Ein Lied auf Jesus (Kolosser 1,15-20)
Gottesdienst am 30.4.2017 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
als Chorwerkstatt haben wir gestern fleißig für den Gottesdienst heute geübt. Als Altstimme bedauerte ich mal wieder, kein Sopran zu sein. Die Melodie ist einfach fröhlicher zu singen, klingt klarer, ist leichter zu lernen. Und stelle man sich ein Lied ohne Sopran vor, es wäre nicht erkennbar. Ist nun im Chor der Sopran am wichtigsten? Oder doch eher der Chorleiter, der alles zusammenhält und die Einsätze gibt? 

Schauen wir auf unser Leben und vergleichen es mit dem Chor. Manche würden sagen: Jesus gibt den Ton in meinem Leben an. Er ist die Sopranstimme, die meinem Leben die Führung gibt. Er sorgt für die hellen Töne, die klare Linie, er führt mich an. Manche würden sagen, nein, nicht die Sopranstimme, Jesus ist der Chorleiter. Wäre er der Sopran, wäre das ICH der Chorleiter und hätte ich alle Strippen in der Hand. Ist Jesus der Chorleiter, hat er mein Leben in Gesamtheit im Blick, ist nicht nur eine Stimme von vielen. Er als Chorleiter gibt den Einsatz, weist auf die Pausen, das Tempo, die Betonungen hin. 

Wer ist Jesus für mich, Dirigent oder eine Stimme im Chor meines Lebens? Diese Frage ist zentral für den Glauben.
Der Brief an die Kolosser, den Paulus oder ein Schüler von ihm an die Gemeinde Kolossä geschrieben hatte, sollte für die Gemeinde eine Art Glaubenskurs sein. Die Menschen, die zur Gemeinde gehörten, waren keine Juden, sie kannten sich mit jüdischer Geschichte und dem Alten Testament nicht aus. Sie waren von einer Patchwork-Religiosität umgeben, verschiedene Kulte und Götter wurden verehrt. In der Gesellschaft herrschte große Unsicherheit, man fürchtete überall den sozialen Abstieg. Da bot die junge Gemeinde Jesu einen Zufluchtsort und eine Alternative zu ihren Lebenserfahrungen. Hier hörten die Menschen von einem liebenden Gott, der ihnen in seinem Sohn Jesus durch die Kraft des Heiligen Geistes nahe sein wollte. Die Gemeinde lebte wie eine Familie zusammen, Vergebung und Teilen wurden praktiziert, in den Ängsten trösteten sie sich mit Jesu Zusage, bei ihnen zu sein, komme, was wolle.

Paulus wollte mit seinem Brief diesen Glauben stärken. Nicht nur ein diffuses Gefühl von Nähe Gottes sollte Inhalt des Glaubens sein. Die Leute brauchten Hintergrundinformation, warum sie an Jesus glaubten.

So setzt der Glaubenskurs mit einem Loblied auf Jesus ein. Zuerst sollte die Gemeinde den Dirigenten kennenlernen, bevor sie sich von ihm dirigieren ließ. 

Kolosser 1,15-20

Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der erstgeborene Sohn des Vaters, aller Schöpfung voraus und ihr weit überlegen. Denn in ihm ist alles erschaffen worden, was im Himmel und auf der Erde lebt, die sichtbaren Geschöpfe auf der Erde und die unsichtbaren im Himmel – die Thronenden, die Herrschenden, die Mächte, die Gewalten. Alles hat Gott durch ihn geschaffen, und alles findet in ihm sein letztes Ziel. Er steht über allem, und alles besteht durch ihn. 
Er ist das Haupt des Leibes, das heißt: der Gemeinde. Er ist der Anfang der neuen Schöpfung, der Erstgeborene aller Toten, der zuerst zum neuen Leben gelangt ist, damit er in jeder Hinsicht der Erste sei. Denn Gott gefiel es, in ihm die ganze Fülle des Heils Wohnung nehmen zu lassen. Durch ihn wollte Gott alles versöhnen und zu neuer, heilvoller Einheit verbinden. Alles, was gegeneinander streitet, wollte er zur Einheit zusammenführen, nachdem er Frieden gestiftet hat durch das Blut, das Jesus am Kreuz vergoss; alles, was auf der Erde und im Himmel lebt, sollte geeint werden durch ihn und in ihm als dem letzten Ziel.

