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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Jetzt ist unsere Phantasie gefragt. Die beiden kennen sich, Anne wird genau wissen, was sich hinter diesem Satz verbirgt. Wir können nur spekulieren, von uns auf Martin schließen. War das eine resignierte Äußerung dazu, dass es sicher wieder nicht geklappt hat? War es ein Votum, auf sein Gefühl nicht allzu viel zu geben, weil er schon oft daneben lag mit seinen Einschätzungen von Bewerbungsgesprächen? War es einfach ein Stopp-Schild, um Anne erst mal zu bitten, ihn einen Moment zur Ruhe kommen zu lassen? - Anne hat mit Martins Äußerung kein Problem. Anne versteht ihren Mann, obwohl er nichts zum Bewerbungsgespräch gesagt hat. Sie liebt ihn, also darf sie ihn auch kennen, in seiner Schwachheit, Verletzlichkeit, Müdigkeit. Er braucht ihr nichts vorzuspielen. Wie viele Leute sind es eigentlich, die uns wirklich kennen? Wen lassen wir so tief in uns hinein blicken, dass er oder sie uns kennt? Wenn wir diese Menschen vor Augen haben, werden wir feststellen, dass es die sind, die uns lieb haben. Unsere Eltern, Geschwister und Kinder, unsere Ehepartner und Ehepartnerinnen, unsere besten Freunde. Denen geben wir die Chance, uns wirklich zu kennen, mit unseren Stärken, aber eben auch mit unseren Schwächen. Sie werden nicht neidisch auf unsere Stärken oder fühlen sich von ihnen bedroht. Sie reiten nicht herum auf unseren Schwächen und drehen uns noch einen Strick daraus. Sie leiden mit uns, wenn wir das Auto in den Graben gefahren haben, und kennen keine Schadenfreude. König David, eine der eindrücklichsten Gestalten der biblischen Überlieferung, wird uns sehr ausführlich in vielen Geschichten der Bibel geschildert (Straßenbau ins neue Jahr, 1.Samuel 16,1-13; David und Goliat, 1.Samuel 17; In aller Freundschaft: David und Jonatan, 1.Samuel 19-2.Samuel 9 in Auszügen; Da kann ich nicht Nein sagen, 1.Samuel 24,1-8a; Wie ein roter Faden, 2.Samuel 7,11b-18; Sex, Macht und Mord, 2.Samuel 11+12; Mitten ins Herz - David und Absalom, 2.Samuel 13-19; Wer eicht Ihr Leben, 2.Samuel 24,1-4). Als werdender und regierender König zeigte er seine Licht- und Schattenseiten deutlich. Er war ein großartiger mutiger Politiker mit eigener Eingreiftruppe, ein begnadeter Manager und guter Leiter. Große politische Leistungen gingen auf sein Konto wie die Befriedung der ganzen Region um Israel. Aber neben diesen herausragenden Fähigkeiten hören wir davon, dass er verfolgt, angegriffen wurde, mehrmals auf der Flucht war bis ins hohe Alter, mit seiner Kindererziehung letztlich gescheitert ist, weil er nicht nein sagen konnte und in Frauengeschichten verwickelt war. In einer solchen Situation, in der Schatten auf das Leben von David fiel, kann ich mir vorstellen, dass David ein ruhiges Plätzchen aufsuchte und Gott aus tiefstem Herzen anrief. Ein solcher Psalm von David ist uns überliefert: Psalm 139,1-24 HERR, du erforschest mich und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege. Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen. Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin
soll ich fliehen vor deinem Angesicht?
Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich
gebildet im Mutterleibe.
Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten!
Dass doch die Blutgierigen von mir wichen!
"Du kennst mich ja", mit diesem Stoßseufzer begann David sein langes Gebet. Offenbar hatte David eine tiefe Liebesbeziehung zu Gott, denn er traute ihm zu, ihn zu kennen. Gott ließ er an sich heran, um ihm sein Herz auszuschütten. Drei Seiten dieses Kennens thematisierte er:
Ich schaue auf die hinter mir liegende Woche. Verschiedene Szenen treten mir vor Augen. Ein Anruf meines alten Vaters, dass meine Mutter gestürzt ist. Mein Kind, dass in einer schwierigen Frage von mir Hilfestellung erwartete, berufliche Termine, die sich nicht verschieben ließen, obwohl ich eigentlich bei meinen Eltern sein wollte, ein Gespräch, das ungeplant meine ganze Zeiteinteilung über den Haufen geworfen hat. Ja, es war eine hektische und anstrengende Woche, eine Woche, in der ich eigentlich gar nicht viel darüber nachdenken konnte, wie die nächsten Schritte zu gehen sind, ich hatte keine Alternative. Ich musste funktionieren. Und dann hole ich doch den Lehrsatz "Gott begleitet mein ganzes Leben" aus dem Portemonnaie und die Woche bekommt eine ganz andere Farbe. Da haben sich liebe Menschen um meine Eltern gekümmert, meine Hilfe war gar nicht sofort nötig. Das Anliegen meines Kindes wurde zu einer Chance, einen neuen Weg zu beschreiten, das Gespräch war so wichtig, dass es mir Kraft gab, einige Sachen viel schneller als erwartet zu erledigen oder sie einfach ausfallen zu lassen. Ich kann erkennen, dass der Herr mich wirklich kennt und weiß, was ich heute und hier brauche. Er war mir die ganze Zeit zur Seite und diese Geborgenheit habe ich erlebt und will sie in meinem Gedächtnis behalten. Ich