Der Familienname verpflichtet
Gottesdienst am 21.05.2006

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
einen Witz zum Thema Familie hörte ich vorgestern. Eine Familie sitzt bei einem festlichen Anlass an der Kaffeetafel. Die Mutter sieht, dass der Kaffee ausgeht und geht in die Küche, um eine neue Kanne aufzusetzen, doch überrascht stellt sie fest, dass das Kaffeepulver fast aufgebraucht ist. Als sie sich wieder an den Tisch setzt, raunt sie ihrem Mann zu: "Du, der Kaffee geht aus." Vielleicht hofft sie, dass er weiß, wie schnell Nachschub organisiert werden kann. Er denkt allerdings in eine ganz andere Richtung und antwortet: "Gut, dass du´s sagst, da nehme ich mir noch schnell den Rest!"

Sicher, ein Witz, so wird das ja an unseren Familientischen nicht passieren. Aber so ganz lässt mich der Witz doch nicht los. Als Familie Gottes sitzen wir um den Tisch des Herrn. Manchmal gebärden wir uns dort so, wie der Mann. Wir sorgen schnell für uns selbst, bevor der Nachschub aufhört. Wir haben nicht immer die ganze Runde im Blick. Wir nennen uns Kinder Gottes und Geschwister Jesu, doch was bedeutet das wirklich?

Im Monat Mai leitet uns ein Satz aus dem Brief des Paulus an die Galater. Die Aussage kann uns helfen, uns als Familie Gottes zu sehen und die Verpflichtung zu erkennen, die aus dieser besonderen Verwandtschaft folgt.

Galater 3,26
Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus.

Das Vorwort

Bevor Paulus mit dem Monatsspruch das Fazit zieht, entfaltet er die zurück liegende Geschichte aus Gottes Perspektive. Ganz am Anfang der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel stand seine Zusage an Abraham. In Abraham, dem Stammvater, sollten alle Nachkommen gesegnet sein. Dieser Segen, so die Auslegung des Paulus, fand sein Ziel in Jesus Christus. War mit Abraham die Gottesbeziehung zu Israel begründet, wird mit Jesus die ganze Menschheit in Gottes offene Arme gerufen. Bis Christus galt für Israel und die anderen Völker das Gesetz, es war wie ein Sklave, der im Haus von reichen Leuten als Aufpasser für die kleinen Kinder angestellt war. Der Sklave erzog die Kinder mit Strenge zum Gehorsam, um aus ihnen verantwortungsvolle Erwachsene werden zu lassen. So hatte das Gesetz nach Paulus die Aufgabe, die Menschheit möglichst unbeschadet vorzubereiten auf Jesu Kommen. Sie sollten Gehorsam gegenüber Gott lernen und bewahrt werden vor dem Bösen.

Jesus Christus konnte den Sklavenaufpasser entlassen, denn er schenkte den Heiligen Geist, der von innen die Menschen verändert, sie wie ein Motor nach Gottes Willen in Bewegung setzt und ihnen die freiwillige Gemeinschaft mit Gott schenkt. Die Gebote sind nun nicht länger Aufpasser, sondern eine Art Bedienungsanleitung, um die Kraft des Motors im Alltag umzusetzen. Dieser Heilige Geist schafft für alle die gleichen Bedingungen. Erst wer an diese Kraftquelle angeschlossen ist, kann die eigenen Kräfte voll zur Entfaltung bringen. So sagt Paulus: "Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in Christus." Alle gehören nach Paulus Vorwort zu Abraham, für alle gilt die Verheißung, alle sind Kinder Gottes durch seinen Geist, der sie mit Jesus Christus verbindet.

Voraussetzung für Kinder Gottes ist, dass sie Jesus durch seinen Geist in sich haben als lebendigen Motor, als Herz des Lebens. Jesus in ihnen macht sie sicher, dass Gott sich ihnen liebevoll wie Vater oder Mutter zuwendet und das Beste für sie will. Ihm können sie vertrauen.

Die Praxis: Als Kind Gottes leben

Paulus spricht davon, dass Menschen mit der Taufe Christus anziehen. Das Bild stammt von dem Taufritual, bei dem dem Täufling mit der Taufe ein neues weißes Gewand übergezogen wurde. Kind im TaufkleidDas neue Kleid symbolisiert den neuen Menschen, der nun mit Gottes Geist lebt. Zur Zeit des Paulus wurden überwiegend Erwachsene getauft, die zum Glauben an Jesus gekommen waren und mit der Taufe sich Gottes Ja zusprechen ließen. Zwar werden vereinzelt auch Taufen von ganzen Hausgemeinschaften erwähnt, doch ist zum damaligen Zeitpunkt noch keine Rede von flächendeckenden Kindertaufen. Die setzten sich erst im 3. Jahrhundert nach Christus durch, als Kinder in christliche Familien hinein geboren wurden und die Eltern dafür Sorge tragen wollten, dass sie im Glauben an Christus erzogen wurden und von Anfang an zum Herrn gehörten. 

