Eine neue Sicht auf das Leben (Johannes 3,1-8)
Gottesdienst am 31.05.2015 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
in der Krabbelgruppe saßen wir mit den Kindern beim Frühstück. Eine Mutter erzählte, dass sie am Sonntag ihr Kind taufen ließen. Für uns Leiterinnen war es ein idealer Anknüpfungspunkt, die Mütter und Väter nach ihren Tauferinnerungen zu fragen und darüber ins Gespräch zu kommen, was Taufe überhaupt bedeutet. Es kam zu einer lebhaften Diskussion. Einige meinten, für sie sei die Taufe wichtig. Sie würden an eine Familientradition anknüpfen und hofften, ihrem Kind christliche Werte mitzugeben. Eine bekannte, dass für sie die Taufe mehr sei, eine lebendige Verbindung mit Jesus würde hergestellt. Ihr Kind sei seither geborgen in der Liebe Gottes und mit seinem Segen unterwegs. Einige waren neugierig geworden. Sollte Taufe mehr sein als ein christliches Familienfest? Geschieht da wirklich etwas von Gott her?

Ein ähnliches Gespräch führte Jesus einmal spät am Abend mit Nikodemus, einem Mitglied der Jerusalemer Religionsbehörde. Der hatte sich heimlich zu Jesus gewagt, um mehr von ihm zu erfahren.

Johannes 3,1-8

Einer von den Pharisäern war Nikodemus, ein Mitglied des jüdischen Rates. Eines Nachts kam er zu Jesus und sagte zu ihm: »Rabbi, wir wissen, dass Gott dich gesandt und dich als Lehrer bestätigt hat. Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Wunder vollbringen, wie du sie tust.« Jesus antwortete: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von oben her geboren wird, kann Gottes neue Welt zu sehen bekommen.« »Wie kann ein Mensch geboren werden, der schon ein Greis ist?«, fragte Nikodemus. »Er kann doch nicht noch einmal in den Mutterschoß zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!« Jesus sagte: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von Wasser und Geist geboren wird, kann in Gottes neue Welt hineinkommen. Was Menschen zur Welt bringen, ist und bleibt von menschlicher Art. Von geistlicher Art kann nur sein, was vom Geist Gottes geboren wird. Wundere dich also nicht, dass ich zu dir sagte: 'Ihr müsst alle von oben her geboren werden.' Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn nur rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So geheimnisvoll ist es auch, wenn ein Mensch vom Geist geboren wird.«

Nikodemus eröffnet das Gespräch mit Fakten, die er über Jesus weiß. Gott ist offensichtlich mit ihm, die Wunder, die Jesus tut, machen es deutlich. Nikodemus hat eine Sicht von außen, als ob er sich auf der Tribüne befindet und unten auf dem Rasen ein Fußballspiel. Jesus lässt ihn da oben nicht sitzen, sondern lockt ihn selbst aufs Spielfeld. Er eröffnet Nikodemus, dass seine Zuschauerperspektive nicht ausreicht. Sie würde Nikodemus unverändert lassen, er würde von Jesus nicht verändert werden. Eine neue Geburt muss geschehen, so drückt es Jesus aus, Nikodemus muss ein anderer werden, um wirklich zu begreifen, wer Jesus ist.

Nikodemus steht auf dem Schlauch. Wie soll das gehen? Soll er nochmal von seiner Mutter geboren werden? Wird sein gesamtes Leben auf Null gesetzt, als ob er eine Amnesie gehabt hätte? Ist sein ganzes bisheriges Leben gelöscht?

Jesus macht deutlich, dass es nicht darum geht, alle Erfahrung zu löschen und wie aus einem Jungbrunnen aufzusteigen. Was die neue Geburt bringt, ist eine neue Staatsangehörigkeit, ein neuer Pass. Von Neuem geboren zu werden, bedeutet, nun Bürger von Gottes Welt zu sein und da hinzugehören. Zwar lebt man noch hier und heute, aber man weiß, es ist nur vorläufig. Die eigentliche Heimat ist nicht hier.

Jesus sagt Nikodemus, dass diese neue Geburt durch Wasser und Geist geschieht. Er meint damit wohl die Taufe. Mit dem Wasser wird alles abgewaschen, das von Gott trennt. Der Geist Gottes schenkt die neue Identität, neue Kraft und einen Wind, der mich antreibt.

In unserer Kirche taufen wir meistens kleine Kinder. Wir tun es auf Hoffnung. Gott sagt zu dem Kind: Du gehörst zu mir. Mein Wind steht dir zur Verfügung. Schalte dein Windrad nicht ab. Die Erwachsenentaufe geschieht nach einer Erfahrung von Gottes Ja. Da hat jemand den Wind des Heiligen Geistes gespürt, wurde verändert, hat eine neue Sicht auf sein Leben und die Welt bekommen und möchte nun nicht nur Tourist in Gottes neuer Welt sein, sondern richtig mit Staatsbürgerschaft dazugehören.

