Einladung zum Mitsingen
Weihnachtsgottesdienst am 25.12.2005

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
die Nacht war zu Ende gegangen, es war wieder Tag geworden. Manche hatten in der Nacht etwas Umwälzendes erlebt. Andere schliefen, das Umwälzende verpassten sie. Ein paar Hirten waren morgens auf den Beinen. Anders als sonst schliefen sie nicht ihren Rausch aus, sondern liefen begeistert, singend und tanzend durch die Straßen. Jemand hielt sie an und fragte, warum sie denn so begeistert wären. Sie erzählten ihm von ihrer umwälzenden Nacht:

Wir waren in jener Gegend auf freiem Feld und hielten Wache bei unseren Herden in der Nacht. Da trat der Engel des Herrn zu uns, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte uns, und wir fürchteten uns sehr. Aber der Engel sagte zu uns: "Habt keine Angst! Ich habe eine große Freudenbotschaft für euch und für das ganze Volk. Heute ist euch der Retter geboren worden, in der Stadt Davids: Christus, der Herr! Und dies ist das Zeichen, an dem ihr ihn erkennt: Ihr werdet ein neugeborenes Kind finden, das liegt in Windeln gewickelt in einer Futterkrippe." Und plötzlich war bei dem Engel ein ganzes Heer von Engeln, all die vielen, die im Himmel Gott dienen; die priesen Gott und riefen: "Groß ist von jetzt an Gottes Herrlichkeit im Himmel; denn sein Frieden ist herabgekommen auf die Erde zu den Menschen, die er erwählt hat und liebt!" (nach Lukas 2,8-14)

An diesem Erfahrungsbericht aus jener Nacht fällt einiges auf. Das Besondere passierte Hirten. Sie standen in der damaligen Zeit ziemlich im unteren Bereich der Abstiegsplätze. Man unterstellte ihnen, ihren Lebensunterhalt nicht rechtmäßig zu verdienen. In jener Nacht rückten sie auf und standen mitten im Scheinwerferlicht Gottes. Die Nacht und ihre Situation waren dunkel und trostlos. Besonders kontrastreich war da das göttliche Licht, das sie umfing. Sie sahen, dass etwas Neues beginnen sollte, ihre Dunkelheit zu Ende war.

Der Gottesbote sprach sie aus dem Licht an. Keine Angst sollten sie haben. Freude wurde ihnen verheißen. Ein Retter stand bereit, um sie aus Dunkelheit, Abgeschobensein und Perspektivlosigkeit zu reißen. Zur Bekräftigung sang ein Engelchor von diesem Retter, der von Gott geschickt wurde, der Frieden bringen und die Menschen zu Gott führen sollte.

Die Hirten ließen sich von dieser Botschaft aus dem Licht abholen. Sie suchten das versprochene Kind auf und wurden in der Begegnung mit Jesus verändert. Die Dunkelheit hatte sie nicht länger im Griff. Aus abgeschriebenen Hirten waren Menschen geworden, die Gott erwählt hat und liebt. Das ließ sie völlig verändert in ihren Alltag zurück kehren. Sie wurden zu Zeugen des Jesus, lang bevor sie entdecken konnten, wie Jesu Rettung aussehen würde. 

Die Hirten konnten nach der Begegnung mit Jesus im Engelchor mitsingen. Hirten und EngelSie lobten Gott, dass er sie aus ihrer aussichtslosen Situation herausgerufen hatte, ihnen einen Platz an der Krippe Jesu zugewiesen hatte und sie nun darauf vertrauen konnten, dass Gott für sie Frieden und seine Gegenwart zugesagt hatte.

Auch uns bezeugen die Hirten heute Morgen, was sie in Bethlehem erlebt haben. Wir hören ihren Lobgesang aus der Weihnachtsnacht. Vielleicht erkennt sich die eine oder der andere in ihnen wieder. Sind wir auch solche Hirten? Eine empfindet bei diesem Weihnachtsfest nur Trauer, sie hat ihren Mann verloren. Weihnachtslieder bringt sie nicht über die Lippen, zu viele gemeinsame Erinnerungen hängen daran. Ein anderer sehnt sich nach Anerkennung. Weder am Arbeitsplatz noch zu Hause bekommt er die Wertschätzung, die er braucht. Alles wird selbstverständlich genommen. Er fühlt sich leer und ausgepumpt. Sein Leben scheint auf einem völlig unbedeutenden Pfad zu verlaufen, den niemand braucht und niemand wahrnimmt. Eigentlich könnte er auch tot sein. Ein Kind freut sich über Weihnachten, aber leidet unter dem Streit der Eltern. Alles ist in diesen Tagen schön getarnt. Doch das Kind spürt die atmosphärischen Spannungen, den gleichgültigen Blick, die Sprachlosigkeit der Eltern. Es hat Angst und fühlt sich schuldig, da helfen die Geschenke nicht darüber hinweg.