Heute müssen wir das Bild des Paulus auf unsere Situation beziehen. Viele von uns sind als Säuglinge getauft worden. Erst später haben wir eine klare Entscheidung für Jesus Christus getroffen. Für die einen war dies ein bewusster Einschnitt, für andere ein langsames Hineinwachsen in das Vertrauen zu Jesus Christus. Vielleicht können wir das Bild des Paulus für uns so auslegen:

Jesus hat uns mit der Taufe sein neues Gewand, die neue Möglichkeit, aus seiner Kraft zu leben, übergezogen. Doch wir haben viele Möglichkeiten, mit diesem Gewand umzugehen. Wir können anderes darüber ziehen, unser Leben von anderen Einflüssen bestimmen lassen. Wir können das Taufkleid in die Schublade stecken oder im Keller einschließen, für Notfälle liegt es bereit. Wir können es aus unserem Gedächtnis streichen wie manche Kleidungsstücke, an die wir erst bei großen Aufräumaktionen wieder erinnert werden. Aber bei diesem speziellen Taufkleid werden wir eine Überraschung erleben. Verkaufen oder verschenken können wir es nicht, es trägt dick und breit unseren Namen und passt nur einem einzigen Menschen auf der Welt, uns. Auch wenn wir das Kleid verstecken, vergessen, wegsperren, es reagiert darauf wie ein Handy, bei dem sich der Akku gerade leert. Es wird sich immer wieder melden, immer wieder in unser Bewusstsein treten. Jesus lässt sich nicht wegsperren. Er ist durch geschlossene Türen zu den Jüngern gekommen, er kommt immer wieder in unser Leben und zeigt sich als der Auferstandene, der uns bei unserem Namen ruft. Und auch zerstören lässt sich das Taufkleid nicht. Es ist aus himmlischem Material gewebt. 

Doch trotz Haltbarkeit, Erinnerungsmelodie, persönlicher Beschriftung wird sich dieses Kleid niemals aufdrängen. Es will bewusst getragen werden. Es will Lieblingskleidungsstück werden, keine Fessel, die man nicht ablegen kann. Das Taufkleid tragen zu wollen ist Glaube, das Vertrauen, dass Gott mich liebt und seinen Sohn Jesus für mich gab. 

Als Kind Gottes zu leben, bedeutet, das Taufkleid bewusst zu tragen, Jesus Motor sein zu lassen und ihm im Leben Platz zu machen. Dieses Ja zu Gott muss immer wieder festgemacht werden, wie wir Hochzeitstage und andere Erinnerungstage feiern. Wo und wann geschieht dieses Bestätigen bei uns? Wann erinnern wir uns, dass Jesus uns angezogen hat mit seinem Geist und seiner Kraft? Wann bekräftigen wir das mit unserem erneuten Ja?

Die Folgen sehen sehr praktisch aus

  • Das Gebet: Kind Gottes zu sein, heißt in erster Linie, mit Gott, dem Vater, und Jesus, dem Bruder, zusammen zu leben, mit ihnen zu kommunizieren. Beten können wir in einer stillen einsamen Ecke, in der wir ganz ungestört und privat alles mit Jesus besprechen können. Beten gehört genauso an den großen Familientisch, an dem die Geschwister beieinander sind. Dort wird der gemeinsame Auftrag und das gemeinsame Leben vor Gott gebracht und besprochen, da geschieht Weisung und neues Planen. Gebetsgemeinschaft ist kein gemeindliches Pflichtprogramm, sondern natürliche Lebensäußerung der neuen Familie der Kinder Gottes.
  • Jesus ähnlich werden: Als ich klein war, haben die Leute oft zu mir gesagt "du kommst ganz nach deinem Vater". Das habe ich nicht so gerne gehört, denn mein Vater kam mir sehr alt vor, er hatte wenig Haare, eine nicht so durchtrainierte Figur. Eine Ähnlichkeit konnte ich äußerlich nicht feststellen. Aber ich hörte auch das Ungesagte. Da trauten mir Leute zu, dass ich auch einmal so werden würde wie mein Vater, den ich abgesehen von seinem Haarwuchs sehr verehrte. Jesus ähnlich zu werden, bedeutet, dass Gott uns zutraut, wie Jesus zu werden, auch wenn wir jetzt noch meilenweit davon entfernt sind. Doch für diese Entwicklung braucht es auch bewusste Entscheidungen. Nicht automatisch entwickeln wir uns in Jesu Richtung, wir brauchen sein Vorbild, auch einen festen Standpunkt und den Willen, uns von Jesus prägen zu lassen. 
Wenn ich meine Handschrift anschaue, kann ich Ihnen versichern, dass sie sich in den letzten Jahrzehnten ständig verändert hat. Ich kann nicht mehr nachvollziehen, wie die Entwicklung stattgefunden hat. Aber ich weiß genau, dass es drei bewusste Entscheidungen waren, die meine Handschrift geprägt haben. Ich wollte das M und das H so schreiben, wie meine Freundin, die in der Schule neben mir saß. Ich wollte sehr klein schreiben, weil ich das bei jemand anderem cool fand. Ich habe bewusst Druckbuchstaben eingebaut, nachdem ich mit meiner Tochter in der ersten Klasse Druckschrift gelernt hatte. Das waren absolut bewusste Entscheidungen, die meine heutige Schrift wesentlich prägen.

