Führungsstil Jesu (Lukas 5,1-11)
Gottesdienst am 18.2.2018 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
begleitetes Autofahren ab 17 Jahren ist eine sehr hilfreiche Einrichtung. Junge Leute werden nicht gleich allein in den Straßenverkehr entlassen, sie profitieren von der Routine ihrer Eltern. Die Eltern wiederum sind keine Fahrlehrer. Ihnen fehlt das zusätzliche Gas- und Bremspedal, sie haben keinen eigenen Rückspiegel und keine Möglichkeit, direkt ins Fahren des Nachwuchstalents einzugreifen. Sie brauchen ein gewisses Urvertrauen, dass die erlernten Fähigkeiten zum Fahren des Familienautos ausreichen.

Mit gemischten Gefühlen erinnere ich mich an unsere ersten gemeinsamen Ausfahrten. Die parkenden Autos am Straßenrand kamen mir auf einmal sehr nahe vor. Und häufig hörte ich den Satz: „Mama, was krallst du dich denn so an der Seitenlehne fest?“ Das hatte ich gar nicht gemerkt, eine unbewusste Bewegung, die wohl doch meine Angst ausdrückte. Als betroffene Mütter tauschten wir uns aus und stellten fest, es ist ganz schön anstrengend, Beifahrer zu sein. Wir müssen den Mund halten, ermutigen, einfach vertrauen – wenn das so einfach wäre.

Vielleicht lässt sich das begleitete Fahren gut mit Jesu Rolle vergleichen, wie er uns im Leben begleitet. Er ist nicht wie ein Fahrlehrer. Er gibt uns nicht vor, wo wir rechts oder links abzubiegen haben. Er gibt nicht für uns Gas und bremst auch nicht selbstverständlich, wenn wir in gefährliche Situationen kommen. Er gibt uns stattdessen viel Freiheit, unsere Lebensroute zu gestalten, auch wenn wir manchmal am Bordstein entlang schrammen oder uns die eine oder andere Beule dabei holen. 

Manchmal habe ich den Wunsch, dass Jesus in meinem Leben präsenter sein könnte. Ich wünsche mir sein Gas-Geben, seinen Hinweis an der nächsten Kreuzung. Doch sehr oft scheint mir, dass Jesus auf meine Aktivität wartet und dann erst reagiert.

Jesus ist allerdings kein unbeteiligter Beobachter am Straßenrand. Er sitzt neben uns, ist bereit, wenn wir ihn brauchen und greift indirekt in unseren Fahrstil ein. Er will nicht von uns von A nach B gefahren werden, sondern sitzt deshalb an unserer Seite, weil wir ihm wichtig sind und er an unserem Ergehen Interesse hat. Es gibt jedoch auch Situationen, in denen Jesus sehr deutlich werden kann. Im Ernstfall bleibt er nicht ruhiger Beifahrer, sondern redet Klartext mit uns.

Eine solche Situation schildert die Bibel und gibt uns einen Einblick in den Führungsstil Jesu:

Lukas 5,1-11
Eines Tages stand Jesus am Ufer des Sees von Genezareth. Die Menschen drängten sich um ihn und wollten Gottes Botschaft hören. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten ihre Netze. Er stieg in das eine, das Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück vom Ufer abzustoßen. Dann setzte er sich und sprach vom Boot aus zu der Menschenmenge.  Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: »Fahr hinaus auf den See und wirf mit deinen Leuten die Netze zum Fang aus!« Simon erwiderte: »Herr, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze noch einmal auswerfen.« Sie taten es und fingen so viele Fische, dass die Netze zu reißen drohten. Sie mussten die Fischer im anderen Boot zur Hilfe herbeiwinken. Schließlich waren beide Boote so überladen, dass sie fast untergingen. Als Simon Petrus das sah, warf er sich vor Jesus nieder und bat: »Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch!« Denn ihn und alle anderen, die bei ihm im Boot waren, hatte die Furcht gepackt, weil sie einen so gewaltigen Fang gemacht hatten. So ging es auch denen aus dem anderen Boot, Jakobus und Johannes, den Söhnen von Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Jesus aber sagte zu Simon: »Hab keine Angst! Von jetzt an wirst du Menschen fischen!« Da zogen sie die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten Jesus.