Jesus ist …
Das Bild des unsichtbaren Gottes
Von Unsichtbarem kann man kein Bild machen. Es gibt keine Fotos von Luft, Gas oder Strom. Doch unsichtbar kann auch Verborgenes sein. Die Menschen in Kolossä damals konnten sich nicht vorstellen, ein Foto eines Embryos in der Hand zu haben. Für sie war ungeborenes Leben ein Geheimnis. Genauso wie die inneren Organe eines lebenden Menschen, Hirnströme und Nervenimpulse. Heute haben wir bildgebende Verfahren, um diese verborgenen Orte und Vorgänge sichtbar zu machen. Sogar Hass, Liebe und Angst sind fotografisch festzuhalten. So können wir leichter verstehen, wie Jesus das Bild des unsichtbaren Gottes sein kann. Er weist auf das Innere Gottes hin, er bringt ans Licht, was uns von Gott verborgen war:

  • Gott liebt diese Welt und uns Menschen.
  • Gott liebt die, die in ein Lebenschaos geraten sind, durch andere oder eigenes Verschulden.
  • Gott möchte die Menschen in seine Liebe zurückholen.
  • Gott vergibt und schenkt neue Anfänge.
  • Gott gibt Kraft zum Leben.
Wie ein Dirigent gibt Jesus diesen Gotteswillen, das Innerste Gottes weiter. Er übt mit uns ein, auf Gottes Liebe zu vertrauen. Wir kommen dem Herz Gottes näher, wenn wir Jesus anschauen und auf ihn achten.

Versöhnung
Christen in Kolossä kannten den jüdischen Kult nicht. Sie konnten mit Opfern, Versöhnungsritualen und allem, was mit dem jüdischen Tempel zusammenhing, nichts anfangen. Deshalb wählte Paulus für sie eine mehr politische Erklärung des Todes Jesu für die Menschen.

Zwei Lager liegen im Krieg miteinander, den die eine Seite begann. Natürlich bilden sie Koalitionen und ziehen andere mit in ihren Krieg hinein. Das angegriffene Lager schickt einen Diplomaten, er soll Frieden aushandeln und die Gegenseite überzeugen, dass man doch gar keinen Krieg will. Der Diplomat gerät zwischen die Fronten und wird von der Gegenseite umgebracht. Klar ist, dass der Krieg eskaliert. Doch stattdessen geschieht das Unerwartete: Die geschädigte Seite öffnet die Grenzen und erklärt einseitig den Krieg für beendet. Es wäre schon genug Blut geflossen, man wolle zukünftig mit den anderen zusammenarbeiten und gemeinsam die wirklichen Probleme der Welt anpacken. Es kommt zu einem Handschlag an der Grenze, der Tod des Diplomaten gilt als Zeichen, dass nun Friede ist.

Auf das Verhältnis Gott-Mensch bezogen bedeutet dieses Szenario, dass Gott uns einseitig entgegen kommt. Mit Jesu Tod ist der Krieg, den wir Menschen gegen Gott führen, beendet. Gott trägt uns nichts nach, er hat abgerüstet. Er reicht uns die Hand und verspricht, für uns da zu sein.

So etwas Überraschendes haben wir 1989 erlebt, als die Mauer der DDR eingerissen wurde. Ein solches Erlebnis verpflichtet, dem Frieden Raum zu geben und die geschenkte Gemeinschaft zu gestalten – bis heute.