So ist es mit meinem Leben mit Jesus. Die Entwicklung meines Glaubens ist unbewusst geschehen, kaum merkbar. Aber ich erinnere mich an bewusste Willensentscheidungen, mit denen ich Jesus näher gekommen bin und die mich voran gebracht haben.

  • Freiheit von Aufpassersklaven: Sobald wir Jesu Kleid tragen, sind die Aufpassersklaven arbeitslos geworden. Sie können uns nicht mehr drohen, das Leben nicht mehr beschränken. Wir sind nur noch von Jesus abhängig. Das durchzubuchstabieren, ist eine große Aufgabe. Es bedeutet, innerlich frei zu werden von Stress, von dem lähmenden Gefühl der Unzulänglichkeit, von der Angst vor der Zukunft, letztlich auch von Immobilien, Arbeitsverträgen und Kontoständen. Ruhe und Geborgenheit gibt es nur zu Hause beim Vater. 
Ich bin Kind Gottes - wir sind Kinder Gottes
Christen sind keine Einzelkinder, sondern Familienmenschen in einer großen Geschwisterschar. Sicher ist das nicht immer harmonisch und idyllisch. Dazu gehören Auseinandersetzungen, auch sehr menschliche Gefühle wie Neid, Verletzung, Hochmut. Doch wie sieht die Alternative aus? Ein Christ allein in der Welt, der die ganze Last der Welt allein trägt? Seine Themen mit niemand wälzen kann, keinen Zuspruch und keine Segenshand empfängt? Dessen Liebe keine Frucht trägt, weil keiner sich zu Jesus einladen lässt, er immer Einzelkind bleibt? Als Christ allein zu bleiben, ist ein Widerspruch in sich, da Christsein ja bedeutet, Frucht zu bringen, Menschen zu Jesus zu führen, dass sie neue Geschwister werden.

Dieses Geschenk der Geschwisterschaft will gestaltet werden. Der Heilige Geist gibt Anleitung und das Neue Testament handelt über weite Strecken von der Möglichkeit der Gemeinschaft trotz zwischenmenschlicher Probleme. Die Gemeinschaft ist aber nicht nur für sich selbst da. Sie hat eine große Aufgabe zu bewältigen, Menschen mit Jesus in Berührung zu bringen und für die Gesellschaft da zu sein. Bewältigen lässt sich diese Aufgabe zuallererst durch das Gebet, die Beziehung zur Kraftquelle und zu Jesus Christus.

Wir feiern heute den Sonntag Rogate, Betet! Er erinnert uns an das große Vorrecht, Jesus darum zu bitten, dass er uns befähigt, unsere Familienaufgabe vor Ort zu erfüllen. Zum Beten gehört natürlich auch, dass wir uns von Jesus sagen lassen, wo er uns braucht, welche Gaben er uns geschenkt hat, die wir einbringen sollen. Doch das gelingt nur in der Gemeinschaft der Kinder Gottes, die sich einig sind, dass ihre Familie gemeinsam eine Aufgabe hat.

Als der Mann feststellte, dass der Kaffee ausging, schenkte er sich die Tasse schnell noch einmal voll. Menschen, die Gottes Kinder heißen, teilen den Kaffee und ziehen los, um neuen Kaffee zu holen. Sie brauchen ihn nicht für sich selbst, sondern für die Gäste, die sie in ihre Familie einladen.

"Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus" - Jetzt liegt es an uns - wollen wir danach auch leben?

Cornelia Trick


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