Es geht um Leben oder Tod
Gottesdienst am 08.06.2008

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
vor zwei Wochen las ich von den diesjährigen Preisträgern des Bundeswettbewerbs „Jugend forscht“ in der Zeitung. Ihre Lebensläufe wurden kurz geschildert. Meistens hatten sie einen familiären Hintergrund für ihr Talent und Genie. Die Eltern waren schon wissenschaftlich tätig oder waren selbst Naturwissenschaftler. Die Kinder wurden sicher auch durch ihr Elternhaus geprägt. 

Wenn wir von Gewalttätern hören und ihre Lebensgeschichte betrachten, begegnet uns etwas Ähnliches. Sie selbst sind oft selbst misshandelte Kinder gewesen, die schon früh Gewalt kennen gelernt haben und das fortsetzen, was sie gelernt haben. Was den einen zur Größe verhilft, bewirkt bei anderen den Untergang.

Wie steht es dabei mit der freien Entscheidung? Sind Genies und Verlierer überhaupt verantwortlich für ihr Tun? Ist alles schon mit der Geburt und dem entsprechenden Elternhaus entschieden? Und wie sieht es mit Christen aus? Kann nur Christ werden, wer den Bonus eines christlichen Elternhauses hat, eine vorgeprägte Spur, die ihn zum Leben mit Gott führt? Und sind Nicht-Christen die, die diesen Bonus nicht bekommen haben?

Diese Fragen sind nicht erst in unserer Zeit Thema, die die freie Entscheidungsmöglichkeit des Individuums so in den Mittelpunkt stellt, auf der anderen Seite auch fast jedes Fehlverhalten mit Verletzungen der Kindheit erklärt. 
Das Volk Israel befand sich im babylonischen Exil nach 587 v.Chr. Der Prophet Hesekiel gab Worte Gottes der Gemeinde in der Verbannung weiter. Unter den Leuten kursierte damals der Spruch „Die Väter essen unreife Trauben, und die Söhne bekommen davon stumpfe Zähne.“ Dieser Spruch brachte zum Ausdruck, dass die Verbannung Schuld der Elterngeneration war. Die Leute sprachen sich so von aller Verantwortung für die schlechte Lage frei, sie löffelten die Suppe aus, die anderen ihnen eingebrockt hatten. Hesekiel bekam nun den Auftrag von Gott, dieses Sprichwort zu verbieten. Stattdessen ließ ihnen Gott ausrichten, dass jeder und jede selbst für seine und ihre Situation verantwortlich war:

Hesekiel 18,1-4.23.30-32

Das Wort des HERRN erging an mich, er sagte: »Was habt ihr da für ein Sprichwort im Land Israel? Ihr sagt: 'Die Väter essen unreife Trauben, und die Söhne bekommen davon stumpfe Zähne.' So gewiss ich, der Herr, lebe: Niemand von euch, niemand in Israel wird dieses Wort noch einmal wiederholen! Ich habe das Leben jedes einzelnen in der Hand, das Leben des Sohnes so gut wie das Leben des Vaters. Alle beide sind mein Eigentum. Nur wer sich schuldig macht, muss sterben. Meint ihr, ich hätte Freude daran, wenn ein Mensch wegen seiner Vergehen sterben muss?« sagt Gott, der Herr. »Nein, ich freue mich, wenn er von seinem falschen Weg umkehrt und am Leben bleibt! Jeder einzelne von euch bekommt das Urteil, das er mit seinen Taten verdient hat. Das sage ich, der Herr, der mächtige Gott! Kehrt also um und macht Schluss mit allem Unrecht! Sonst verstrickt ihr euch immer tiefer in Schuld. Trennt euch von allen Verfehlungen! Schafft euch ein neues Herz und eine neue Gesinnung! Warum wollt ihr unbedingt sterben, ihr Leute von Israel? Ich habe keine Freude daran, wenn ein Mensch wegen seiner Vergehen sterben muss. Das sage ich, der Herr, der mächtige Gott. Also kehrt um, damit ihr am Leben bleibt!«

