Ein Haus mit offenen Türen
Gottesdienst am 19.11.2000

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
die Sonntagsschule erstellte vor einiger Zeit ein großes Plakat von unserer Gemeinde. Darauf war ein großes Gemeindegruppen aus Sicht der KinderKirchengebäude abgebildet, das von vielen Gruppen, Kreisen und Aktivitäten der Gemeinde eingerahmt war. Es ist enorm, was da alles zusammen kam und noch erstaunlicher, dass die Kinder das alles selbst herausgefunden und aufgeschrieben haben. Als ich mir dieses Bild eine Weile anschaute, wurde ich neugierig, wer wohl alles hinter den Kreisen und Initiativen steht. Welche Leute füllen diese Gruppen und wie sind sie überhaupt zum Glauben gekommen und zur Gemeinde gestoßen, wo war für sie die Eingangstür zu Jesus Christus? So kam ich zu unserem Thema "ein Haus mit offenen Türen". 

Zuerst eine Bestandsaufnahme: Menschen, die neu zu unserer Gemeinde kommen, nehmen unterschiedliche Eingangstüren. Manche sind umgezogen und suchen eine neue Gemeinde, wo sie ihren Glauben leben können. Manche sind mit Freunden mitgegangen, erst sporadisch, dann häufiger, irgendwann kam der Punkt, an dem sie selbst dabei sein wollten, sich einem Hauskreis anschlossen, sich für Jesus Christus entschieden. Andere wieder sind in dieser Gemeinde groß geworden. Sie haben als Kinder die Sonntagsschule besucht, den Kirchlichen Unterricht absolviert, sind aktiv in einer Gruppe gewesen und haben das Ja Gottes, das er ihnen schon in der Taufe als Babys zugesprochen hat, mit einem Ja beantwortet. Aber es gibt auch die anderen "Gemeindekinder", die das eigene Ja nicht so deutlich sprechen können und sich wünschten, mit dem Glauben noch mal bei Null anfangen zu können, die ganzen Grundlagen des Glaubens bewusst noch einmal aufnehmen zu können. Als Gemeinde haben wir von Jesus Christus her den Auftrag, unser Haus zu bauen. Sicher sind da immer wieder Renovierungsarbeiten und Verschönerungsarbeiten nötig. Wir arbeiten an unseren Beziehungen zu Jesus Christus und untereinander, wir sorgen für Räume der Begegnung mit Gott, wir leben von der Vergebung im Abendmahl und dem Zuspruch "siehe, ich mache alles neu". Aber der Auftrag Jesu erschöpft sich nicht in diesen Aufgaben. Er sagt uns auch klar und deutlich, dass wir für offene Türen zu sorgen haben, durch die jeder und jede eingeladen werden, mit ihm in Kontakt zu kommen. So entstehen neue Bausteine unseres Gemeindelebens, die Gott loben können und ihm die Ehre geben.

Eine Eingangstür bereiten wir gerade intensiv vor. Es ist eine Tür, die den Weg für ganz verschiedene Typen öffnet. Eingeladen werden Leute, die durch ihren Freund oder ihre Freundin auf Jesus Christus aufmerksam wurden. Sie können mit Freund und Freundin durch diese Tür gehen. Eingeladen sind auch die, die in dieser Gemeinde eine neue Heimat suchen und sie so besser kennen lernen wollen. Eingeladen sind auch die, die schon lange hier dabei sind, aber für sich noch mal klar ziehen wollen, was es bedeutet, mit Jesus Christus zu leben. Und eingeladen sind wir alle, uns vor oder hinter dieser Eingangstür mit unseren Gaben einzubringen, um die Leute, die durch diese Tür kommen, aufzunehmen und ihnen herzlich zu begegnen.

