Die Tür ist offen
Gottesdienst am 09.12.2007

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
die zweite Kerze am Adventskranz brennt. In diesen dunklen Tagen freuen wir uns über ein weiteres Licht, idyllische Nachmittage bei Kerzenschein, vorweihnachtliche Stimmung und vielleicht heute ein wenig Ruhe mitten im Sturm der letzten Tage des Jahres.

Gott kommt zur Welt, diese Aussage ist aber nicht nur Begründung für gemütliche Nachmittage, sondern gleichzeitig Kampfansage an diese Welt und unser Leben. Um den kommenden Herrn zu empfangen, braucht es Vorbereitung. Die Tür ist offenDas Schmücken des Hauses bedeutet, dass wir den kommenden Herrn bei uns erwarten, dass wir ihm durch unsere Lichterketten schon von weitem signalisieren: Wir warten auf dich und sind bereit! Persönlich bedeutet das auch einen inneren Hausputz. Wir können uns fragen: "Wie soll ich dich empfangen und wie begegnen dir?" Gibt es da noch was aufzuräumen, auszumisten, gibt es Themen, die wir bearbeiten sollten, um bereit zu sein für Jesu Ankunft? Ist alles auch in uns so geschmückt wie das Haus von außen?

Im Advent bereiten wir uns ja nicht nur auf das jährlich wiederkommende Fest vor, wie es der Einzelhandel mit seinen jährlich aufgehängten Weihnachtsgirlanden und jährlich angebotenen Waren tut. Nein, wir bereiten uns nicht nur auf ein traditionelles Familienfest vor, sondern auf den wiederkommenden Herrn, der nicht als Baby, sondern als Weltenrichter erscheinen wird. Advent ist für Christen vor allem Vorbereitung auf dieses Ereignis und deshalb weniger Dekorationszeit als vielmehr Umkehr-Ruf.

Adventspost bekam der Seher Johannes auf der Insel Patmos vom auferstandenen Jesus Christus. Ihm wurde mitgeteilt, wie Jesu Kommen in den letzten Tagen dieser Weltzeit aussehen könnte. Doch es war keine allgemeine Mitteilung wie ein Flugblatt, das vom Weihnachtsmann aus dem Rentierschlitten über die Erde verteilt wird, sondern eine sehr persönliche Postsache. Der Seher erhielt zuerst 7 Briefe an 7 Gemeinden in der heutigen Türkei. Diese 7 Gemeinden wurden von Jesus darüber in Kenntnis gesetzt, wie es aus Gottes Perspektive zu jener Zeit um sie stand und welche Verbesserung unbedingt dran war, um sie für Jesu Kommen fit zu machen. Die Briefe geben uns heute einen tieferen Einblick in die Kirchengeschichte der Zeit um 100 n. Chr., in die Mühen der damaligen Gemeinden, ihre Gefahren und ihren Mut. Sie schenken uns aber auch einen Blick auf uns selbst. Wir können diese Gemeindebriefe auch als Briefe an uns lesen und erkennen darin das allgemein Gültige, das für uns genauso entscheidend ist wie für die Gemeinden damals.

Heute werden wir den Brief an die Gemeinde in Philadelphia genauer betrachten, eine kleine Gemeinde in einem kleinen Städtchen im westlichen Teil der heutigen Türkei. Jesus Christus adressierte diesen Brief an den Engel der Gemeinde. Ob dieser Engel die Rolle eines Mittlers zwischen himmlischem Schreiber und irdischer Empfängerin hatte oder ob es der Vorsteher der Gemeinde war, der diesen Brief als erster in die Hand bekommen sollte, ist heute nicht mehr zu entscheiden. Wichtig ist jedoch auch jetzt noch, dass dieser Engel, der den Brief der Gemeinde weitergab, nicht eigene Gedanken und Meinungen zum Besten gab, sondern nur Jesu Worte weiterleitete und so zum Botschafter des Himmels wurde.