Jeder ist eigenverantwortlich für sein Tun und Lassen. Bei Gott herrscht keine Sippenhaft, aber auch kein „Eltern haften für ihre Kinder“. Positiv bedeutet das, dass die Schuld anderer mich nicht dauerhaft behaftet. Eine schlimme Kindheit prägt, aber mit Gottes Hilfe kann ein Schalter offenbar umgelegt werden. Befreiung ist möglich. Alle Menschen gehören Gott, die Eltern, die Kinder, Schuldige und Unschuldige. Gott möchte, dass sein Eigentum lebt, er möchte nicht den Tod.

Ich vergleiche das mit meinen Blumen, die ich letzte Woche in einen Blumenkübel gepflanzt habe. Ich will, dass sie leben. Nur darum habe ich sie gepflanzt. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass sie trotz guter Pflege eingehen, aber das ist auf keinen Fall mein Wunsch. So will Gott auf keinen Fall, dass seine Geschöpfe sterben, weil sie sich seiner Obhut entziehen. Und er freut sich über jeden, der nach Umwegen wieder zu ihm zurückkehrt. Im Umkehrschluss bedeutet es, dass ich mich auf meiner Vergangenheit, meinen Genen oder meiner Erziehung nicht ausruhen kann. Sätze wie „so bin ich nun mal, ich kann nichts für meine schlechte Laune, meinen Geiz, mein Misstrauen, ...“ werden als vorgeschobene Entschuldigungen entlarvt, die vor Gott keinen Bestand haben. Ich kann Gottes Angebot nicht ignorieren, der mich einlädt, den Schalter umzulegen und mich zum neuen Leben befreien zu lassen. Ich kann letztlich niemand dafür verantwortlich machen, dass ich mich wie ein ungeliebter und unglücklicher Mensch fühle.

Der Schalter Gottes ist sein Ruf ins Leben. So sagt er seinem Volk und durch Jesus Christus auch uns heute zu:
Fürchte dich nicht, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst mir!“ (Jesaja 43,1) Das ist Gottes klare Ansage. Zu Gott zu gehören heißt in der Balkonblumensprache, für ihn das Leben anzupacken, zu blühen und Früchte zu bringen. Nicht ohne Grund gilt in Deutschland ein Jugendlicher, eine Jugendliche mit 14 Jahren als religionsmündig. Schon vier Jahre vor der Volljährigkeit wird einem Jugendlichen zugemutet, selbst Verantwortung zu tragen und den Schalter Gottes zu betätigen. Schon mit 14 Jahren kann jemand sagen: „Ich lasse mich herausrufen und will mein Leben so gestalten, dass ich es vor Gott verantworten kann.“

Gott möchte unser Leben: „Meint ihr, ich hätte Freude daran, wenn ein Mensch wegen seiner Vergehen sterben muss?“ sagt Gott, der Herr. „Nein, ich freue mich, wenn er von seinem falschen Weg umkehrt und am Leben bleibt!“ (s.o.) Zu Gott umzukehren heißt, den Schalter zu betätigen. Jesus ist die Tür, die durch den Schalter aufgeht und zu Gott führt.