Die Eingangstür ist ein Glaubenskurs, der vor 20 Jahren in England entstand und mittlerweile quer durch alle evangelischen Kirchen in der ganzen Welt Verbreitung gefunden hat. Er heißt Alpha – Kurs und wie der Name schon sagt, behandelt er die Grundlagen des Glaubens an Jesus Christus, lädt ein zu einer Lebensgemeinschaft mit ihm. Der Kurs ist eine Eingangstür, die nicht nur Wissen vermitteln will, sondern auch ein Gewicht auf persönliche Beziehungen im Kurs legt. Durch die Eingangstür muss niemand allein gehen, es sind Freunde da, die ihre Hilfe und Unterstützung anbieten. Es sind Freunde da, die jeden und jede in der Gemeinde warm empfangen und das Einleben erleichtern.
Der Kurs gründet sich auf das Evangelium von Jesus Christus. Ein Abschnitt aus dem Brief an die Gemeinde der Kolosser, der Paulus zugeschrieben wird, bringt das Anliegen sehr gut zum Ausdruck

Kolosser 1,28-29

Diesen Christus verkünden wir. Und wir hören nicht auf, jeden einzelnen zu ermahnen und jedem einzelnen den Weg zu zeigen, den uns Christus gewiesen hat. Das tun wir mit der ganzen Weisheit, die uns gegeben ist. Denn wir möchten jeden und jede dahin bringen, dass sie vor Gott dastehen in der Vollkommenheit, die aus der Verbindung mit Christus erwächst. 
Eben dafür kämpfe ich und mühe mich ab und Christus selbst wirkt durch mich mit seiner Kraft, die sich in mir als mächtig erweist.

Ausgangspunkt ist Jesus Christus. Wenn Paulus der Gemeinde etwas weitergeben wollte, dann hatte das immer und grundlegend mit Jesus Christus zu tun. So ist es zuerst nötig, sich zu vergegenwärtigen, wer Jesus Christus nach dem biblischen Zeugnis ist und was er bei uns bewirken will. Am eindrücklichsten ist es, die Berichte von Jesus selbst in den Evangelien zu lesen. Seine Haltung zu studieren, sich von seinen Predigten mitreißen zu lassen, seine Liebe zu Menschen am Rande auf sich wirken zu lassen. In den Berichten kommen Grundlinien zum Ausdruck, die sich wie ein roter Faden durch sein Leben, sein Leiden, sein Sterben und seine Auferstehung ziehen. Ich möchte diese roten Fäden in drei Stichworten ordnen:

  • Hunger
  • Freiheit von und
  • Freiheit zu. 
Jesus ist ein junger Mann begegnet, der sehr reich war. Obwohl er sich alles leisten konnte, spürte er einen Hunger nach wahrem Sinn in seinem Leben. Einkaufstouren  und tolle Partys füllten ihn nicht aus. Jesus riet ihm, sein Geld den Armen zu geben und sich ganz auf Jesus zu verlassen. Bei dem jungen Mann kam ein Hunger nach Leben, nach Sinn zum Ausdruck. An anderer Stelle begegnen uns Leute, die Hunger nach Leben hatten, das nicht durch den Tod begrenzt wurde. Auch Hunger nach Vergebung wurde immer wieder angesprochen. Wenn man mit seiner Umgebung im Unfrieden lebte und nichts mehr wünschte, als dass Friede einkehrte und endlich ein Schlussstrich unter die alten Geschichten gezogen wurde. Wenn der Sack der Schuld zu schwer auf den Schultern wurde und ein Ort zum Abladen gesucht wurde.
Da kam Jesus auf die Leute zu, er bot sich ihnen als Wegbegleiter an und stillte ihren Hunger. Das "Mehr", das sie in allem suchten, war er selbst.

Jesus schenkte ihnen Freiheit von Schuld, von einer Sucht, die ja im Tiefsten eine Sehnsucht war. Er machte frei von Furcht und gab den einzelnen eine neue Chance zu leben. Die Vergangenheit fesselte nicht mehr, die Frau, die bei den Männern stadtbekannt war, konnte noch einmal beginnen, der Zöllner, der jede Menge Unterschlagungen zu verantworten hatte, beglich seine Schulden und war ein neuer Mensch vor Gott mit einem leeren Punktekonto. Der Christenverfolger Paulus wurde zum Missionar, getrieben von der Liebe zu Jesus.

Und so kommen wir auch zu dem dritten roten Faden, der Freiheit, für Jesus Christus da zu sein. Wie Paulus sein Leben ganz Jesus widmete, so passiert es immer, wenn Jesus einen frei macht von alten Bindungen, Schuld und der Sehnsucht nach erfülltem Leben. Es ist kein Muss, sich Jesus zur Verfügung zu stellen, es ist ein Ausdruck der Liebe und der neuen Lebensgemeinschaft. Der reiche, junge Mann konnte sich auf die Lebensgemeinschaft nicht einlassen, er ging traurig weg, andere, die die Hand Jesu erfassten, wurden froh und gingen mit neuer Zuversicht in den Alltag.
Diesen Christus verkünden wir. Darum geht es bei der Eingangstür. Nicht um ein theoretisches Wissen um Jesus Christus, das man auswendig wissen muss, sondern um einen Befreiungsakt. Kein Muss erwartet uns hinter der Tür, sondern neues, erfülltes, zielgerichtetes und unbegrenztes Leben mit Gott.