kann mich vor Gott nicht verbergen Hier ist wohl ein für uns entscheidender Punkt. Gott als positives Lebensprinzip, das wie ein Schutzengel fungiert, damit sind viele Menschen gerade noch einverstanden. So höre ich es in Bemerkungen über Gott ("da hat Gott uns beschützt") oder lese ich es in manchen Romanen ("da soll sich der alte Herr mal drum kümmern..."). Aber Gott, der wirklich alle Wege mitgeht, auch die verborgenen in der Grau- und Dunkelzone? Die wir uns eigentlich noch nicht mal selbst eingestehen wollen? Da hat er doch eigentlich nichts zu suchen. Das ist nicht die von uns gewünschte Aufgabe Gottes, dass er uns ins Gewissen redet und zur Umkehr bewegt. Da wollen wir vielmehr Trost, weil es auf den grauen Wegen so glitschig ist und uns die Vergangenheit immer wieder verfolgt. Ich glaube, dass alles daran hängt, ob wir Gott als einen uns Liebenden kennen gelernt haben und Jesus Christus uns diese Liebe geschenkt hat. Jesus ist mit uns unterwegs als der menschgewordene Gott, der jeden Weg schon längst gegangen ist, der alles auf sich genommen hat, um uns zurück zu gewinnen, der uns anbietet, mit ihm Gott zu vertrauen und ihn so nah an uns heran zu lassen, dass sich wirklich etwas ändern kann. "Du kennst mich ja", das können wir nur sagen, wenn wir wissen, Gott dreht uns keinen Strick daraus, er will uns nicht in den Abgrund stürzen, aber er will uns auch nicht auf glitschigen Pfaden bestärken und die Schlagsahne unseres selbstgewählten Kuchens sein. Er will uns auf seiner Seite haben, er will uns zum Leben führen. Dafür müssen wir eben auch mal umkehren und neu beginnen. Danke! Betrachten wir noch die letzten beiden Verse: Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege. Die Liebe Gottes, die umgibt, zur Umkehr führt und uns niemals loslässt, führt zu der Bitte Davids, etwas in seinem Leben zu bewirken. Für mich ist das eine ganz wichtige Bitte. Von Gott kann und soll ich etwas erwarten. Er ist nicht nur das Prinzip Geborgenheit, die Kuschelecke, in die ich mich bei Bedarf zurückziehen kann. Er fordert mich heraus zu wachsen, mich zu verändern, so zu werden, wie es ihm Freude macht. Deutlich wird hier, was sich verändern muss, das Herz und das Leben. Das Herz Es geht bei der Frage, was Gott aus unserem Leben machen will, zuerst ums Herz. Die Zeiger können nur machen, was das Uhrwerk vorgibt. Ist das Uhrwerk tot, werden sie sich keinen Schritt bewegen. Ist unsere Beziehung zu Gott tot, werden wir vergeblich an unseren guten Werken herum basteln, sie werden uns Gott nicht näher bringen. Und wie kann das geschehen, uns ins Herz schauen zu lassen? Sicher so einfach und elementar, wie David es uns zeigt, mit Gott zu reden, Jesus zu bitten, dass er Gottes Liebe ins Herz bringt. Dafür hilft es, die Bibel aufzuschlagen und sie zu lesen, andere Christen aufzusuchen und sie um Hilfe zu bitten. Eigentlich genügt schon der erste Satz dieses Abschnitts: "Du kennst mich ja! Hilf mir, mein Leben nach deinem Sinne zu leben." Und er wird helfen. Das Leben Eine sehr ernste Frage ergibt sich daraus. Was muss sich in meinem persönlichen Leben nach Gottes Willen ändern? Welche Wege sind losgelöst von Gott und gehen auf meine Rechnung und welche Wege möchte ich vom Herrn bestimmen lassen? Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich auswähle. Diesen Weg bestimme ich und diesen Weg lasse ich Gott bestimmen. Ich merke, dass das so nicht geht, entweder ganz oder gar nicht. Gottes Wege sind keine Option neben anderen, Jesus ist der Weg, entweder ganz oder gar nicht. Oder ich will intensiv wissen, was Gott mit mir an einem bestimmten Punkt vorhat. Ich frage nach seinem Willen, ich bete um Antwort. Nichts bewegt sich. Und dann treffe ich beim Bibelstudium auf eine Aussage, die genau in meine Frage hinein trifft und ich merke, dass ich die Antwort hätte schon längst wissen müssen. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass Gott sie mir schon gezeigt hatte. Ich erwartete außergewöhnliche Erleuchtung, einen ganz neuen, nie da gewesenen Weg, auf dem noch mit großen Buchstaben mein Name stand. Und in der Bibel hieß es dann ganz einfach "gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch!" Und ich merkte, es ist nicht der außergewöhnliche Weg, sondern der Weg des Gehorsams, jeden Tag neu anderen das Evangelium weiter zu geben und darin Jesus zu folgen. Ich lerne daraus, die Aussagen der Bibel ernster zu nehmen, wirklich nach ihnen zu leben und nicht nach dem Außergewöhnlichen, Designermäßigen zu schielen, das nur für mich passt. Meine Zeiger sollen nicht meine Individualität zum Ausdruck bringen, sondern unserem Herrn die Ehre geben, der das Herz zum Schlagen bringt und den Rhythmus vorgibt. Ich wünsche Ihnen und mir, dass uns das immer besser gelingt und wir mit David voller Überzeugung danke sagen können, dass unser Herr uns umgibt - von allen Seiten und allezeit. Cornelia
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