Ganz nah bei Gott (Matthäus 6, 1+5-8)
Gottesdienst am 13.05.2012

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
zu einer Entdeckungsreise lade ich Sie ein. Vor uns steht ein großes, ehrwürdiges Haus mit einem großen Eingangsportal. Vor dem Haus ist eine Infotafel angebracht, auf der steht:
„Wenn Sie die Sehnsucht haben, ganz nah bei Gott zu sein, mit ihm unterwegs, von ihm geführt und behütet zu sein, in seinem Auftrag zu handeln, sind Sie hier richtig. Herzlich willkommen!“
Wir treten durch die Eingangstür und kommen in die Eingangshalle, die den Seligpreisungen der Bergpredigt gewidmet ist. Wir lernen hier, dass die selig oder glücklich zu nennen sind, die ihr Leben Gott widmen und ihm vertrauen. Sie leben als Kinder Gottes frei und mit Ewigkeitsperspektive. Eine Tür führt weiter. Wir finden uns in einem Raum wieder, der von Licht erfüllt ist. Uns wird eine Kerze in die Hand gedrückt: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Es ist Jesu Licht, das wir in der Hand halten und das durch uns in die Welt getragen werden will. Von diesem Raum gehen viele Türen ab. Es sind Entscheidungstüren. Will ich mit Gott leben und danach handeln, trete ich durch Türen, die mich weiter ins Innere des Hauses führen. Entscheide ich mich dagegen, trete ich durch die Türen, die mich wieder nach draußen führen. 
Schließlich komme ich zu einem Bereich, dessen Türschild verrät: „Gebet“.

Matthäus 6,1

Hütet euch, eure Frömmigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen! Denn dann habt ihr keinen Lohn mehr von eurem Vater im Himmel zu erwarten.

Um in diesen innersten Raum zu kommen, sind zwei Vorzimmer zu durchqueren. Sie fordern auf, alles Störende abzulegen. Einmal werde ich aufgefordert, Almosen zu geben, um frei für Gott zu werden. Was ich weggegeben habe, soll mich nicht mehr beschäftigen. Materiell kann ich mich in Gottes Hand legen, er sorgt für mich.

Ein anderer Raum ermutigt mich zum Fasten. Ich soll frei von Bedürfnissen nach diesem und jenem werden. Ich werde nicht verhungern, aber muss mir keine Gedanken um abwechslungsreiches Kochen, Einkaufen, Lust und Appetit machen. Ich werde bereit für andere Nahrung, die Gott mir geben will.

Nicht vor jedem Gebet sind diese beiden Vorzimmer zu passieren. Es geht hier eher um eine Lebenshaltung. Wir werden ermutigt, unseren Alltag immer wieder loszulassen, aus dem Hamsterrad der täglichen Bedürfnisse auszusteigen und uns auf die Zeit mit Gott vorzubereiten. Ob das konkret ein Spaziergang ist, ein Tagebucheintrag, ein kurzes Innehalten oder Singen, wird jede und jeder für sich selbst entdecken.

Nun stehen wir vor der innersten Tür:

Matthäus 6,5-8

Wenn ihr betet, dann tut es nicht wie die Scheinheiligen! Sie beten gern öffentlich in den Synagogen und an den Straßenecken, damit sie von allen gesehen werden. Ich versichere euch: Sie haben ihren Lohn schon kassiert. Wenn du beten willst, dann geh in dein Zimmer, schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen. Wenn ihr betet, dann leiert nicht Gebetsworte herunter wie die Heiden. Sie meinen, sie könnten bei Gott etwas erreichen, wenn sie viele Worte machen. Ihr sollt es anders halten. Euer Vater weiß, was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet. 

