür
und finden uns vor einer Schleuse wieder, die wie eine Waschstraße
wirkt. Hier werden die falschen Vorstellungen vom Gebet erstmal von uns
abgewaschen.
-
Beten ist nicht ein öffentliches
Zur-Schau-Stellen unserer Frömmigkeit. Scheinheilige sind nach der
wörtlichen Übersetzung Schauspieler, die das Gebet nur spielen,
sie neigen den Kopf, falten die Hände und sehen sehr bedächtig
aus. Damals brachte es Ansehen, wenn man viel betete. Heute ist Beten nicht
so angesagt, aber dennoch können wir leicht zu Schauspielern werden.
Wenn wir in der Kantine, Mensa oder im Rstaurant mit Nicht-Christen sitzen
und unser Tischgebet sprechen, zum Beispiel. Ich habe mich schon ertappt,
wie ich den Kopf senkte, ohne irgendetwas zu beten. Es war eine leere Geste
um zu dokumentieren, dass ich Christin bin. Seit einiger Zeit habe ich
mir angewöhnt, in diesen Situationen nur einen kurzen Satz zu beten,
aber das auch wirklich zu tun. Manchmal nimmt das mein Gegenüber gar
nicht wahr, aber das braucht er auch nicht. Ich bete wegen Gott und danke
ihm für das Essen, Predigen ist ein andermal dran.
-
Beten ist kein Reden über
Gott. Hier werden wir aufgefordert, das stille Kämmerlein, eine uneinsehbare
Speisekammer im Bauernhaus aufzusuchen. Dadurch entkommen wir der Versuchung,
mit unserem Gebet eine Predigt zu halten, andere zu kritisieren oder einen
Streit auszutragen, indem Gott ins Spiel gebracht wird. Der Vater im Himmel
ist nicht Mittel zum Zweck, um mit einem anderen Menschen zu kommunizieren.
Er ist nicht das Handy, mit Hilfe dessen wir mit anderen kommunizieren,
sondern ist selbst unser direkter Gesprächspartner. So erklärt
sich auch das stille Kämmerlein. Wir dürfen auch an anderen Orten
beten, wir tun es im Gottesdienst und in Gebetsgemeinschaften. Aber immer
geht es darum, dass jeder Beter zuerst mit Gott redet. Das Kämmerlein
ist ein guter Übungsplatz dafür.
-
Beten ist nicht Überredungskunst.
Wenn wir Gott mit einem Thema in den Ohren liegen, brauchen wir keine langen
Sätze zu machen, stundenlang irgendwelche Riten zu absolvieren oder
mit einer besonderen Werbekampagne für unser Anliegen aufwarten. Gott
als der Vater weiß, was seine Kinder brauchen. Er ermutigt uns, dass
wir ihm sagen, was wir von ihm wollen. Aber nicht die Worte machen es glaubwürdig,
sondern unser Vertrauen, das wir Gott durch seinen Sohn Jesus entgegenbringen.
Er lädt uns in seine Nähe, um mit uns zusammen zu sein. Der Raum
des Gebets ist kein Supermarkt.
Was Gebet ist
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Gebet ist Begegnung mit Gott
im Namen Jesu. Jesus empfängt mich, nachdem ich die Waschstraße
durchlaufen habe. Er nimmt mich an die Hand und führt mich vor Gott,
das bedeutet die Kurzform „Im Namen Jesu beten“. Ich könnte mich ohne
Jesus nicht in Gottes Nähe wagen, das Zugangswort „Vater“ gibt mir
Jesus.
-
Gebet beginnt mit Vertrauen.
Vater und Mutter wissen, was ihr Kind braucht. Gedacht ist bei diesem Bild
an ein tatsächliches Kind, nicht an einen Heranwachsenden. Ein Vierjähriger
muss seine Eltern nicht überzeugen, dass er nach ein paar Stunden
Spielen einen Bärenhunger hat. Das wissen seine Eltern normalerweise
selbst. Diese Erfahrung überträgt Jesus auf unser Gottesverhältnis.
Wie die Mutter weiß, wann das Kind Hunger hat, so weiß der
Vater im Himmel um unsere Sehnsüchte und unseren Hunger. Jesus versichert
uns, dass Gott uns liebt, dass er das Beste für uns will, dass er
unser Leben zum Ziel bringen will.
Das Beten wird dadurch nicht
überflüssig, sondern ist unser Zeichen des Vertrauens, dass der
Vater sich um uns kümmern wird. Und weil wir ihm sagen, was uns auf
der Seele liegt, werden wir auch darauf achten, was er antwortet. Seine
Antwort kann sehr unterschiedlich ausfallen. Ich habe mir die vier kurzen
Worte ja, nein, noch nicht oder wachse! gemerkt.