Offenbarung 3,7-13

Schreibe an den Engel der Gemeinde in Philadelphia: Er, der heilig ist und Treue hält, er, der den Schlüssel Davids hat - wo er öffnet, kann niemand zuschließen, und wo er zuschließt, kann niemand öffnen -, er lässt euch sagen: 
Ich kenne euer Tun. Ich habe euch eine Tür geöffnet, die niemand zuschließen kann. Eure Kraft ist nur klein. Trotzdem habt ihr euch nach meinem Wort gerichtet und das Bekenntnis zu mir nicht widerrufen. Hört gut zu! Ich werde Menschen zu euch schicken, die zum Satan gehören. Sie werden behaupten, dass sie zum Volk Gottes gehören; aber das ist nicht wahr, sie lügen. Ich werde dafür sorgen, dass sie sich vor euch niederwerfen und euch ehren. Sie werden erkennen, dass ich euch erwählt habe und liebe. Ihr habt mein Wort beherzigt, mit dem ich euch zum Durchhalten aufrief. Darum werde ich euch in der Zeit der Versuchung bewahren, die demnächst über die ganze Erde kommen und alle Menschen auf die Probe stellen wird. Ich komme bald! Haltet fest, was ihr habt, sonst bekommen andere den Siegeskranz! Alle, die durchhalten und den Sieg erringen, werde ich zu einer Säule im Tempel meines Gottes machen, und sie werden immer darin bleiben. Ich werde den Namen meines Gottes auf sie schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes. Diese Stadt ist das neue Jerusalem, das von meinem Gott aus dem Himmel herabkommen wird. Ich werde auch meinen eigenen neuen Namen auf sie schreiben. Wer Ohren hat, soll hören, was der Geist den Gemeinden sagt!

Das Erste: Es gibt in Philadelphia nichts zu tadeln. Jesus ermahnt nicht und legt keinen Finger auf eine offene Wunde. Jesus, so können wir es diesem Gemeindebrief abspüren, will nicht immer nur kritisieren, ein schlechtes Gewissen machen und zu mehr Leistung im Reich Gottes anstacheln. Die Botschaft hier lautet klar und unmissverständlich: Es ist gut in Philadelphia, die Tür zum Himmel ist offen, die Gemeinde ist mit Jesus verbunden.

Das Zweite: Dieser Brief richtet sich an die Gemeinde als Ganze. Einzelne werden nicht benannt. Ob Frau Schulze, Herr König, Otto oder Nathalie hier den gleichen Brief bekommen würden, ist damit nicht gesagt. Vielleicht wären die Einzelzeugnisse in der Gemeinde Philadelphia anders ausgefallen. Darauf kommt es offensichtlich nicht an, sondern auf die Gemeinde, dass die Gemeinschaft so lebt, dass Schwache von Starken unterstützt werden, die Bewährten die Neuen einhaken, Erwachsene die Kinder im Glauben mitnehmen, Jugendliche ihr Glaubensfeuer bei den Müden entfachen. Dieser Blick auf die Gesamtgemeinde, wie sie sich in Philadelphia am Sonntag versammelte, ist wichtiges Korrektiv für unseren Blickwinkel. Mein Leben trägt zum Gemeindeleben bei, ich bin ihr verantwortlich mit meiner Art zu leben. Und ich kann mich hinterfragen lassen, wo mein Platz ist und wo er sein sollte.

Blicken wir auf den Inhalt des Gemeindebriefs, so geht es da um Schlüssel und Türen. Jesus hat die Schlüssel zum Himmel wie einst Elkakim die Schlüssel zum Tempel Davids hatte (Jesaja 22,22). Jesus hat den Himmel aufgeschlossen, das kann keine noch so vorbildliche Gemeinde selbst tun.

Siehe - du hast nur eine kleine Kraft, trotzdem!

... Du hast nach den Worten Jesu gelebt. Du hast festgehalten am Bekenntnis zu Jesus. Die kleine Kraft ist wörtlich zu verstehen. In der Gemeinde Philadelphia waren nicht die mächtigen Politiker und Wirtschaftsbosse. Es waren wohl eher die Unterprivilegierten, die von der Hand in den Mund lebten und nicht auf weichen Kissen der Vorsorge ruhen konnten. Sie haben sich nichts auf ihre eigene Kraft einbilden können, sondern waren abhängig von Gottes Zuwendung.

So ging es ihnen schlechter als den meisten von uns, die wir unseren Alltag sehr wohl auch ohne Gott finanziell und kräftemäßig managen könnten. Es ging ihnen besser als uns, weil sie genau wussten, wer ihnen das Überleben schenkte und wer ihnen die Wege in die Zukunft ebnete. Eine Verwechslung von Gottes und eigener Kraft war bei ihnen nicht möglich. Bei uns ist diese heimtückische Verwechslung tägliche Herausforderung.