Was Gebet nicht ist

Wir öffnen die Tür und finden uns vor einer Schleuse wieder, die wie eine Waschstraße wirkt. Hier werden die falschen Vorstellungen vom Gebet erstmal von uns abgewaschen. 
  • Beten ist nicht ein öffentliches Zur-Schau-Stellen unserer Frömmigkeit. Scheinheilige sind nach der wörtlichen Übersetzung Schauspieler, die das Gebet nur spielen, sie neigen den Kopf, falten die Hände und sehen sehr bedächtig aus. Damals brachte es Ansehen, wenn man viel betete. Heute ist Beten nicht so angesagt, aber dennoch können wir leicht zu Schauspielern werden. Wenn wir in der Kantine, Mensa oder im Rstaurant mit Nicht-Christen sitzen und unser Tischgebet sprechen, zum Beispiel. Ich habe mich schon ertappt, wie ich den Kopf senkte, ohne irgendetwas zu beten. Es war eine leere Geste um zu dokumentieren, dass ich Christin bin. Seit einiger Zeit habe ich mir angewöhnt, in diesen Situationen nur einen kurzen Satz zu beten, aber das auch wirklich zu tun. Manchmal nimmt das mein Gegenüber gar nicht wahr, aber das braucht er auch nicht. Ich bete wegen Gott und danke ihm für das Essen, Predigen ist ein andermal dran.
  • Beten ist kein Reden über Gott. Hier werden wir aufgefordert, das stille Kämmerlein, eine uneinsehbare Speisekammer im Bauernhaus aufzusuchen. Dadurch entkommen wir der Versuchung, mit unserem Gebet eine Predigt zu halten, andere zu kritisieren oder einen Streit auszutragen, indem Gott ins Spiel gebracht wird. Der Vater im Himmel ist nicht Mittel zum Zweck, um mit einem anderen Menschen zu kommunizieren. Er ist nicht das Handy, mit Hilfe dessen wir mit anderen kommunizieren, sondern ist selbst unser direkter Gesprächspartner. So erklärt sich auch das stille Kämmerlein. Wir dürfen auch an anderen Orten beten, wir tun es im Gottesdienst und in Gebetsgemeinschaften. Aber immer geht es darum, dass jeder Beter zuerst mit Gott redet. Das Kämmerlein ist ein guter Übungsplatz dafür.
  • Beten ist nicht Überredungskunst. Wenn wir Gott mit einem Thema in den Ohren liegen, brauchen wir keine langen Sätze zu machen, stundenlang irgendwelche Riten zu absolvieren oder mit einer besonderen Werbekampagne für unser Anliegen aufwarten. Gott als der Vater weiß, was seine Kinder brauchen. Er ermutigt uns, dass wir ihm sagen, was wir von ihm wollen. Aber nicht die Worte machen es glaubwürdig, sondern unser Vertrauen, das wir Gott durch seinen Sohn Jesus entgegenbringen. Er lädt uns in seine Nähe, um mit uns zusammen zu sein. Der Raum des Gebets ist kein Supermarkt.
Was Gebet ist
  • Gebet ist Begegnung mit Gott im Namen Jesu. Jesus empfängt mich, nachdem ich die Waschstraße durchlaufen habe. Er nimmt mich an die Hand und führt mich vor Gott, das bedeutet die Kurzform „Im Namen Jesu beten“. Ich könnte mich ohne Jesus nicht in Gottes Nähe wagen, das Zugangswort „Vater“ gibt mir Jesus. 
  • Gebet beginnt mit Vertrauen. Vater und Mutter wissen, was ihr Kind braucht. Gedacht ist bei diesem Bild an ein tatsächliches Kind, nicht an einen Heranwachsenden. Ein Vierjähriger muss seine Eltern nicht überzeugen, dass er nach ein paar Stunden Spielen einen Bärenhunger hat. Das wissen seine Eltern normalerweise selbst. Diese Erfahrung überträgt Jesus auf unser Gottesverhältnis. Wie die Mutter weiß, wann das Kind Hunger hat, so weiß der Vater im Himmel um unsere Sehnsüchte und unseren Hunger. Jesus versichert uns, dass Gott uns liebt, dass er das Beste für uns will, dass er unser Leben zum Ziel bringen will.
Das Beten wird dadurch nicht überflüssig, sondern ist unser Zeichen des Vertrauens, dass der Vater sich um uns kümmern wird. Und weil wir ihm sagen, was uns auf der Seele liegt, werden wir auch darauf achten, was er antwortet. Seine Antwort kann sehr unterschiedlich ausfallen. Ich habe mir die vier kurzen Worte ja, nein, noch nicht oder wachse! gemerkt.