Jesus beschreibt den Vorgang der neuen Geburt nicht, es bleibt ein Geheimnis, wie das geschieht. Wir können uns untereinander davon erzählen, wie wir Gottes Eingreifen in unser Leben erlebt haben. Bei manchen geschah es allmählich, sie können keinen klaren Punkt benennen, ab dem sie wussten, ich gehöre zu Gott. Bei anderen passierte es plötzlich, in einem Gespräch, beim ersten Beten, bei einer besonderen Veranstaltung , in einer notvollen Situation. Sie spürten eine große Freude, ein warmes Herz, eine Gewissheit, dass Jesus mit ihnen ist. Wenn auch diese neue Geburt nicht sichtbar geschieht, so sind doch die Auswirkungen zu sehen. 

Nehmen wir als Beispiel das Windrad. Wir können den Wind nicht sehen, aber seine Auswirkungen, wenn er auf das Windrad trifft, sind messbar. Das Windrad dreht sich in Windrichtung, die Flügel bewegen sich, Strom wird produziert. 

Wir sind wie ein Windrad. Wenn Jesu Geist auf uns trifft, bewegt er uns, und das hat Auswirkungen auf unser Reden, Handeln und unsere ganzen Lebensäußerungen. 

Ich will eine Auswirkung nennen: Wir bekommen eine neue Sicht auf unser Leben.

Man kann seinem Leben unterschiedliche Überschriften geben. Sieht man es unter dem Motto „Wettkampf“, geht es immer ums Gewinnen. Ist das Thema „Achterbahn“, wird es ein ewiges Auf und Ab geben, und in der Höhe hat man schon wieder Angst vor dem steilen Fall. Sieht man das Leben als Marathon, ist Ausdauer gefragt, als Reise, wird man möglichst viele Abenteuer erleben wollen. Ist es mehr ein Theaterstück, wird man sich bewusst sein, seine Rolle weiterzuspielen, egal, was passiert. Die Bilder und Überschriften, die wir über unser Leben setzen, bestimmen uns. 

Gott gibt unserem Leben seine Überschrift und seine Bilder. Drei verschiedene möchte ich andeuten, die uns die Bibel nahebringt:

  • Leben als Leihgabe. Vor zwei Monaten haben wir den Vertikutierer unserer Vermieterin ausgeliehen und unser kleines Rasenstück damit bearbeitet. Als die Arbeit getan war, säuberten wir es mit größter Sorgfalt. Kein anderes Gartengerät putzen wir so innig, wie diesen Vertikutierer, denn er ist nur geliehen. Unser Leben ist Leihgabe und gehört Gott. Sorgsam sollten wir deshalb damit umgehen, das Beste daraus machen, zur Freude Gottes leben. Ist unser Leben geliehen, so gilt das auch für das Leben anderer. Es ist nicht egal, wie ich mit ihnen umgehe, wie ich mich zu Menschen verhalte, die meine Hilfe, Unterstützung brauchen.
  • Leben ist wie ein Kletterkurs in Jesu Bergschule. Jeden Tag geht er mit uns neu los und übt, steile Berge zu erklimmen. Am starken Seil sind wir mit anderen verbunden. Er geht voran und leitet an, dass wir selbst für andere den Weg finden können. Der Kurs dauert lebenslang, aber wir lernen ständig dazu. Krönung ist die Besteigung des höchsten Berges, nahe dem Himmel.
  • Leben ist wie ein Windrad. Wir empfangen den Geist Gottes und lassen uns in Bewegung setzen. Es gibt auch flaue Zeiten, in denen wir still stehen. Sie lehren uns, dass wir den Wind nicht machen können, abhängig bleiben von Gottes Willen, seiner Kraft und seinem Tempo. Sobald der Geist Gottes uns erfasst, werden wir fähig, seine Energie weiterzugeben, sein Licht, seine Liebe und seine Wärme.
Wie können wir neu geboren werden, um diese neue Sicht aufs Leben und den Pass für die Ewigkeit zu bekommen? Der Wind weht, wo er will, aber den Schalter unseres Windrads können wir auf „An“ stellen. Wir können uns bereit halten, um uns erfassen zu lassen. Wir können Orte aufsuchen, an denen der Wind kräftiger weht als in den Niederungen des Alltags. Wir können andere um Fürbitte anfragen, dass wir wieder neu von Gottes Geist erfasst werden. Und wir können mit jemand reden, wie Nikodemus damals mit Jesus redete.

Nikodemus ist nach dem Gespräch kein Nachfolger Jesu geworden. Er blieb im Abstand. Wir hören später, dass er bei Jesu Beerdigung mitwirkte. Da sein Name bis heute erhalten blieb, war er vielleicht später auch in der Jerusalemer Urgemeinde. Auf jeden Fall steht er stellvertretend für alle, die ein neues Lebensmotto suchen, eine neue Sicht auf ihr Leben herbeisehnen. Die sind bei Jesus herzlich willkommen und er lädt sie und uns alle ein, mit ihm auf Kletterkurs zu gehen, das Windrad in den Wind zu drehen und zu erkennen, wie kostbar unser geliehenes Leben für Gott ist.

Cornelia Trick


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