Eintritt frei
Gottesdienst am 02.12.2007

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
die Bergleute sind unter Tage durch Einbruch eines Stollens vom Rückweg abgeschnitten. Sie graben zwar von ihrer Seite mit allen zur Verfügung stehenden Kräften. Im BergwerksstollenDoch immer, wenn sie meinen, ein paar Zentimeter vorangekommen zu sein, hören sie, wie neues Geröll in den Gang fällt. Ihre einzige Möglichkeit zu überleben ist, möglichst wenig Energie und Sauerstoff zu verbrauchen und mit Klopfzeichen darauf aufmerksam zu machen, dass sie noch am Leben sind und auf Rettung warten. 

Wir sind keine verschütteten Bergleute heute Morgen, aber dieses Bild vom Stollen ist ein Bild vom Leben überhaupt. Krisen, Sorgen, Lebensführungen können unseren sicheren Weg gefährden und ruck zuck zum Einsturz bringen. Der Weg in die Zukunft liegt nur scheinbar klar und unbedroht vor uns. Und Gott? Können wir uns einfach so darauf verlassen, dass wir jederzeit auf ihn zurückgreifen können? 

Blicken wir zurück in die Zeit, als das Volk Gottes praktisch ersten Advent feierte und auf den angekündigten Retter der Welt wartete. Wer Israelit war, wusste um die Bedrohungen des Lebens durch Stolleneinbrüche jeder Art. Vor allem der selbst verursachte Einbruch durch Geröllmassen der Sünde war jedem und jeder bewusst. Sich nicht an Gott zu halten, bedeutete, dass man durch Geröll von Gott fast hoffnungslos getrennt war - fast, denn es gab den Opferdienst des Hohenpriesters einmal jährlich. Er hatte eine extra Schaufel und konnte an diesem einen Tag das Geröll vom ganzen Jahr fortschaffen. Er trat durch den Vorhang, der sonst das Allerheiligste, den vorgestellten Wohnort Gottes, verhüllte, und brachte ein Opfer zur Entschuldung des Volkes dar. Doch nach diesem Tag rieselten bald wieder Steine von der Decke und ließen Gott wieder in weite Ferne rücken. Das Leben gestaltete sich als mühsam. Graben, graben, graben und keine Sicherheit, dass der Stollen hielt.

So wartete das Volk in Israel auf den versprochenen Messias, der von Gottes Seite den Schutt wegräumen sollte, um den Weg zu Gott dauerhaft zu ebnen. Dann, so hofften die Menschen, würde kein Graben und keine 
Klopfzeichen mehr nötig sein, weil man dem Messias als dem Licht der Welt folgen konnte.

Dieses Vorverständnis ist wichtig, um die Ausführungen zum Advent Jesu im Brief an die Hebräer zu verstehen.
Der Brief wurde geschrieben, um Christen, die aus dem jüdischen Kontext stammten, zu ermutigen. Ihre Erfahrungen aus dem Judentum wurden aufgenommen und weitergeführt. Besonders auch die Bedeutung des Tempels, der im Mittelpunkt des jüdischen Kultes stand, wurde umgedeutet auf Jesus. Hier in unserem Zusammenhang steht der Tempel mit dem Allerheiligsten für Gott und die Welt, die wie durch einen Vorhang von Gott getrennt ist.

Hebräer 10,19-25

Weil wir denn nun, liebe Brüder, durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum  Eingang in das Heiligtum, den er uns aufgetan hat als neuen und lebendigen  Weg durch den Vorhang, das ist: durch das Opfer seines Leibes, und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und  gewaschen am Leib mit reinem Wasser. Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat; und lasst uns aufeinander Acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken und nicht verlassen unsre Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, sondern  einander ermahnen, und das um so mehr, als ihr seht, dass sich der Tag naht.