Schauen wir auf diese Begebenheit am See, schimmert sie wie ein Kristall. Je nach Beleuchtung schimmert er in verschiedenen Farben. So auch diese Geschichte, die unterschiedliche Themen berührt je nach Fragestellung.

Die Menge versammelt sich um Jesus, sie wollen etwas von ihm, er drängt sich ihnen nicht auf. Sie haben Hunger nach Gott, brauchen wahrscheinlich Hilfe für ihr Leben. Ich frage mich, ob wir diesen Hunger nach Gott einmal in unserem Leben so gespürt haben. Dass wir es gar nicht mehr erwarten konnten, der Bibel unsere Fragen zu stellen, in der Gemeinschaft von Christen Antworten zu finden. Eher erinnern wir uns vielleicht daran, wie wir selbst ermutigt oder gedrängt wurden, wieder mal in der Bibel zu lesen, wieder mal zum Gottesdienst zu gehen. 

Ideal ist wohl, dieses Bedürfnis nach Gott zu spüren, wie es in dieser Szene am See zum Ausdruck kommt. Dann ist Jesus nicht nur ein Programmpunkt auf unserer Liste, sondern er wird der Hoffnungsleuchtturm, von dem wir wirklich etwas erwarten. Mag sein, es hilft, uns klar zu machen, dass Jesus in unserem Lebensauto sitzt, um uns zu begleiten und uns zu helfen, sicher ans Ziel zu kommen. Wir müssen nicht aussteigen und andere finden, die uns helfen können. Er ist immer schon da und wartet darauf, dass wir uns an ihn wenden.

Jesus sieht zwei Boote und die Fischer. Er ist die Verbindung zwischen der bedürftigen Menge und ein paar Leuten, die trüb in ihren Alltagsgeschäften rumhängen. Die Fischer bitten ihn nicht, dass er ihr begleitender Beifahrer werden möge, sie kennen ihn nicht. Jesus bietet sich ihnen an, steigt in ihr Boot, wird ihr Beifahrer, längst bevor sie es merken. 

Der von Jesus initiierte Fischzug geht weit über die Erwartungen der Fischer hinaus. Er ist so gewaltig, dass er für alle Zeiten in der Bibel festgehalten wird. Jesus fischt die Fische nicht selbst. Er hat kein eigenes Gaspedal, es reicht, dass er sie ermutigt, trotz ihrer Erfahrungen noch einmal die Netze auszuwerfen. Dass sie fischen sollen – nicht in der Nacht, nicht im seichten Wasser, sondern dort, wo es tief wird – bestätigt meine Erfahrung. Jesus ermutigt zu neuen Schritten, die anders sind als erwartet. Er sagt nicht: mach einfach weiter so, sondern stupst mich an, in eine neue Richtung zu denken und zu gehen. 

Die Fischer beziehen andere in ihre Gotteserfahrung ein. Ein zweites Boot muss her, schon hier werden die beiden, Simon und Andreas (er war nach Markus 1,16 dabei), zu Menschenfischern. 

Simon fällt vor Jesus nieder. Seine Maske fällt, er fühlt sich durchschaut wie von einem Ultraschallgerät. Was sonst keiner von außen sehen kann, liegt jetzt vor Jesus offen aus. Die Abgründe in Simons Seele hält er Jesus hin und weiß, dass sie sich mit Jesus nicht vertragen. Er erwartet, dass Jesus sich abwendet, ja, bittet ihn darum. Dass Jesus ihn verändern, ihm die Lasten des Lebens abnehmen will, kann er noch nicht erahnen. Und Jesus bleibt bei ihm im Boot, er steigt nicht aus.

