Den Glauben in der Familie leben (Römer 12,9-16)
Gottesdienst am 30ß.09.2012

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
bei einem Hausbesuch in Frankfurt fiel mir ein leuchtend gelbes Blumenmeer im Garten auf. Die Tagetes, die dort wuchsen kümmerten bei mir im Balkonkasten vor sich hin, ich konnte nicht fassen, dass sie so prächtig wachsen können. Die Gärtnerin klärte mich über ihr Erfolgsrezept auf. Im Herbst sammelte sie die Samen aus den Blüten, die sie im Frühjahr in kleine Töpfchen auf ihren Fensterbänken über den Heizkörpern aussäte. Erst wenn die kleinen Pflänzchen genügend Wurzeln im Frühbeet ausgebildet hatten und die Nachtfröste definitiv vorbei waren, pflanzte sie sie in den Garten.

An dieses üppige Tagetes-Feld wurde ich erinnert, als ich mich unserem heutigen Thema in unserer Reihe „Glaube am Montag“ widmete. Eine Familie kann ein Frühbeet für den Glauben sein. Kinder lernen am Beispiel ihrer Eltern und Großfamilie, Gott zu vertrauen, bei ihm geborgen zu sein und von ihm Richtlinien für das Leben zu empfangen. Die Familie kann die Mitglieder stark machen für ihr Leben in dieser Welt und sie ermutigen, ihre Gaben zu entfalten, auf dass sie blühen wie ein volles Tagetes-Feld.

Doch die Realität sieht oft anders aus. Auch christliche Familien sind nicht immer Frühbeete des Glaubens. Familienmitglieder sind sich uneinig über die Bedeutung Gottes für ihr Leben, Eltern handeln anders, als sie reden, viele Alltagsprobleme wirken wie Nachtfröste, die die jungen Glaubenspflänzchen abtöten.

„Glaube am Montag“ beleuchtet die kleinste Einheit gelebter Gemeinschaft, die Familie. Die Aktion realisiert, dass das Familienleben zuerst unseren Alltag bestimmt, nicht die Gemeinde. Wer morgens beim Aufstehen schon Krach, Missmut und Vorwürfe erlebt, kann seine Sonntagsfreude nicht in den Tag bringen, sie ist erfroren durch seelische Nachtfröste. Andersherum wer morgens Freude, Liebe, Geborgenheit mitbekommt, startet zuversichtlich und kraftvoll in den Tag und kann den Sonntag in den Montag mitnehmen.

Unser heutiger Bibelabschnitt ist etwas unbekannt und schon gar kein gängiger Predigttext. Er richtet sich nicht an ideale, sondern reale Familien. Und sein Fokus reicht über Familienbande noch hinaus. Auch zu Freundschaften hat er etwas zu sagen.

1.Korinther 7,12-14

Im Übrigen sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Christ eine ungläubige Frau hat, die weiterhin bei ihm bleiben will, soll er sich nicht von ihr trennen. Dasselbe gilt für eine Christin, die einen ungläubigen Mann hat: Wenn er bei ihr bleiben will, soll sie sich nicht von ihm trennen.  Sie wird durch die Ehe mit ihm nicht befleckt, denn der ungläubige Mann wird durch die Verbindung mit ihr geheiligt. Das Entsprechende gilt für einen christlichen Mann mit einer ungläubigen Frau. Sonst müsstet ihr auch eure Kinder als befleckt betrachten, aber in Wirklichkeit sind sie doch heilig. (…) Gott hat euch zu einem Leben im Frieden berufen.

Paulus sieht sich in der korinthischen Gemeinde mit einer neuen Situation konfrontiert. Das Evangelium breitet sich im heidnischen Kontext aus, und nicht immer bekehren sich Ehepaare oder Familien gemeinsam. Was sollen nun die Christen tun, wenn sie mit einem ungläubigen Ehepartner verheiratet sind? Färbt der Unglaube auf sie ab, sodass sie den ungläubigen Ehemann schnell verlassen müssen? Paulus nimmt den Korinthern diese Angst. Jesu Kraft, so macht er deutlich, ist die stärkste Macht der Welt. Wenn nun in einer Ehe oder Familienkonstellation Glaube und Unglaube aufeinandertreffen, wird der Glaube an den lebendigen Gott stärker sein. Das Licht siegt über die Finsternis.