Die frohe Botschaft des ersten Advent

Jesus hat den Vorhang zum Allerheiligsten weggezogen. Der Hebräerbrief bezieht sich auf die Zeugen des Karfreitags, als zur Todesstunde Jesu der Vorhang im Tempel zerriss und das Allerheiligste frei gab. Dieser Vorhang ist nicht vom Hohenpriester weggezogen worden, sondern von Gott selbst mit seinem Sohn Jesus. Die Geröllmassen der Schuld, die uns Menschen von Gott trennten, mussten nicht länger durch Graben der Priester entfernt werden, sondern sind von Jesus abgetragen worden. Jesus erhörte das notvolle Klopfen. Er nimmt sich nun der Angst an, dem Kleinglauben und Kleinmut. Er heilt Verletzungen, die die wir anderen und die andere uns zufügten. Er deckt Unehrlichkeit auf und verändert uns, dass wir authentisch und wahrhaftig leben können, auch wenn es Konsequenzen hat, die wehtun. Seit Jesus diese Schutt-Berge abgeräumt hat, ist der Blick frei zum Licht, das nach oben lockt, in die Gemeinschaft mit Gott.

Drei Folgen daraus

1 Wir wollen vor Gott hintreten mit offenen Herzen und festem Glauben
Weil Jesus den Weg frei räumte, liegt es nun an uns, uns aus der Erstarrung zu lösen und uns Jesus anzuvertrauen, mit ihm zu gehen und nicht stehen zu bleiben. In der Theorie ist das einfach, im wirklichen Leben fällt das oft schwer. Dazu ein Alltagsbeispiel. Ich hatte eine wirklich warme Winterjacke, die ich sehr mochte. Leider ging der Reißverschluss kaputt. Er war kompliziert eingenäht, man konnte ihn nicht austauschen. Die Tücke des Reißverschlusses war, dass er auf halber Strecke für immer stecken blieb. Das heißt, ich konnte die Jacke nur tragen, wenn ich von oben aus hineinstieg oder dann wieder hinausstieg, was ein merkwürdiges Schauspiel für Außenstehende war. Weil ich nicht jedem die Situation meiner Winterjacke erklären konnte, plante ich ihren Einsatz scharfsinnig. Bei manchen Besuchen ließ ich sie an, bei anderen wechselte ich schon im Auto, dann zog ich einfach die dünnere Jacke an mit viel Auspolsterung, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Aber es gab Situationen, da musste ich das Schauspiel durchziehen, na, die Leute lachen ja auch gerne mal über einen.

Es brauchte einen wirklich wichtigen, offiziellen Anlass, um mich zu bewegen, endlich eine neue Jacke zu kaufen, sonst würde ich die alte immer noch tragen. Es war einfach das Bequemste, an das ich gewöhnt war, obwohl es viele Nachteile hatte. So ist es doch auch mit diesem Schritt mit Jesus. So viele alte und bequeme Gewohnheiten halten mich davon ab, endlich den Schutt hinter mir zu lassen. Es muss schon ein Umstand einkehren, der mich wirklich herausfordert, nur mit Jesus zu gehen, um aus dem Stollen der Dunkelheit aufzubrechen und es nicht auf die lange Bank zu schieben. 

So bedeutet der erste Schritt, Jesus mein Herz zu zeigen, alles, was da an Wut, Verzweiflung und gefühlter Ungerechtigkeit und Missmut drin ist. Ihm ganz allein erstmal das anzuvertrauen, was mich ganz tief innen beschäftigt und immer wieder den Nachschub für traurige Stunden liefert. So kann Jesus sich dieser wunden Stellen in meinem Herzen annehmen, sie in seiner Liebe ansehen und heilen und mit mir die ersten Gehversuche nach der Herz-OP machen. 

2 Wir wollen an der Hoffnung festhalten und nicht schwanken
Die Versuchung ist also groß, an dem festzuhalten, was man hat. Die Zeugnisse, Diplome, Erfahrungen, Erinnerungen und Bindungen als das sichere Fundament zu wählen, zu dem man nach kleinen Ausflügen immer wieder zurückkehrt. Im Bild gesprochen bleibt man im Stollen und klopft weiter Steine ab, bis die nächste Lawine runterkommt.