Nur drei Personen, die mit den Hirten in der Dunkelheit sind, mit Angst im Herzen, abgeschrieben, traurig, ohne freundliche Perspektive. Und auch diese drei Personen heute hören den Lobgesang der Engel. Das Licht kommt auf sie zu, sie müssen es nicht selbst entzünden. Gott spricht zu ihnen ganz persönlich. Auch für sie ist der Retter geboren. Er rettet aus Haltlosigkeit, er bietet seine Hand an und verbindet mit Gott, der bereit ist für einen neuen Anfang.

Die Drei können sich aufmachen mit den Hirten und Jesus begegnen. Sicher liegt er nicht mehr im Stall von Bethlehem. Aber er ist ansprechbar im Gebet. Er wartet auf die zaghaften Worte: "Jesus, sei du mein Retter, hilf mir aus meiner Dunkelheit!"

Und wie in Bethlehem damals wird in der Begegnung die Veränderung vollzogen. Aus traurigen, frustrierten, ängstlichen und schuldbewussten Menschen werden solche, die Gott loben, die ihre Arme hoch reißen und jubeln. Sie spüren in ihrem Herzen einen tiefen Frieden, weil sie zu Gott gehören, der sie herausführen wird aus der Dunkelheit dieses Weihnachtsfestes. Sie werden mit dieser Freude nicht im stillen Kämmerlein bleiben, sondern ihrer Umwelt davon berichten. Sie tragen das Licht in die Welt und stecken andere damit an. 

Wer heute Jesus begegnet, der singt auch im weihnachtlichen Engelchor mit. Er oder sie singen vielleicht Strophen, die so lauten könnten:

  • "Ich weiß, dass ich zu Jesus gehöre und nicht mehr allein bin, halleluja!"
  • "Ich spüre den Frieden Gottes in mir und bin bereit, dem zu vergeben, der mich so verletzt hat, halleluja!"
  • "Ich lasse mich nicht von Menschen versklaven. Gott ist mein Chef und der hat Auswege und neue Wege für mich, halleluja!"
  • "Ich schaue nach oben, wenn es um mich und in mir dunkel wird. Jesus wird mir Licht schenken, ich warte darauf, halleluja!"
Das Engellied in Bethlehem erfüllt sich im Himmel am Ende der Zeiten:
Offenbarung 7,9-12
Der Seher Johannes schrieb: Danach sah ich eine große Menge Menschen, so viele, dass niemand sie zählen konnte. Es waren Menschen aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen. Sie standen in weißen Kleidern vor dem Thron und dem Lamm und hielten Palmzweige in den Händen. Mit lauter Stimme riefen sie: "Der rettende Sieg gehört unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm!" Alle Engel standen im Kreis um den Thron und um die Ältesten und um die vier mächtigen Gestalten. Sie warfen sich vor dem Thron zu Boden, beteten Gott an und sprachen: "Das ist gewiss: Preis und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre, Macht und Stärke gehören unserem Gott für immer und ewig. Amen!"

Nicht mehr nur die Engel, sondern eine große Menschenmenge steht um den Thron Gottes und Jesu. Zu den Hirten von Bethlehem sind noch die Christen aus allen Nationen gekommen, die Jesus ihr Leben anvertraut haben. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie Trübsal ertragen haben und für Jesus Zeugnis gegeben haben.

Natürlich denken wir zuerst an die Trübsal der Christenverfolgung unter Kaiser Domitian, die zur Zeit des Sehers Johannes wütete. Doch unsere eigenen Trübsale können wir hier auch einzeichnen. Situationen, die uns in Bedrängnis gebracht haben, die uns den Boden unter den Füßen raubten. Wege, die dunklen Tälern glichen und in denen wir nur auf Gottes Gegenwart hoffen konnten, weil wir selbst den Ausweg nicht fanden.

Wichtig ist, dass die, die durch Trübsale gingen, Zeugen für Jesus wurden, gerade in der Not ihrer Bedrohung. Wer im Himmelschor aufgenommen wird, kennt Dunkelheiten und Notzeiten. Aber er oder sie erfährt gerade in diesen Lebensphasen Gottes Nähe, Jesu Begleitung und die Kraft des Heiligen Geistes. So sind es die schweren Wege, die die Bindung an Jesus Christus besonders fest machen.