Wer durch diese Tür eintritt, erlebt etwas Besonderes. Er kommt nicht gleich in einen neuen Raum, wie wenn wir von einem Zimmer der Wohnung ins nächste gehen, sondern er kommt in eine Art Schleuse, wie wir sie z.B. von Intensivstationen oder biologisch-chemischen Laboren kennen. In dieser Schleuse können wir uns umziehen. Uns wird klar, was uns von Gott trennt und was wir unbedingt ablegen müssen. Die Verantwortungslosigkeit. Unser Mitschwimmen, Mitmachen bei Aktionen wie übler Nachrede, Gleichgültigkeit gegenüber unseren Mitmenschen. Unsere Antriebschwäche, uns selbst um geistliches Wachstum zu kümmern, statt es von anderen zu erwarten. Unsere Hybris, unser Leben selbst regeln zu wollen, was sich zeigt in schnellen Abkürzungen, vorschnellen Entscheidungen und Ungeduld, weil Gott nicht so schnell handelt, wie wir es erwarten. Unsere Vorliebe, Gott das Urteilen aus der Hand zu nehmen, als ob es an uns wäre, über andere zu urteilen. Unser vorlautes Reden mit Gott ohne Zeit, auf Gott zu hören. Unsere Hilflosigkeit, als ob wir gegen Missstände nichts tun könnten. Zur Sünderin sagte Jesus in Johannes 8: „Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr.“ Wie oft nehmen wir das „Gehe hin“ in Anspruch, aber vergessen das „Sündige hinfort nicht mehr“. 

Die Kraft, den Schalter Gottes zu drücken oder umzulegen, bekommen wir durch den Heiligen Geist. In unserem Abschnitt heißt es: „Schafft euch ein neues Herz und eine neue Gesinnung!“, was an anderer Stelle (Hesekiel 36,26) präzisiert wird. Gott verheißt ein neues Herz und einen neuen Geist. Wir können das nicht selbst bewirken, das ist Gottes Befreiungstat, der uns durch die Schleuse führt und in seine Gegenwart ruft. Was für das Volk Israel noch eine Verheißung war, ist für uns Realität geworden. Gott hat seinem Sohn Jesus Christus diese Aufgabe übertragen. Sein Geist macht alles neu in unserem Leben und befreit uns. Das Nacheinander oder Ineinander von Gottes Tun und unserem Ja wird vielleicht durch folgenden Vergleich anschaulicher.

Eine große Wildwiese soll von mir in einen englischen Rasen verwandelt werden. RasenIch habe kein Geld für den Rasenmäher. Geld bekomme ich erst, wenn der englische Rasen vollkommen ist. So gehe ich stundenlang auf die Knie mit einer kleinen Schere und schneide Grashalm für Grashalm. Doch bevor ich die ganze Wiese geschafft habe, sind am Anfang die Gräser wieder nachgewachsen. Da kommt der Besitzer mit einen nagelneuen Rasenmäher und schenkt ihn mir. Ich kann mein Glück nicht fassen. Doch was nützt der Rasenmäher, wenn ich ihn nicht zum Mähen einsetze? Nur durch die Anwesenheit eines Rasenmähers wird die Wiese nicht zum englischen Rasen. Da muss ich selbst noch Hand anlegen. So etwa ist das mit Gottes Geist, der ein neues Herz in mir schafft. Das neue Herz ist nutzlos, wenn ich es nicht für den Herrn einsetze und verantwortlich in allen Lebensbereichen lebe. Das neue Herz wird aber ganz in Gottes Takt schlagen, wenn ich durch diese Kraft mein Leben gestalte und es von Grund auf umkrempeln lasse.

Hesekiel ermutigt mich, mein Leben anzupacken, neue Pfade zu gehen, befreit zu leben. Meine Umgebung soll es merken, dass ich eine andere geworden bin. Schuldgefühle müssen mich nicht mehr belasten. Was war, ist vergeben, nichts, auch nicht eine unglückliche Kindheit, muss mir mehr nachhängen. Und auch für Eltern ist es eine entlastende Botschaft. Was sie bei der Erziehung falsch gemacht haben, was sie an Genen weitergegeben haben, wird ihre Kinder nicht lebenslang zeichnen. Die Kinder bekommen die Chance, selbst den Schalter Gottes zu betätigen und mit seinem Geist einen Neuanfang zu machen.

Kehrt um und glaubt an das Evangelium, so hat es Jesus seinen Zeitgenossen zugerufen, und so ruft er heute noch. Vielleicht können nicht alle mit einem vollen Ja antworten, aber doch mit dem Vater, der zu Jesus mit seinem kranken Sohn kam und ihm bekannte: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ (Markus 9,24)

Cornelia Trick


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