Hier geht es um ein anderes Festhalten. Nicht an dem, was wir tun oder getan haben, sollen wir uns festhalten, sondern an Jesus Christus. Wir blicken nicht länger auf unseren Streckenabschnitt und halten ihn frei von Geröll, sondern sind nach vorn orientiert, verlassen uns nur auf Jesus. Es gibt Situationen im Leben, da wird die Neuorientierung lebenswichtig. Wenn die Schule abgeschlossen und der Beruf zu wählen ist, wenn Kinder kommen, wenn der Ruhestand beginnt, eine Partnerschaft beginnt oder endet, eine Krankheit die alten Sicherheiten grundlegend erschüttert. Dann haben wir uns oft von heute auf morgen zu entscheiden, ob wir im brüchigen Stollen bleiben wollen, oder den Aufbruch wagen.

Doch Aufbruch um des Aufbruchs willen macht keinen Sinn. Vielleicht geraten wir dabei nur tiefer in den brüchigen Stollen. Eine Partnerschaft haben wir in den Sand gesetzt, warum sollte es bei der nächsten und übernächsten anders sein? Aufbruch macht nur Sinn, wenn es in die Freiheit, nach oben ans Licht geht. Diese Freiheit verbürgt nur Jesus Christus. Er ist der von Gott geschickte Retter, der zum Licht führt und auf den wir uns verlassen können. Er ist Licht und führt zum Tageslicht, er lässt uns den Weg finden, der nach Gottes Willen zu uns passt. Er zwingt uns nicht zu diesem Weg, deshalb wartet er auf unser noch so kraftloses Festhalten. Aber wenn er spürt, dass da eine unsichere Hand nach ihm tastet, wird er zupacken und leiten, so dass wir nicht zu schwanken und umzufallen brauchen.

3 Wir wollen aufeinander Acht geben, zur Liebe und zu guten Tagen anspornen
Auf dem Weg ins Licht sind wir eine Mannschaft. Wenn einer oder eine fehlt, kommen wir langsamer ans Ziel. Die Acht aufeinander ist die Verlängerungsschnur der Liebe Jesu zu uns. Die Acht entspringt der Sehnsucht, es miteinander bis zum Ziel zu schaffen.

Wie lässt sich diese Acht aufeinander leben? Wohl nur, wenn wir sie in kleinen Portionen leben. Ich denke an unsere zahlenmäßig überschaubaren Hauskreise und Gruppen. Acht oder 11 Personen können wir uns sicher alle merken. Und wenn wir uns jetzt fragen: Weiß ich, wer von diesen acht Leuten letzte Woche etwas Herausforderndes vor sich hatte? Dann wird auch gleich klar, dass nach dem Gottesdienst oder heute Nachmittag dran sein kann, ihn zu fragen, wie es denn letzte Woche gelaufen ist. Vielleicht ist einer von den acht auch länger nicht mehr im Hauskreis gewesen. Natürlich wollen Sie ihm kein schlechtes Gewissen machen, als ob er sich immer bei Ihnen abmelden müsste. Aber vielleicht wartet er ja darauf, dass einer merkt, dass er fehlt. Wie lässt sich da das Achtgeben umsetzen? In einer kurzen SMS mit einem lieben Gruß? Mit einem Nachfragen, ob man was helfen kann? Mit einer Karte vom Hauskreis? Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Doch die Liebe, mit der Jesus uns aus dem Stollen lockt, fließt auch durch uns und wirbt um jede und jeden Einzelnen, dass er oder sie nicht zurückbleibt.

Das Ziel ist klar. Es soll nicht nur ans Tageslicht gehen, sondern dem Tag Christi entgegen. Das wird ein Freudentag für alle, die an ihm festgehalten haben und ihm gefolgt sind. Keine Geröllhalde trennt mehr von Gottes Gegenwart, kein dunkler Stollen liegt mehr dazwischen. Licht wird uns umfangen.

Komm, du lang ersehnter Jesus, komm und mach uns Menschen frei von der Angst und von den Sünden, unsre Ruhe in dir sei! Du bist Israels Trost und Stärke, Hoffnung für die ganze Welt, tiefe Sehnsucht aller Völker, Freude, die das Herz erhellt.
Als ein Kind bist du geboren und bist dennoch Herr und Gott. Recht und Friede wird regieren, überwinden Hass und Tod. Leite uns in allen Dingen durch den Geist, der uns vertritt. Nimm, erlöst durch deine Liebe, uns zum Thron des Vaters mit.  (Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche Nr. 138, Text: Charles Wesley, 1745)

Cornelia Trick


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