Die Sängerinnen und Sänger tragen weiße Kleider, die mit Jesu Blut gewaschen wurden. Was unsere Vorstellungskraft sprengt, dass Blut weiß wäscht, hat symbolischen Charakter. Wer mit Jesus in alle Ewigkeit lebt, ist von ihm neu eingekleidet worden. Das Kleid ist seine Liebe, in die er die Singenden hüllt. Er hat alles von ihnen genommen, das dieser Liebe entgegensteht. Sein Tod am Kreuz hat Schuld, Unversöhnlichkeit und Abkehr von Gottes Willen vergeben, nun ist der Weg frei zu ungetrübter, "weißer" Gemeinschaft mit dem Lamm Jesus. Die Palmzweige weisen auf den Anfang einer neuen Zeit. Wie Israel mit Palmzweigen an die Einnahme des verheißenen Landes Kanaan erinnert, so zeigen die Palmwedel im Himmel, dass das Reich Gottes vor den Singenden liegt und sie es betreten dürfen. 

Der Sieg gehört Gott, alle Mächte der Finsternis konnten kein Land gewinnen, sie mussten sich Gott unterwerfen. Als Folge dieses Sieges dürfen die, die auf Gottes Seite stehen, mit ihm zusammen wohnen, werden von ihm genug zu essen und zu trinken bekommen, am Strom des Lebens angeschlossen sein und im Frieden, den der Engelchor in Bethlehem vorher sagte, leben.

Für die, die in der großen Menge um den Thron Gottes stehen, sind die Vaterunser-Bitten erfüllt:

  • "Vater unser im Himmel, geheiligt wird dein Name, dein Reich ist gekommen, dein Wille geschieht. Unser tägliches Brot gibst du heute und du hast uns unsere Schuld vergeben, wie auch wir vergeben haben unsern Schuldigern. Du hast uns nicht in Versuchung geführt und uns von dem Bösen erlöst. Denn dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!"
Für die Menge im Himmel bedeutet das Mitsingen im Engelchor, dass ihre Dunkelheit endgültig überwunden ist. Sie bekennen, dass das Kind in der Krippe einer großen, unzählbaren Menschenmenge begegnet ist. Sie haben das Ziel ihres Lebens erreicht, mit Gott vereint zu sein in vollkommener Liebe.

Der Engelchor bei den Hirten vor 2000 Jahren und der Himmelschor, der uns einen Blick in die Zukunft oder nach oben gestattet, laden uns ein zum Mitsingen. Wenn wir heute singen, dann nehmen wir den Sieg Gottes am Ende der Zeiten vorweg. Heute brauchen wir diesen Blick aufs Ziel, um in den Trübsalen aller Art an Jesus festzuhalten. Die Dunkelheit kann uns nicht besiegen, Gott gehört der Sieg, so dürfen wir es singend schon vorweg nehmen.

Seine Kleider dürfen wir schon anprobieren. Jesu Liebe will er uns schenken und sie wird uns verändern. Im Zusammenleben mit ihm werden wir erfüllt von seiner Zusage, unser Ein und Alles zu sein. Das macht uns unabhängig und frei, diese Liebe zu verschenken. Und gelebte Liebe ist in der Zuspitzung Vergebung, Versöhnung und Bereitschaft, neu miteinander anzufangen.

In der Menge der Glaubenden dürfen wir schon jetzt loben. In der Verschiedenartigkeit der Gemeinde und der Gemeinden weltweit liegt das Geheimnis, dass wir eine gemeinsame Mitte haben, die uns gleich sein lässt. Natürlich wird das Miteinander uns herausfordern, doch das Singen lässt uns den Blick über das Hindernde hinweg erheben und Jesus entdecken.

Als ich letzte Woche eine Übungsstunde in der Sporthalle zum Thema Bockspringen verbrachte, blieb eine Regel mir besonders im Gedächtnis haften. "Wenn du über den Bock springst, musst du einen Punkt weit über dir fixieren (in unserem Fall die Ringe an der Decke), dann wirst du hoch und leicht über den Bock kommen und nicht darauf sitzen bleiben." Vielleicht ist diese Regel auch auf das Miteinander der Gemeinde als Vorgeschmack auf den Himmelschor anzuwenden. Wenn wir unseren Blick auf den Engelchor weit über uns richten, werden wir nicht auf unseren "Böcken" sitzen bleiben, sondern die Hindernisse hoch und leicht überwinden.

Cornelia Trick


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Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
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