Paulus geht es um jeden und jede einzelne. Ganz persönlich möchte er den Weg zeigen, den Christus gewiesen hat. Natürlich richtet sich seine Fürsorge auch an die Gemeinde selbst. Da ist Seelsorge in ganz konkreten Lebensfragen nötig. Immer wieder müssen wir ermutigt, manchmal auch ermahnt werden, am Glauben dranzubleiben, die Befreiung nicht wieder gegen andere Zwänge einzutauschen. Gebetsgemeinschaft hilft, Christus nicht aus den Augen zu verlieren und gemeinsam die Bibel zu studieren öffnet neue Horizonte. Aber Paulus hat auch die im Blick, die an der offenen Tür stehen. Sie gilt es einzuladen, um ihre Probleme geht es, sie brauchen persönliche Gespräche, um den Weg Jesu mit ihnen zu erkennen. 

Es gibt ein schönes Experiment zu diesem Thema. Sie stellen 10 leere Flaschen auf den Boden, nehmen einen Eimer Wasser und leeren ihn über den 10 leeren Flaschen. Wenn Sie das Ergebnis betrachten, werden Sie vielleicht enttäuscht sein. Die Flaschen sind trotz des Eimers Wasser fast leer, aber drum herum hat sich ein See gebildet. Jetzt nehmen Sie eine Gießkanne, füllen sie mit der gleichen Menge Wasser und schütten das Wasser in die Flaschen. Die Flaschen werden spielend voll. 

Oft meinen wir, dass eine Großevangelisation Menschen mit Jesus Christus in Verbindung bringt und sie zum Glauben führt. Sicher sind Menschen auf diesem Weg schon zum Glauben gekommen. Aber viel eher erfahren sie Gottes Liebe durch die ganz individuelle Fürsorge, das Mitgehen im Alltag, die Gespräche über einen längeren Zeitraum hinweg. An Paulus Wunsch, sich den einzelnen zuzuwenden, orientiert sich auch der Alpha- Kurs. Christen bringen ihre Freunde und Bekannten mit und gemeinsam erkunden sie die Geheimnisse des Glaubens. Der Heilige Geist wirkt durch die Begleiter weiter und steckt die Neuen an. Verstand, Herz und Wille, alles, was uns ausmacht, werden berührt und kommen vor. Und das Geben der Christen ist keine Einbahnstraße. Wer einen Freund in den ersten Schritten des Glaubens begleitet, wird selbst gestärkt, ermutigt und beschenkt mit neuem Vertrauen zu Gott.

Das Ziel, das Paulus für diese persönliche Fürsorge nennt, ist die geistliche Reife. In der Übersetzung der Guten Nachricht heißt es Vollkommenheit. Mit Vollkommenheit assoziieren wir die Endstufe einer Entwicklung. Was vollkommen ist, ist nicht mehr verbesserungsfähig. Vollkommenheit werden wir erst in der Ewigkeit bei Gott geschenkt bekommen. Deshalb scheint mir hier der Begriff Reife besser verständlich zu sein. Ziel ist, als Christ zu reifen in der Beziehung zu Jesus Christus. Dafür werden den Neuankömmlingen Hilfestellungen gegeben, aber auch die langjährigen Christen bleiben abhängig vom Heiligen Geist, der immer neue Wachstumsimpulse gibt. Zugegeben, es ist ein Ideal, dass alle Christen immerzu wachsen und reifen. Es gibt Rückschläge, Vertrauenskrisen, Zweifel und Anfechtungen. Im Gleichnis vom 4-fachen Ackerfeld ist das ja auch anschaulich beschrieben. 75% der Saat geht nicht auf, nur 25% bringt Frucht, dafür aber in überwältigendem Maße. So werden wir auch damit rechnen müssen, dass nicht alle Teilnehmer am Alpha- Kurs dabei bleiben. Manche sind vielleicht eine Zeit begeistert dabei und erkennen dann für sich, dass sie sich doch nicht voll auf Jesus Christus einlassen wollen. Andere waren vielleicht vor Jahren schon ein Saatkorn, das hoffnungsvoll aufgegangen ist, dann aber unter Dornen verkümmerte. Und nun machen sie einen neuen Anlauf und er kann zu viel Frucht führen. 