Doch Paulus verdeutlicht auch, dass es kein Zusammenleben um jeden Preis geben muss. Wenn der Ungläubige sich trennen will, soll die Frau es akzeptieren und umgekehrt. Zwar wird der Glaube durch den Unglauben nicht erstickt, aber es besteht keine Garantie, dass ein ungläubiger Ehepartner durch die gläubige Frau selbst zum Glauben findet. Überschrift über Ehe und Familie ist Gottes Berufung: zum Frieden hat er berufen, nicht zum Streit und zum Gerangel um den richtigen Glauben.

Heute wissen wir, dass viele weitere Gründe dazu führen können, dass eine Ehe nicht fortgesetzt werden kann. Sich bewusst zu machen, dass Gottes Überschrift über einer Lebensgemeinschaft „Friede“ ist, hilft, zu klären, ob eine Beziehung bestehen bleiben kann oder nicht.

Auch die Kinder bezieht Paulus in seine Überlegungen mit ein. Gottes Geist wird auch sie erreichen. Er ist stärker als die Kräfte, die das Kind von Gott wegziehen. Gottes Geist wirkt, wo nur eine kleine Herzenstür in der Familie offen ist, ihn einzulassen.

Paulus spricht hier davon, dass der Ungläubige durch die Gläubige geheiligt ist. Damit ist nicht gemeint, dass er durch seine Frau eine „passive Mitgliedschaft“ im Reich Gottes hat. Er wird nicht zwangsgerettet, obwohl er es nicht will. Geheiligt durch die Frau oder geheiligt durch den Mann, wenn der Mann Christ ist, lässt sich eher mit dem Effekt eines Scheinwerfers vergleichen. Der ungläubige Part wird von Jesus Christus durch den gläubigen angestrahlt. Er darf die wärmende Nähe Jesu erleben, darf teilhaben an Glaubenserfahrungen der anderen, wird in diese Liebe werbend hineingenommen und lernt sie so intensiv kennen. Doch das Scheinwerferlicht reicht nicht bis in die innersten Winkel der Seele hinein, es bleibt sozusagen im Vorgarten der Seele, macht Appetit auf mehr, was nur durch eigenes Öffnen für Gottes Gegenwart möglich ist. 

Paulus zeichnet im Sinne Jesu eine Familie, in der jede und jeder selbst verantwortlich für seinen Glauben ist. Wer Jesus in sein Leben aufgenommen hat, strahlt andere Familienmitglieder an.  Die Familie wird zum Frühbeet des Glaubens, Gottes Liebe, seine Wärme und Annahme schenken ungeahnte Wachstumsmöglichkeiten. Je mehr Familienmitglieder Jesus nachfolgen,  desto weiter reicht die Strahlkraft der Familie über sich selbst hinaus in die Umgebung. 

Wie können wir dazu beitragen, dass unsere Familien hell werden und andere von ihrem Licht erreicht werden? Denn was wir in unseren Familienbeziehungen lernen, wird sich auf unsere Gemeindebeziehungen und Alltagskontakte auswirken. Wie das Frühbeet der Schlüssel zu einem prächtigen Blumenbeet ist, so kann auch diese primäre Lebensgemeinschaft Grundlage für eine große Ausstrahlung sein.

Vertrauen

In der ältesten Familiengeschichte der Bibel lernen wir die Brüder Kain und Abel kennen. Kain ist neidisch auf Abel und bringt ihn um. Von Gott nach seinem Bruder gefragt, antwortet er: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ Mal ehrlich, wer von uns wollte Bruder oder Schwester von Kain sein? Oder noch besser, mit Kain allein in den Feldern spazieren gehen? Schon in der ersten Familie gab es Neid und Hass, was wundert es, dass diese Themen bis heute gegenwärtig sind? Jesus gibt uns ein neues Selbstwertgefühl. Wir sind nicht besser oder schlechter als der Bruder, die Schwester, der Ehepartner oder die Ehefrau. Wir sind Geliebte Gottes, seine Kinder. Wir brauchen nicht stark oder intelligent zu sein, es reicht, wenn wir Jesus an unserer Seite wissen. Und so kann auch Vertrauen zueinander wachsen. Wir stehen nicht im Wettbewerb um die Gunst, sondern sind miteinander auf dem Weg. Mitgefühl und Mitfreude können wachsen, Anteilnahme am Ergehen und tiefe Gemeinschaft. Diese Haltung ist nicht abhängig davon, ob der Ehepartner auch Christ ist. Es geht zuerst um mich. Bin ich bereit, mich als Kind Gottes zu verstehen, das von Gott geliebt ist? Bin ich bereit, dem anderen zu vertrauen, weil ich mich nicht vor ihm fürchten muss? Bin ich bereit, mich für ihn zu investieren? Das sind die Scheinwerferstrahlen, die den anderen in Gottes Licht tauchen.