Erstgeborener von den Toten
Hier gebraucht Paulus das Bild von der Geburt. Jesus ist der Erste, der dem Grab entrissen wurde. Der Erstgeborene macht Hoffnung auf Geschwister. Uns an Jesus zu halten, gibt uns Gewissheit, auch mit ihm leben zu können. Wir können deshalb mutig auch an Abbrüchen und Kanten des Lebens sein. Wir können der Hand Gottes vertrauen, auch wenn die Zukunft ungewiss ist. Wir können den Rettungsring Jesu ergreifen, der uns in Gottes Arme zieht.

Haupt der Gemeinde
Paulus nennt hier die Erfahrungen in der Gemeinde zuerst. Die persönlichen Erfahrungen sind erst das Nachfolgende. Der Dirigent ist für den ganzen Chor da, nicht für eine einzelne Singstimme. Im Miteinander erfahren wir mehr von Jesus. Wer etwas mit Jesus erlebt, teilt es, so wird aus der Erfahrung eines Einzelnen die einer ganzen Gemeinde. Gemeinsame Aufgaben sind zu stemmen, die allein nicht möglich wären.

Doch ein Chor hat nicht nur Konzertauftritte, wo alle Lieder hundertprozentig sitzen. Den Konzerten gehen anstrengende Übungsstunden voraus. Es gibt Pausen, wenn andere Stimmen üben, es gibt Hintergrunddienste, die niemand sieht und honoriert, und jeder und jede muss sich einfügen in das Ganze, kann nur selten Solopartien singen.

Jesus ist der Chorleiter der Gemeinde, aber wir haben das unsere dazu beizutragen. Wenn jemand blockiert, sich verweigert, bewusst falsch singt oder andere vom Singen abhält, wird es nie zur Konzertreife kommen, der Chor wird nicht ausstrahlen und für Jesus werben.

Fülle
Bei dem Wort Fülle habe ich einen Krug vor Augen, der mit sprudelndem Wasser gefüllt ist. Er ist so voll, dass er leicht überschwappt. Aus diesem Krug schenkt Jesus uns ein. Er gibt uns sprudelnde Lebensfreude und Hoffnung, die nun auch in meinem Glas überschwappt und für andere reicht. Soweit die Theorie.

In der Praxis kann ganz schön viel schiefgehen. 

Ich kann die Öffnung meines Glases zuhalten. Ich bleibe der Dirigent meines Lebens. Ich halte an meinen Vorstellungen von Gott fest. Ich fülle mein Glas mit meinen Prioritäten.

Ich schätze Jesu Füllen nicht wert und hätte gerne ein anderes Leben. So wie ich von 10 Paar Schuhen im Keller kein Passendes finde und dringend ein 11. brauche. Vielleicht fehlt mir auch ein Blick auf diese Fülle Jesu, weil mir niemand sagt, wie er an mir Jesu Wirken wahrnimmt. Darüber reden wir ja selten miteinander, war aber hilfreich wäre.

Ich lasse meine Fülle nicht weiterfließen. In einer Studie mit Tausenden Christen weltweit fand man heraus, dass Christen unzufrieden mit ihrem Glauben werden, wenn sie keine Verantwortung für ihr Glaubensleben übernehmen. Sie bleiben geistliche „Kinder im Bällchenbad“, die darauf waren, dass man sie füttert und abholt, statt selbst ihr Leben in die Hand zu nehmen. Fülle weiterfließen zu lassen, ist lebensnotwendig, um neues lebendiges Wasser zu bekommen. Also heißt das, sich zu investieren und für andere einzusetzen.

Weil Jesus der Röntgenapparat für Gottes Liebe ist, der Diplomat ist, der den Frieden herbeiführt, die Gemeinde wie einen Chor dirigiert und ein überlaufender Krug ist, der unsere Gläser und Krüge füllt, können wir aus vollem Herzen singen:
Alles, was wir tun und was wir sagen, soll zu erkennen geben, dass wir Jesus, dem Herrn, gehören. Unser ganzes Leben soll ein einziger Dank sein, den wir Gott, dem Vater, durch Jesus Christus darbringen.“ (nach Kolosser 3,17)

Cornelia Trick


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