Merkwürdig hört es sich an, dass Petrus nun Menschen fangen soll. Mit Jugendlichen sprachen wir über diesen Begriff. Sie assoziierten damit: Menschen töten, um sie zu essen, Menschen als Ware ansehen, wer zu langsam ist, geht ins Netz. Die Jugendlichen fanden nichts Positives an dem Begriff. Erst als wir ihren Blick in eine andere Richtung lenkten, konnten sie verstehen, was Jesus hier meinte. Wir erzählten ihnen von Fischen in Aquakulturen. Lachsen, die in Gefangenschaft z.B. in norwegischen Fjorden auf kleinstem Raum gehalten werden. Ihre Gehege hängen im Meer, doch durch die engen Maschen gibt es kein Entrinnen. Menschen Fischen knüpft an dieses Bild an. Jesus beauftragt Petrus, in einer solchen Aquakultur Menschen herauszuziehen, sie aus der Gefangenschaft zu befreien. Sie müssen nicht in ihren Sorgen und Zwängen bleiben, in ihren Lebensverhältnissen steckenbleiben. Für sie steht eine Zukunkft offen, das weite Meer, also Entfaltungsmöglichkeiten, wie Gott sie gemeint hat. Die Menschen sollen nicht auf den Grill geworfen werden, sondern aufatmen, ihre Lasten zurücklassen und durch den Beifahrer die Chance bekommen, das Lebensauto auf guten Wegen zu fahren.

An dieser Petrus-Geschichte lässt sich Jesu Führungsstil gut ablesen:

1 Der Einzelne ist wichtig
Jesus erreicht Simon und seine Kollegen dort, wo sie sind, bei ihren Booten, an einem erfolglosen Tag am Arbeitsplatz. Jesus blickt auf mich, in meinem Alltag, in meinen Herausforderungen, in meiner Ohnmacht und Orientierungslosigkeit. Natürlich ist es wunderbar, wenn ich seine Nähe suche, mich nach ihm sehne, aber er kommt auch ungerufen zu mir. Nehme ich ihn wahr? Wo habe ich ihn vielleicht in der letzten Woche entdeckt?

2 Jesus überrascht
Jesu Hinweise führen zu völlig neuen Erfahrungen. Vertrauen ist nötig. Letzte Woche musste ich in einer mir fremden Stadt eine Straßenbahn benutzen. Ich kannte die Wegführung nicht, wusste nicht, wie die Stationen aussahen. Ich musste mich auf die Anzeige in der Straßenbahn verlassen. So ist es wohl, wenn wir uns auf Jesu Hinweise einlassen. Wir wissen nicht im Voraus, wo es hingeht, können nur vertrauen, dass Jesus uns schon sagt, wenn wir wieder umdrehen müssen.

3 Jesus führt zur Selbsterkenntnis
Petrus wird klar, was in seinem Leben bisher falsch gelaufen ist. Es gibt stille Stunden, da ploppen solche Situationen bei mir auf. Ich kann sie im Nachhinein nicht wieder gut, meine Fehler nicht rückgängig machen. Wenn ich mich über jemand aufrege, sehe ich in diesen stillen Stunden, wie ich kein bisschen anders bin, mich gerade deshalb so aufrege, weil ich Eigenes wiedererkenne. Keine schönen Erkenntnisse. Aber genau die will Jesus im Lebensauto mit mir besprechen. Er übernimmt die Steine der Seele, sie müssen nicht mehr in meinem Kofferraum schmoren.

4 Jesus gibt Aufgaben
Für mich ist Petrus ein gutes Vorbild. Als Pastorin will ich sehr gerne Menschen helfen, in die Freiheit zu kommen. Aber gilt das für jeden? Vielleicht sitzt der Eine oder die Andere auch im zweiten Boot. Sie ist jederzeit auf Zuruf bereit für eine Menschenfischeraktion, aber es ist nicht ihre erste Aufgabe im Leben. Sie ist vielleicht dafür zuständig, die Boote und die Netze in Gang zu halten, das Vesper vorbeizubringen oder sich um die weitere Entwicklung der in die Freiheit Gefangenen zu kümmern. Aber alle können sich unterstützen, füreinander da sein und sich gegenseitig helfen, Jesu Impulse zu verstehen.

Jesus will uns helfen, dass wir unseren Lebenskurs, unsere Lebensaufgabe und unser Lebensziel finden. Er greift uns eher selten ins Lenkrad, aber seine Augen sind allezeit aufmerksam und sein Herz will nichts mehr, als dass wir aus freien Stücken zu guten Autofahrern unseres Lebensautos werden.

Cornelia Trick


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