Diese Christen lebten nach dem Wort Jesu. Wie sah das konkret für sie aus? Schauen wir uns Evangelium und Briefe an, die an die johannäischen Christen im Neuen Testament adressiert sind, wird schnell klar, worauf es bei ihnen ankam. Nach Jesu Wort zu leben, bedeutete ganz nah bei Jesus und in engem Kontakt des Gebets mit ihm zu stehen (Johannes 15). Es bedeutete, aus dieser Beziehung zu Jesus Früchte hervorzubringen wie ein Weinstock die Trauben heranreifen ließ. Die Früchte der Christen waren vor allem die Liebe zu den Geschwistern der Gemeinde und zu den Menschen, mit denen sie im Umfeld in Beziehung traten (Johannes 17).

Spannender noch als die Frage, wie die Gemeinde damals nach Jesu Willen gelebt hatte, ist die Überlegung, wie sie es heute tun kann. Sicher, die grobe Zielrichtung ist die gleiche. Es geht darum, mit Jesus in engem Kontakt zu stehen, das Gebet zu pflegen, Liebe nach allen Seiten zu praktizieren. Doch es bedarf vielleicht doch der Bodenhaftung dieser großen Worte. Ich möchte dazu drei Faktoren nennen, die helfen können, Jesu Worte umzusetzen. Nach Jesu Worten und Willen zu leben, bedeutet

  1. mit ihm eine innere Beziehung zu leben. Es genügt eben nicht, sich nur nach ihm zu nennen, als wären wir Sippenmitglieder, die den Namen Christen tragen, egal, wie sie sich zur Sippe verhalten. Der Name Christ ist nicht Nachname, der per Geburt oder Heirat weitergegeben wird, sondern ist so etwas wie ein Kosename. Christ kann ich mich nennen, wenn Christus mir nahe steht und ich ihm. Wenn er meinen geheimsten Gedanken erfahren darf und mich mit dem geheimsten Spitznamen rufen darf, den wirklich nur die Eingeweihtesten kennen. Christ kann ich mich nennen, wenn ich Jesus kenne und mir sein Kosename "Retter, Erlöser, Heilender" von den Lippen geht, weil ich ihn selbst so erfahren habe. Diese innere Verbundenheit mit Jesus ermöglicht eine ungeheure Veränderung in mir. Nicht ein Nachname verändert, sondern die liebevolle Anrede und Begegnung mit Jesus.
  2. Um die Beziehung zu leben, brauche ich Input von Jesus. Diese neuen Impulse kommen aus der Bibel, durch den Heiligen Geist und die Lebensumstände. Die Gemeinde in Philadelphia wird keine Bibeln gehabt haben wie wir sie heute selbstverständlich sogar in anonymen Hotelzimmern vorfinden. Aber sie erfuhr Lebensumstände, die ihr Jesu Worte nahe brachten. Sie spürte seinen Heiligen Geist in Situationen der Anfechtung und Bedrängnis. Und es sind auch jetzt oft die Lebensumstände, die uns näher zu Jesus bringen. Dann nämlich, wenn er die einzige Holzplanke ist, die über den reißenden Fluss eines Examens, einer Beziehungskrise, einer Arbeitslosigkeit führt. Dann spüren wir, hier ist Jesus. Nicht nur ein rutschiges Brett, sondern ein starker Arm, an dem wir uns festhalten können.
  3. Um die Beziehung mit Jesus zu leben, brauche ich Öffnung nach außen. Sie ist wie eine Kraft, die für andere da ist. Geben wir die empfangene Zuwendung weiter, werden wir mittel- oder langfristig erleben, dass sich auch unsere Umgebung verändert. Machen Sie die Probe aufs Exempel und gehen Sie zwei Wochen grüßend durch den Ort oder ihren Supermarkt. Dann warten sie nach den zwei Wochen ab. Sie werden merken, die Leute, die von ihnen gegrüßt wurden, grüßen Sie jetzt zuerst. Sie haben durch Ihr Grüßen kleine Türen zu diesen sonst eher unbekannten Leuten geöffnet.
Die Christen in Philadelphia hielten an ihrem Bekenntnis zu Jesus fest, obwohl sie mit Sanktionen rechnen mussten. Sie waren in diesem Punkt ganz anders herausgefordert als wir. Aber es gibt auch für uns genug Möglichkeiten, um unseren Glauben an Jesus zu bekennen. Ich nenne nur Stichworte wie den Sonntag zu heiligen, aus Weihnachten keine Konsumschlacht zu machen (wie unterscheidet sich unser Weihnachten Feiern von dem, wie Leute ohne christlichen Glauben Weihnachten feiern?) oder sich zu Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und häuslicher Gewalt zu verhalten. Hier und an vielen anderen Stellen unserer Gesellschaft werden wir herausgefordert.

