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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Der Weg über den Gletscher erinnert mich immer wieder an unseren Lebensweg. Selten verläuft ja auch unser Leben so, dass wir blind weitermachen können. Ein genauer Blick auf den Weg ist wichtig. Brüche, unvorhergesehene Zwischenfälle, Umstrukturierungen in der Firma oder im Privatleben zwingen zum Umkehren oder zur Routenänderung. Das Klima kann durchaus auch mal abweisend sein, nicht immer wohlig warm und gemütlich. Wir sind unterwegs mit Menschen, auf die wir wie in einer Seilschaft Rücksicht nehmen müssen, die uns zwingen, unser Tempo, unsere Lebensweise zu verändern und anzupassen. Das kann auf Dauer ganz schön anstrengend werden. Umso wichtiger ist die Schutzhütte, die uns Erholung verspricht und uns mit neuem Proviant auf die nächste Wegetappe schickt. Wo ist unsere Schutzhütte? Am dritten Advent bereiten wir uns auf Jesu Kommen in diese Welt vor. Wir sind noch unterwegs nach Bethlehem, der „Schutzhütte“, aber haben die Treppe schon erreicht. Diese Schutzhütte von damals findet ihre Fortsetzung in der Gemeinde. Jesus sagte, er ist in der Gemeinde zu finden, er ist da, wo Gemeinde ist, also Gemeinde als der Stall von Bethlehem heute. Paulus schrieb der Gemeinde
in Thessalonich einen Mutmachbrief. Mit seinem Gebet am Ende wollte er
ihnen mitten in langen Gletscherwanderungen die Schutzhütte vor Augen
malen.
Paulus gab der Schutzhütte den Namen „Gott ist treu“. Was verbirgt sich hinter diesem Namen? Wenn wir ein Hotel im Internet buchen wollen, gehen wir zuerst auf die Homepage des Hotels und schauen uns das Angebot an: wie die Zimmer aussehen, wie das Bad ausgestattet ist, ob es einen Balkon gibt oder ein Schwimmbad und natürlich, wie viel es kostet. Paulus beschreibt die Schutzhütte „Gott ist treu“ so: Wer dort sein Lager aufschlägt, bekommt drei Geschenke: Frieden, Schutz und einen Auftrag. Das erste Geschenk: Friede
In der Hütte finde ich Frieden mit Gott. Ich bin gut genug, so wie ich bin. Ich bin in Sicherheit, ich kann meine Verletzungen versorgen lassen. Den Rucksack mit schmerzenden Erfahrungen kann ich ablegen, Jesus wird sich darum kümmern, die eine oder andere Last herausnehmen, ihn für den nächsten Tag neu für mich packen. Bleibt man außerhalb der Schutzhütte, entgeht einem dieses Geschenk. Die Suche nach Geborgenheit und Schutz geht weiter und die Vorstellung läuft mit, dass ich selbst für mich sorgen muss, selbst die Geborgenheit schaffen muss, selbst schuld bin, wenn es nicht klappt. Die Schutzhütte Gemeinde soll den Frieden Gottes repräsentieren. Sie ist allerdings immer im Bau. Da wissen wir, dass wir von Gott gewollt und angenommen sind, doch werden die einen oder anderen Konflikte dennoch auftauchen. Friede meint nicht, dass wir immer alle einer Meinung sein werden, sondern dass wir befähigt werden, einander zu vergeben, einander zu helfen, eine andere Sichtweise zu bekommen und bei uns selbst damit anfangen. Den Frieden Gottes erleben wir in der Gemeinschaft, wenn wir in vielfältigem Kummer getröstet werden, einander wie in einer Seilschaft in den Abgründen und Abstürzen des Lebens halten und eben auch immer wieder neu miteinander beginnen. Das zweite Geschenk: Schutz
Eine konnte vom Glauben abkommen, sich anders orientieren, weil ein anderes Glaubensangebot attraktiver erschien. Einer verstand den Glauben an Jesus wie ein Paar Winterstiefel. Wenn es in der Seele kalt wurde, dann besann er sich auf die Schutzhütte, ansonsten war sie ihm ziemlich egal. Eine konnte stundenlang über Jesus reden, aber wenn ihre Nachbarin sie um ein Ei bat, dann knöpfte sie ihr 50 Cent dafür ab. Nein, verschenken wollte sie nichts, schon gar nicht an die nervige Nachbarin. Der Glaube hatte offenbar an ihrem Mund haltgemacht, ihre Hände und ihr Herz nicht erreicht und verändert. Denen gibt Paulus mit auf den Weg, die Schutzhütte „Gott ist treu“ regelmäßig aufzusuchen, sich in der Gemeinde auf Jesus einzulassen und ihn bis ans Herz vordringen zu lassen, den Türöffner Jesus auch als Bergführer für die Etappen zwischendurch in Anspruch zu nehmen. Jesu Begleitung geht ja über die Stunde im Gottesdienst hinaus. Er führt durch die Gletscherspalten, er bewahrt vor Abstürzen. In einem Gespräch sagte mein Gegenüber: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott direkt in mein Leben eingreift, also mich z.B. vor Unfällen mit dem Auto bewahrt. Denn warum passieren auch Christen Unfälle? Auf die Bemerkung gibt es keine einfache Antwort. Und es treibt auch mich um, dass ich einerseits fest davon ausgehe und es auch erlebe, dass Jesus mich wie ein Bergführer beschützt, aber andererseits trotzdem so viel passiert, das er nicht verhindert. Mir hilft, dass ich seine Verheißungen im Herzen trage und sie sozusagen wie ein Brillenglas vor meine inneren Augen halte: „Gott kennt meinen Namen. Gott hat die Haare auf meinem Kopf gezählt. Gott hält seine Arme offen, wann immer ich von falschen Wegen bereit bin umzukehren.“ Mit diesem Vorverständnis lassen sich die Situationen leichter ertragen, in denen ich um seine Hilfe ringe. Gott steht zu mir, Jesus liebt mich, und er bleibt bei mir, auch wenn ich gerade an einem dünnen Seil über der Gletscherspalte hänge. Und noch in einer weiteren Weise erlebe ich Jesu Schutz. Er gibt mir ganz deutliche Zeichen, wenn ich mich anders verhalte, als er es von mir erhofft und als es gut für mich ist. Als ob er Stopp-Schilder aufstellt: „Hier warst du zu hart“, „hier musst du konsequent sein“, „hier erwarte ich, dass du liebevoller handelst oder klarer deine Meinung sagst“. Ich kann die Stopp-Schilder wie im wirklichen Leben überfahren, aber meistens komme ich dabei in gefährliche Situationen und ärgere mich hinterher, dass ich so stur war und sie ignorierte. Das dritte Geschenk: ein
neuer Auftrag
„Gott, der euch beruft, ist treu: Er wird das alles tun.“ (1.Thessalonicher 5,24) Cornelia
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