Oft sagt Gott Ja, das sind die Gebetserhörungen, die wir sehr schnell erfahren. Sei es der simple Parkplatz, um den wir bitten, sei es eine überstandene Prüfung, ein wichtiges Gespräch, das Bestehen dieses Tages. Manchmal müssen wir auch ein Nein hinnehmen. Was wir uns wünschen, ist nicht Gottes Wille. Den Ferrari will er mir nicht schenken – vielleicht, weil ich damit nicht umgehen könnte? Oft antwortet Gott mit einem „noch nicht“. Unser Wunsch steht in der Warteschleife. Anderes muss sich zuerst fügen, für Gottes Erhörung ist jetzt nicht die Zeit. Schwer auszuhalten ist es, wenn jemand Jahre-lang für einen ihm lieben Menschen betet und immer nur „noch nicht“ hört. Wie kann man das aushalten? Wohl nur, weil Jesus dabei ist, der wieder und wieder versichert, dass der Vater hört. Ich höre oft Gottes Antwort „wachse“. Er lockt mich zur Entwicklung. Um mein Gebet zu erhören, erwartet der Vater im Himmel von mir konkrete Schritte auf ihn zu. Er schenkt mir die Gebetserhörung nicht wie ein Päckchen vom Versandhaus, sondern ermutigt mich, der Gebetserhörung entgegen zu gehen. Es ist spannend, auf Gottes Antworten zu achten und uns auf den Weg zu machen.

  • Gebet braucht Stille und zwar in zwei Dimensionen. Um Gott zu hören, muss ich mich auf seine Stimme einlassen können. Alle anderen Stimmen um mich herum würden mich nur ablenken. Deshalb ist es wichtig, beim Beten diesen innersten Raum im Haus vor Augen zu haben. Hier ist Stille, nichts stört das Hören. Aber manchmal ist es gar nicht der Lärm von außen, der mich vom Beten ablenkt. Auch meine eigenen inneren Stimmen sind laut. Eine, die ich persönlich sehr gut hören kann, sagt: „Da wird Gott sowieso nicht reagieren.“ Es ist die Stimme des Kleinglaubens, die mich taub für Gottes Reden macht. Die jedes Beten schon vorher unwirksam werden lässt, weil ich längst beschlossen habe, dass Gott nicht erhören wird.
  • Gebet wächst mit Übung. Die Sprache Gottes zu lernen, braucht Zeit. Auch hier lernen Kinder schneller als Erwachsene. Doch wir werden erleben, dass wir Erfahrungen machen werden, die unser Gottvertrauen immer stärker werden lassen. Wie gut ist es, dass wir in diesem Raum der Stille nicht allein sind. Jesus hilft uns. Und auch Gebetsgemeinschaften helfen, miteinander auf Gott hören zu lernen und dranzubleben, auch wenn die Antworten Gottes nicht immer Ja sind.
Inhalte des Betens
Jesus gibt seinen Jüngern das Vaterunser, um ihnen ein Formular in die Hand zu geben, wie sie beten können. Wir kennen das Vaterunser, ich muss es jetzt nicht hier zitieren und will auch nur kurz darauf eingehen. Die einzelnen Bitten lassen sich so zusammenfassen: Wir stimmen uns ein auf Gott: sein Name ist Vater, es geht um sein Reich und sein Wille steht im Mittelpunkt, der Leben verheißt. Wir bitten um Tägliches. Das Brot steht für alles, was wir zum Leben brauchen, Materielles, Luft und Liebe. Mit dem Thema Schuld wird die Bitte um Frieden angeführt. Alles, was den Frieden zwischen Gott und Mensch und untereinander stört, legen wir in Gottes Hand. Zum Schluss nennt Jesus die Bitte, bei Gott zu bleiben, dass keine Versuchung und auch nicht das Böse uns von ihm trennen können.

Was aus dem Beten folgt

Wir müssen den Raum des Gebets wieder verlassen. Wir werden nach der Erfahrung in seinem Raum ständig mit ihm in Kontakt bleiben, wir sind online. Wir merken, das Zusammensein mit dem Vater im Himmel hat uns verändert. Wir sind voller Gottvertrauen, fähig, für Frieden zu sorgen, weil wir bereit zur Vergebung wurden, getrost, dass der Vater im Himmel hört und erhört und fähig, als Salz und Licht in der Welt zu leben.

Und jederzeit können wir wieder zu ihm kommen, Jesus erwartet uns an der Tür.

Cornelia Trick


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