Oft sagt Gott Ja, das sind
die Gebetserhörungen, die wir sehr schnell erfahren. Sei es der simple
Parkplatz, um den wir bitten, sei es eine überstandene Prüfung,
ein wichtiges Gespräch, das Bestehen dieses Tages. Manchmal müssen
wir auch ein Nein hinnehmen. Was wir uns wünschen, ist nicht Gottes
Wille. Den Ferrari will er mir nicht schenken – vielleicht, weil ich damit
nicht umgehen könnte? Oft antwortet Gott mit einem „noch nicht“. Unser
Wunsch steht in der Warteschleife. Anderes muss sich zuerst fügen,
für Gottes Erhörung ist jetzt nicht die Zeit. Schwer auszuhalten
ist es, wenn jemand Jahre-lang für einen ihm lieben Menschen betet
und immer nur „noch nicht“ hört. Wie kann man das aushalten? Wohl
nur, weil Jesus dabei ist, der wieder und wieder versichert, dass der Vater
hört. Ich höre oft Gottes Antwort „wachse“. Er lockt mich zur
Entwicklung. Um mein Gebet zu erhören, erwartet der Vater im Himmel
von mir konkrete Schritte auf ihn zu. Er schenkt mir die Gebetserhörung
nicht wie ein Päckchen vom Versandhaus, sondern ermutigt mich, der
Gebetserhörung entgegen zu gehen. Es ist spannend, auf Gottes Antworten
zu achten und uns auf den Weg zu machen.
-
Gebet braucht Stille und zwar
in zwei Dimensionen. Um Gott zu hören, muss ich mich auf seine Stimme
einlassen können. Alle anderen Stimmen um mich herum würden mich
nur ablenken. Deshalb ist es wichtig, beim Beten diesen innersten Raum
im Haus vor Augen zu haben. Hier ist Stille, nichts stört das Hören.
Aber manchmal ist es gar nicht der Lärm von außen, der mich
vom Beten ablenkt. Auch meine eigenen inneren Stimmen sind laut. Eine,
die ich persönlich sehr gut hören kann, sagt: „Da wird Gott sowieso
nicht reagieren.“ Es ist die Stimme des Kleinglaubens, die mich taub für
Gottes Reden macht. Die jedes Beten schon vorher unwirksam werden lässt,
weil ich längst beschlossen habe, dass Gott nicht erhören wird.
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Gebet wächst mit Übung.
Die Sprache Gottes zu lernen, braucht Zeit. Auch hier lernen Kinder schneller
als Erwachsene. Doch wir werden erleben, dass wir Erfahrungen machen werden,
die unser Gottvertrauen immer stärker werden lassen. Wie gut ist es,
dass wir in diesem Raum der Stille nicht allein sind. Jesus hilft uns.
Und auch Gebetsgemeinschaften helfen, miteinander auf Gott hören zu
lernen und dranzubleben, auch wenn die Antworten Gottes nicht immer Ja
sind.
Inhalte des Betens
Jesus gibt seinen Jüngern
das Vaterunser, um ihnen ein Formular in die Hand zu geben, wie sie beten
können. Wir kennen das Vaterunser, ich muss es jetzt nicht hier zitieren
und will auch nur kurz darauf eingehen. Die einzelnen Bitten lassen sich
so zusammenfassen: Wir stimmen uns ein auf Gott: sein Name ist Vater, es
geht um sein Reich und sein Wille steht im Mittelpunkt, der Leben verheißt.
Wir bitten um Tägliches. Das Brot steht für alles, was wir zum
Leben brauchen, Materielles, Luft und Liebe. Mit dem Thema Schuld wird
die Bitte um Frieden angeführt. Alles, was den Frieden zwischen Gott
und Mensch und untereinander stört, legen wir in Gottes Hand. Zum
Schluss nennt Jesus die Bitte, bei Gott zu bleiben, dass keine Versuchung
und auch nicht das Böse uns von ihm trennen können.
Was aus dem Beten folgt
Wir müssen den Raum des
Gebets wieder verlassen. Wir werden nach der Erfahrung in seinem Raum ständig
mit ihm in Kontakt bleiben, wir sind online. Wir merken, das Zusammensein
mit dem Vater im Himmel hat uns verändert. Wir sind voller Gottvertrauen,
fähig, für Frieden zu sorgen, weil wir bereit zur Vergebung wurden,
getrost, dass der Vater im Himmel hört und erhört und fähig,
als Salz und Licht in der Welt zu leben.
Und jederzeit können
wir wieder zu ihm kommen, Jesus erwartet uns an der Tür.
Cornelia
Trick
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