Siehe – die Bewährung

Die Tür ist nicht nur zum Himmel aufgeschlossen. Die Tür zur Welt steht auch noch offen. So kann es leicht zu einem Durchzug kommen, dem Machtspiel zwischen Gott und Satan, in dem die Gemeinde Jesu mittendrin steht und sich zu bewähren hat. Was kommt zu uns herein und stellt uns auf die Probe? Ist es die Selbstzufriedenheit, die uns einflüstert, dass wir doch so toll sind? Ist es die Bedürfnislosigkeit, die uns einlullt in dem Gefühl, schon genug Jesus in unserem Leben zu haben? Ist es die Trägheit, die uns einschläfert, wenn Jesus vor uns steht? Es ist leichter, in einem warmen, weichen Bett einzuschlafen, als unter einer zugigen Brücke. Der Alltag kann uns so warm umfangen, dass uns nichts mehr wecken kann, auch nicht Jesu Rufen. Vielleicht steht er an der Tür und will von jemand hier, dass er sein Leben radikal für Jesus einsetzt. Wird der so wach sein, dass er hört und reagiert? Sein Zuhause, seinen Beruf, sein Umfeld aufgibt, um Jesus ans andere Ende der Welt zu folgen? Schwierig, wenn hier alles so festgemauert und bequem eingerichtet ist, leichter, wenn derjenige nur einen Pappkarton mit sich trägt.

Siehe - sie werden erkennen

Die Gemeinde, die sich von der Zugluft nicht in Satans Welt ziehen lässt, sondern bei Jesus bleibt, wird erkennbar für die Umgebung. Die einmal gelästert haben, werden am Tag Christi bekennen müssen, dass die Gemeinde zu Jesus, dem Herrn der Welt, gehört. Ein großer Trost wird hier erkennbar. Jesus öffnet die Augen. Was eine Gemeinde ausmacht, wird Jesus der Umgebung zeigen. Unser Zutun kann nur so aussehen, dass wir es als Ehre ansehen, mit Jesus in dieser Gemeinde gestalten zu dürfen. Wie Kinder, die selig sind, beim Plätzchenbacken helfen zu dürfen. Sie machen meistens nicht die schönsten Plätzchen, aber sie werden wert geachtet, dabei zu sein. Die Eltern nehmen sich Zeit für sie. So macht Jesus es mit uns in der Gemeinde. Er baut sie, er ist der, der Neue hinzu bringt, aber wir dürfen mithelfen, weil Jesus uns so sehr liebt.

Siehe - Jesus kommt bald

Jesus kommt als Weltenrichter, darauf bereiten wir uns in der Adventszeit vor. Er kommt durch die Tür, die er selbst aufgeschlossen hat. Der Zugang zum Himmel ist frei. Doch es gibt die Möglichkeit, dass wir als Gemeinde diese offene Tür zustellen, verkramen, mit unseren Anliegen und Geschäftigkeiten voll stopfen. Ganz bildlich gesprochen: Vor lauter Regalen, die wir mit unserem Zeug füllen, ist die Tür gar nicht mehr sichtbar. Vielleicht wurde sogar ihr Rahmen als Gerüst für ein Regal zweckentfremdet. So warten wir auf den kommenden Herrn, doch wenn er eintreten will, ist kein Platz für ihn. Ich frage mich, welches Regal wir räumen müssen, um Jesus Platz zum Kommen zu machen. Manchmal können wir ihm den Weg schon frei machen, indem wir uns und unsere Befindlichkeiten nicht so wichtig nehmen. Ein Gebet in einer Gebetsgemeinschaft der vergangenen Tage hat mich sehr berührt, als einer, der vor einem schwierigen Examen stand, innig für jemand anderes betete, der eine viel unwichtiger Prüfung absolvieren musste. Kein Wort fiel zu seiner eigenen Situation. Er räumte sein Regal und ließ Jesus mitten hinein in die Gebetsrunde.

Jesus kommt und bringt den Kranz, auf dem alle vier Lichter brennen: Siehe - die Tür zum Himmel ist offen! Siehe - noch zieht es! Siehe - sie werden erkennen! Siehe - Jesus kommt bald!

Mit diesem Adventskranz dürfen wir einziehen in seinen himmlischen Tempel. Dort werden wir mit seinem Namen geschmückt. Dort stehen wir auf sicherem Fundament ihm zugewandt, den Blick auf ihn gerichtet, der uns Sinn und Bestimmung bis in Ewigkeit gibt.

Cornelia Trick


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