Was wir im Alpha- Kurs vermitteln wollen, beginnt bei uns hier in der Gemeinde. Letzte Woche besuchte ich eine Tagung zum Thema Ehe. Wir hörten dort viel darüber, wie Ehe auf lange Sicht hin lebendig bleiben kann. Wir wurden ermutigt, etwas für die Beziehung zu investieren, Zeit, Fantasie, Interesse. Wir wurden aber auch aufmerksam gemacht, wie wichtig die Distanz zueinander ist, eigene Erfahrungen, die die Gemeinsamkeit bereichern. Diese Einsichten sind durchaus auf die Gemeinschaft mit Gott übertragbar, auch wir langjährigen Christen werden aufgefordert, etwas in die Beziehung zu investieren, das Gespräch mit Gott im Gebet zu suchen, in der Bibel zu lesen, mit anderen Christen am runden Tisch über unseren Alltag zu reden. Auch in unserer Beziehung zu Gott gibt es Zeiten, wo Gott uns nicht unbedingt nahe ist. Zweifel, Angst, Sorgen können uns fragen lassen, wo Gott denn nun ist. Aber auch in diesen Zeiten hält er uns und will gerade durch die Krisen hindurch unsere Beziehung zu ihm festigen. Was wir hier mit Gott erleben, ist der Nährboden für die Neuen, die dazukommen. Sie spüren, dass hier Leute leben, die ganz im Alltag stehen und sich dennoch geborgen fühlen in Gottes Hand. Es gibt keine Sonderlehre für die Neuen, wir alle leben von der lebendigen Beziehung zu Jesus Christus.

Paulus schließt mit dem Bekenntnis "Ich kämpfe, ich mühe mich ab". Christus zu verkünden ist kein Sonntag- Nachmittag- Spaziergang. Es ist harte Arbeit. Doch Paulus bleibt nicht beim Kämpfen stehen. Er gibt Zeugnis für Jesus Christus und der kämpft letztlich für ihn. Seine Kraft, die besonders in den Schwachen mächtig ist, erweist sich gerade da, wo es schwer ist. So liegen Gottes Gabe und die eigene Verantwortung sehr eng beieinander. Es ist Gottes Gabe, dass wir hier in unserer Gemeinde einen Alpha- Kurs durchführen können. Es ist seine Gabe, dass er uns Augen und Herzen geöffnet hat für die Notwendigkeit, unsere Türen weit aufzumachen. Wir vertrauen darauf, dass er mit diesem Kurs Großes unter uns tun will. Aber wir sind auch in die Pflicht genommen, uns für seine Sache hinzugeben. Das hat sehr praktische Folgen. Jeder und jede von uns ist gefragt. Vielfältig sind die Einsatzgebiete, angefangen mit den Einladungen im Vorfeld, der Begleitung einer Freundin oder eines Freundes, der Küchenarbeit für das Abendessen des Kurses, dem Gebetsdienst, der Offenheit für Neue in der Gemeinde. Und dazu gehört auch, ein Stück weit die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, wenn es darum geht, den Neuen das Hineinkommen zu erleichtern.

Der Alpha- Kurs erinnert uns wieder daran, dass Gemeinde niemals ein abgeschlossenes Bauwerk ist, sondern davon lebt, dass neue Bausteine eingefügt werden, die sich auf Christus gründen. Es ist eine Chance für uns, unseren Standpunkt in dem Bauwerk oder vor dem Bauwerk Gemeinde zu überprüfen und uns einladen zu lassen, lebendige Steine in der Gemeinde zu sein

Komm, sag es allen weiter,
ruf es in jedes Haus hinein!
Komm, sag es allen weiter:
Gott selber lädt uns ein.
Sein Haus hat offne Türen, er ruft uns in Geduld,
will alle zu sich führen,
auch die in Not und Schuld.
Komm, sag es allen weiter,
ruf es in jedes Haus hinein!
Komm, sag es allen weiter:
Gott selber lädt uns ein.

Cornelia Trick


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