Vergebung

Eine andere Familiengeschichte handelt vom Vater mit seinen zwei Söhnen. Der Vater reist dem davongeeilten Sohn nicht nach, er steckt ihm nicht heimlich Geld zu, um den sozialen Abstieg des Sohnes zu verhindern. Er nimmt nicht einfach hin, dass er verletzt wurde, er deckt nicht zu und redet schön, sondern er wartet auf die Umkehr. Doch dann ist er bereit, den Neuanfang zu wagen und das Alte wirklich hinter sich zu lassen. Der ältere Bruder des verlorenen Sohnes kann das nicht. Er grollt, dass der Bruder wieder aufgenommen wurde. Wie gehen wir in der Familie mit Schuld um? Lassen wir alles unter der Decke weiterschmoren, sodass sich aus einem Schwelbrand ein großes Unglück entwickeln kann? Vergeben wir wirklich von Herzen und fangen neu an, oder schleppen wir unvergebene Geschichten mit uns herum wie der ältere Sohn? Und müssen wir vielleicht Klarheit schaffen, wo Schuld uns belastet und bereinigt werden muss? Es ist nicht schwer zu erkennen, dass Familie nur so Frühbeet des Glaubens sein kann, wo die Wurzeln nicht faulen in Altlasten, die wir zu feige sind anzupacken.

Entwicklung

Tagetes-Pflänzchen wachsen auf der Fensterbank zu starken Stauden. Die Familie sollte genauso im Glauben wachsen und stark werden. Das geschieht in herausfordernden Zeiten, wo Hilfe Gottes besonders existentiell erfahren wird. Es geschieht dort, wo wir lernen, unsere Wut und unseren Zorn zu zügeln, um nicht kaputt zu machen, was in Gottes Licht gewachsen ist. Es geschieht, wo wir einander helfen, den Willen Gottes immer besser zu erkennen, und einander korrigieren. Wo, wenn nicht in diesem vertrauten Umfeld, können wir Neues ausprobieren und Neues einüben.

Für andere da Sein

Familie ist nicht nur Selbstzweck, sondern Gottes Licht will durch die Familie in die Umgebung strahlen. In der Bibel lernen wir die Geschwister Maria, Martha und Lazarus kennen. Viel erfahren wir nicht von ihnen, aber dass sie für heutige Verhältnisse extrem gastfreundlich waren. Wenn Jesus mit seinen 12 Jüngern bei ihnen in Bethanien vorbei kam, nahmen sie ihn auf. Sie kochten dann für 13 Menschen zusätzlich, und man kann davon ausgehen, dass sie nicht Rockefeller waren, sondern ganz normale Leute wie du und ich. Sie öffneten ihr Haus, teilten ihr Essen und waren am Ende selbst die von Jesus Beschenkten. Für wen ist unsere Familie da? Wen nehmen wir auf, wen begleiten wir und um was kümmern wir uns? Gemeinsame Aufgaben halten zusammen und lassen den Glauben automatisch Thema werden. Denn wir werden Gottes Kraft brauchen, um miteinander etwas zu bewegen.

Familie ist Frühbeet des Glaubens, für ungläubige Partner, für Kinder und Eltern, für die Großfamilie. Der Glaube wirkt, wenn wir Jesu Licht durch uns scheinen lassen, nicht wenn wir nur davon reden. Der Glaube beleuchtet nicht uns selbst, sondern strahlt auf die Familienmitglieder und die Umgebung aus. Sie erleben die Auswirkungen unserer Beziehung zu Jesus Christus, das ist Werbung im besten Sinne. Aber es ist eine schwierige Herausforderung, denn Familie leben wir rund um die Uhr, nicht nur ein paar Stunden bei der Arbeit. Dafür brauchen wir Unterstützung aus unserem Hauskreis, aus der Gemeinde. Menschen, die für uns beten, die selbst Ausstrahlung haben und uns unterstützen können.

Das Licht scheint in der Finsternis und macht sie hell, diese Zusage haben wir. Christus ist das Licht auch in unseren Ehen und Familien. Er ist stärker als alle Dunkelheiten und er kann helfen, dass wir in seinem Frieden unsere Beziehungen gestalten.

Cornelia Trick


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